Rezension

LIFE OF PI: SCHIFFBRUCH MIT TIGER

Man soll­te end­lich Abstand davon neh­men, ein Buch als unver­film­bar zu bezeich­nen, gera­de wenn der Film dazu in die Kinos kommt. Das hat damals die UNERTRÄGLICHE LEICHTIGKEIT DES SEINS zu kei­nem bes­se­ren Buch gemacht, und den Film nicht schlech­ter. Zuletzt war unver­film­bar bei CLOUD ATLAS zu lesen, und nun kommt LIFE OF PI. Dies macht es Ang Lees Adap­ti­on nicht leich­ter, wenn über­all betont wird, wie sich die lite­ra­ri­sche Vari­an­te gegen­über einer visu­el­len Umset­zung ver­hal­ten soll. Damit wer­den nicht nur Erwar­tun­gen geweckt, son­dern auch Mei­nun­gen geformt. In Erman­ge­lung an der Lek­tü­re fällt es jeden­falls sehr leicht, Ang Lees LIFE OF PI als phan­tas­ti­schen Film zu loben. Sei­nem poe­tischs­ten seit TIGER & DRAGON. Eine Poe­sie, die sich nicht nur aus der frei inter­pre­tier­ba­ren Geschich­te ergibt, son­dern ergän­zend aus der impo­san­ten, visu­el­len Umset­zung.

Atmos, 48 – und ein kleiner Hobbit

THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY Bun­des­start 13.12.2012

DER HOBBIT: EINE UNERWARTETE REISE ist dahin­ge­hend ein Phä­no­men, dass sei­ne Umset­zung durch­aus kon­tro­vers dis­ku­tiert wer­den könn­te, aber nie­mand davon spricht. Obwohl man sich zum einen ernst­haft fra­gen muss, ob nicht Guil­ler­mo del Toro doch die ver­nünf­ti­ge­re Wahl als Regis­seur gewe­sen wäre, um eine dif­fe­ren­zier­te­re Atmo­sphä­re in die Vor­ge­schich­te zum ulti­ma­ti­ven HERR DER RINGE zu schaf­fen. Und dann die bar­ba­ri­sche Lauf­zeit, nur um das Epos um einen drit­ten Teil erwei­tern zu kön­nen. Gleich an die­ser Stel­le muss aller­dings ange­merkt wer­den, dass gewis­se Län­gen nicht mit Lang­wei­le gleich­ge­setzt wer­den dür­fen. Erst ein zwei­ter Besuch in Mit­tel­er­de könn­te die Geduld even­tu­ell etwas stra­pa­zie­ren. Soll es das gewe­sen sein, was es zur fil­mi­schen Umset­zung des klei­nen Hob­bit zu sagen gibt? Natür­lich nicht, nur vor­erst. Denn obgleich man kon­tro­vers dis­ku­tie­ren könn­te, spricht man über Wich­ti­ge­res.

MIDNIGHT MOVIE ist ein Buch

Tobe Hoo­per hat ein Buch geschrie­ben. Dar­in räumt er end­lich mal mit den vie­len Varia­tio­nen sei­nes Namens auf. Man spre­che sei­nen Namen Tobii­ieee aus, und nicht Tob oder Töb, schreit der Autor als Roman­fi­gur einen ande­ren Cha­rak­ter an. Aber zurück auf Anfang, bevor es kom­pli­ziert wird. Tobe Hoo­per hat ein Buch geschrie­ben. Bis­her hat Tobe Hoo­per im rich­ti­gen Leben Fil­me wie LIFEFORCE oder POLTERGEIST gemacht. Oder sein ver­lo­ren geglaub­tes Debut DESTINY EXPRESS. Ach nein, die Exis­tenz von DESTINY EXPRESS ist ja auch Fik­ti­on.
Hoo­per ver­fasst also sei­nen ers­ten Roman. Es ist ein Hor­ror-Roman, und in die­sem setzt sich der rea­le Hoo­per als rea­len Hoo­per in eine fik­ti­ve Sze­ne. Ein über­am­bi­tio­nier­ter Film­fan gelangt an eine Kopie des ver­schol­len geglaub­ten Film­de­buts DESTINY EXPRESS von Tobe Hoo­per und lädt den Kult-Regis­seur für eine Son­der­vor­füh­rung zu einem Film­fest in Austin/​Texas. Die Vor­füh­rung des Fil­mes kul­mi­niert in einer Zom­bie-Epi­de­mie. Im Ver­lauf des Buches ent­puppt sich die Zom­bie-Epi­de­mie nicht als das her­kömm­li­che End­zeit­sze­na­rio. Am Ende (was bereits ganz am Anfang zur Spra­che kommt und kein Spoi­ler ist) wird die kur­zei­ti­ge Zom­bie-Epi­de­mie ledig­lich als Epi­so­de in die Geschich­te ein­ge­hen.

THE APPARITION – DUNKLE ERSCHEINUNG

THE APPARITION – Bun­des­start 13.12.12

Die uner­bitt­lichs­ten Zuschau­er von allen sind die Hor­ror-Fans. In kei­nem ande­ren Gen­re erfolgt eine spon­ta­ne­re Reak­ti­on noch inner­halb des Kino­saals als bei Hor­ror­fil­men. Laut­hal­se Äuße­run­gen wäh­rend des Films als direk­te Kri­tik am Gesche­hen sind nicht sel­ten. Und meis­tens sind die­se auch noch berech­tigt. Ver­sucht man zum Bei­spiel eine roman­ti­sche Komö­die zu genie­ßen, die dann weder roman­tisch noch komisch ist, dann geht das Ziel­pu­bli­kum gebeug­ten Haup­tes und denkt sich sei­nen Teil.
Hin­ge­gen schmilzt die Gru­sel- und Schock­frak­ti­on schon im Dun­kel wäh­rend der Vor­füh­rung zu einer ver­schwo­re­nen Gemein­schaft zusam­men, die unmit­tel­bar vor Ort ihre Inter­es­sen ver­tritt. Da wer­den unschö­ne Dia­lo­ge mit den Figu­ren auf der Lein­wand aus­ge­tra­gen oder Kri­tik an der Umset­zung in pikan­te Wor­te geklei­det. Gera­de wenn die Auf­lö­sung unbe­frie­di­gend aus­fal­len soll­te, hat sich ein gegen die Lein­wand gewor­fe­ner, ganz beson­de­rer Satz eta­bliert, näm­lich »are you fu**ing kid­ding me?«, was so viel bedeu­tet wie »damit hät­te ich jetzt nicht gerech­net«.

RALPH REICHTS erreicht High Score

WRECK IT RALPH – Bun­des­start 06.12.12

»Ich bin böse, und das ist gut. Ich wer­de nie gut sein, und das ist nichts Schlech­tes. Es gibt nie­man­den, der ich an mei­ner Stel­le sein möch­te.«

Seit drei­ßig Jah­ren macht nun Ran­da­le Ralph kaputt, was unter sei­ne gigan­ti­schen Fäus­te kommt. Nun, eigent­lich nur den Gebäu­de­kom­plex Nice­land, wo die scho­ckier­ten Bewoh­ner bei jedem Vier­tel­dol­lar nach Fix-It Felix um Hil­fe rufen. Der strah­len­de Held, der am Ende eines gewon­ne­nen Spie­les eine gol­de­ne Medail­le ver­dient. Ralph wür­de auch ger­ne eine Hel­den-Medail­le bekom­men, aber so ist er eben nicht pro­gram­miert. Als alle Figu­ren des Fix-It-Felix-Com­pu­ter­spiels zusam­men­kom­men, um den drei­ßigs­ten Geburts­tag zu fei­ern, ohne Ralph dazu ein­zu­la­den, reicht es dem gut­mü­ti­gen Böse­wicht. Er will auch ein­mal Held sein. Selbst wenn ande­re Schur­ken aus sei­ner The­ra­pie­grup­pe für sinn­kri­sen­ge­plag­te Böse­wich­ter ihm davon abra­ten.

RUBY SPARKS zündet tatsächlich

RUBY SPARKS – Bun­des­start 29.11.2012

Jeder Autor kann es bestä­ti­gen: Im bes­ten und glück­lichs­ten Moment kom­men die Wor­te nicht von dir, aber durch dich. So kam sie zu mir voll­kom­men aus sich selbst her­aus, ich hat­te nur das Glück, da zu sein, um sie zu hal­ten.

Jona­than Day­ton und Vale­rie Faris haben das letz­te Mal bei LITTLE MISS SUNSHINE zusam­men Regie geführt. Ein klei­ner, unab­hän­gi­ger Film, der mit sehr viel Witz und noch mehr Tief­gang gefüllt war. Bes­te Vor­aus­set­zun­gen für einen Fan­ta­sy-Film, bei dem die Fan­tas­tik­mo­men­te aller­dings in den Hin­ter­grund gestellt wer­den müs­sen. Zoe Kazan, Enke­lin des gro­ßen Regis­seurs, hat das Dreh­buch für RUBY SPARKS geschrie­ben. Kei­ne leich­te Geschich­te, wenn man die eigent­li­che Aus­gang­si­tua­ti­on betrach­tet. Aber mit dem rich­ti­gen Gespür für Geschich­te und Gefühl und auch den rich­ti­gen Dar­stel­lern funk­tio­niert so etwas. Und zum Glück haben Day­ton und Faris gleich Zoe Kazan mit für die Haupt­rol­le ver­pflich­tet.

COLD BLOOD eher warmherzig

COLD BLOOD, Ori­gi­nal­ti­tel DEADFALL, Bun­des­start 21.11.2012

Shane Hurl­but hat mit sei­ner Kame­ra-Ästhe­tik Win­ter­bil­der gezau­bert, die einen wirk­lich frie­ren las­sen. Mag sich unan­ge­bracht anhö­ren, ist aber tat­säch­lich so. DEADFALL ist eine dif­fu­se Varia­ti­on des Wes­tern-Gen­res, wo Land­schaf­ten einen wich­ti­gen Stel­len­wert ein­neh­men. So wun­dert es eigent­lich nicht, dass auch bei DEADFALL die Land­schafts­pho­to­gra­phie atmo­sphä­ri­scher Bestand­teil der Geschich­te gewor­den ist. Shane Hurl­but wer­tet die­sen Thril­ler mit sei­nen wohl struk­tu­rier­ten Bil­dern weit über die Qua­li­tät sei­ner Geschich­te auf. Denn wo sich ANATOMIE-Regis­seur Ste­fan Ruzowitz­ky mit sei­nem Aus­lands­de­but ver­tan hat, ist das Ver­trau­en auf sei­ne Dar­stel­ler und die Geschich­te hin­ten anste­hen zu las­sen.

ÆTHERMAGIE – Susanne Gerdom

Ich bin immer etwas skep­tisch, wenn man mir einen Roman unter dem Eti­kett »Jugend­buch« andie­nen möch­te. All­zu oft sind das Kin­der­bü­cher im Teen­ager-Gewand, oder spe­zi­ell auf weib­li­che Her­an­wach­sen­de gezielt – und da ich weder das eine noch das ande­re bin, also defi­ni­tiv nicht zur Ziel­grup­pe gehö­re, fin­det sol­ches in mei­nen Augen kein Gefal­len.

Dabei habe ich gar nichts gegen Kin­der­bü­cher im All­ge­mei­nen, dar­un­ter fin­det man gera­de im Phan­tas­tik-Bereich oft wirk­lich Lesens­wer­tes, ich will gar nicht erst mit dem bri­ti­schen Zau­ber­lehr­ling anfan­gen, man könn­te auch noch LARKLIGHT als Bei­spiel nen­nen.

Natür­lich muss ich aber einen Blick auf ein Jugend­buch wer­fen, das unter Steam­punk ein­sor­tiert wird und den viel­ver­spre­chen­den Titel ÆTHERMAGIE trägt. Ange­sichts der Prak­tik gewis­ser gro­ßer Ver­la­ge, belie­bi­ge Inhal­te mit Zahn­rä­dern zu ver­se­hen (so auch hier gesche­hen), und sie dann fälsch­li­cher­wei­se als Steam­punk zu dekla­rie­ren (hier nicht gesche­hen), hat­te ich immer noch Beden­ken.

Ich hät­te nicht wei­ter dane­ben lie­gen kön­nen – Susan­ne Ger­doms ÆTHERMAGIE ist ein wah­res Klein­od. Die­se Bespre­chung ent­hält mini­ma­le Spoi­ler, erläu­tert aber nichts von der Hand­lung, was den Lese­spaß beein­träch­ti­gen könn­te.

SINISTER ist wirklich böse

Das ist die rich­ti­ge Nach­bar­schaft. Die Fami­lie Oswalt ist gera­de noch beim Aus­la­den des Umzug-LKWs, als der ört­li­che She­riff schon Ärger macht. Geht da etwa etwas Dubio­ses vor in die­sem Ört­chen, wenn der Ord­nungs­hü­ter die Fami­lie unge­niert zum Ver­las­sen des Städt­chens auf­for­dert? Ja, es ist etwas ganz und gar nicht in Ord­nung, und SINISTER lässt sich nicht viel Zeit mit Erklä­run­gen. Denn nicht der She­riff ist das Pro­blem, son­dern Elli­son Oswalt selbst, der mit Sach­bü­chern über wah­re Ver­bre­chen sein Geld ver­dient. Nach dem Besuch des She­riffs macht ihm sei­ne Frau Tra­cy sofort die Höl­le heiß, ob die Fami­lie jetzt schon wie­der in die Nähe eines die­ser Hor­ror-Häu­ser gezo­gen wäre. Die­se Fra­ge kann Elli­son guten Gewis­sens mit einem kla­ren Nein beant­wor­ten.

RED TAILS

RED TAILS – Bun­des­start 15.11.2012

Geor­ge Lucas hat schon vor lan­ger Zeit betont, dass er sich nach Abschluss der jüngs­ten STAR-WARS-Tri­lo­gie zurück­zie­hen wol­le, um sich klei­nen per­sön­li­chen Fil­men wid­men zu kön­nen. RED TAILS kann nicht die­ser klei­ne per­sön­li­che Film sein. Von der ers­ten Minu­te an ist er ein rei­ße­ri­sches Effek­te-Aben­teu­er, das die letz­ten Errun­gen­schaf­ten der Com­pu­ter­ani­ma­ti­on in vol­lem Umfang aus­nutzt. Der Film star­tet mit­ten in dem Ver­such, ob Afro-Ame­ri­ka­ner taug­lich wären, für die U.S.-Streitkräfte Kampf­flug­zeu­ge zu flie­gen. Tat­säch­lich gab es eine ärzt­li­che Stu­die aus den Neun­zehn­hun­dert­zwan­zi­ger­jah­ren, in der beschei­nigt wur­de, dass Schwar­ze nicht in der Lage sind, Flug­zeu­ge zu steu­ern. 1944 sitzt ein kom­plet­tes Geschwa­der schwar­zer Pilo­ten mit über­al­ter­ten Maschi­nen irgend­wo in Ita­li­en und war­tet auf die Chan­ce, sich zu bewei­sen und den ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len ent­ge­gen­zu­wir­ken.

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