Ich hatte vor einiger Zeit (2012) mal beim Börsenverein in Sachen Buchpreisbindung nachgefragt und daraufhin von deren Justiziar Christian Sprang eine Antwort bekommen, die die Sicht der Lobbyorganisation ausdrückte. Wie jeder weiß muss das allerdings nicht den Tatsachen entsprechen; dass sogar die Buchbindungstreuhändlerkanzlei das später anders sah, dürfte zwischen denen und dem Verein zu einigem … »Spaß« geführt haben, wie das spätere Rumgeeiere zum Thema ziemlich deutlich zeigt. Da man allerdings seine Meinung gern in Gesetze gefasst sieht, wurde so lange auf die Gesetzgeber eingeredet, bis eBooks explizit ins Buchpreisbindungsgesetz aufgenommen wurden, die Erweiterung trat am 1. September in Kraft. So weit, so normal.
Manche Gesetze benötigen Jahre bis zu ihrem Inkrafttreten, wenn allerdings eine Lobby drängelt, macht die Politik auch schon mal deutlich schneller: Seit heute gilt das neue Buchpreisbindungsgesetz, herbeilobbyisiert vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und Co, das jetzt auch eBooks eindeutig benennt (witzig daran ist allerdings nach wie vor, dass es bis heute keine eindeutige, rechtsgültige Definition gibt, was ein eBook eigentlich ist).
Mathias Matting widmet sich dem Thema auf seiner Seite Selfpublisherbibel, und bekräftigt auch auf Nachfrage in der Facebook-Gruppe »Self Publishing«, dass sich für Selbstverleger nichts ändert. Er beharrt darauf, dass das Gesetz auch für Selfpublisher gilt.
Doch da irrt er meiner Ansicht nach. Ich schrieb bereits im Mai dieses Jahres über das Thema, denn in den Begründungen zum Gesetz, die von Gerichten zur Urteilsfindung herangezogen werden, steht, dass die Preisbindung für eBooks von Selfpublishern eben NICHT gilt. Der Passus (siehe Begründung im PDF des BMWI)
»Der Preisbindung unterliegende elektronische Bücher werden zum dauerhaften Zugriff angeboten und sind unter Würdigung aller Umstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen.«
Und das schließt Selfpublisher aus, denn die sind eben NICHT verlagstypisch, insbesondere dann nicht, wenn man ausschließlich über Amazon anbietet, dann ist das eBook möglicherweise noch nicht einmal buchhandelstypisch, denn man bekommt es im herkömmlichen Buchhandel (bzw. bei deren Onlineplattformen) nicht. Ich stehe übrigens mit dieser Meinung nicht alleine.
Elektronische Bücher, die nicht als verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind, wie beispielsweise von den Autoren selbst unter Nutzung spezialisierter Plattformen veröffentlichte elektronische Bücher, fallen nicht unter die Preisbindung.
Da hat man offenbar noch einiges an Lobbytum in Bewegung gesetzt, um den Passus aus den Begründungen heraus zu bekommen.
Ob man sich mit dem Börsenverein und dessen Treuhänderkanzlei, die über die Einhaltung der Buchpreisbindung wacht und dafür auch gern mal abmahnt, anlegen möchte, muss man natürlich als Selfpublisher abwägen. Es könnte allerdings sein, dass Börsenverein und Co. wie bisher lieber die Schaffung eines Präzedenzfalls unbedingt vermeiden möchten. Ein rechtliches Restrisiko bleibt, denn was die juristische Power angeht, sitzt der Börsenverein sicher am längeren Hebel und bereits dieses Drohszenario könnte verhindern, dass Selbstverleger Experimente wagen, hier das Recht also durch Interessengruppen selbstgemacht wird.
Man könnte an dieser Stelle auch mal darüber nachdenken, warum Matting so offensiv eine andere Meinung vertritt. Vielleicht weil er Mitglied und 1. Vorsitzender eines Selfpublisher-Vereins ist, der in den Räumen des Börsenvereins gegründet wurde?
In meinen Augen ist das Buchpreisbindungsgesetz ohnehin ein fossiler Eingriff in den Markt, der es der Branche ermöglicht, kartellartige Strukturen zu schaffen und schwächere Marktteilnehmer auszubooten. Es gehört abgeschafft.
Beim Börsenverein und dessen Mitgliedern herrschte zuerst einmal große Freude, wie man den verschiedenen Publikationen online leicht entnehmen konnte. Hatte man es durch intensive Lobbyarbeit doch durchgesetzt, dass eBooks explizit ins Buchpreisbindungsgesetz aufgenommen wurden. Und das, obwohl man seit Jahren behauptete, dass dieses ohnehin auch für elektronische Bücher gelte. Und man hatte auch eindeutig mit Abmahnungen gedroht, sollte ein Häretiker das anders sehen und von der wahren Lehre abweichen. Doch so sicher scheint man sich dann selbst doch nicht gewesen sein, wenn man es dennoch für notwendig hielt, diese Gesetzesänderung herbeizuführen, die in der letzten Woche verabschiedet wurde und am 1. September 2016 in Kraft tritt.
Aber wie es scheint, hat sich irgendjemand beim Diktieren der Änderungen aufs Gröbste vertan. Oder vielleicht hat ein Selfpublisher an den Formulierungen mitgearbeitet. Denn, oh Wunder, eBooks von Selfpublishern sind ausdrücklich vom neuen Gesetz ausgenommen. Das kann nicht im Sinne des Börsenvereins und seiner Mitglieder gewesen sein, denn diese Ausnahme verschafft Selfpublishern deutliche Wettbewerbsvorteile.
Man ist als Selbstverleger nicht mehr gezwungen, darauf zu achten, dass seine Bücher auf allen Plattformen gleich viel kosten. Ab dem Datum des Inkrafttretens sind auch »zahl´ was Du willst«-Angebote oder ‑Bundles möglich, ebenso wie »zahl´ mit einem Tweet« oder ähnliche Modelle. Und das sowohl für eBooks wie für Printbücher. Das ist aus Sicht der Selfpublisher natürlich überaus erfreulich – und ich kann mir vorstellen, dass das bei den Mitgliedern des Börsenvereins eher für Heulen und Zähneklappern sorgen dürfte. Man muss sich fragen, wie es sein konnte, dass das so durchrutschte? Hat man da bei der Lobby tief und fest gepennt, dass das während der Entwicklung der Gesetzesänderung nicht auffiel? Hatte man gehofft, die Politik werde das schon richtig machen? Dabei weiß man doch, wie handwerklich schlecht etliche Gesetze der letzten Jahre sind.
Wie handwerklich schlecht die Gesetzesänderungen auch in anderer Hinsicht sind, zeigt der neue Absatz über den »Letztabnehmer in Deutschland«, der dazu führen soll, dass ausländische Verkäufer das BuchPrG nicht umgehen können (wie das bisher beispielsweise gewisse britische Anbieter taten). Nach Kommentaren von Juristen, die ich las, ist durch die Formulierung hier nicht der Wohnsitz ausschlaggebend, sondern wo sich dieser Letztabnehmer zum Zeitpunkt des Kaufs befindet. Sprich: Bin ich im Urlaub, beispielsweise in den Niederlanden, kann ich preisgebundene Bücher möglicherweise günstiger bekommen. Man muss sich fragen, wie das durchgesetzt werden soll? Mittels Geolocation? Das wäre prima, ich bin Nutzer eines VPN-Dienstes, mit dem ich scheinbar aus einer Menge von Ländern im Internet unterwegs sein kann … Und bevor jetzt wieder irgendein Schlaumeier lamentiert: Nein, die Nutzung von VPNs ist nicht nur völlig legal, sondern auch für manche Anwendungen technisch unabdingbar notwendig.
Damit könnte ich preisgebundene Bücher günstiger erwerben, weil ich den Anschein erwecke, kein Käufer aus Deutschland zu sein.
Und selbst wenn die Interpretation falsch wäre, und doch der Wohnort des Kunden gilt: Wer will mich denn daran hindern, eine Auslandsadresse als Hauptanschrift beim Onlineshop zu hinterlegen, und dann an eine abweichende Zweitadresse in Deutschland liefern zu lassen? Wieder einmal – und wie so oft – hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten des #neulands völlig übersehen. Alte Männer mit Kugelschreibern und Faxgeräten …
Abschließend ist die Zementierung des fossilen Buchpreisbindungsgesetzes in meinen Augen der falsche Weg, weil hier eine kartellartige Struktur gesetzlich unterstützt wird. Die Argumentation, dass die Buchpreisbindung auch Nischenprodukte ermögliche, ist ohnehin eine Lächerliche, wenn man sich ansieht, was die Publikumsverlage so an billigem und mies lektoriertem Massenmüll auf den Markt pumpen. Auch der Hinweis auf kulturelle Vielfalt zieht meiner Ansicht nach nicht im Geringsten. Wenn dem so wäre, müsste es auch Preisbindungsgesetze für Musik, Filme oder Computerspiele geben. Die gibt es aber nicht und man kann nicht sagen, dass es bei diesen Medien keine Vielfalt gäbe – sogar ganz im Gegenteil.
So werden wir aber weiter mit diesem unzeitgemäßen Gesetz leben müssen. Dass die Selfpublisher davon ausgenommen wurden, erfreut mich dann aber doch – das kann man fast progressiv nennen, auch wenn es mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Versehen war.
Korrektur: Nur eBooks von Selfpublishern fallen offenbar nicht unter die Buchpreisbindung, für Printbücher gilt sie. Mein Fehler. Und natürlich völlig daneben, warum diese Unterscheidung? Der entsprechende Passus steht nicht im Gesetz selbst, sondern in der Begründung zum Gesetz, die Gerichte ebenfalls zur Interpretation heranziehen.
Dass man beim Börsenverein noch im 20., wenn nicht wenn nicht gefühlt oft gar im 19. Jahrhundert verharrt, ist nichts Neues. Diesen Eindruck verstärkt weder einmal ein Bericht über die Einführung der überarbeiteten Verkehrsordnung des Börsenvereins. BöV-Justiziar erläutert die in einem Interview auf der Online-Variante des Buchreports.
Der eine absolute Knüller dabei ist: Preisaktionen für eBooks sollen künftig 28 Tage vorher angekündigt werden.
Da bleibt mir wieder mal die Spucke weg. Statt selbst schnell zu werden, sollen also stattdessen agile, moderne eBook-Herausgeber gezwungen werden, das Schneckentempo der schläfrigen restlichen Branche zu übernehmen? Das kann doch wirklich nicht wahr sein und erscheint in meinen Augen wie direkt einem Kafka-Roman entsprungen – oder dem Drogenrausch eines Bindungskleberschnüfflers. Und es beweis erneut, wie weit ab jeglicher wirtschaftlicher Realitäten der Börsenverein nicht zuletzt aufgrund der Buchpreisbindung denkt.
Der Hinweis auf »Werbevorlauf« ist besonders ulkig. Wo machen denn beispielsweise Amazon oder Apple im voraus Werbung für null-Euro-Preisaktionen? Im Spiegel? In der Bild? Im Fachblatt der Bestatterinnung? Nirgendwo, einzig auf der eigenen Webseite- und das sollten die eBook-Verkäufer abseits der Amazonen wohl auch hinbekommen, oder?
Weiter sagt er:
Wenn E‑Books jede Woche einen anderen Preis haben, dann wird der Kunde irgendwann nicht mehr kaufen, sondern darauf warten, bis ein Titel noch günstiger zu haben ist.
Äh, ja. Das ist bei anderen Warengruppen auch so und völlig normal. Wenn man etwas unbedingt haben will, dann kauft man es sofort. Wenn es nicht ganz so wichtig ist, dann wartet man halt auf einen günstigeren Preis, mache ich beispielsweise bei BlueRays genau so. Das ist abseits eines Preisbindungsgesetzes völlig normal. Auch das ist also kein nachvollziehbarer Grund für die Aufnahme eines solchen Passus in die Verkehrsordnung.
Aber: Diese Verkehrsordnung ist kein Gesetz, es handelt sich um eine »Empfehlung«, oder im Juristendeutsch »eine von juristischen Formerfordernissen freigestellte Vereinbarung«. Damit ist kein Selfpublisher gezwungen, sich daran zu halten. Übrigens auch kein Verlag. Sogar aus der Branche selbst kommt Gegenwind zu dieser Idee, die wieder einmal zeigt, wie realitätsfern Teile eben dieser Branche sind.
Dennoch droht Sprang im Interview ganz unverhohlen, wenn er sagt:
Wir sind davon überzeugt, dass das Gros der Verlage diese Sichtweise teilt und sich an die Vorgabe halten wird. Eventuelle Verstöße müssten wir im Einzelfall prüfen.
Und: Der Börsenverein möchte sich auch für Selfpublisher öffnen, das sind alte News. Dennoch sollte man sich überlegen, was man tut, bevor man eintritt, vielleicht interpretiert man die Verkehrsordnung übermorgen als verpflichtend, schreibt das in die Satzung, und verlangt die Einhaltung von allen Mitgliedern. Abwegig ist das meiner Meinung nach keinesfalls.
Abseits davon findet sich im Interview mit dem Justiziar Sprang aber eine Aussage zum Thema Buchpreisbindung auf Selfpublisher-eBooks, die mich vor Verblüffung ausgiebig die Augen reiben lässt, und die den anderen Knüller darstellt:
Nach Ansicht der Rechtsabteilung des Börsenvereins fallen E‑Books von Selfpublishern unterhalb einer preislichen Bagatellgrenze, die derzeit ungefähr bei 4 Euro liegt, als nicht verlags- bzw. buchhandelstypische Titel ohnehin nicht in den Anwendungsbereich der Buchpreisbindung. Diese können in Aktionen deshalb vorübergehend sogar auf 0 Euro heruntergesetzt werden. Bei preisgebundenen E‑Books gibt es diese Möglichkeit nicht, weil hier der 0 Euro-Preis als Preisaufhebung gewertet würde.
Ich wiederhole den wichtigen Teil:
Nach Ansicht der Rechtsabteilung des Börsenvereins fallen E‑Books von Selfpublishern unterhalb einer preislichen Bagatellgrenze […] ohnehin nicht in den Anwendungsbereich der Buchpreisbindung.
Das widerspricht allen bisherigen Aussagen, die mir gegenüber seitens der Rechtsabteilung des Börsenvereins gemacht wurden. Es hieß immer, auch Selfpublishing-eBooks, egal welchen Preises, unterlägen selbstverständlich der Buchpreisbindung (siehe beispielsweise diesebeiden Artikel auf PhantaNews). Und jetzt das. Man muss sich fragen, woher dieser plötzliche und völlig unerwartete Sinneswandel kommt?
Vor allem ist die Begründung absolut nicht nachvollziehbar: Ob es sich bei einem Buch um ein Buch handelt, hängt von diversen Faktoren ab, aber garantiert nicht vom Preis. Das gibt das vom Börsenverein immer so gern zitierte Buchpreisbindungsgesetz an keiner Stelle her.
[Nachtrag 11:46:] Oder wie es ein mir bekannter Verlager ausdrückte:
»Wer hat denn dem BÖV in den Kopf gekackt?«
Bild: Bookseller And Author, Thomas Rowlandson, gemeinfrei
Momentan tönt durch die Medien, dass SPD-Chef Gabriel sich mal wieder vor einer Lobby verneigt hat, diesmal geht es um die Buchpreisbindung. Das Buchpreisbindungsgesetz soll so angepasst werden, dass es auch für eBooks gilt. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass es, entgegen allen bisherigen Beteuerungen des Börsenvereins des deutschen Buchhandels bisher eben NICHT für eBooks gilt. Denn sonst gäbe es keinen Handlungsbedarf, und man müsste nicht Lobbyisten in Gang setzen, um eine Gesetzesänderung anzuschieben. Ich habe einfach mal nachgefragt – und die Antwort kam in Rekordzeit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
derzeit geht es durch die Medien, dass die Bundesregierung aufgrund Ihrer Intervention das Buchpreisbindungsgesetz so ändern will, dass es auch für eBooks gilt.
Bisher war die Aussage des Börsenvereins, das BuchPrG gelte ohnehin für eBooks und Sie haben auch ausgeführt, dass durch ihre Treuhänder durchsetzen zu lassen. Dies wurde mir gegenüber mehrfach durch Ihre Rechtsabteilung bestätigt.
Darf ich aus der Gesetzesinitiative entnehmen, dass das BuchPrG Ihrer Ansicht nach derzeit DOCH nicht für eBooks gilt?
Für eine Antwort bedanke ich mich im voraus und weise darauf hin, dass diese im Rahmen eines Artikels auf meinem Webportal veröffentlicht werden wird.
Mit freundlichem Gruß,
Holzhauer
Wie gesagt: Eine Reaktion kam extrem zügig, das bin ich gar nicht gewohnt. Vermutlich war ich nicht der erste, der das wissen wollte:
Sehr geehrter Herr Holzhauer,
der Gesetzgeber will in diesem Fall bisher richterrechtlich – d.h. durch Auslegung des momentanen Textes des BuchPrG – geltendes Recht durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ersetzen.
Dass der Gesetzgeber eine von der Rechtsprechung entwickelte Rechtslage nachträglich kodifiziert, ist durchaus häufig der Fall und dient u.a. einer höheren Rechtssicherheit. Im Text des Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministerium (PDF) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass E‑Books bereits unter dem geltenden Recht als preisgebunden angesehen werden.
Sie können mit dieser Antwort gerne den Justiziar des Börsenvereins, Prof. Dr. Christian Sprang, zitieren.
Beste Grüße
Tatsächlich ist es nun aber so, dass es noch gar keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu dem Thema gibt, mir ist kein Fall bekannt, der bis zum BGH oder weiter zum EuGH gegangen ist. Ich habe die Vermutung, dass man mit dieser Gesetzesänderung unerwünschten Urteilen zuvor kommen möchte.
Das Börsenblatt feiert das Ende eines Rechtsstreits gegen Amazon. Amazon gibt eine Unterlassunsgerklärung wegen eines Verstoßes gegen die Buchpreisbindung ab. Darüber freut sich der Hüter des heiligen Preisbindungs-Grals der Buchbranche natürlich.
Die Unterlassungserklärung vor dem OLG Frankfurt verpflichtet Amazon, in Zukunft keine Nachlässe im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden beim Verkauf von Büchern zu gewähren, da dem Unternehmen sonst eine Vertragsstrafe von bis zu 250.000 Euro droht. In der Verhandlung hatte das OLG darauf hingewiesen, dass eine Revision keinen Erfolg haben würde, daraufhin hatte der Onlineversender die Unterlassungserklärung abgegeben.
Die erste Verhandlung hatte vor dem LG Wiesbaden stattgefunden, bereits dort hatte Amazon verloren, jedoch Berufung eingelegt.
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins freut sich ausgiebig und sagt:
Die Buchpreisbindung gilt für alle. Das wurde vor dem Oberlandesgericht nachdrücklich klargestellt. Der Börsenverein fühlt sich nach diesem Verfahren bestätigt: Auch Amazon muss sich daran gewöhnen, sich an die Gesetze zu halten.
Was ich daran bemerkenswert finde, ist die Tatsache, dass man abfeiert, weil Amazons Kundenfreundlichkeit bestraft worden ist. Der Hintergrund war folgender: Ein Kunde hatte auf Amazons Marketplace von einem Dritthändler ein gebrauchtes Buch gekauft. Der Händler weigerte sich allerdings, dafür eine Rechnung auszustellen. Daraufhin hatte der Amazon-Support dem Kunden ein neues Buch für den Gebrauchtpreis zur Verfügung gestellt – inklusive Rechnung.
Aus Kundensicht und auch objektiv gesehen ist die Vorgehensweise Amazons höchst kulant und kundenfreundlich. Diese Kundenfreundlichkeit ist aber genau das, was Amazon deutlich vom Buchhandel und den Onlineplattformen der Branche unterscheidet. Hier ist der Onlineversender einfach um Lichtjahre besser – und genau da liegt eins der Probleme der Branche (die zahllosen anderen aufzuzählen ist müßig, ich habe es hier auf PhantaNews oft genug getan). Und statt es anzugehen und gleich gut oder sogar besser zu werden wird lieber auf den Beelzebub Bezos geschimpft.
Dass man gegen diese Kundenfreundlichkeit unter dem Deckmantel der Buchpreisbindung mit Klagen vorgeht, statt einfach selbst kundenorientierter zu werden, zeigt meiner Ansicht nach auf eindrucksvolle Weise, die selbstzentrierte, verstaubte und kundenfeindliche Denke beim Börsenverein – und somit auch bei dessen Mitgliedern. Ich gehe davon aus, dass die ausgesprochene Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auch von vielen Buchhändlern abgefeiert werden wird.
Wie bekannt gibt es in Deutschland ein Gesetz für Buchpreisbindung. Das besagt grundsätzlich, dass Bücher überall gleich viel kosten müssen (stark verkürzt dargestellt). Und dieses Gesetz wird vom Börsenverein und dessen Treuhänder auch gnadenlos durchgesetzt, wer versucht daran zu rütteln, wird abgemahnt. Und das sogar, obwohl Börsenverein und Treuhänder sich nicht einig sind, ob beispielsweise Selfpublisher unter das Gesetz fallen.
Durch die Buchpreisbindung hat der Büchermarkt eine kartellartige Struktur, Kartelle sollen durch andere Gesetze eigentlich vermieden werden, aber dank guter Lobbyarbeit gilt das für diese Branche offensichtlich nicht. Die rigide und ausnahmslose Durchsetzung führt unter anderem dazu, dass solche progressiven und in anderen Ländern völlig legalen Aktionen wie das »Humble eBook-Bundle« in Deutschland nicht möglich sind, ohne sich der Gefahr von Rechtsstreitigkeiten auszusetzen.
Wie hirnrissig diese Buchpreisbindung angesichts eines internationalen Marktes und des Internets ist, zeigt der britische Versandhändler The Book Depository. Die versenden weltweit kostenlos, was an sich bereits ein Feature ist. Bei englischen Büchern sind sie in aller Regel nicht preiswerter als beispielsweise Amazon.de, sind aber eine Alternative, falls der Onlinehändler mal was nicht vorrätig haben sollte. Interessant wird es aber bei deutschen Büchern, denn auch die führt Book Depository. Und diese sind zum Teil deutlich preiswerter als hierzulande.
Beispiel gefällig? Bitte: ER IST WIEDER DA von Timur Vermes, preisgebunden bei uns für 19,33 EUR. Beim Book Depository für EUR 17,69 zu haben, also 1,64 günstiger. Noch eins? TINTENHERZ als Taschenbuch: preisgebunden bei uns für 12 Euro, beim Book Depository für 11,03 Euro. Oder: DIE TRIBUTE VON PANEM – TÖDLICHE SPIELE. Preisgebunden in Deutschland für 17,90 Euro, in GB für 16,94 Euro.
Das waren jetzt nur ein paar Beispiele, teilweise gibt es deutlichere Preisunterschiede zwischen den hiesigen Shops und dem Book Depository. Auch wenn diese Preisdifferenzen vielfach eher gering sind und man auf die Ware aus dem Vereinigten Königreich ein paar Tage länger warten muss, zeigt das deutlich, dass man auch preisgebundene Bücher günstiger erhalten kann. Und das zudem völlig legal. Meine Vorhersage: Es wird nicht lange dauern, bis andere Anbieter ähnliche Angebote machen und gezielt deutsche Kunden ansprechen.
Vielleicht sollte das dem Börsenverein zu denken geben. Der wird aber vermutlich eher versuchen, diese Praktiken zu unterbinden. Ein Klageversuch gen Britannien dürfte aber sicher unterhaltsam werden. Das Gesetz sagt zwar:
§ 4 Grenzüberschreitende Verkäufe
(1) Die Preisbindung gilt nicht für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes.
(2) Der nach § 5 festgesetzte Endpreis ist auf grenzüberschreitende Verkäufe von Büchern innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes anzuwenden, wenn sich aus objektiven Umständen ergibt, dass die betreffenden Bücher allein zum Zwecke ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt worden sind, um dieses Gesetz zu umgehen.
Da der Händler aber weltweit anbietet, dürfte es wohl nicht ganz einfach werden, ihm letzteres nachzuweisen.
Ach ja: The Book Depository gehört zu Amazon …
[cc]
Logo The Book Depository Copyright The Book Depository Limited
Bislang waren Bücher aus Selbstverlagen nicht preisgebunden, weil Sie (sic!) im Buchhandel keine Rolle spielten und daher nicht »buchhandelstypisch« waren. Nun erleben wir gerade, dass bei E‑Books viele »Selbstverleger« mit Ihren (sic!) Büchern bei Amazon, Apple und ähnlichen Plattformen nicht unerhebliche Verkaufszahlen generieren. Damit ändert sich wohl gerade auch die Antwort auf die Frage der Buchhandelstypizität. Die Preisbindungstreuhänder streben daher vorausschauend eine Regelung an, wonach Selbstverleger, die ihre E‑Books über Internet– Großbuchhändler anbieten, die Preise einheitlich festlegen müssen.
Die SF-Autorin Myra Çakan hat nun gestern in ähnlicher Causa beim Börsenverein nachgefragt und eine anders lautende Auskunft bekommen, die sie in ihrem Blog wiedergibt:
Dazu sagt die Rechtsabteilung des Börsenvereins, dass es sich hierbei um eine Regel handelt, die aus der Zeit von vor KDP etc… stammt. Wer seine Bücher einer großen Käuferschicht zur Verfügung stellt, also seine Titel über Amazon und andere Plattformen vertreibt, ist verlegerisch tätig.
Ja was denn nun? Mir gegenüber wird eindeutig ausgesagt, dass »man eine Regelung anstrebt«, das impliziert, dass es derzeit keine gibt – es sei denn, man hätte seit Freitag mal schnell eine erfunden und vor allem implementiert, was ich nicht glaube. Dann erneut der Hinweis auf KDP. Zum einen interessant, dass das auf einmal eine Konkurrenz darstellen soll, über die maßgebliche Umsätze generiert werden. War denn nicht gerade noch die Aussage, dass das eBook-Geschäft unter »ferner liefen« anzusiedeln ist und nur einen verschwindend geringen Bruchteil des Buchmarkes ausmacht? Werden die Selfpublisher nicht laut Pressemeldungen aus der Branche nach wie vor als qualitätsarme Randerscheinungen ohne Belang für den Markt belächelt?
Und auf der anderen Seite sollen die plötzlich via KDP und Co. »nicht unerhebliche« Umsätze generieren? Man möge mir verzeihen, wenn ich nur eins davon glauben kann. Was stimmt denn nun? Hosen runter, Börsenverein: sind Selfpublisher eine ernstzunehmende Konkurrenz, oder sind sie es nicht?
Zudem ist die Argumentation mit den sogenannten »großen« Online-Plattformen nicht schlüssig. Das würde bei dieser Auslegung in Konsequenz bedeuten, dass das Buchpreisbindungsgesetz für Selfpublisher gilt, die ihre eBooks über Amazon und vielleicht noch Kobo verkaufen, wenn sie einen eigenen Shop auf ihrer Webseite haben (was problemlos möglich und quasi in Minuten einzurichten ist) jedoch nicht? Nicht ernsthaft, oder?
Um es ganz deutlich zu sagen: der Börsenverein eiert hier in albern zu nennender Weise herum und gibt unterschiedlichen Anfragern in geradezu kafkaesker Art verschiedene, sich widersprechende Antworten. Wenn aber schon der Börsenverein keine definitive Aussage machen kann, wie soll dann der Selbstverleger wissen, was Sache ist?
Erneut aufgekocht ist das Thema übrigens, weil MexxBooks soeben in Kopie der HUMBLE BUNDLES aus den USA hierzulande ein »Hambel Bandel« auf den Markt bringen will (an der Namensoriginalität sollten die allerdings noch mal arbeiten …). Darin befinden sich sechs eBooks von Selfpublishern und man kann nach amerikanischem Vorbild dafür bezahlen, was man möchte. Auch die Verantwortlichen von MexxBooks haben offenbar mit der Rechtsabteilung des Börsenvereins gesprochen und keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Es könnte also sein, dass das jetzt endlich der Präzedenzfall eintreten wird, der klären kann, was Sache ist – nämlich dann, wenn dieselbe Treuhänderkanzlei, aus deren Reihen die oben genannte Aussage im BuchPrG-Kommentar-Buch kommt, dass dieses nicht für Selfpublisher gilt, MexxBooks abmahnen wird.
Es bleibt spannend, allerdings kann die Reise durch die Instanzen Jahre dauern … Bis dahin sollten Selfpublisher vorsichtig sein, denn haufenweise Abmahn-Abzocker sind bekanntermaßen schnell bei der Hand und verdienen sich gern eine goldenen Nase.
Das stand in krassem Widerspruch zu einer Aussage des Justiziars des Börsenvereins, die ich im Januar diesen Jahres erhalten hatte. Deswegen fragte ich nochmal bei der Rechtsabteilung des Börsenvereins nach und erhielt vom Justiziar Dr. Christian Sprang sehr kurzfristig eine Antwort. Hierfür möchte ich mich bedanken. Nachfolgend die Stellungnahme:
Sowohl der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als auch Prof. Dr. Christian Russ, unser Preisbindungstreuhänder von der Kanzlei Fuhrmann Wallenfels, erklären dazu Folgendes:
Bislang waren Bücher aus Selbstverlagen nicht preisgebunden, weil Sie (sic!) im Buchhandel keine Rolle spielten und daher nicht »buchhandelstypisch« waren. Nun erleben wir gerade, dass bei E‑Books viele »Selbstverleger« mit Ihren (sic!) Büchern bei Amazon, Apple und ähnlichen Plattformen nicht unerhebliche Verkaufszahlen generieren. Damit ändert sich wohl gerade auch die Antwort auf die Frage der Buchhandelstypizität. Die Preisbindungstreuhänder streben daher vorausschauend eine Regelung an, wonach Selbstverleger, die ihre E‑Books über Internet- Großbuchhändler anbieten, die Preise einheitlich festlegen müssen. Anders Printverleger, die in kleiner Stückzahl ihre Privatdrucke unter die Leute bringen.
Aha. :) Man darf davon ausgehen, dass es in dieser Sache gerade einige »Kommunikation hinter den Kulissen« gegeben haben dürfte, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die Formulierungen »bisher« und »ändert sich wohl gerade« deuten allerdings darauf hin, dass damit die pauschale Aussage aus dem Januar, dass Selbstverleger auf alle Fälle der Buchpreisbindung unterliegen, in dieser Ausschließlichkeit (nicht nur) zum damaligen Zeitpunkt nicht ganz korrekt gewesen sein dürfte. Auch der Hinweis, dass man »eine Regelung für Selfpublisher anstrebt«, weist darauf hin, dass es seitens der Treuhänder derzeit eben noch keine konkrete Regelung gibt.
Hochinteressant aus meiner Sicht zudem, dass jetzt auf einmal die Frage nach einer Geltung des BuchPrG für Selfpublisher an Absatzzahlen festgemacht wird, anstatt am Buchformat. Was denn nun?
Rechtssicherheit für Selbstverleger stellt das alles nicht gerade her.
Wie Spiegel Online heute berichtet, soll es Apple und fünf großen Buchverlagen in den USA an den Kragen gehen. Warum? Einfach: die dortigen Wettbewerbswächter wittern ein illegales Kartell, das Preiserhöhungen bei eBooks abgesprochen haben soll, das ist ein Verstoß gegen das Kartellrecht. Um »negative Auswirkungen« – also Verurteilungen und Strafzahlungen – zu umgehen, verhandeln jetzt angeblich bereits Verlage mit den Behörden. Als Ergebnis daraus könnten eBooks in den USA deutlich preiswerter werden.
Und wie ist das hierzulande? Auch bei uns gibt es ein Kartellrecht und Kartellwächter (beispielsweise die Landeskartellämter, im Zweifelsfall das Bundeskartellamt) die darüber wachen, dass es nicht zu Wettbewerbseinschränkungen und damit Benachteiligungen der Kunden kommt. Die Wikipedia schreibt als Erläuterung zum Kartellrecht:
Rechtlich gesehen ist ein Kartell eine Vereinbarung oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen, mit dem Ziel oder der Wirkung, den Wettbewerb zu beschränken, zu verfälschen oder zu verhindern.
Sieht man sich den Buchhandel an, dann stellt man allerdings schnell fest, dass man es in Deutschland durch genug Einfluss auf die Lobbyhuren in den Parteien sogar schaffen kann, nicht nur Ausnahmen des Kartellrechtes herbei zu führen, sondern eine Kartellbildung mit den üblichen Effekten auf Preise sogar gesetzlich festlegen lassen kann: man nennt das hierzulande Buchpreisbindung. (ja, ich weiß, das gibt es auch anderswo, ich sage nur Verkehrsverbünde und ihre Preistreiberei – aber hier auf PhantaNews sind Bücher und eBooks die Themen).
Insbesondere der Börsenverein des deutschen Buchhandels könnte als marktbeherrschendes Kartell betrachtet werden (auch wenn er streng genommen selbst natürlich keine Bücher verkauft). Durch die ausgeübten Zwänge in Sachen Buchpreisbindung auch gegen Nichtmitglieder, die mir gegenüber durch den Justiziar des Börsenvereins ausdrücklich bestätigt und verteidigt werden, kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen durch die insbesondere die großen Verlage gegenüber Selfpublishern und Kleinverlagen deutlich bevorteilt werden.
War die Buchpreisbindung in grauer Vorzeit vielleicht mal eine sinnvolle Einrichtung, um die Vielfalt des Marktes zu gewährleisten, ist sie heute und insbesondere angesichts der Möglichkeiten der Veröffentlichung im Netz auch für ganz normale Büger ein überkommenes Relikt das die Großen der Branche bevorzugt und längst überfällig für den Gnadenstoß.
Dank an Colin für den Hinweis auf den SpOn-Artikel
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