Die Parteien in #neuland tun sich mit einer angesichts der geänderten Parameter durch Internet und Digitalisierung dringend notwendigen Novellierung des Urheberrechts schwer. Da bewegt sich seit Jahren an unzähligen Stellen nichts Sinnvolles. Wie schnell so etwas allerdings gehen kann, wenn eine Lobbyvereinigung wie der Börsenverein des deutschen Buchhandels lauthals »Mimimi!« und ordentlich Druck auf die Politik macht, zeigt die Tatsache, dass sich die große Koalition in Rekordzeit auf eine Gesetzesänderung geeinigt hat, die Verlage wieder an den Ausschüttungen der VG-Wort beteiligen soll, nachdem der BGH das bisherige Verfahren als rechtswidrig eingestuft hat. Weit vorne dabei: die SPD.
Ich finde es geradezu widerlich, wie sich hier Lobbyvereinigungen Gesetze auf Wunsch von der Politik zurecht schreiben lassen, zu Ungunsten der Urheber. Andere in Zeiten eines Internets und Sozialer Medien dringend notwendige Verbesserungen wie beispielsweise eine Art »fair use«-Klausel, oder eine Verringerung von Schutzrechtsfristen, die eher den Nutzern zugute kommen würden, lassen weiter auf sich warten, oder sind noch nicht einmal am Horizont zu sehen – weil Bürger keine Lobby haben. Auch ist nichts davon zu sehen, dass die Urheber rechtlich besser gestellt werden sollen, von Heiko Maas’ durchaus sinnvollen Änderungen des Urheberrechts ist – ebenfalls nach heftiger Lobbyarbeit – kaum etwas übrig geblieben. Schlimmer noch: Den Signalen aus Brüssel nach zu urteilen, stehen uns Urheberrechtsänderungen ins Haus, die die Nutzer und sogar die Urheber noch stärker benachteiligen und ausschließlich den Verwertern dienen.
Bei den derzeitigen politischen Konstellationen sehe ich allerdings kaum Hoffnung, dass sich das alles in absehbarer Zeit zum Besseren ändern wird.
Die am Dienstag von CDU, CSU und SPD ankündigungslos vorgelegte Erweiterung der geplanten Reform des Urhebervertragsrechts um »Fragen der Verlegerbeteiligung« passierte innerhalb von vier Tagen praktisch ohne Medienöffentlichkeit den Ausschuss für Kultur- und Medien (Sondersitzung am Dienstag), den Rechtsausschuss (Mittwoch) das Bundestagsplenum (Donnerstagnacht) und den einspruchsberechtigten Bundesrat (Freitag). (Telepolis)
In einem Kommentar auf der Webseite der Zeit wirft Autorin Karen Köhler Martin Vogel ernsthaft vor, dass er durch seinen Rechtsstreit Verlage zerstören wird. Ich muss es ganz offen sagen: Bei so einem Rechtsverständnis wird mir schlecht. Vogel hat einen Rechtsverstoß gesehen, von dem er persönlich betroffen ist, und hat den korrekten Weg gewählt: Den durch die Instanzen der Gerichte. Und die haben Recht gesprochen, und höchstrichterlich festgestellt, dass die Praxis der VG Wort-Ausschüttung an Verlage rechtswidrig ist.
Rechtswidrig. Höchstrichterlich.
Das sind Vokabeln, die einem zu denken geben sollten, bevor man sich als Autorin vor den Karren von Börsenverein und Co. spannen lässt und einen Kommentar veröffentlicht, der inhaltlich dermaßen daneben ist und das Opfer zum Täter machen soll.
Grund für den Artikel dürfte sein, dass die VG Wort jetzt Rückzahlungen der rechtswidrig ausgeschütteten Beträge einfordert. Und das tun sie in kompromissloser Weise, die für mich absolut nicht nachvollziehbar ist. Selbst kleinste Verlage sollen sofort den gesamten, über Jahre aufgelaufenen, Betrag überweisen.
Man muss sich hier mehrere Fragen stellen:
An erster Stelle natürlich, warum sich die Verwertungsgesellschaft so vehement weigert, Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen anzubieten (Update: siehe unten – verantwortlich ist die Autorenversammlung, bitte den Rest des Artikels unter dieser für mich neuen Voraussetzung sehen). Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als wolle man in voller Absicht ein paar kleine Verlage über die Klinge springen lassen, um zu zeigen: »seht ihr, wir haben es doch gesagt!«. Die Gerichtsurteile geben in letzter Konsequenz nicht her, dass es keine Flexibilität bei der Rückzahlung geben könnte, es wurde allein die Auszahlungspraxis für rechtswidrig erklärt. Deswegen wiederhole ich meine Frage: Warum zeigt die VG Wort keinerlei Entgegenkommen bei den Rückforderungen? Warum gibt es keine Härtefallregelungen? Weil es ihnen zuviel Arbeit ist? Weil sie konkrete Ziele mit der starren Haltung verfolgen (siehe oben)? Meiner Ansicht nach könnte man das Verhalten der VG Wort beinahe als mafiös bezeichnen.
Eine weitere Frage ist: Warum hat man seitens des Börsenvereins und der VG Wort jahrelang so getan, als sei das alles überhaupt kein Problem und werde am Ende irgendwie weggehen, statt sich und die Verlage auf den absehbar kommenden Ernstfall vorzubereiten? Es hätte konkrete Warnungen geben müssen, sich durch Rücklagen auf Rückzahlungen einzustellen, das hätte über all die Jahre, die das Verfahren läuft, bereits geschehen können. Stattdessen hat man medienwirksam und propagandaartig die ganze Zeit kolportiert, dass Vogel am Ende eh verlieren wird. Das war hoch gepokert und der Bluff ist am Ende geplatzt. Hätten VG Wort und Börsenverein statt »Hurra-Wir-Gewinnen!«-Tamtam nicht die Aufgabe gehabt, die Verlage realistisch auf das vorzubereiten, was kommt? Warum ist das weitestgehend unterblieben? Was ist von einem Verein zu halten, der seine Mitglieder derart falsch berät?
Nein, Martin Vogel hat hier nicht mal einen Ansatz von Schuld, denn der hat das Rechtssystem genutzt, und dieses hat ihm durch alle Instanzen das ihm zustehende Recht auch zugebilligt. Wenn Verlagen und auch manchen Autoren das nicht passt, kann ich das nachvollziehen, aber auch Verlage stehen nicht außerhalb des Rechtssystems. Sie haben die Möglichkeit, auf den Gesetzgeber Einfluss zu nehmen, oder es zumindest zu versuchen, um Änderungen herbeizuführen. Wenn Autoren weiter wollen, dass Verlage mehr Geld bekommen, steht es ihnen sogar ohne Gesetzesänderungen frei, entsprechende Verträge mit ihren Verlagen abzuschließen.
An der nun konkret entstandenen Misere vieler Kleinverlage hat in erster Linie die VG Wort Schuld, indem sie keine Möglichkeit zur Stundung oder Ratenzahlung einräumt – aus Gründen, die nur die Verantwortlichen bei der Verwertungsgesellschaft kennen. Die verständliche Wut sollte sich gegen den diejenigen richten, die die Zahlungen nun kompromisslos einfordern, und die sitzen bei der VG Wort. Und man könnte auch einen Groll gegen den Börsenverein hegen, der wider besseren Wissens jahrelang behauptet hat, dass Vogel niemals erfolgreich sein wird.
Aber bitte versucht nicht, mit Propagandamaßnahmen das Opfer zum Täter zu machen.
Ich habe großes Verständnis für die zum Teil prekäre Situation der Klein- und Kleinstverlage. Und bin dafür, dass die Verantwortlichen für diese Situation deutlich benannt werden: diese sitzen in meinen Augen im Vorstand der VG Wort und verweigern ohne Ansehen von Härtefällen jegliche Stundungen und Ratenzahlungen. Das ist der eigentliche Skandal. Wenn jemand gegen irgendwas protestieren möchte, dann sollte er überlegen, ob dieser Protest bei der VG Wort nicht erheblich besser aufgehoben ist, als gegen Martin Vogel.
[Update:] Holger Kliemannel kommentiert auf Facebook:
Zu Deiner Frage: »An erster Stelle natürlich, warum sich die Verwertungsgesellschaft so vehement weigert, Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen anzubieten.« Das hatten sie gemacht, wurde jedoch auf der Hauptversammlung von den anwesenden Autoren blockiert (müsste jetzt mal die Unterlagen durchforsten, irgendwo im Brief der VG Wort steht »Stundungsmöglichkeiten, die die Leitung der VG Wort vorgeschlagen hat, wurden abgelehnt.«). Vogel hatte ja dazu aufgerufen, dass Autoren Mitglied werden um bei der Versammlung diese Pläne zu verhindern.
Ich korrigiere mich demnach insofern, dass nicht der Vorstand der VG Wort verantwortlich ist, sondern die Autorenversammlung der VG Wort.
Der Autor Martin Vogel kämpft sich seit einigen Jahren durch die Instanzen. Grund: Die Verwertungsgesellschaft VG Wort schüttet die Hälfte seiner Einnahmen an die Verlage aus. Vogel ist wie etliche andere auch der Ansicht, dass dieses Geld einzig und allein den Urheber, also den Autoren zusteht. Und selbst wenn diese Ansicht immer wieder von Gerichten bestätigt wurde, wollen Börsenverein, Verlage und VG Wort das bis zum bitteren Ende durchkämpfen. Eigentlich auch kein Wunder, denn denen würde ein Haufen Geld entgehen, dass sie immer gern eingenommen haben. Zu unrecht, wie jetzt erneut ein Gericht bestätigte.
Laut Bundesgerichtshof in Karlsruhe ist die VG Wort nicht berechtigt, pauschale einen betrag in Höhe der Hälfte ihrer Einnahmen an die Verlage auszuschütten. Dieses Geld gehört den Urhebern und nur den Urhebern (Az.: I ZR 198/13).
Branche und Börsenverein hatten in den vergangenen Jahren den Untergang des Abendlandes beschworen, wenn sie das Geld nicht mehr erhalten würde. Auch die VG Wort hatte sich nicht auf die Seite der Urheber gestellt, sondern sogar damit gedroht, die Zahlungen bis zu einer Klärung einzustellen.
Matthias Ulmer, Vorsitzender des Verlegerausschusses des Börsenvereins drohte ganz unverhohlen damit:
Wird die Europäische Kommission hier nicht umgehend tätig, werden Verlage gezwungen sein, ihre Kalkulationen in jeder Beziehung anzupassen, auch was die Autorenvergütung betrifft
Sprich: Wenn wir die Kohle von der VG Wort nicht mehr bekommen, zahlen wir den Autoren weniger (noch weniger!) und machen die Bücher teurer. So!
Oder kurz: Mimimi!
Denn mit diesem erneuten Urteil zum Thema haben nun sowohl der EuGH wie auch der BGH als Revisionsinstanz eindeutiges Recht gesprochen: Die bisherige langjährige Praktik ist rechtswidrig, die Ausschüttungen stehen einzig und allein den Autoren zu. Die Ansichten von Martin Vogel waren von Anfang an korrekt, das ist nun erneut hochrichterlich bestätigt worden. Da können Börsenverein und Branche noch so laut maulen. Aber wie erwartet wird nun natürlich medienwirksam ein Verlagssterben prophezeiht (kann ich leider nicht verlinken, Artikel hinter Paywall).
Möglicherweise entstehen daraus noch andere Konsequenzen: Autoren könnten auf die Idee kommen, von den Verlagen widerrechtlich eingenommene Ausschüttungen zurückzufordern.
Interessante Ausführungen zu dem Thema auch immer wieder bei Tom Hillenbrand.
Derzeit schweigt sich die Medienlandschaft noch weitestgehend dazu aus. Das Börsenblatt brachte einen eher knapp zu nennenden Artikel, ohne das sonst übliche Kettengerassel (aus der Richtung hatte es zuletzt sogar noch geheißen, der Staatssektär, der damals das Gesetz verfasste »hätte sich nur verschrieben«. Ulkig aber wahr. Man kann sich vorstellen, was die Richter dazu gesagt haben). Sobald ich mehr Details zum Urteil kenne, ergänze ich Links.
Jeder Außenstehende und vor allem jeder Politiker sollte nachvollziehen können, dass hier im Urheberrecht etwas vollständig aus dem Ruder gelaufen ist
sagt Alexander Skipis. Man möchte jetzt eine Verfassungsbeschwerde prüfen. Ja, schon doof, dass sich auch Verlage ans Urheberrecht halten müssen, was?
Update (10:50 Uhr): auch beim Buchreport darf Skipis sich produzieren:
Der Zustand, den wir jetzt haben, war nie der wahre Wille des Gesetzgebers.
Interessant, dass man beim Börsenverein besser als der Gesetzgeber wissen möchte, wie Gesetze auszusehen haben und dem Gesetzgeber damit praktisch die Kompetenz abspricht. Sind Gesetze nur dann gut, wenn sie einer Lobby nutzen und schlecht, wenn nicht? Weiter schreibt man im Buchreport:
Im Verlagsbereich befürchtet Skipis nun Insolvenzen: Den Verlagen drohten Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an die VG Wort, VG Bild-Kunst, GEMA und VG Musikedition. Damit werde eine große Zahl von Verlagen mittelfristig wegen der notwendigen Rückstellungen und der ausbleibenden Einnahmen von Verwertungsgesellschaften wirtschaftlich nicht länger überlebensfähig sein.
Was soll ich sagen? Wenn die Existenz von Verlagen ausschließlich an unrechtmäßigen Einnahmen hängt, ist offenbar zum einen das Geschäftsmodell falsch. Und zum anderen klingt es für mich beinahe mafiös, wenn man an den rechtswidrigen Praktiken unbedingt festhalten möchte und dafür jetzt offen auf Manipulation von Politikern setzt.
Update (11:20 Uhr): Langsam werden sie alle wach. Wärend FAZ, Deutschlandfunk, Focus und Co. nur eine kurze Agenturmeldung kopieren, findet man beim »Neuen Musikmagazin« eine ausführlichere Urteilsbegründung.
Es gibt mal wieder ein Urteil zum Thema VG Wort-Abgaben an Verlage statt an Urheber (lies: Autoren). Das Thema schwelt ja bereits seit etlichen Jahren, und in allen Urteilen der neueren Zeit, wurde die Praxis, dass Verlage zur Hälfte an den VG Wort-Ausschüttungen beteiligt werden, als mindestens problematisch eingeschätzt. Wenn nicht sogar als unkorrekt. Die Quintessenz war: Das Geld steht den Autoren zu, nicht den Verlagen. Dafür gibt es gesetzliche Grundlagen, die immer wieder von Gerichten bestätigt wurden.
Und immer wieder beschwert sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels darüber, dass das Urheberrecht auch für ihn bzw. seine Mitglieder gilt. Unverschämtheit aber auch.
Aktuell entschied sogar der EuGH eindeutig, dass Verlage nur dann Geld von Verwertungsgesellschaften bekommen dürfen, wenn das nicht zu Lasrten der Urheber geht. Darüber berichtet das Börsenblatt. Uns selbstverständlich mault man sofort wieder mal darüber, dass Gesetze auch für Mitglieder des Börsenvereins gelten. Und fordert auch noch, dass die Gesetzesofort nach ihren Wünschen angepasst werden müssen. Es fehlt eigentlich nur noch das »mit dem Fuß aufstampfen«.
Was man sich ganz besonders auf der Zunge zergehen lassen sollte, ist folgender Satz von Matthias Ulmer, Vorsitzender des Verlegerausschusses des Börsenvereins:
Wird die Europäische Kommission hier nicht umgehend tätig, werden Verlage gezwungen sein, ihre Kalkulationen in jeder Beziehung anzupassen, auch was die Autorenvergütung betrifft
Man fasst es nicht, was da ganz offen ausgesprochen wird. Schon jetzt lassen die Publikumsverlage ihre Autoren am ausgestreckten Arm verhungern und zahlen nur lächerlich geringe Tantiemen. Und wenn die Verlage nun Geld nicht mehr bekommen, das ihnen überhaupt nicht zusteht, zahlt man den Urhebern noch weniger? Da muss man erstmal drauf kommen.
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