Liebe Kleinverleger°Innen, das ist euer Problem!
Ich habe hier auf PhantaNews immer wieder die deutsche Buchbranche und die Buchhandelsszene kritisiert, die, wie ich es provokant formulierte, keinen Bock hat, Bücher zu verkaufen. Tatsächlich geht es darum, dass man als Leser°In immer wieder massive Probleme hat, Kleinverlagsbücher im stationären Buchhandel zu bekommen. Einer meiner Artikel hatte den Titel »Kleinverlage und der Buchhandel – keinen Bock, Bücher zu verkaufen?«. Auch »Seitenflügel« hatte berichtet (Seite offline, deswegen Link zu archive.org), ebenso Steglitzmind unter dem Titel »Ich habe oft den Eindruck, dass dem deutschen Buchhandel nichts ferner liegt, als Bücher zu verkaufen« über die Edition Phantasia.
Ein weiteres Problem ist, dass die Großhändler bisweilen Kleinverlagsbücher heimlich auslisten – und wenn man sie dabei erwischt und nachfragt, kommen nur Ausflüchte. In deren Buchbestellsystemen sind diese Bücher durch Buchhändler°Innen nicht bestellbar. Die müssten dann direkt bei den Kleinverlagen ordern – und das ist Buchhändler°Innen oft zu viel Aufwand (das ist keine These, das sind persönliche Erfahrungen und Berichte von Personen hinter Kleinverlagen mir gegenüber).
Diese Texte auf PhantaNews sind jetzt acht Jahre her und man sollte annehmen, dass die Situation doch irgendwann mal besser werden müsste, insbesondere um sich der erdrückenden Übermacht Amazons entgegen zu stellen, über die immer noch lamentiert wird.
Doch weit gefehlt. Statt selbst nochmal was zu dem Thema zu schreiben (die jahrzehntelange Evolutionsresistenz der Buchbranche hat mich ermüdet, so dass ich das nicht mehr thematisiert hatte), möchte ich auf einen Artikel von Andreas Vierheller bei »Schöne Bücher« verweisen. Der trägt den Titel:
»Die Herausforderungen der Kleinen: Warum das Buchhandelssystem für unabhängige Kleinverlage nicht funktioniert.«
Es ist erschreckend, aber in all den Jahren Amazon-Dominanz hat sich nicht, aber auch gar nichts geändert, die Situation ist vielmehr sogar noch schlimmer geworden. Der Text ist nicht ganz kurz, aber er legt genau die Probleme bloß.
Unter anderem weist er auch auf die Buchpreisbindung hin, die angeblich für die Erhaltung des Kulturgutes Buch unabdingbar ist und die der Börsenverein des deutschen Buchhandels mit Zähne, Klauen und intensiver Lobbyarbeit bei der Politik verteidigt. Ich habe schon immer gefragt, warum genau dieses Kulturgut förderungswerter ist, als andere? Vierheller stellt dazu genau die richtigen Fragen:
In der Begründung des Börsenvereins für die Wichtigkeit des Buchpreisbindungsgesetzes steht:
Zudem sind Buchhandlungen gerade für kleine und mittelgroße Verlage unverzichtbar, um den Leserinnen und Lesern Bücher unbekannter Autorinnen und Autoren oder Titel abseits des Mainstreams zu präsentieren.
Und Vierheller fragt:
Sollte es demnach nicht Aufgabe des Buchhandels sein, den kleinen Verlagen ausreichend Präsentationsfläche zu bieten?
Genau!
Was man als Verleger nicht erwarten darf: Dass der Buchhändler den Titel von sich aus einkauft und ins Regal stellt. Er wird das Buch auf einen Kundenwunsch hin bestellen oder ein Exemplar in Kommission nehmen, wenn Sie ihm vermitteln können, dass seine Kunden großes Interesse am Buch haben könnten.
…
Wer sein Buch verkaufen will, muss also in erster Linie Aufmerksamkeit erzielen.
…
Wichtig für Sie: Seien Sie kreativ! Neue Wege in der Vermarktung können die eine oder andere neue Tür öffnen und zur Bekanntheit Ihres Buches beitragen.
Kommentiert er mit:
Ich übersetze das mal so: Liebe Kleinverleger*innen, das ist euer Problem.
Ich möchte den Artikel meinen Leser°Innen ausdrücklich ans Herz legen, denn er legt den Finger in so viele offene Wunden der deutschen Buchhandelsbranche (u.a. auch Remittenden oder dass den Großen der Branche Kleinverlage offensichtlich nur im Weg rumstehen), dass man ihn insbesondere als Buchenthusiast°In unbedingt lesen sollte.
Der Schluss daraus kann eigentlich wieder mal nur lauten: Kauft die Bücher direkt bei den Kleinverlagen. Damit ist der Buchhandel natürlich mal wieder raus, aber das Problem ist halt selbstgemacht, damit hat Amazon nichts zu tun, sondern nur die verknöcherten Strukturen der deutschen Buchbrache, diese Mischung aus Vetternwirtschaft und Grabenkriegen.
Ach ja: etliche Kleinverlagsbetreiber°Innen haben mir über die Jahre immer wieder mitgeteilt, dass Amazon in der Hinsicht ihre einzige Rettung darstellt, da die kritikfrei die Bücher verkaufen, die der Buchhandel nicht anfassen möchte. Allerdings ist die Situation hier sehr viel prekärer geworden, denn da man bei Bezos Bauchladen weiß, dass man quasi Monopolist ist und auch um die Situation der Kleinverlage weiß, wurden die Daumenschrauben immer mehr angezogen, und die Konditionen wurden für Kleinverlage immer schlechter. Auch deswegen: Schaut euch das Angebot der Kleinverlage an und kauft direkt bei diesen. Nebenbei kann man dabei auch noch echte Kleinode entdecken, denn wo große Publikumsverlage nur Bücher anbieten, von denen sie der Ansicht sind, dass sie sich »gut drehen«, als oft verkauft werden, verlegen Kleinverlage auch speziellere Stoffe und Autor°Innen. Für die oft als Begründung für die Buchpreisbindung herangeführte »Vielfalt« in der deutschen Buchszene, sorgen fast ausschließlich die Kleinen.
Bei Andreas Vierheller möchte ich mich ausdrücklich für den Text bedanken, so dass ich nicht nach all den Jahren schon wieder (und immer noch) darüber schreiben musste. Persönlich reibe ich mir die Augen und frage mich, wie eine Branche trotz Amazon und digitaler Transformation (bei der wir sogenannte künstliche Intelligenz noch gar nicht genannt haben) so lernresistent sein kann …
Möglicherweise liegt das ganze Elend aber auch darin begründet, dass es den Großen der Branche und auch dem Lobbyverband Börsenverein weder um Leser°Innen, noch um Autor°Innen oder gar um Kleinverleger°Innen geht, auch nicht um Bücher, sondern ausschließlich darum, unverschämt viel Kohle zu generieren. Da stehen Kleinverlage vermutlich ebenso im Weg, wie Autor°Innen, die anständig bezahlt werden wollen …
Bild: Buchhandlung, aus der Wikipedia, gemeinfrei.