Man hätte keine Kristallkugel benötigt, um vorherzusehen, dass es Gegeifer seitens der Buchbranche geben wird, wenn ein Verlag mit Amazon zusammenarbeitet. Jetzt hat es Bastei Luebbe getroffen, die sind bekanntermaßen äußerst umtriebig, was eBooks angeht. Und hatten zusammen mit dem Onlinehändler eine Aktion durchgeführt, in deren Rahmen man Dan Browns ILLUMINATI kostenlos erhielt, wenn man die Kindle Lese-App erstmalig installierte. Diese Aktion ist bis zum 14. Januar befristet.
Dem Buy Local-Chef und RavensBuch-Mitinhaber Michael Riethmüller, der immer wieder durch in meinen Augen völlig überzogenes, Gemecker im Zusammenhang mit Amazon auffällt, war das ein so derber Dorn im Auge, dass er in seiner Buchhandlung nicht nur keine Vertreter des Verlags mehr empfängt, auch alle Neuheiten- und Backlistbestellungen wurden gestrichen. Und es wurde angekündigt, Bücher von Bastei Luebbe in den Regalen verschwinden zu lassen.
In meinen Augen ein beinahe mafiös zu nennendes Verhalten:
»Einen schönen Verlag hast Du da, wäre doch schade, wenn keiner mehr Deine Bücher kauft …«
Auch die Buy-Local-Initiative, deren Vorsistzender Riethmüller ist, beendet Medienmeldungen zufolge die Zusammenarbeit mit Bastei Luebbe.
Das Verhalten Riethmüllers scheint auch ansonsten eher … knorrig, das kann man sowohl seinen Äußerungen in der Vergangenheit entnehmen, zudem wurde mir berichtet, dass auch seine Kommunikation mit Kleinverlagen offenbar von einiger Arroganz geprägt ist. Diese Weigerung, Bücher eines Verlags zu verkaufen, nur weil der mit dem Marktführer zusammenarbeitet, zeichnet aber in meinen Augen ein symptomatisches und unsympathisches Bild einer nach wie vor rückwärts gerichteten Branche. Außerdem schießen sich die teilnehmenden Buchhandlungen doch ins eigene Knie: Wenn ein Kunde ein Buch des Verlags haben will, kauft er es eben woanders – oder bei Amazon.
Auf meinen gestrigen Artikel hin hatte sich Herr Bintig von LChoice ja bereits in den Kommentaren gemeldet. Ich halte es für ein äußerst positives Zeichen, dass der Betreiber offen auf die Kritik eingeht. Weiterhin erhielt ich von ihm noch eine Email, die ich hier – wie angekündigt – wiedergeben und auch meinerseits kommentieren möchte.
Sehr geehrter Herr Holzhauer,
vielen Dank für Ihre Nachfragen – wir freuen uns sehr, wenn sich Nutzer intensiv mit unseren Produkten auseinandersetzen und natürlich auch, wenn sie vorhandene Schwachstellen finden, die wir dann beheben können.
Lassen Sie mich gleich technisch ins Detail gehen und Ihre Fragen beantworten:
Zugriff auf die SD-Karte wird benötigt, da verschiedene Telefon-Modelle externen Speicher als SD-Karte mounten und wir dort Daten ablegen. Das tun wir, um den internen Speicher des Telefons zu entlasten.
Die Funktionen für Blitzlicht, WLAN und Kamera sind Teil der Anwendung – darüber hinaus nicht sehr sicherheitskritisch. Unserer Kenntnis
Zugriff auf Systemeinstellungen: Diese Option ist gewählt, um z.B. die Geolocation ein- oder ausschalten zu können. Aktuell nutzen wir diese Option noch nicht, sie wird aber in einem der nächsten Releases verfügbar sein.
Permanentes Ausführen der App benötigen wir für Messagingdienste – diesen werden wir allerdings in naher Zukunft weiterentwickeln und dieses Recht dann nicht mehr benötigen.
Entwickler-Tools. Dahinter verbirgt sich z.B. das Löschen von gecachten Files, die im geschützten Bereich abgelegt sind.
Darüber hinaus entziehen wir permanent bei fast jedem Release der App Rechte – im Laufe der Entwicklung benötigte LChoice immer weniger davon. Ein komplett »rechtlose« App ist allerdings schwierig zu bauen, auch wenn sie »nur Bücher kaufen« wollen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass zahlreiche andere Apps, wie ebay, Amazon, Xing etc. ebenfalls Rechte besitzen, die auf den ersten Blick suspekt erscheinen können, z.B. das zum Löschen von Cachefiles, was als »Entwickler-Tools« auftaucht oder den Zugriff auf den externen SD-Speicher. LChoice ist im Vergleich mit den genannten Apps sogar vergleichsweise sparsam, was die geforderten Rechte betrifft, man denke nur an den Zugriff auf Nutzerkonten und ‑daten.
Abschließend noch eine kurze Antwort zu Ihrer Frage, warum wir nur eine App anbieten. Wir arbeiten aktuell an einer Webversion der App, u.a. aus dem von Ihnen genannten Grund, eben allen Nutzern die Möglichkeit zu bieten, ihre Buchhändler auf diese Art und Weise zu unterstützen.
Ich freue mich auf Ihr Feedback und die weiteren Diskussionen auf Ihrer Seite.
Mit freundlichen Grüßen,
Robert Bintig
Dazu folgende Anmerkungen. Dass die App Netzwekzugang haben muss, damit man sich über ein WLAN verbinden kann, sehe ich ein. Unnötig ist jedoch der Zugriff auf die Liste der lokal vorhandenen WLANs. Ich entscheide als Nutzer ob ich mich mit einem davon verbinde, die App hat damit gar nichts zu tun. Werden alle WLAN-Netzwerke in Reichweite mitgeschnitten, wäre es theoretisch sogar möglich, darüber ein Bewegungsprofil zu erstellen. Bewegungsprofil ist ein gutes Stichwort für das viel größere Problem und es wird die Geolocation, also die Positionsbestimmung des Nutzers, auch direkt in der Antwort angesprochen. Zugriff auf sämtliche Systemeinstellungen – und ich wiederhole mich – ist völlig inakzeptabel. Der Hinweis darauf, dass die App sich erlaubt, die Positionsbestimmung selbstständig zu aktivieren verschlimmert das Datenschutzproblem sogar noch. Aus welchem logischen Grund sollte eine – wir erinnern uns – ständig laufende App sich selbst dauerhaft Zugriff auf unsere Position geben dürfen? Der einzige, der mir einfällt, wäre ein Bewegungsprofil zu erstellen. Das benötigt man für einen Buchkauf keinesfalls. Ich vermute mal, es soll hauptsächlich verwendet werden, um die nächste Buchhandlung anzuzeigen. Das könnte man aber leicht lösen, wie bei anderen Anwendungen auch: indem man den Nutzer einfach fragt, ob er für diesen Fall und kurzzeitig eine Positionsbestimmung zulassen möchte.
Der Hinweis, dass sich Apps anderer Anbieter noch viel weiter reichende Rechte einräumen ist korrekt, aber nicht zielführend. Dass andere deutlich kritischer sind, ändert ja nichts an den bestehenden Defiziten mit LChoice.
Positiv sehe ich die Rückmeldung, dass die in meinen Augen höchst kritischen Rechte in Sachen Systemeinstellungen ebenso wie andere Probleme bei einem Update der App behoben werden sollen. Ich werde LChoice dann erneut prüfen und eine neue Bewertung abgeben, sollten meine Bedenken dann zerstreut sein, werde ich auch Angebot und Umsetzung testen und auf PhantaNews in Form eines Artikels veröffentlichen (bis zu diesem Zeitpunkt gibt es dann vielleicht auch einen Buchhändler bei mir vor Ort, der sich dem System angeschlossen hat). Dass zudem eine webbasierte Möglichkeit eingerichtet werden soll, mit der man das Angebot nutzen kann, halte ich ebenfalls für eine sehr gute Nachricht. Denn grundsätzlich finde ich die Idee immer noch großartig.
Es ist im Prinzip genau das Konzept, dass ich hier auf PhantaNews schon mehrfach als wünschenswert beschrieben hatte: Ich kaufe meine Bücher online, bekomme sie nach Hause geliefert und der Betrag wird einem lokalen Buchhändler gutgeschrieben.
Jetzt gibt es offenbar endlich einen Anbieter, der genau das tut, allerdings nicht mit einem Webportal, sondern mit einer App für Android und iOS. Mit der LChoice-App kann man entweder einen QR-Code scannen, oder eine ISBN-Nummer eingeben, oder ein Buch über den Titel suchen und dann erwerben. Den Kauf kann man dann entweder in der gewünschten (und eingestellten) Buchhandlung abholen, oder sich die Ware zuschicken lassen.
Laut der Infoseite sind die Kosten für den Buchhändler hierbei überschaubar, es werden 3% vom Kauf für die Auftragsabwicklung fällig, will man zusätzlich den optionalen Bezahlservice in Anspruch nehmen, fallen noch einmal 1% an. Bei den Alternative »gar nicht verdienen, weil der Kunde irgendwo online kauft« sind das in meinen Augen Top-Konditionen.
Eigentlich grandios, genau so muss das gehen. Das Ganze ist noch sehr neu, deswegen nehmen bisher gerade mal ungefähr 100 Buchhändler teil, das müssen natürlich deutlich mehr werden. Warum dann »eigentlich«? Deswegen:
Bei der Installation der App auf einem Android-Phone zeigen sich dann allerdings Merkwürdigkeiten. Die Berechtigungen, die sich LChoice genehmigen will, sind in meinen Augen nicht mal ansatzweise akzeptabel. Warum muss die App Videos aufnehmen können? Für einen QR-Code reicht Zugriff auf die Kamera. Dann will sich die App das Recht einräumen, permanent ausgeführt zu werden und – man fasst es kaum – Systemeinstellungen ändern zu dürfen. Voller Netzwerkzugriff dürfte klar sein, sonst könnte man das Internet nicht nutzen. Warum die App SD-Karten-Inhalte ändern will, verstehe ich ebenfalls nicht ganz, genauso wenig, warum sie Zugriff auf Vibration, Blitzlicht und geschützten Speicher haben und die WLAN-Verbindungen anzeigen möchte.
Was soll das Ganze? Etliche Berechtigungen davon sind für einen reinen Buchkauf überhaupt nicht nötig. Da man den Service leicht auch als Webseite anbieten könnte, diese Möglichkeit aber nicht existiert, kann man eigentlich nur davon ausgehen, dass die App im Telefon schnüffeln möchte. Ich werde mal eine Anfrage beim Anbieter stellen, was die sich dabei denken.
Ich habe LChoice dennoch installiert, um das mal auszuprobieren. Die unverschämten Berechtigungen kann man mit entsprechenden Anwendungen wie AppGuard einschränken, was ich getan habe. Leider weigert sich LChoice dann, zu starten. Tja, dumm gelaufen, hier könnte eine an sich prima Idee an bekloppten App-Berechtigungen scheitern. Im Moment würde ich LChoice aufgrund dieser Problematik nicht nutzen. Mal abwarten, was der Anbieter sagt. Auf der Webseite findet sich unter dem Menüpunkt »Markenleitbild« folgender Text:
Unser Anspruch ist das Leben der Menschen in ihrem Alltag zu bereichern – vertrauenswürdig und innovativ. Wir wollen praktisch funktional, echt benutzerfreundlich und sinnvoll sein.
Soso, »vertrauenswürdig« … Bin gespannt, was auf meine Anfrage geantwortet wird.
Logo LChoice Copyright MChoice AG, Screenshot Berechtigungen von mir
Die Litanei, die man immer wieder seitens des Buchhandels und des Börsenvereins hört: kauf lieber bei deinem lokalen Buchhändler statt beim Beelzebub Amazon. Dass die Realität anders aussieht, weiß jeder Phantastik-Freund der schon einmal versucht hat, etwas aus einem kleineren oder Special-Interest-Verlag beim »kleinen Buchhändler um die Ecke« zu bekommen. Ja, ich weiß, es gibt auch gute, die ihr Handwerk verstehen und wissen, wie herum man eine Maus hält. Trotzdem sind solche Erlebnisse, wie unten geschildert nach meinen Erfahrungen nicht die Ausnahme, sondern leider die frustrierende Regel.
Der Verlag Cross Cult veröffentlich nicht nur zahllose Comic-Reihen, sondern auch diverse Lizenz-Romane rund um Popkultur-Phänomene wir STAR TREK, DOCTOR WHO oder CASTLE. Und auch eine äußerst sehens- und lesenswerte Neuauflage von Ian Flemings JAMES BOND-Romanen. Soeben veröffentlichte der Verlag Folgendes auf Facebook:
Eben einen Anruf erhalten, von einem freundlichen Mann, der sich erkundigt hat, ob man unsere Titel nur direkt bei uns kaufen kann. Er habe einen Artikel über die Bond-Romane in der »Jungen Welt« gelesen und möchte sich nun alle erhältlichen Titel zulegen. In seiner Stammbuchhandlung hat man ihm allerdings gesagt, dass man mit »Cross Cult« nichts anfangen könne. Wir haben ihm geraten, auf unsere Webseite zu gehen, die ISBN eines Bond-Romans zu notieren und damit nochmals zur Buchhandlung zu gehen. Löblicherweise möchte er nämlich nicht bei Amazon bestellen, sondern beim örtlichen Buchhändler.
Lieber unbekannter Buchhändler,
kannst Du nicht in Dein System gehen und nach »Ian Fleming James Bond« suchen? Auch wenn Du den komischen Verlag »Cross Cult« nicht kennst, werden da alle unsere Titel gelistet und Du kannst sie problemlos über Libri/KNV/Umbreit oder direkt bei unserer Auslieferung bestellen. All diese Infos finden sich auch auf unserer Webseite, die man ebenso problemlos mit Hilfe eines jeden internetfähigen Geräts aufrufen kann … Zur Not schau doch bei Amazon nach oder frag die Auskunft und ruf uns an. Danke! Das ist allemal besser, als einen Kunden selbst auf die Suche zu schicken, der bei Dir gleich zehn Bücher auf einmal kaufen möchte. Eigentlich geht man ja in eine dieser guten alten Buchhandlungen wie Deine, damit einem freundliches Personal weiterhelfen kann, bei der Suche nach dem gewünschten Buch. Danke, lieber Buchhändler, dass Du unsere Titel in Zukunft bestellst und an Deine Kunden verkaufst oder vielleicht sogar ein paar Exemplare ins Regal stellst. Jetzt, da Du weißt, wie das geht …
Das kenne ich. Überhebliche Buchhändler oder Büchhändlergehilfinnen, die ob des geäußerten Lesewunsches die Nase rümpfen, weil es sich nicht um vermeintliche Hochliteratur handelt und die überhaupt keinen Bock haben, sich um die Wünsche des Kunden zu bemühen. Der vorliegende Fall ist natürlich besonders abstrus, denn wenn ein Kunde gleich einen Haufen Taschenbücher kaufen möchte, sollte es im gesteigerten Interesse des Buchhändler liegen, diesen Umsatz selbst zu machen. Kunden in dieser Form einfach wegzuschicken, das kann man nur als borniert und dumm bezeichnen.
Liebe Buchbranche: Arbeitet dran! Nehmt Kundenwünsche ernst! Das ist viel zielführender als das dauernde Amazon-Gebashe und die hohlen Werbephrasen zum Thema »buy local«.
Update 2: Erik Schreiber kommentiert auf Facebook:
Da kann ich noch eins drauf setzen, frei nach dem Motto, »einer geht immer«. Ich habe in der Umgebung von Darmstadt jede mir bekannte Buchhandlung persönlich aufgesucht, meinen Verlag Saphir im Stahl und mich vorgestellt, meinen kleinen Prospekt dagelassen. Zwei Wochen später kommt ein Anruf von der Buchhändlerin, sie hätte ja noch nie etwas von mir gehört und jetzt steht da ein Kunde und will »Der Mannwolf von Königsberg«, was das den für ein Buch sei …
Börsenverein, Buchhändler und Co. überschlagen sich immer wieder dabei, Amazon mit den verschiedensten Mitteln und Begründungen mies zu machen, und hören nicht damit auf, den Kunden darauf hinzuweisen, dass man doch lieber einheimische Händler und insbesondere den lokalen Buchhandel unterstützen möge.
Dass das abseits großer und Publikumsverlage allerdings leider nicht funktioniert, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, ein Buch aus einem Klein- oder Nischenverlag im Buchhandel zu bekommen. Wenn das bei Großhändlern wie KNV (Koch, Neff & Volckmar GmbH, der größte Buchgroßhändler in Deutschland) nicht gelistet ist, dann nutzt auch eine ISBN leider gar nichts – an das Buch kann man als Kunde beim Handel nicht heran kommen (zumindest bei den Händlern, die ihre Bücher bei KNV beziehen).
Glaubt ihr mir nicht? Dann mal ein konkreter Fall: DIE STILLE NACH DEM TON ist eine vom SFCD herausgegebene und in der Reihe AndroSF erschienene Anthologie. Sie enthält die Geschichten, die mit dem SFCD-Literaturpreis (1985 bis 1998) und dem Deutschen Science Fiction-Preis (1999 bis 2012) ausgezeichnet wurden. Erschienen ist sie am 1. September 2012 bei Michael Haitels Verlag p.machinery, die ISBN lautet 978–3942533379.
Michael bekam heute eine Anfrage von einer Buchhandlung, die das Buch im September 2012 bestellt hat. Großhändler KNV behauptet bis dato, also ein geschlagenes Jahr später (!), das Buch sei nicht lieferbar.
Sicher, der Buchhändler kann nichts dafür, aber wenn der Großhändler nicht in der Lage ist, Bücher zu beschaffen, wie es seine Aufgabe wäre, dann wirft das ein deutliches Licht auf das Publicity-Geschrei der Buchbranche in Sachen »Buy Local«. Die Aussage man bekäme alles auch beim lokalen Buchhändler ist schlichtweg falsch, offenbar auch, weil Großhändler überhaupt keinen Bock haben, sich mit Klein- und Indie-Verlagen und deren Angebot ernsthaft auseinander zu setzen. Als Verleger würde ich mich fragen, warum ich die Kohle in eine ISBN überhaupt investieren soll, wenn offensichtlich inkompetente Zulieferer trotz Vorhandenseins einer solchen die Ware nicht beibringen können? Oder handelt KNV etwa einfach nur gemäß dem neuen Werbespruch der Branche: »Vorsicht, Buch!«?
Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt. Solange eine derartige Arroganz gegenüber kleineren Anbietern in der Branche herrscht, soll mir bitte keiner mehr mit »Buy Local« kommen. Denn man bekommt »lokal« nicht das, was man kaufen möchte, insbesondere im Bereich Special Interest und Kleinverlage. Selbstverleger finden ohnehin nicht statt. Bei Amazon kann man es sofort bestellen (kommt dann direkt vom Verlag, kann man also alternativ auch gleich dort ordern).
Was es für die Verlage bedeutet, wenn deren Bücher laut KNV angeblich und fälschlich »nicht lieferbar« sind, kann man sich leicht vorstellen … Übrigens sollten auch die Buchhändler dringend nochmal über diesen Sachverhalt nachdenken.
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Cover DIE STILLE NACH DEM TON Copyright p.machinery
Auf diepresse.com produziert sich Buchverleger Jochen Jung in Sachen eBook. Überschrieben ist der Artikel mit »wider das eBook-Bashing«. Das ließ hoffen. Was sich dann allerdings im Text findet, lässt mich erblassen. Denn wir, die wir die unglaubliche Dreistigkeit besitzen, im Internet Waren zu kaufen, sind miese Diebe. Glaubt ihr nicht? Ich zitiere aus dem Artikel (fehlende Leerzeichen sind 1:1 übernommen):
Heute sind reale Geschäfte für immer mehr Menschen nur noch eine Art Musterausstellung: Man schaut sich die Dinge an, probiert sie aus, entscheidet sich und geht dann nach Hause und bestellt am Computer. Und wer noch einen Schritt weiter ist, der findet gleich im Netz den größten Musterkoffer überhaupt und füllt seinen Warenkorb dort. Das erspart ihm das Wochenendgedränge in der U‑Bahn und im Kaufhaus, und schon nach wenigen Tagen kommen die Sachen mit der Post ins Haus. Es ist kaum übertrieben, wenn man dieses Verhalten als eine Art Diebstahl betrachtet. Der stationäre Handel,egal ob mit Kleidung,Elektronik oder zum Beispiel Büchern, bezahltMiete, Arbeitskraft, Ausbildung und Know-how,um am Ende die richtige, angesagte, verlangte Ware im Geschäft auslegen und anbieten zu können. Dass sich dann Menschen ohne jede Kaufabsicht dieserMöglichkeiten bedienen, ist zwar nicht verboten, aber unanständig ist es doch. Und unklug ist es auch, denn natürlich führt der schrumpfende Umsatz zu abnehmenden Einkünften, und eines Tages wird die Tür an einem Samstagabend geschlossen und am Montagmorgen nicht mehr aufgemacht: Der Musterkoffer bleibt zu.
Da bleibt einem die Luft weg, oder? Wenn ich also die Entscheidung treffe, nicht beim einen, sondern beim anderen Händler meine Waren zu erwerben, dann bin ich in den Augen des einen ein Dieb? Das ist so dermaßen abstrus und weltfremd, dass sogar mir jede sarkastische Bemerkung im Hals stecken bleibt. Sehen wir uns doch mal ein Detail an (fehlende Leerzeichen wurden eingefügt):
Der stationäre Handel,egal ob mit Kleidung, Elektronik oder zum Beispiel Büchern, bezahlt Miete, Arbeitskraft, Ausbildung und Know-how, um am Ende die richtige, angesagte, verlangte Ware im Geschäft auslegen und anbieten zu können.
Arbeitskraft, Ausbildung und Know-How? Jung sollte sich mal aus seinem offenbar schlecht belüfteten Büro heraus begeben und persönlich einkaufen gehen, und das nicht nur beim Juwelier, Schampus- oder Leimhändler; dann würde ihm vielleicht auffallen, dass der Einzelhandel an (zu) vielen Stellen auf 400 Euro-Hilfskräfte umgestellt hat, die einem Gurken in die Hand drücken, wenn man Tomaten haben möchte. In den wenigsten Fällen erhalte ich gerade in Sachen Technik (oder Büchern) eine kompetente Beratung und die Ware, die ich möchte, findet sich in den Regalen gar nicht erst (gerade bei Büchern). Bestellen kann man die auch nicht, oder das dauert Tage, oder das Zeug ist dann dreimal so teuer wie beim Onlineversender (bei Büchern dank des Buchpreiskartells natürlich nicht). Da wird nicht das ausgelegt und angeboten, was verlangt ist, Herr Jung, und beraten werde ich dazu schon mal gar nicht. Oder falsch. Dann kann ich auch gleich online bestellen und bekomme das Zeug nach Hause geliefert. Der gruselige Service tun das seine dazu. Wer mal versucht hat, in der Gewährleistungszeit eine definitiv defekte Ware bei Saturn zurück zu geben, der weiß, wovon ich spreche. Ich lasse mich in Läden nicht mehr von unmotivierten Hilfskräften anmuffeln, weil ich es wage, sie nach etwas zu fragen oder weil ich meine Verbraucherrechte kenne.
Bevor er mich des Diebstahls bezichtigt, weil ich da kaufe, wo es das Angebot gibt, das ich möchte und wo das zudem auch noch deutlich preiswerter ist, sollte der Herr Jung vielleicht mal darüber nachdenken, ob man uralte Geschäftsmodelle nicht endlich mal den Realitäten anpassen sollte. Wer das nicht tut, der muss sich nicht wundern, wenn er Samstags ab- und Montags nicht wieder aufschließt. Vielleicht zeigt er mir mal einen Buchhändler, bei dem ich eBooks bekommen kann. Um genauer zu sein: welche, die ich auch möchte.
Die Schuld hierfür den Kunden zuschustern zu wollen, ist insbesondere in dieser dummdreisten Art eine Unverschämtheit – und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt. Wenn das irgendwelche Sympathien wecken soll ist es nicht nur gründlich daneben gegangen, sondern dämlich. Vom Kauf irgendwelcher Produkte aus dem Verlag des Herrn Jung werde ich zukünftig jedenfalls absehen. Auch als eBook.
Mannmannmann.
Zum Rest des Artikels muss man sich ebenfalls kaum äußern. Wer die aktuellen Zahlen des Börsenverlags zum Thema eBooks kennt (dazu demnächst mehr), der weiß, dass die gesamte Branche sich verrechnet hat, was die Steigerung der Absatzzahlen angeht. Die sind nämlich deutlich höher als zuvor angenommen. Trotzdem sondert Jung noch solche Worthülsen ab:
Das E‑Book wird es schwer haben, die Konkurrenz zu einem schön gemachten Buch aus Papier, Farbe, Leim und Fantasie zu gewinnen
Nein, wird es nicht. Und darum geht es auch gar nicht, es gibt keinen Zwang zu entweder-oder. Aber lassen wir ihn vielleicht besser weiter in seinem Verlagsbüro am geliebten Leim vom kompetenten Händler schnüffeln. Sonst schreibt er womöglich noch weitere solcher Artikel … wer weiß, was wir außer Dieben noch alles sind …
Auch das war natürlich ein Aprilscherz. Noch …Ich halte es durchaus nicht für unwahrscheinlich, dass Amazon das oder etwas ähnliches in Zukunft tatsächlich durchführen könnte (und die »Buy Local«-Kampagne des Buchhandels halte ich tatsächlich für völlig verfehlt, zumal sich inzwischen Strukturen auftun, die man als »mafiös« bezeichnen könnte).
Der Versandhändler Amazon wird laut einer aktuellen Pressemitteilung die »Buy Local«-Bewegung des Buchhandels mit eigenen Kampagnen unterstützen, beim Konzern heisst die Kampagne »Shop Local«. Hierfür werden in diversen deutschen Großstädten Amazon-Shops eingerichtet, die ersten soll es bereits bis zum Ende April 2013 in Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Köln und Stuttgart geben, weitere werden in größeren Städten sukzessive folgen. Geplant ist das Einrichten dieser Stores schon seit Längerem, jetzt macht Amazon offenbar ernst. In Großbritannien kann man seine Waren bereits in Ladengeschäften abholen.
Laut James Lirpa, dem Public Relations-Manager des Onlineversenders, will man durch die Ladengeschäfte das lokale Kaufen unterstützen und dafür sorgen, dass wieder mehr Kunden die Innenstädte zum Warenerwerb aufsuchen. Das Sortiment wird zum einen Bücher beinhalten, allerdings soll auch Unterhaltungselektronik angeboten werden. Kunden, die etwas online bestellen, können ihre Ware in den Amazon-Shops abholen, statt sie sich zusenden zu lassen. Versandkosten fallen hierfür keine an. Auch Waren, die normalerweise nur über den Versand erhältlich sind, sollen in den Amazon-Shops vorgehalten werden, beispielsweise über CreateSpace selbstpublizierte Bücher. Weiterhin soll es Beratungsleistungen geben, man kann sich z.B. seinen Kindle-eReader dort einrichten und erläutern lassen.
Amazon weist in der Pressemitteilung explizit darauf hin, dass in seinen Shops Gehälter gezahlt werden sollen, die über dem Einzelhandelsdurchschnitt in den jeweiligen Städten liegen.
Coole Sache – und erneut wird Amazon den behäbigen lokalen Buchhandel und dessen völlig untaugliche »Buy Local«-Kampagne damit kalt erwischen.
Bild: Amazon Retail Shop in Seattle Copyright Amazon.com
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