Bundesgerichtshof: Keine VG Wort-Ausschüttung an Verlage
Laut Bundesgerichtshof in Karlsruhe ist die VG Wort nicht berechtigt, pauschale einen betrag in Höhe der Hälfte ihrer Einnahmen an die Verlage auszuschütten. Dieses Geld gehört den Urhebern und nur den Urhebern (Az.: I ZR 198/13).
Branche und Börsenverein hatten in den vergangenen Jahren den Untergang des Abendlandes beschworen, wenn sie das Geld nicht mehr erhalten würde. Auch die VG Wort hatte sich nicht auf die Seite der Urheber gestellt, sondern sogar damit gedroht, die Zahlungen bis zu einer Klärung einzustellen.
Matthias Ulmer, Vorsitzender des Verlegerausschusses des Börsenvereins drohte ganz unverhohlen damit:
Wird die Europäische Kommission hier nicht umgehend tätig, werden Verlage gezwungen sein, ihre Kalkulationen in jeder Beziehung anzupassen, auch was die Autorenvergütung betrifft
Sprich: Wenn wir die Kohle von der VG Wort nicht mehr bekommen, zahlen wir den Autoren weniger (noch weniger!) und machen die Bücher teurer. So!
Oder kurz: Mimimi!
Denn mit diesem erneuten Urteil zum Thema haben nun sowohl der EuGH wie auch der BGH als Revisionsinstanz eindeutiges Recht gesprochen: Die bisherige langjährige Praktik ist rechtswidrig, die Ausschüttungen stehen einzig und allein den Autoren zu. Die Ansichten von Martin Vogel waren von Anfang an korrekt, das ist nun erneut hochrichterlich bestätigt worden. Da können Börsenverein und Branche noch so laut maulen. Aber wie erwartet wird nun natürlich medienwirksam ein Verlagssterben prophezeiht (kann ich leider nicht verlinken, Artikel hinter Paywall).
Möglicherweise entstehen daraus noch andere Konsequenzen: Autoren könnten auf die Idee kommen, von den Verlagen widerrechtlich eingenommene Ausschüttungen zurückzufordern.
Interessante Ausführungen zu dem Thema auch immer wieder bei Tom Hillenbrand.
Derzeit schweigt sich die Medienlandschaft noch weitestgehend dazu aus. Das Börsenblatt brachte einen eher knapp zu nennenden Artikel, ohne das sonst übliche Kettengerassel (aus der Richtung hatte es zuletzt sogar noch geheißen, der Staatssektär, der damals das Gesetz verfasste »hätte sich nur verschrieben«. Ulkig aber wahr. Man kann sich vorstellen, was die Richter dazu gesagt haben). Sobald ich mehr Details zum Urteil kenne, ergänze ich Links.
Update (10:18 Uhr): Das Mimimi des Börsenvereins ließ nicht lange auf sich warten. Man droht nun damit, die Politik einzuschalten, um Gesetze nach Gusto der Branche zu ändern:
Jeder Außenstehende und vor allem jeder Politiker sollte nachvollziehen können, dass hier im Urheberrecht etwas vollständig aus dem Ruder gelaufen ist
sagt Alexander Skipis. Man möchte jetzt eine Verfassungsbeschwerde prüfen. Ja, schon doof, dass sich auch Verlage ans Urheberrecht halten müssen, was?
Update (10:50 Uhr): auch beim Buchreport darf Skipis sich produzieren:
Der Zustand, den wir jetzt haben, war nie der wahre Wille des Gesetzgebers.
Interessant, dass man beim Börsenverein besser als der Gesetzgeber wissen möchte, wie Gesetze auszusehen haben und dem Gesetzgeber damit praktisch die Kompetenz abspricht. Sind Gesetze nur dann gut, wenn sie einer Lobby nutzen und schlecht, wenn nicht? Weiter schreibt man im Buchreport:
Im Verlagsbereich befürchtet Skipis nun Insolvenzen: Den Verlagen drohten Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an die VG Wort, VG Bild-Kunst, GEMA und VG Musikedition. Damit werde eine große Zahl von Verlagen mittelfristig wegen der notwendigen Rückstellungen und der ausbleibenden Einnahmen von Verwertungsgesellschaften wirtschaftlich nicht länger überlebensfähig sein.
Was soll ich sagen? Wenn die Existenz von Verlagen ausschließlich an unrechtmäßigen Einnahmen hängt, ist offenbar zum einen das Geschäftsmodell falsch. Und zum anderen klingt es für mich beinahe mafiös, wenn man an den rechtswidrigen Praktiken unbedingt festhalten möchte und dafür jetzt offen auf Manipulation von Politikern setzt.
Update (11:20 Uhr): Langsam werden sie alle wach. Wärend FAZ, Deutschlandfunk, Focus und Co. nur eine kurze Agenturmeldung kopieren, findet man beim »Neuen Musikmagazin« eine ausführlichere Urteilsbegründung.