Die neue Fassung des Buchpreisbindungsgesetzes – ein Kommentar
Aber wie es scheint, hat sich irgendjemand beim Diktieren der Änderungen aufs Gröbste vertan. Oder vielleicht hat ein Selfpublisher an den Formulierungen mitgearbeitet. Denn, oh Wunder, eBooks von Selfpublishern sind ausdrücklich vom neuen Gesetz ausgenommen. Das kann nicht im Sinne des Börsenvereins und seiner Mitglieder gewesen sein, denn diese Ausnahme verschafft Selfpublishern deutliche Wettbewerbsvorteile.
Man ist als Selbstverleger nicht mehr gezwungen, darauf zu achten, dass seine Bücher auf allen Plattformen gleich viel kosten. Ab dem Datum des Inkrafttretens sind auch »zahl´ was Du willst«-Angebote oder ‑Bundles möglich, ebenso wie »zahl´ mit einem Tweet« oder ähnliche Modelle. Und das sowohl für eBooks wie für Printbücher. Das ist aus Sicht der Selfpublisher natürlich überaus erfreulich – und ich kann mir vorstellen, dass das bei den Mitgliedern des Börsenvereins eher für Heulen und Zähneklappern sorgen dürfte. Man muss sich fragen, wie es sein konnte, dass das so durchrutschte? Hat man da bei der Lobby tief und fest gepennt, dass das während der Entwicklung der Gesetzesänderung nicht auffiel? Hatte man gehofft, die Politik werde das schon richtig machen? Dabei weiß man doch, wie handwerklich schlecht etliche Gesetze der letzten Jahre sind.
Wie handwerklich schlecht die Gesetzesänderungen auch in anderer Hinsicht sind, zeigt der neue Absatz über den »Letztabnehmer in Deutschland«, der dazu führen soll, dass ausländische Verkäufer das BuchPrG nicht umgehen können (wie das bisher beispielsweise gewisse britische Anbieter taten). Nach Kommentaren von Juristen, die ich las, ist durch die Formulierung hier nicht der Wohnsitz ausschlaggebend, sondern wo sich dieser Letztabnehmer zum Zeitpunkt des Kaufs befindet. Sprich: Bin ich im Urlaub, beispielsweise in den Niederlanden, kann ich preisgebundene Bücher möglicherweise günstiger bekommen. Man muss sich fragen, wie das durchgesetzt werden soll? Mittels Geolocation? Das wäre prima, ich bin Nutzer eines VPN-Dienstes, mit dem ich scheinbar aus einer Menge von Ländern im Internet unterwegs sein kann … Und bevor jetzt wieder irgendein Schlaumeier lamentiert: Nein, die Nutzung von VPNs ist nicht nur völlig legal, sondern auch für manche Anwendungen technisch unabdingbar notwendig.
Damit könnte ich preisgebundene Bücher günstiger erwerben, weil ich den Anschein erwecke, kein Käufer aus Deutschland zu sein.
Und selbst wenn die Interpretation falsch wäre, und doch der Wohnort des Kunden gilt: Wer will mich denn daran hindern, eine Auslandsadresse als Hauptanschrift beim Onlineshop zu hinterlegen, und dann an eine abweichende Zweitadresse in Deutschland liefern zu lassen? Wieder einmal – und wie so oft – hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten des #neulands völlig übersehen. Alte Männer mit Kugelschreibern und Faxgeräten …
Abschließend ist die Zementierung des fossilen Buchpreisbindungsgesetzes in meinen Augen der falsche Weg, weil hier eine kartellartige Struktur gesetzlich unterstützt wird. Die Argumentation, dass die Buchpreisbindung auch Nischenprodukte ermögliche, ist ohnehin eine Lächerliche, wenn man sich ansieht, was die Publikumsverlage so an billigem und mies lektoriertem Massenmüll auf den Markt pumpen. Auch der Hinweis auf kulturelle Vielfalt zieht meiner Ansicht nach nicht im Geringsten. Wenn dem so wäre, müsste es auch Preisbindungsgesetze für Musik, Filme oder Computerspiele geben. Die gibt es aber nicht und man kann nicht sagen, dass es bei diesen Medien keine Vielfalt gäbe – sogar ganz im Gegenteil.
So werden wir aber weiter mit diesem unzeitgemäßen Gesetz leben müssen. Dass die Selfpublisher davon ausgenommen wurden, erfreut mich dann aber doch – das kann man fast progressiv nennen, auch wenn es mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Versehen war.
Korrektur: Nur eBooks von Selfpublishern fallen offenbar nicht unter die Buchpreisbindung, für Printbücher gilt sie. Mein Fehler. Und natürlich völlig daneben, warum diese Unterscheidung? Der entsprechende Passus steht nicht im Gesetz selbst, sondern in der Begründung zum Gesetz, die Gerichte ebenfalls zur Interpretation heranziehen.
Grafik von mir, CC BY-NC-SA