Vielleicht weiß der oder die ein oder andere von meinen Leser°Innen, dass ich neben dem Betrieb von PhantaNews und dem IT- und Design-Brotjob auch künstlerisch unterwegs bin, genauer gesagt im Bereich Rendern, und/oder »Computerkunst«. Subsummiert man alles, was ich so in dem Bereich getan habe, mache ich das seit ca. 2004. Und zwar unter dem Künstlernamen Xanathon. Man kann sich beispielsweise bei DeviantArt ansehen, was ich in dem Bereich so gestalte, aber auch auf Facebook, oder auf der Verkaufsplattform Werk Aan De Muur. Abgesehen von den Auftritten im Netz finden ich und meine Kunst aber auch seit vielen Jahren in der Realität auf Veranstaltungen statt.
Da im vergangenen September mein Personalausweis auslief und erneuert werden musste, wollte ich gern, dass der Künstlername in den neuen ePerso eingetragen wird. Das hatte verschiedene Gründe, unter anderem aber auch, dass ich Dinge die ich als Künstler tue, rechtlich eindeutig von denen die ich beruflich tue abgrenzen wollte. Meiner Ansicht nach erfüllte ich die zuvor von mir recherchierten Voraussetzungen problemlos und stellte unter Beifügung zahlloser Nachweise einen Antrag bei der Stadt Remscheid. Der wurde durch den Verantwortlichen abgelehnt, mit in meinen Augen hanebüchenen Begründungen, weswegen ich Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einreichen musste.
Kurz vor Weihnachten erreichte mich ein schönes Geschenk: Die Stadt Remscheid hat die Klage verloren und muss den Künstlernamen eintragen. Das Urteil ist sehr eindeutig und eine grobe Klatsche für die Verantwortlichen bei der Stadt – und ich hatte völlig recht damit, dass die Ablehnungsgründe hanebüchen waren.
Ich möchte an dieser Stelle über ein paar Details berichten, da das vielleicht auch anderen Künstler°Innen mit ähnlichen Problemen hilft.
»Metaverse« ist eins der aktuellen Buzzwörter, die vielleicht noch nicht überall angekommen sein mögen (insbesondere nicht in Schland). Aber spätestens seit Facebook-Chef Zuckerberg das zur Chefsache erklärt und seinen Konzern deswegen sogar in Meta umbenannt hat, bekommt so manch eine mit, dass da was am Kochen ist.
Eine Beschreibung was dieses Metaverse eigentlich ist, stellt sich immer noch als komplex dar, manche nennen es zudem auch noch Web3, was das ganze nicht erleichtert.
Ich hatte es immer wieder mal an verschiedenen Stellen thematisiert: Es ist eine extrem schlechte Idee für nonprofit-Projekte oder kleine Selbstständige, Facebook als alleinige Werbeplattform zu nutzen. Das gilt auch für instagram, denn das ist derselbe Laden. Der Grund: Man ist vollständig von der Plattform abhängig – und die kann einem von heute auf morgen die Luft abdrehen, sprich: einen unsichtbar machen oder gar die Seite sperren. Auf einen wie auch immer gearteten Support darf man nicht hoffen, die reagieren maximal dann, wenn man auch immer brav Werbebudgets investiert. Und selbst dann herrscht allzu oft das Schweigen im Walde.
Ein besonders krasses Beispiel ist Fabian Mauruschats Webseite Fischpott (Gruß aus Remscheid über den Berg nach Wuppertal), die sich mit Themen wie Games oder Büchern befasst, also völlig harmloser Content ganz ähnlich wie hier auf PhantaNews – sollte man meinen. Denn die Seite wurde von Facebook Anfang 2020 unsichtbar gemacht.
Lassen wir den Betreiber selbst zu Wort kommen, um die Situation zu erklären:
Der nachfolgende Text stammt von der Electronic Frontier Foundation, genauer gesagt Cory Doctorow, und die EFF hat ihn den Mitgliedern des EU-Parlaments zugestellt, die im Trilog über die europäische Urheberrechtsreform verhandeln. Der Text erschien zudem auf der Webseite der EFF und steht unter der Creative Commons Lizenz CC-BY. Die Übersetzung steht ebenfalls unter dieser Lizenz.
Heute hat die Electronic Frontier Foundation jedem Mitglied der EU-Gremien, das über den endgültigen Entwurf der neuen Urheberrechtsrichtlinie in den Sitzungen des »Trilogs« verhandelt, den folgenden Text übermittelt.
Die Notiz beschreibt unsere schwerwiegenden Bedenken über die strukturellen Unzulänglichkeiten und das Missbrauchspotenzial in den spät hinzugefügten und höchst umstrittenen Artikeln 11 und 13, die bezahlte Lizenzen für Links zu Zeitungsseiten erfordern (Artikel 11) und die öffentliche Kommunikation zensieren, wenn sie mit Einträgen in einer Datenbank mit urheberrechtlich geschützten Werken übereinstimmen (Artikel 13).
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Ich schreibe Ihnen heute im Namen der Electronic Frontier Foundation, um dringende Fragen im Zusammenhang mit den Artikeln 11 und 13 des bevorstehenden Urheberrechts in der digitalen Binnenmarktrichtlinie anzusprechen, die derzeit in den Trilogen diskutiert werden.
Die Electronic Frontier Foundation ist die führende gemeinnützige Organisation zur Verteidigung der Bürgerrechte in der digitalen Welt. Die 1990 gegründete EFF setzt sich für den Schutz der Privatsphäre der Nutzer, die freie Meinungsäußerung und Innovation durch Rechtsstreitigkeiten, Politikanalyse, Basisaktivismus und Technologieentwicklung ein. Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte und Freiheiten mit zunehmender Nutzung der Technologie verbessert und geschützt werden. Wir werden von über 37.000 Spendenmitgliedern auf der ganzen Welt unterstützt, darunter rund dreitausend innerhalb der Europäischen Union.
Wir glauben, dass die Artikel 11 und 13 unbedacht sind und nicht EU-Recht sein sollten, aber selbst wenn man annimmt, dass Systeme wie die in den Artikeln 11 und 13 vorgesehenen wünschenswert sind, enthält der vorgeschlagene Text der Artikel sowohl im Text des Parlaments als auch im Text des Rates erhebliche Mängel, die ihren erklärten Zweck untergraben und gleichzeitig die grundlegenden Menschenrechte der Europäer auf freie Meinungsäußerung, ordnungsgemäßes Verfahren und Privatsphäre gefährden.
Wir hoffen, dass die detaillierte Aufzählung dieser Mängel im Folgenden dazu führen wird, dass Sie die Aufnahme der Artikel 11 und 13 in die Richtlinie insgesamt überdenken, aber selbst für den bedauerlichen Fall, dass die Artikel 11 und 13 in der dem Plenum vorgelegten Endversion erscheinen, hoffen wir, dass Sie Maßnahmen ergreifen werden, um diese Risiken zu minimieren, die sich erheblich auf die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten und ihre Anfälligkeit gegenüber den Klagen vor den europäischen Gerichten auswirken werden.
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Artikel 13: Falsche Urheberrechtsansprüche nehmen zu, wenn es an klaren Beweisstandards oder Folgen für unrichtige Ansprüche mangelt.
Basierend auf der jahrzehntelangen Erfahrung der EFF mit Notice-and-Take-Down-Regimes in den Vereinigten Staaten und privaten Urheberrechtsfiltern wie YouTubes ContentID wissen wir, dass die niedrigen Beweismittel, die für Urheberrechtsbeschwerden erforderlich sind, in Verbindung mit dem Fehlen von Folgen für falsche Urheberrechtsansprüche eine Form des moralischen Risikos sind, die zu unrechtmäßigen Zensurhandlungen führen, sowohl aufgrund von vorsätzlichen als auch unbeabsichtigten falschen Urheberrechtsansprüchen.
So behaupten beispielsweise Rechteinhaber mit Zugriff auf das ContentID-System von YouTube systematisch Urheberrechte, die ihnen nicht gehören. Der Workflow der Nachrichtenveranstalter beinhaltet das automatische Hochladen der Nachrichten in Urheberrechtsfilter ohne menschliche Aufsicht, obwohl die Nachrichtensendungen oft audiovisuelles Material enthalten, dessen Urheberrechte nicht dem Sender gehören – öffentlich-rechtliches Material, Material, das unter Einschränkung oder Ausnahme des Urheberrechts verwendet wird, oder Material, das von Dritten lizenziert wird. Diese Unachtsamkeit hat vorhersehbare Folgen: Andere – einschließlich gutgläubiger Rechteinhaber -, die berechtigt sind, die von den Medienhäusern beanspruchten Materialien hochzuladen, werden von YouTube blockiert, erhalten vom System einen Urheberrechtsstreit und können mit der Entfernung aller ihrer Materialien rechnen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Mars-Lander-Material der NASA wurde von Nachrichtensendern ausgestrahlt, die fälschlich das Urheberrecht an dem Video beanspruchten, indem sie den Livestream der NASA in ihre Nachrichtensendungen aufgenommen hatten, die dann in die ContentID-Datenbank mit urheberrechtlich geschützten Werken aufgenommen wurden. Als die NASA selbst später versuchte, ihr Filmmaterial hochzuladen, blockierte YouTube den Upload und vermerkte einen Urheberrechtsverstoß durch die NASA.
In anderen Fällen vernachlässigen die Rechteinhaber die Beschränkungen und Ausnahmen vom Urheberrecht, wenn sie versuchen, Inhalte zu entfernen. So bestand beispielsweise die Universal Music Group darauf, ein Video zu entfernen, das von einer unserer Klientinnen, Stephanie Lenz, hochgeladen wurde und das im Hintergrund zufällig Audiodateien eines Prince-Songs enthielt. Selbst während des YouTube-Beschwerdeverfahrens weigerte sich UMG, zuzugeben, dass Frau Lenz’ beiläufige Einbeziehung der Musik ein fairer Gebrauch war – obwohl diese Analyse schließlich von einem US-Bundesrichter bestätigt wurde. Lenz’ Fall dauerte mehr als zehn Jahre, vor allem aufgrund der Unnachgiebigkeit von Universal, und Teile des Falles verweilen immer noch bei den Gerichten.
Schließlich haben die niedrigen Beweisstandards für den Takedown und das Fehlen von Strafen für Missbrauch zu völlig vorhersehbaren Missbräuchen geführt. Falsche Urheberrechtsansprüche wurden verwendet, um Whistleblower-Memos zu unterdrücken, die Fehler in der Wahlsicherheit, Beweise für Polizeibrutalität und Streitigkeiten über wissenschaftliche Veröffentlichungen enthielten.
Artikel 13 sieht vor, dass Plattformen Systeme schaffen werden, die Tausende von Urheberrechtsansprüchen auf einmal, von allen Beteiligten, ohne Strafe für Fehler oder falsche Ansprüche zulassen. Dies ist ein Rezept für Missbrauch und dagegen muss angegangen werden.
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Artikel 13 Empfehlungen
Um den Missbrauch zu begrenzen, muss Artikel 13 zumindest einen starken Identitätsnachweis von denen verlangen, die versuchen, Werke in die Datenbank eines Online-Dienstleisters mit urheberrechtlich geschützten Werken aufzunehmen und den ständigen Zugang zum Haftungsregime von Artikel 13 davon abhängig zu machen, dass ein sauberer Nachweis über falsche Urheberrechtsansprüche geführt wird.
Rechteinhaber, die Urheberrechtsansprüche an Online-Dienstleister geltend machen wollen, sollten einen hohen Identifikationsschwellenwert einhalten, der festlegt, wer sie sind und wo sie oder ihr Vertreter für Dienstleistungen erreichbar sind. Diese Informationen sollten Personen, deren Werke entfernt wurden, zur Verfügung stehen, damit sie Rechtsbehelfe einlegen können, wenn sie glauben, dass ihnen Unrecht getan wurde.
Für den Fall, dass Rechteinhaber wiederholt falsche Urheberrechtsansprüche geltend machen, sollte Online-Dienstleistern erlaubt sein, sie von ihrer Liste der vertrauten Anspruchsberechtigten zu streichen, so dass diese Rechteinhaber darauf zurückgreifen müssen, gerichtliche Verfügungen – mit ihrem höheren Beweisstandard – zur Entfernung von Materialien zu erwirken.
Dies würde erfordern, dass Online-Dienstleister von der Haftungsregelung nach Artikel 13 für Ansprüche von ausgeschiedenen Klägern immunisiert werden. Ein Rechteinhaber, der das System missbraucht, sollte nicht erwarten, dass er sich später darauf berufen kann, um seine Rechte überwachen zu lassen. Diese Abwehr sollte die Verschleierung Dritter durchbrechen, die stellvertretend für die Rechteinhaber tätig werden (»Rechteverwertungsgesellschaften«), wobei sowohl der Dritte als auch der Rechteinhaber, in dessen Namen sie handeln, von den Privilegien des Artikels 13 ausgeschlossen werden, falls sie das System wiederholt missbrauchen. Andernfalls könnten böswillige Akteure (»Copyright-Trolle«) von einem Unternehmen zur anderen springen und sie als Schutzschild für wiederholte Handlungen der ungerechtfertigten Zensur nutzen.
Online-Dienstleister sollten in der Lage sein, einen Rechteinhaber, der von einem anderen Anbieter als missbräuchlich im Sinne von Artikel 13 befunden wurde, vorbeugend auszuschließen.
Statistiken über die Takedowns nach Artikel 13 sollten öffentlich zugänglich sein: wer behauptete welche Urheberrechte, wer behauptete falsche Urheberrechtsansprüche, und wie oft jeder Urheberrechtsanspruch zur Entfernung eines Werkes verwendet wurde.
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Artikel 11: Links sind nicht mit ausreichender Granularität definiert und sollten harmonisierte Einschränkungen und Ausnahmen enthalten.
Die bestehende Sprache von Artikel 11 definiert nicht, wann ein Angebot einer lizenzpflichtigen Nutzung entspricht, obwohl die Befürworter argumentiert haben, dass das Zitieren von mehr als einem einzelnen Wort eine Lizenz erfordert.
Der endgültige Text muss diese Unklarheit beseitigen, indem er einen klaren sicheren Bereich für die Nutzer schafft, und sicherstellen, dass es einen einheitlichen Satz von europaweiten Ausnahmen und Beschränkungen für das neue Pseudo-Copyright der Nachrichtenmedien gibt, die sicherstellen, dass sie ihre Macht nicht übersteigert ausnutzen.
Darüber hinaus sollte der Text davor schützen, dass dominante Akteure (Google, Facebook, die Nachrichtenriesen) Lizenzvereinbarungen abschließen, die alle anderen ausschließen.
Nachrichtenseiten sollten die Möglichkeit haben, sich von der Pflicht zur Lizenzierung eingehender Links zu befreien (damit andere Dienste vertrauensvoll und ohne Angst vor Klagen auf sie verlinken können), aber diese Opt-Outs müssen für alle und jeden und für alle Dienste gelten, so dass das Gesetz nicht die Marktmacht von Google oder Facebook erhöht, indem es ihnen erlaubt, eine exklusive Befreiung von der Link-Steuer auszuhandeln, während kleinere Wettbewerber mit Lizenzgebühren belastet werden.
Im Rahmen der laufenden Verhandlungen muss der Gesetzestext eindeutig werden, um eine klare Definition von »nichtkommerzieller, persönlicher Verlinkung« festzulegen, in der geklärt wird, ob die Verlinkung in persönlicher Eigenschaft von einer gewinnorientierten Blogging- oder Social-Media-Plattform eine Lizenz erfordert, und in der festgelegt wird, dass (zum Beispiel) ein persönlicher Blog mit Anzeigen oder Affiliate-Links zur Deckung der Hostingkosten »nichtkommerziell« ist.
Abschließend möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass die oben aufgezählten Mängel lediglich diejenigen Elemente der Artikel 11 und 13 sind, die inkohärent oder nicht zweckmäßig sind. Die Artikel 11 und 13 sind jedoch grundsätzlich schlechte Ideen, die in der Richtlinie keinen Platz haben. Anstatt einige stückweise Korrekturen an den eklatantesten Problemen in diesen Artikeln vorzunehmen, sollte der Trilog einen einfacheren Ansatz verfolgen und sie vollständig aus der Richtlinie streichen.
Vielen Dank,
Cory Doctorow
Sonderberater der Electronic Frontier Foundation
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator, Übersetzung überarbeitet von Stefan Holzhauer
Eine kurze Erinnerung: Nach dem Artikel 13 der neuen Urheberrechtsdirektive muss jeder der eine (hinreichend große) Plattform betreibt, auf der Personen Dinge posten können, die möglicherweise einem Urheberrecht unterliegen (Dinge wie Text, Bilder, Videos, Programmcode, Spiele, Audio, etc.) eine Datenbank mit »urheberrechtlich geschütztem Material« crowdsourcen müssen, für das die Nutzer keine Berechtigung haben es zu teilen, und alles blocken, das möglicherweise einem Eintrag in der Datenbank entspricht.
In diese Blacklist-Datenbanken wird so ziemlich jeder alles eintragen lassen können (immerhin kann jede/r urheberrechtlich geschützte Werke erstellen): Das bedeutet, dass Milliarden Menschen auf der ganzen Welt in der Lage sein werden, so ziemlich alles in diese Blacklisten zu laden, und das ohne nachweisen zu müssen, dass sie das Urheberrecht daran tatsächlich halten (und auch ohne nachweisen zu müssen, dass ihre Einreichungen überhaupt urheberrechtlich geschützt sind). Die Richtlinie sieht keinerlei Bestrafung dafür vor, dass jemand fälschlich behauptet sein Urheberrecht werde verletzt – und eine Plattform die sich entscheidet jemanden zu blockieren, weil er wiederholt falsche angaben gemacht hat, läuft in das Risiko gegenüber dem Missbrauchenden verantwortlich zu sein, wenn dann doch mal jemand etwas postet an dem derjenige die Rechte hält.
Das Hauptziel dieser Zensurpläne sind die sozialen Medien – und es ist das »sozial«, über das wir alle mal nachdenken sollten.
Und das weil die Währung der sozialen Medien die soziale Interaktion zwischen den Nutzern ist. Ich poste etwas, Du antwortest, eine dritte Person klinkt sich ein, ich antworte, und so weiter.
Nehmen wir mal eine hypothetische Twitter-Diskussion zwischen drei Nutzern an: Alice (eine Amerikanerin), Bob (ein Bulgare) und Carol (eine Kanadierin).
Alice postet ein Bild eines politischen Marsches: Tausende Protestierende und Gegenprotestierende, alle wedeln mit Transparenten. Wie es auf derganzenWeltüblich ist beinhalten diese Transparente auch urheberrechtlich geschützte Bilder, nach US-Recht ist das unter der »fair use«-Klausel möglich, die Parodien erlaubt. Weil Twitter seinen Nutzern ermöglicht signifikante Mengen an nutzergeneriertem Content zu kommunizieren fällt die Plattform unter den Geltungsbereich des Artikels 13.
Bob lebt in Bulgarien, einem Mitgliedsland der EU, dessen Urheberrechtsgesetz Parodie nicht erlaubt. Er will vielleicht mit einem Zitat des bulgarischen Dissidenten Georgi Markov antworten, dessen Werke in den späten 1970ern ins Englische übersetzt wurden und die noch dem Urheberrecht unterliegen.
Carol, eine Kanadierin, die Bob und Alice deswegen gefunden hat, weil sie alle DOCTOR WHO lieben, entscheidet sich, ein geistreiches Mem aus THE MARK OF THE RANI zu posten, einer Episode aus dem Jahr 1985, in der Colin Baker in der Zeit zurück reist, um die Ludditen-Proteste des 19. Jahrhunderts mitzuerleben.
Alice, Bob und Carol drücken sich alle durch die Nutzung urheberrechtlich geschützten kulturellen Materials aus, auf eine Art und Weise, die in Zukunft im Rahmen der meinungsunterdrückenden Urheberrechtsprechung der EU illegal wäre. Unter den heutigen Systemen muss die Plattform nur dann in Aktion treten, wenn sie darauf reagieren müssen, dass jemand sein Urheberrecht für verletzt hält und sich gegen eine Nutzung ausspricht. Bis dahin kann aber jeder jeden Post von anderen sehen und eine Diskussion mit Mitteln führen, die in unseren modernen, digitalen Diskursen vollkommen normal sind.
Doch sobald Artikel 13 in Kraft ist, sieht sich Twitter vor ein unlösbares Problem gestellt: Der Filter gemäß Artikel 13 wird von Alices witzigen Transparenten ebenso getriggert wie von Bobs politischem Zitat und Carols DOCTOR WHO Mem, doch theoretisch muss Twitter das urheberrechtsverletzende Material nur vor Bob verbergen.
Sollte Twitter die Nachrichten von Alice und Carol vor Bob verbergen? Falls Bobs Zitat in Bulgarien zensiert wird, sollte Twitter es Alice und carol zeigen (es aber vor Bob selbst, der es gepostet hat, verbergen)? Was, wenn Bob nach außerhalb der EU reist und dort mal in seine Timeline schaut? Oder wenn Alice Bob in Bulgarien wegen einer DOCTOR WHO Convention besucht, und dann versucht den Thread aufzurufen? Und denkt dabei immer daran, dass es keinen Weg gibt sicher zu sein, von woher ein Besucher einer Webseite kommt.
Die gefährliche aber simple Option ist es, alle Twitter-Nachrichten der europäischen Urheberrechts-Zensur zu unterwerfen, eine Katastrophe für die Online-Kommunikation.
Und natürlich geht es nicht nur um Twitter: Jeder Plattform mit Benutzern aus der EU wird dieses Problem lösen müssen. Google, Facebook, LinkedIn, Instagram, Tiktok, Snapchat, flickr, Tumblr – jeder Anbieter wird sich damit auseinandersetzen müssen.
Durch die Einführung des Artikels 13 erschafft die EU ein System in dem Urheberrechts-Beschwerdeführer einen gewaltigen Knüppel erhalten, mit dem sie das Internet verprügeln können, in dem Personen, die diese Macht missbrauchen, keinerlei Strafen befürchten müssen, und in dem Plattformen, die auf Seite der freien Meinungsäußerungen Fehler machen, diesen Knüppel mitten ins Gesicht bekommen werden.
Während die Zensurpläne der EU auf den nächsten Schritten hin zu ihrer Umsetzung sind, um für die gesamte EU bindend zu werden, ist die gesamte Welt betroffen – aber nur eine handvoll ernannter Verhandlungsführer haben eine Stimme.
Falls Du ein Europäer bist, dann wäre der Rest der Welt Dir sehr dankbar, wenn Du dir einen Moment Zeit nehmen würdest, um Deinen Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu kontaktieren, und dringend darum zu bitten uns alle in der neuen Urheberrechtsdirektive zu schützen [und nicht nur die Konzerne].
Anmerkung des Übersetzers: Und das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem, was auf die ganze Welt zukommen würde, wenn die technisch und inhaltlich handwerklich mangelhaft gemachten EU-Urheberrechtsrichtlinien zu Gesetzen werden. Weil zu viele EU-Politiker entweder den Konzernen hörig sind, oder keine Ahnung von dem haben, was sie da tun, wird das Internet irreparabel beschädigt und die freie Meinungsäußerung massiv eingeschränkt, unter dem Deckmantel des Urheberrechtsschutzes.
Europa hat gerade dafür gestimmt, das Internet zu ruinieren, so ziemlich alles zu überwachen und große Teile unserer Kommunikation zu zensieren.
[Anmerkung: bei diesem Text handelt es sich um die Übersetzung eines Artikels von Cory Doctorow auf BoingBoing vom 12. September 2018]
Lobbyisten für »Urheber« haben sich mit den großen Unterhaltungsfirmen und den Zeitungsverlegern zusammengetan und schafften es, dass die neue [europäische] Urheberrechtsdirektive heute morgen mit Haaresbreite verabschiedet wurde. Es handelt sich um einen Akt äußerst gewissenlosen Handelns; der Schaden für Künstler die von ihrer Kunst leben wird nur noch übertroffen vom Schaden für jedermann der das Internet für alles andere nutzt.
Vorwort zur Neuveröffentlichung: Dieser Text erschien ursprünglich im April 2010 (also bereits vor sagenhaften sechs Jahren) auf dem alten Artikelportal von PhantaNews. Aus gegebenem Anlass habe ich ihn jetzt hierher übertragen, denn er erscheint angesichts der Tatsache, dass die Buchbranche nach allen anderen die Digitalisierung entdeckt hat, in immer größeres »Mimimi« ausbricht und offenbar alle Fehler der Musikindustrie wiederholen möchte, aktueller denn je. Auslöser war konkret allerdings das Erscheinen eines Artikels von Felix Münter bei Teilzeithelden, bei dem mich allein der polemische (und sachlich falsche) Titel bereits schaudern lässt. Mir hängt diese Form der Diskussion zum Hals raus, denn sie wurde bereits erschöpfend geführt und muss wahrlich nicht erneut angefangen werden, nur weil Buchbranche und Autoren etliche Jahre nach allen anderen die Digitalisierung entdeckt haben.
Cory Doctorow ist ein kanadischer Science-Fiction-Schriftsteller und Aktivist in Sachen neue Medien, Internet, Copyright-Liberalisierung und Privatsphäre. Am letzten Wochenende habe ich sein Buch LITTLE BROTHER in Rekordzeit gelesen, nachdem es mir von »fellow netizens« bereits mehrfach nachdrücklich ans Herz gelegt wurde.
Das Besondere an diesem Buch: man kann es nicht nur über die einschlägigen Vertriebskanäle kaufen, sondern es auch einfach auf seiner Webseite kostenlos in zahlreichen Formaten herunter laden. Kostenlos. Einfach so. Legal. Unter einer Creative Commons-Lizenz. Trotz dieser Tatsache verkaufen sich seine Bücher wie geschnitten Brot.
Wie kann das sein? Insbesondere angesichts des Dauergejammers gewisser Verleger und Verlage, wie böse kostenlose Angebote sind – seien sie nun semilegal oder legal – und dass beide den Markt zerstören…
Im Vorwort zu LITTLE BROTHER befindet sich der folgende Text, den ich aus dem Englischen übersetzt habe, um ihn hier zu veröffentlichen, was ich aufgrund der CC-Lizenz problemlos tun darf, wenn ich den Namen des Autoren nenne, auf seine Webseite hinweise und kein Geld damit verdiene.
Gleich vorweg, die Buchbranche ist Big Business – ganz egal, was der sympathische Buchhändler ums Eck auch erzählt. Jahr für Jahr erwirtschaftet allein der Buchhandel einen Umsatz von sage und schreibe zehn Milliarden Euro, und das nur in Deutschland. Auslandsgeschäfte, Lizenzverkäufe und Merchandising deutscher Buchverlage nicht mitgezählt. Amazon und die etablierte Buchbranche inszenieren öffentliche Rosenkriege und profitieren doch zugleich an den 50 – 60 Prozent-Margen (Buchhändlerrabatt), die ihnen das Buchpreisbindungsgesetz ermöglicht. Nach außen markieren sie Feindschaft, nach innen hin eint sie das gemeinsame Ziel der guten Geschäfte. Ein Gesetz aus dem letzten Jahrtausend – die Buchpreisbindung – schweißt alle zusammen. In der Branche herrschen die klassischen Spielregeln eines Kartells: Man streitet sich, man verklagt sich – und dann legt man sich doch wieder ins gemeinsame Bett.
Es gibt aber jemanden, der vor allen anderen die Strippen zieht, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, der die Preise festsetzt und der immer verdient, egal wer was wo verkauft. Dieser mächtigste aller Player im Spiel, wenn man so will, dieser Player heißt: Buchverlag. Er ist quasi die Dame im Schachspiel um den König Kunden. Wo es aber eine Dame und einen König gibt, dort muss es auch zwingend Bauern geben.
Per Email hatte sich Stefan Arbes bei mir gemeldet und angeboten, auf eventuelle Fragen meinerseits zu seiner Beantragung der Eintragung einer Wortmarke des Begriffes »Steampunk« zu antworten. Dem komme ich selbstverständlich gerne nach, denn ich halte seine Stellungnahme inhaltlich für zumindest fragwürdig, denn sie geht meiner Ansicht nach von falschen Voraussetzungen aus. Meine Antwort an ihn, die er auch per Email erhalten hat, kann man unten lesen. Wenn ich darauf eine Reaktion bekomme, wird die selbstverständlich ebenfalls hier auf PhantaNews veröffentlicht (dazu gibt er ja ausdrücklich sein Einverständnis).
Ich war in der Zwischenzeit ebenfalls nicht untätig, und habe mich hinsichtlich der Markeneintragungen schlauer gemacht, als ich es vor dem Zutagetreten der Sachlage am Freitag war. Gleich vorneweg: Der zentrale Punkt ist, dass über eine solche Beantragung der Markeneintragung und einem eventuellen Widerspruch dagegen, gar nicht, wie in seiner Stellungnahme fälschlich angedeutet, sichergestellt werden kann, dass die Wortmarke »Steampunk« in Zukunft nicht von irgendwem geschützt wird oder werden kann. Und damit fällt Stefan Arbes´ Argumentationskette leider wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Heute beginnt die Buchmesse, gestern jedoch gab es bereits die Pressekonferenz und Medienrummel – und sowohl Gottfried Honnefelder, der Vorstand des Börsenvereins des deutschen Buchhandels wie auch Juergen Boos, Direktor der Buchmesse, haben sich selbstverständlich in diesem Rahmen geäußert.
Dazu vorab ein kleiner Exkurs: man muss den Eindruck haben, dass Gottfried Honnefelder seine Reden in jedem Jahr recycelt und vielleicht maximal ein paar Worte umstellt, so sehr gleichen sich die gedroschenen Phrasen. Und immer wieder, wenn solche vermeintlich hohen Herren ihren Sermon absondern, fällt unvermeidlich das Wort »warnt«. Honnefelder warnt, Boos warnt, sonstwer warnt. Glaubt ihr mir nicht? Sucht auf Google mal nach »Honnefelder warnt« oder »Honnefelder warnte«, es werden reichlich Treffer aus den vergangenen Jahren zu finden sein. Klickt aber bitte nicht auf diese Treffer, denn darin lauert ein Wahnsinn von geradezu cthulhoiden Ausmaßen. Ich habe euch … äh … gewarnt.
Und wovor warnen sie? Vor der Zukunft. Sei es nun das Internet (und damit einhergehend die neuen Medienformate), oder seien es neue Geschäftsmodelle, denen sich die träge und zutiefst im Gestern gefangene Buchbranche nicht anpassen kann oder will. Und selbstverständlich muss das »Urheberrecht« gestärkt werden, auch wenn man tatsächlich etwas ganz anderes meint: sich selbst und die Verwerterrechte. Dazu weiter unten mehr.
Ich möchte auf ein paar Artikel eingehen, die ich anlässlich der Buchmesse-Eröffnung bei einschlägigen Claqueuren wie Börsenblatt und Buchreport im Netz fand:
Auf der Online-Version des Börsenblattes befasste man sich gestern mit Worten von Buchmesse-Direktor Juergen Boos. Da steht unter anderem:
Buchmesse-Direktor Juergen Boos sprach heute (8. Oktober) auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse von einer »neuen Gründerzeit im Publishing« und warnte gleichzeitig vor der Dominanz von Oligopolen, die technologische Standards diktieren.
Da haben wir es wieder: es wird »gewarnt«. Wovor genau ist mir unklar. Amazon kann es nicht sein, denn die sind in Sachen Online-Vertrieb nicht Teil eines Oligopols, sondern haben beinahe ein Monopol. Unklar ist für mich zudem, was er für ein Problem mit technischen Standards hat. Da Papierbücher gedruckt werden und diese Technik nun wahrlich bereits ein paar Jahre auf dem Buckel hat, kann er eigentlich nur eBooks meinen. Da gibt es im Prinzip zwei Standards: das offene ePub und Amazons Kindle-Format, ob es nun azw oder mobi sein mag. Wo da allerdings »Standards diktiert werden« kann ich nicht nachvollziehen. ePub und mobi sind Formate, deren Aufbau bekannt ist, jedermann kann sie erzeugen. Oder meint Boos etwa Amazons Kopierschutz, der verhindert, dass man Kindle-eBooks auf anderen Geräten lesen kann? Das würde mich verwundern, denn Adobes DRM ist exakt dasselbe und wird auf einem Großteil der eBooks der Börsenvereins-Mitglieder nach wie vor eingesetzt. Sind die Mitglieder des Oligopols also Amazon und die Verlage, die DRM einsetzen? Worin liegt der Unterschied, zwischen beiden kundenfeindlichen Systemen – mal davon abgesehen, dass Amazons Version innerhalb seines Ökosystems für den Kunden weitaus komfortabler ist? Und weiterhin davon abgesehen, dass es seitens des Buchhandels en vogue ist, gegen Amazon zu wettern statt kundenfreundlicher zu werden …
Technologische Standards sind Werkzeuge. Sie müssen sich nach den Menschen und ihren Bedürfnissen richten, nicht umgekehrt.
… sagt Boos. Das sehe ich genauso. Weg mit harten DRM-Maßnahmen, die nur die ehrlichen Kunden benachteiligen. Richtet euch nach den Menschen und ihren Bedürfnissen. Dazu gehört übrigens auch, dass nach einer Studie, die Leser nach ihren Meinungen befragte, der Preis für ein eBook ca. 40 % unter dem einer Druckausgabe liegen darf. Auch Preisgestaltung muss sich nach den Menschen und deren Bedürfnissen richten – sonst kauft einfach niemand den überteuerten Schmonz, bei dem sich der Preis am Hardcover orientiert. Und dann sind selbstverständlich wieder die Raubkopierer schuld, nicht diejenigen, die Mondpreise befehlen.
Die neue Gründerzeit im Publishing findet ohne die alte Garde, also die Verlage, statt, denn die Goldgräber am eBook-Klondyke sind die Selfpublisher, auch wenn man nach den Nuggets zwischen den Rechtschreibfehler-Sandkörnern lange sieben muss. Und wer bietet den Indies die besten Konditionen? Richtig: Amazon, Google und Kobo. Die Geldscheffler in den hiesigen Verlagen knirschen ob der Höhe der Tantiemenzahlungen durch die Internet-Rivalen an die Autoren vermutlich 24/7 mit den Zähnen. Und deswegen sind die der Erzfeind. Und weil sie kundenfreundlich agieren. Das ist hochgradig impertinent, sowas macht man doch nicht! Kundenfreundlich. Wo kommen wir hin? Wenn das alle machen würden …
Die Rede Honnefelders dagegen erschien – wie oben bereits angemerkt – wie der immer wieder reanimierte Zombie seiner Reden aus den vergangenen Jahren. Im Buchreport schreibt man:
Für eine neue Kultur des Wissens plädierte Börsenvereins-Vorsteher Gottfried Honnefelder zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse 2013. Das Wissen müsse vor der Autorität von Online-Riesen wie Amazon und Google geschützt werden, die »an Inhalten nur so weit interessiert sind, als sie ihrem Geschäft als Werbeträger nützen«.
Nein, Herr Honnefelder. Seien Sie doch bitte ehrlich. Nicht »das Wissen« soll geschützt werden, sondern die Pfründe der Börsenvereins-Mitglieder. Nachdem Jahrzehnte, oder fast Jahrhunderte lang alles eitel Sonnenschein war, kommt hopplahopp dieses Internet aus einem Anarcho-Loch gekrochen und zwingt doch tatsächlich zum Umdenken. Das ist aber auch eine Unverschämtheit.
Liebe Branche, tut doch bitte nicht so, als seien Apple, Amazon und Google die bösen Dämonen und ihr die hehren Lichtgestalten. Euch geht es genauso ums Abseihen von Lesern und das Einfahren von Gewinnen wie den Online-Anbietern. Etwas anders zu behaupten wäre unredlich und schlichtweg unwahr. Und ihr macht es trotzdem, denn wir sind ja dumm. Denkt ihr.
Eine »Kultur des Wissens« wäre eine Kultur, in der dieses Wissen nicht via hauptsächlich durch massive Lobbyarbeit entstandene verwerterfreundliche Urheberrechte Jahrzehnte lang in Stasis verfällt, nämlich bis 70 Jahre nach dem Tod eines Urhebers. Das ist Irrsinn, denkt mal darüber nach, liebe Leser. Wenn ein Werkschaffender vor 30 Jahren verstorben ist, dauert es noch 40 weitere verdammte Jahre, bis seine Werke gemeinfrei werden. Das führt dazu, dass Kulturgüter in Vergessenheit versinken. Werke von vor der Einführung der 70-Jahres-Schranke sind heutzutage im Web zu finden und zugänglich, danach quasi nichts mehr. Was hier an Wissen vernichtet wird, insbesondere, weil die Verwerter es so wollen, ist unbeschreiblich. Haufenweise Backlist-Material ist unzugänglich, weil irgendwelche Rechteinhaber drauf hocken und es nicht heraus geben wollen, es lässt sich damit ihrer Ansicht nach kein Geld verdienen. Dann gebt die Rechte den Autoren zurück, die werden das schon als Selfpublisher ohne euch veröffentlichen. Selfpublishing? Kommt schon, das kennt ihr, das habt ihr doch zu dem ganz großen Ding auf dieser Messe erklärt. Das sind so Nuggets. Zwischen haufenweise Sandkörnern. Habe ich weiter oben erklärt.
Ein weiterer Artikel über Honnefelder auf dem digitalen Börsenblatt-Ableger (die müssen das kommentarlos wiedergeben, der ist so etwas wie ihr Chef):
Es gehe um die Frage, »was wir als Wissen verstehen wollen, jedenfalls so lange unter Wissen eine Erkenntnis gemeint ist, die nicht wie ein subjektloses Datum herumliegt, sondern durch einen Urheber gewonnen und auf einen Kreis von Adressaten hin veröffentlicht wurde.«
Gebraucht werde eine neue Kultur des Wissens. »Das digitale Zeichensystem ist bedeutungsfrei; seine Semantik erhält es erst durch Zuordnung von außen«, so Honnefelder.
Wissen ist eine Erkenntnis, die »subjektlos« herum liegt, bis sie durch einen Urheber »gewonnen« wird? Das »digitale Zeichensystem ist bedeutungsfrei« und »seine Semantik erhält es erst von außen«? Mal unter uns und ganz offen: so einen inhaltsleeren Bullshit habe ich schon lange nicht mehr gelesen, auch nicht in den Parteiprogrammen vor der Bundestagswahl, und das will was heißen. Einerseits müssen Urheber gar nicht zwingend Wissen schaffen. Kunst und Unterhaltung reichen völlig. Andererseits sind Bücher auch als eBook keinesfalls nur »bedeutungsfreie digitale Zeichensysteme«, sondern den gedruckten Fassungen inhaltlich gleich. Da muss man nichts »von außen zuordnen«. Das potentielle Wissen der Menschen, die Zugriff auf das Internet haben wurde in nie zuvor gesehenem Ausmaß erweitert. Information at your fingertips. Jederzeit. Jede Person mit einem Internetanschluss kann sich überzeugen, dass das »digitale Zeichensystem« alles andere als bedeutungsfrei ist.
Falls mir jemand das unerträglich hohle Phrasengedresche in den Kommentaren zu diesem Artikel mit Sinn und Inhalt füllen kann, wäre ich dankbar. Ansonsten könnte ich auch versuchen, mir das Gebrabbel schön zu saufen.
Die Mehrgliedrigkeit der Branche müsse auch im digitalen Zeitalter bewahrt werden; dieses Gefüge schließe auch den Buchhandel ein.
Das bedeutet: liebe Politik, wir schaffen es nicht, unser Geschäftsmodell an die Gegebenheiten anzupassen und wir sind leider total unflexibel. Das finden wir doof. Bitte beschließt Gesetze, damit wir uns nicht bewegen müssen.
Es mag weh tun, Herr Honnefelder, aber wenn ich mich so umsehe, gibt es nur noch sehr wenige Kutscher. Oder vielleicht ein Beispiel, das Ihnen bekannter vorkommen dürfte: Schriftsetzer. Als die Branche »computerisiert« wurde, hat man sich von denen, die den Umgang mit den neuen Techniken nicht beherrschten, flugs getrennt. Es gibt heute keine Schriftsetzer mehr, weil es keine beweglichen Lettern mehr gibt und man stattdessen Desktop Publishing nutzt. Schon mal gehört? Das läuft auf den bösen Computern – muss man aber weder als Vereinsfunktionär noch als Verleger wissen, da kümmern sich die Fußtruppen drum.
Wenn die Branche nicht in der Lage ist, sich und ihre Geschäftsmodelle von Lettern auf Computer umzustellen, wenn man lieber inflexibel bleibt und nach politischen Lösungen und damit Feigenblättern für die eigene Bewegungslosigkeit ruft, dann sollte man sich nicht wundern, wenn man den Weg der Dinosaurier geht. Oder den der Schriftsetzer, suchen Sie sich einen aus. Man kann ja immer noch auf Krankenpfleger oder Kindergärtner umschulen. Oder Autor. Was? Schlecht bezahlt? Tja, man kann halt nicht alles haben.
Ebenfalls im Buchreport weist man weiterhin auf Dampfblasen der »Content Alliance« hin, der der Börsenverein angehört, aber auch die Musikindustrie. Auch hier wird nach dem Gesetzgeber und einem »starken Urheberrecht« geschrien:
Kurz vor der Frankfurter Buchmesse hat die Content Allianz, der auch der Börsenverein angehört, noch einmal ihre Forderungen nach einem starken Urheberrecht bekräftigt. Der Schutz der Leistung von Kreativen vor illegaler Nutzung müsse zur Chefsache im Kanzleramt werden, erklärte das Bündnis von Medien- und Kulturverbänden.
Wenn ich das lese kommt mir ganz deutlich gesagt das kalte Kotzen. Denn hier wird das Urheberrecht vorgeschoben, obwohl es tatsächlich um etwas ganz anderes geht. Das Urheberrecht – das wie der Name bereits sagt die Urheber schützt und begünstigt – ist den Verwertern tatsächlich völlig egal (und ich habe mir »scheißegal« verkniffen). Tatsächlich geht es ihnen ausschließlich um die Teile daraus, die ihnen die Verwertung (sprich: Monetarisierung – ja, das sagen die so. Es bedeutet: Kohle machen) geschaffener Werke Dritter ermöglichen.
Tatsächlich lässt man den Autor oder Musiker (auch der unerträgliche Gorny von der Musikindustrie hat wieder gepöbelt) mit Peanuts am ausgestreckten Arm verhungern, während man selbst das Geld absackt, auch wenn immer wieder anderes behauptet wird.
Sprecht mal mit Autoren abseits des Bestsellers, liebe Leser, und fragt sie, was von den Buchverkäufen bei ihnen ankommt. Ich wiederhole mich und ich tue es gern, damit es einsickert: das sind Peanuts. Es macht sich natürlich ganz prima, sich als Beschützer der armen, armen Urheber zu gerieren und lautstark zu verkünden, man selbst (und das Urheberrecht) seien die letzten Schutzwälle, die die Urheber vor den illegalen Nutzungen behüten. Tatsächlich gehts auch hier wieder nur um ihre Kohle, um ihre Einnahmen. Und sie wissen genau: ihre Zahlen über illegale Downloads und deren Schaden sind von vorne bis hinten erstunken und erlogen.
Ich stimme zu, dass das Urheberrecht dringend einer Reformation bedarf. Es muss an die Realitäten der modernen Netzwelt angepasst werden. Die irrsinnigen Schutzfristen müssen auf ein Maß zurechtgestutzt werden, das kulturell und aus Sicht einer Wissensallmende sinnvoll ist, damit Kultur nicht verschwindet, weil Verwerter darauf sitzen und sie nicht veröffentlichen. Abmahn-Abzockern mit ihren Raubritter-Geschäftsmodellen muss die Geschäftsgrundlage entzogen werden, die Schulkinder kriminalisiert und professionelle Anbieter von Raubkopien davon kommen lässt (weil die Branchen und ihre Hilfssheriffs zu dumm sind, die zu bekommen, hält man sich lieber an die, die sich nicht wehren können).
Am wichtigsten ist meiner Ansicht nach jedoch, dass die Rechte der Urheber statt die der Verwerter gestärkt werden. Schluss mit Total Buyout, Schluss mit Knebelverträgen, Schluss mit Peanuts und Schluss mit pauschal eingeräumten Rechten für »bisher unbekannte Nutzungsarten«. Rechte müssen nach definierten Zeiträumen wieder an die Urheber zurück fallen. eBooks müssen gesondert vergütet werden, ebenso Hörbücher. Urheber müssen mehr Mitspracherecht bekommen, wie ihre Werke verwertet werden. Urheber müssen angemessen bezahlt werden, egal ob Autoren, Journalisten, Fotografen oder Musiker. Und es muss zwischen den Verwerterrechten und den Verbraucherrechten abgewogen werden. Denn: Gewinne stehen nicht über Bürgerinteressen und auch nicht über Menschenrechten.
Die Buchbranche zeigt durch ihre Köpfe immer wieder eine Kultur des Mahnens und Warnens. Vor neuen Technologien, vor Mitbewerbern, die im Gegensatz zu ihr agil sind. Statt der unerträglichen Miesepeterei sollte man seine Kräfte darauf bündeln, die Technologien zu verstehen und zu nutzen. Statt Gegeifere gegen Apple, Amazon und Google sollte man von den Gegenspielern lernen. Aber vielleicht ist das von der tief konservativen Branche zu viel verlangt.
Die Buchmesse ist eine Veranstaltung, auf der die Buchbranche sich profilieren möchte und sich selbst beweihräuchert. Das soll sie meinethalben gern tun. Nur mögen ihre Großkopferten bitte davon absehen, mich mit Phrasen zu langweilen, mich offensichtlich zu belügen, oder mir zu verstehen zu geben, dass sie mich für dumm halten. Davor warnt der Holzhauer nachdrücklich.
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