Sozialkritik

DIE BÜCHERDIEBIN gespoilert

Poster The Book Thief

THE BOOK THIEF – Bun­des­start 13.03.2014

Den Vor­wurf, dass die BÜCHERDIEBIN eine viel zu mil­de Dar­stel­lung der Nazi-Herr­schaft abbil­det, kann man durch­aus gel­tend machen. In der Tat ist es ein Film, der Bru­ta­li­tät und Will­kür mei­det. Doch das sieht nur der Erwach­se­ne so. Wie erle­ben aber Kin­der ein der­ar­ti­ges Schre­ckens­re­gime, die offe­nen Gräu­el­ta­ten, oder ein­fach nur den unter­schwel­li­gen Ras­sis­mus? DIE BÜCHERDIEBIN ver­deut­licht sehr anschau­lich und nach­voll­zieh­bar, wie sich ein Kind durch so eine fürch­ter­li­che Zeit manö­vrie­ren muss. Unschul­di­ge Kin­der, die weder Ras­sen­fra­gen ken­nen, noch den Tod als sol­ches ver­ste­hen. Lie­sel Memin­ger kommt zu ihren Adop­ti­ons­el­tern Hans und Rosa Huber­mann, in die Klein­stadt Mol­ching. Der Zwei­te Welt­krieg steht vor der Tür, doch davon weiß Lie­sel nichts, genau­so wenig wie sie die immer wie­der auf­tau­chen­den Faschis­ten ver­steht. Obwohl, oder gera­de weil, sie nicht lesen kann, ist sie von Büchern fas­zi­niert. Das geht so weit, dass Liesl sogar nach der Bücher­ver­bren­nung ein unver­sehr­tes Buch aus dem Asche­hau­fen fischt. Der treu­sor­gen­de und gut­mü­ti­ge Hans bringt ihr das Lesen bei, wäh­rend die robus­te und hart­her­zig wir­ken­de Rosa das Leben der Fami­lie meis­tert. Dann steht eines Tages Max vor der Tür, der Sohn eines alten Freun­des, der im Kel­ler Unter­schlupf fin­det. Lie­sel ist von Max fas­zi­niert, denn was einen Juden von ande­ren Men­schen unter­schei­den soll, irri­tiert das Mäd­chen genau so, wie die Fra­ge, war­um man nicht ein­fach etwas dage­gen unter­neh­men kann.

DISCONNECT hält die Verbindung

Postermotiv "Disconnect"

DISCONNECT – Bun­des­start 30.01.2014

Andrew Stern hat ein sehr intel­li­gen­tes Dreh­buch geschrie­ben, aus dem Hen­ry Alex Rubin ein sehr intel­li­gen­tes Spiel­film-Debüt insze­nier­te. 13 und 15 Jah­re ist es her, das Rubin bei DURCHGEKNALLT – GIRL, INTERRUPTED und COP LAND bei der Second Unit die Regie über­nom­men hat­te. Auch sehr intel­li­gen­te Fil­me, vor allem COP LAND, der sich als einer der weni­gen Aus­rut­scher von Syl­ves­ter Stal­lo­nes prä­sen­tier­te, wo man ihn ein­mal schau­spie­lern sehen konn­te. Es ist also anzu­neh­men, dass Hen­ry Alex Rubin wirk­lich so lan­ge aus­har­ren konn­te, bis ihm ein für sei­ne Ver­hält­nis­se wür­di­ges Dreh­buch unter­kam. DISCONNECT ist ein neu­tra­ler Blick auf den aktu­el­len Zustand unse­re Gesell­schaft. Ver­füg­bar­keit zu jeder Zeit, Smart­phones, Chat-Rooms, sozia­le Netz­wer­ke. Eine Gesell­schaft, die unver­nünf­ti­ger wird, je glä­ser­ner ihr Leben für ande­re wird. Doch gegen was sich die Geschich­te sträubt, sind wer­ten­de Ansich­ten. DISCONNECT ist oft­mals düs­ter, manch­mal trau­rig, und sehr dra­ma­tisch. Aber Stern und Rubin ver­weh­ren sich den­noch jeder Stel­lung­nah­me. Denn es ist ganz klar, dass der Segen der moder­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on auch gleich­zei­tig Fluch ist.

DIE TRIBUTE VON PANEM – CATCHING FIRE

Poster Catching Fire

THE HUNGER GAMES: CATCHING FIRE – Bun­des­start 21.11.2013

Lions­gate hat sich kei­ne Zeit gelas­sen, und dies wird über­aus belohnt. DIE TRIBUTE VON PANEM war schon ein kal­ku­lier­ter Erfolg, doch mit fast 700 Mil­lio­nen Dol­lar, hat­te man dann doch nicht gerech­net. Die­ses Feu­er durf­te also nicht aus­ge­hen, und eine etwas über­stürzt wir­ken­de Vor­pro­duk­ti­on war dabei eine wei­se Ent­schei­dung. Denn ande­re Rei­hen müs­sen mit Abstän­den von min­des­tens zwei, eher drei Jah­ren zwi­schen den ein­zel­nen Tei­len das Feu­er beim Publi­kum immer wie­der neu ent­fa­chen. Nach nur 20 Mona­ten war das begeis­ter­te Hun­ger-Games-Publi­kum noch immer heiß. Zudem ver­leg­te sich damit der Start außer­halb der an Kon­kur­renz nicht zu über­bie­ten­den Som­mer-Sai­son. CATCHING FIRE bricht nicht unbe­dingt alle Rekor­de, aber sei­ne bis­he­ri­gen Ergeb­nis­se über­tref­fen erneut die Erwar­tun­gen. Und das ver­dient, denn die zwei­te Adap­ti­on von Suzan­ne Coll­ins´ Roman-Tri­lo­gie, ist der weit bes­se­re Film. Was zu wei­ten Tei­len auch an Gar­ry Ross gele­gen haben mag, der eine akzep­ta­blen Vor­la­ge insze­niert hat­te, den Stoff aber in sei­ner eigent­li­che Tie­fe aber nicht zu ver­mit­teln ver­stand. Wegen der kur­zen Vor­pro­duk­ti­ons­pha­se, sah sich Gar­ry Ross außer­stan­de, sei­ne Visi­on des zwei­te Teils für ihn adäquat umzu­set­zen. Er ver­ab­schie­de­te sich, und mach­te Platz für Fran­cis Law­rence, der aber erst nach eini­gen Abwä­gun­gen ver­pflich­tet wur­de.

Buchmesse 2013: Holzhauer warnt vor Phrasendreschern

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tl;dr; Ich kann das Gela­ber nicht mehr hören.

Heu­te beginnt die Buch­mes­se, ges­tern jedoch gab es bereits die Pres­se­kon­fe­renz und Medi­en­rum­mel – und sowohl Gott­fried Hon­ne­fel­der, der Vor­stand des Bör­sen­ver­eins des deut­schen Buch­han­dels wie auch Juer­gen Boos, Direk­tor der Buch­mes­se, haben sich selbst­ver­ständ­lich in die­sem Rah­men geäu­ßert.
Dazu vor­ab ein klei­ner Exkurs: man muss den Ein­druck haben, dass Gott­fried Hon­ne­fel­der sei­ne Reden in jedem Jahr recy­celt und viel­leicht maxi­mal ein paar Wor­te umstellt, so sehr glei­chen sich die gedro­sche­nen Phra­sen. Und immer wie­der, wenn sol­che ver­meint­lich hohen Her­ren ihren Ser­mon abson­dern, fällt unver­meid­lich das Wort »warnt«. Hon­ne­fel­der warnt, Boos warnt, sonst­wer warnt. Glaubt ihr mir nicht? Sucht auf Goog­le mal nach »Hon­ne­fel­der warnt« oder »Hon­ne­fel­der warn­te«, es wer­den reich­lich Tref­fer aus den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu fin­den sein. Klickt aber bit­te nicht auf die­se Tref­fer, denn dar­in lau­ert ein Wahn­sinn von gera­de­zu cthulho­iden Aus­ma­ßen. Ich habe euch … äh … gewarnt.

Und wovor war­nen sie? Vor der Zukunft. Sei es nun das Inter­net (und damit ein­her­ge­hend die neu­en Medi­en­for­ma­te), oder sei­en es neue Geschäfts­mo­del­le, denen sich die trä­ge und zutiefst im Ges­tern gefan­ge­ne Buch­bran­che nicht anpas­sen kann oder will. Und selbst­ver­ständ­lich muss das »Urhe­ber­recht« gestärkt wer­den, auch wenn man tat­säch­lich etwas ganz ande­res meint: sich selbst und die Ver­wer­ter­rech­te. Dazu wei­ter unten mehr.

Ich möch­te auf ein paar Arti­kel ein­ge­hen, die ich anläss­lich der Buch­mes­se-Eröff­nung bei ein­schlä­gi­gen Cla­queu­ren wie Bör­sen­blatt und Buch­re­port im Netz fand:

Auf der Online-Ver­si­on des Bör­sen­blat­tes befass­te man sich ges­tern mit Wor­ten von Buch­mes­se-Direk­tor Juer­gen Boos. Da steht unter ande­rem:

Buch­mes­se-Direk­tor Juer­gen Boos sprach heu­te (8. Okto­ber) auf der Eröff­nungs-Pres­se­kon­fe­renz der Frank­fur­ter Buch­mes­se von einer »neu­en Grün­der­zeit im Publi­shing« und warn­te gleich­zei­tig vor der Domi­nanz von Oli­go­po­len, die tech­no­lo­gi­sche Stan­dards dik­tie­ren.

Da haben wir es wie­der: es wird »gewarnt«. Wovor genau ist mir unklar. Ama­zon kann es nicht sein, denn die sind in Sachen Online-Ver­trieb nicht Teil eines Oli­go­pols, son­dern haben bei­na­he ein Mono­pol. Unklar ist für mich zudem, was er für ein Pro­blem mit tech­ni­schen Stan­dards hat. Da Papier­bü­cher gedruckt wer­den und die­se Tech­nik nun wahr­lich bereits ein paar Jah­re auf dem Buckel hat, kann er eigent­lich nur eBooks mei­nen. Da gibt es im Prin­zip zwei Stan­dards: das offe­ne ePub und Ama­zons Kind­le-For­mat, ob es nun azw oder mobi sein mag. Wo da aller­dings »Stan­dards dik­tiert wer­den« kann ich nicht nach­voll­zie­hen. ePub und mobi sind For­ma­te, deren Auf­bau bekannt ist, jeder­mann kann sie erzeu­gen. Oder meint Boos etwa Ama­zons Kopier­schutz, der ver­hin­dert, dass man Kind­le-eBooks auf ande­ren Gerä­ten lesen kann? Das wür­de mich ver­wun­dern, denn Ado­bes DRM ist exakt das­sel­be und wird auf einem Groß­teil der eBooks der Bör­sen­ver­eins-Mit­glie­der nach wie vor ein­ge­setzt. Sind die Mit­glie­der des Oli­go­pols also Ama­zon und die Ver­la­ge, die DRM ein­set­zen? Wor­in liegt der Unter­schied, zwi­schen bei­den kun­den­feind­li­chen Sys­te­men – mal davon abge­se­hen, dass Ama­zons Ver­si­on inner­halb sei­nes Öko­sys­tems für den Kun­den weit­aus kom­for­ta­bler ist? Und wei­ter­hin davon abge­se­hen, dass es sei­tens des Buch­han­dels en vogue ist, gegen Ama­zon zu wet­tern statt kun­den­freund­li­cher zu wer­den …

Tech­no­lo­gi­sche Stan­dards sind Werk­zeu­ge. Sie müs­sen sich nach den Men­schen und ihren Bedürf­nis­sen rich­ten, nicht umge­kehrt.

… sagt Boos. Das sehe ich genau­so. Weg mit har­ten DRM-Maß­nah­men, die nur die ehr­li­chen Kun­den benach­tei­li­gen. Rich­tet euch nach den Men­schen und ihren Bedürf­nis­sen. Dazu gehört übri­gens auch, dass nach einer Stu­die, die Leser nach ihren Mei­nun­gen befrag­te, der Preis für ein eBook ca. 40 % unter dem einer Druck­aus­ga­be lie­gen darf. Auch Preis­ge­stal­tung muss sich nach den Men­schen und deren Bedürf­nis­sen rich­ten – sonst kauft ein­fach nie­mand den über­teu­er­ten Schmonz, bei dem sich der Preis am Hard­co­ver ori­en­tiert. Und dann sind selbst­ver­ständ­lich wie­der die Raub­ko­pie­rer schuld, nicht die­je­ni­gen, die Mond­prei­se befeh­len.

Die neue Grün­der­zeit im Publi­shing fin­det ohne die alte Gar­de, also die Ver­la­ge, statt, denn die Gold­grä­ber am eBook-Klon­dy­ke sind die Self­pu­blisher, auch wenn man nach den Nug­gets zwi­schen den Recht­schreib­feh­ler-Sand­kör­nern lan­ge sie­ben muss. Und wer bie­tet den Indies die bes­ten Kon­di­tio­nen? Rich­tig: Ama­zon, Goog­le und Kobo. Die Geldscheff­ler in den hie­si­gen Ver­la­gen knir­schen ob der Höhe der Tan­tie­men­zah­lun­gen durch die Inter­net-Riva­len an die Autoren ver­mut­lich 24/​7 mit den Zäh­nen. Und des­we­gen sind die der Erz­feind. Und weil sie kun­den­freund­lich agie­ren. Das ist hoch­gra­dig imper­ti­nent, sowas macht man doch nicht! Kun­den­freund­lich. Wo kom­men wir hin? Wenn das alle machen wür­den …

Die Rede Hon­ne­fel­ders dage­gen erschien – wie oben bereits ange­merkt – wie der immer wie­der reani­mier­te Zom­bie sei­ner Reden aus den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Im Buch­re­port schreibt man:

Für eine neue Kul­tur des Wis­sens plä­dier­te Bör­sen­ver­eins-Vor­ste­her Gott­fried Hon­ne­fel­der zum Auf­takt der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2013. Das Wis­sen müs­se vor der Auto­ri­tät von Online-Rie­sen wie Ama­zon und Goog­le geschützt wer­den, die »an Inhal­ten nur so weit inter­es­siert sind, als sie ihrem Geschäft als Wer­be­trä­ger nüt­zen«.

Nein, Herr Hon­ne­fel­der. Sei­en Sie doch bit­te ehr­lich. Nicht »das Wis­sen« soll geschützt wer­den, son­dern die Pfrün­de der Bör­sen­ver­eins-Mit­glie­der. Nach­dem Jahr­zehn­te, oder fast Jahr­hun­der­te lang alles eitel Son­nen­schein war, kommt hopp­la­hopp die­ses Inter­net aus einem Anarcho-Loch gekro­chen und zwingt doch tat­säch­lich zum Umden­ken. Das ist aber auch eine Unver­schämt­heit.
Lie­be Bran­che, tut doch bit­te nicht so, als sei­en Apple, Ama­zon und Goog­le die bösen Dämo­nen und ihr die heh­ren Licht­ge­stal­ten. Euch geht es genau­so ums Absei­hen von Lesern und das Ein­fah­ren von Gewin­nen wie den Online-Anbie­tern. Etwas anders zu behaup­ten wäre unred­lich und schlicht­weg unwahr. Und ihr macht es trotz­dem, denn wir sind ja dumm. Denkt ihr.
Eine »Kul­tur des Wis­sens« wäre eine Kul­tur, in der die­ses Wis­sen nicht via haupt­säch­lich durch mas­si­ve Lob­by­ar­beit ent­stan­de­ne ver­wert­erfreund­li­che Urhe­ber­rech­te Jahr­zehn­te lang in Sta­sis ver­fällt, näm­lich bis 70 Jah­re nach dem Tod eines Urhe­bers. Das ist Irr­sinn, denkt mal dar­über nach, lie­be Leser. Wenn ein Werk­schaf­fen­der vor 30 Jah­ren ver­stor­ben ist, dau­ert es noch 40 wei­te­re ver­damm­te Jah­re, bis sei­ne Wer­ke gemein­frei wer­den. Das führt dazu, dass Kul­tur­gü­ter in Ver­ges­sen­heit ver­sin­ken. Wer­ke von vor der Ein­füh­rung der 70-Jah­res-Schran­ke sind heut­zu­ta­ge im Web zu fin­den und zugäng­lich, danach qua­si nichts mehr. Was hier an Wis­sen ver­nich­tet wird, ins­be­son­de­re, weil die Ver­wer­ter es so wol­len, ist unbe­schreib­lich. Hau­fen­wei­se Back­list-Mate­ri­al ist unzu­gäng­lich, weil irgend­wel­che Rech­te­inha­ber drauf hocken und es nicht her­aus geben wol­len, es lässt sich damit ihrer Ansicht nach kein Geld ver­die­nen. Dann gebt die Rech­te den Autoren zurück, die wer­den das schon als Self­pu­blisher ohne euch ver­öf­fent­li­chen. Self­pu­bli­shing? Kommt schon, das kennt ihr, das habt ihr doch zu dem ganz gro­ßen Ding auf die­ser Mes­se erklärt. Das sind so Nug­gets. Zwi­schen hau­fen­wei­se Sand­kör­nern. Habe ich wei­ter oben erklärt.

Ein wei­te­rer Arti­kel über Hon­ne­fel­der auf dem digi­ta­len Bör­sen­blatt-Able­ger (die müs­sen das kom­men­tar­los wie­der­ge­ben, der ist so etwas wie ihr Chef):

Es gehe um die Fra­ge, »was wir als Wis­sen ver­ste­hen wol­len, jeden­falls so lan­ge unter Wis­sen eine Erkennt­nis gemeint ist, die nicht wie ein sub­jekt­lo­ses Datum her­um­liegt, son­dern durch einen Urhe­ber gewon­nen und auf einen Kreis von Adres­sa­ten hin ver­öf­fent­licht wur­de.«
Gebraucht wer­de eine neue Kul­tur des Wis­sens. »Das digi­ta­le Zei­chen­sys­tem ist bedeu­tungs­frei; sei­ne Seman­tik erhält es erst durch Zuord­nung von außen«, so Hon­ne­fel­der.

Wis­sen ist eine Erkennt­nis, die »sub­jekt­los« her­um liegt, bis sie durch einen Urhe­ber »gewon­nen« wird? Das »digi­ta­le Zei­chen­sys­tem ist bedeu­tungs­frei« und »sei­ne Seman­tik erhält es erst von außen«? Mal unter uns und ganz offen: so einen inhalts­lee­ren Bull­shit habe ich schon lan­ge nicht mehr gele­sen, auch nicht in den Par­tei­pro­gram­men vor der Bun­des­tags­wahl, und das will was hei­ßen. Einer­seits müs­sen Urhe­ber gar nicht zwin­gend Wis­sen schaf­fen. Kunst und Unter­hal­tung rei­chen völ­lig. Ande­rer­seits sind Bücher auch als eBook kei­nes­falls nur »bedeu­tungs­freie digi­ta­le Zei­chen­sys­te­me«, son­dern den gedruck­ten Fas­sun­gen inhalt­lich gleich. Da muss man nichts »von außen zuord­nen«. Das poten­ti­el­le Wis­sen der Men­schen, die Zugriff auf das Inter­net haben wur­de in nie zuvor gese­he­nem Aus­maß erwei­tert. Infor­ma­ti­on at your fin­ger­tips. Jeder­zeit. Jede Per­son mit einem Inter­net­an­schluss kann sich über­zeu­gen, dass das »digi­ta­le Zei­chen­sys­tem« alles ande­re als bedeu­tungs­frei ist.
Falls mir jemand das uner­träg­lich hoh­le Phra­sen­ge­dre­sche in den Kom­men­ta­ren zu die­sem Arti­kel mit Sinn und Inhalt fül­len kann, wäre ich dank­bar. Ansons­ten könn­te ich auch ver­su­chen, mir das Gebrab­bel schön zu sau­fen.

Dann wen­det sich Hon­ne­fel­der an die Poli­tik:

Die Mehr­glied­rig­keit der Bran­che müs­se auch im digi­ta­len Zeit­al­ter bewahrt wer­den; die­ses Gefü­ge schlie­ße auch den Buch­han­del ein.

Das bedeu­tet: lie­be Poli­tik, wir schaf­fen es nicht, unser Geschäfts­mo­dell an die Gege­ben­hei­ten anzu­pas­sen und wir sind lei­der total unfle­xi­bel. Das fin­den wir doof. Bit­te beschließt Geset­ze, damit wir uns nicht bewe­gen müs­sen.
Es mag weh tun, Herr Hon­ne­fel­der, aber wenn ich mich so umse­he, gibt es nur noch sehr weni­ge Kut­scher. Oder viel­leicht ein Bei­spiel, das Ihnen bekann­ter vor­kom­men dürf­te: Schrift­set­zer. Als die Bran­che »com­pu­te­ri­siert« wur­de, hat man sich von denen, die den Umgang mit den neu­en Tech­ni­ken nicht beherrsch­ten, flugs getrennt. Es gibt heu­te kei­ne Schrift­set­zer mehr, weil es kei­ne beweg­li­chen Let­tern mehr gibt und man statt­des­sen Desk­top Publi­shing nutzt. Schon mal gehört? Das läuft auf den bösen Com­pu­tern – muss man aber weder als Ver­eins­funk­tio­när noch als Ver­le­ger wis­sen, da küm­mern sich die Fuß­trup­pen drum.
Wenn die Bran­che nicht in der Lage ist, sich und ihre Geschäfts­mo­del­le von Let­tern auf Com­pu­ter umzu­stel­len, wenn man lie­ber infle­xi­bel bleibt und nach poli­ti­schen Lösun­gen und damit Fei­gen­blät­tern für die eige­ne Bewe­gungs­lo­sig­keit ruft, dann soll­te man sich nicht wun­dern, wenn man den Weg der Dino­sau­ri­er geht. Oder den der Schrift­set­zer, suchen Sie sich einen aus. Man kann ja immer noch auf Kran­ken­pfle­ger oder Kin­der­gärt­ner umschu­len. Oder Autor. Was? Schlecht bezahlt? Tja, man kann halt nicht alles haben.

Eben­falls im Buch­re­port weist man wei­ter­hin auf Dampf­bla­sen der »Con­tent Alli­ance« hin, der der Bör­sen­ver­ein ange­hört, aber auch die Musik­in­dus­trie. Auch hier wird nach dem Gesetz­ge­ber und einem »star­ken Urhe­ber­recht« geschrien:

Kurz vor der Frank­fur­ter Buch­mes­se hat die Con­tent Alli­anz, der auch der Bör­sen­ver­ein ange­hört, noch ein­mal ihre For­de­run­gen nach einem star­ken Urhe­ber­recht bekräf­tigt. Der Schutz der Leis­tung von Krea­ti­ven vor ille­ga­ler Nut­zung müs­se zur Chef­sa­che im Kanz­ler­amt wer­den, erklär­te das Bünd­nis von Medi­en- und Kul­tur­ver­bän­den.

Wenn ich das lese kommt mir ganz deut­lich gesagt das kal­te Kot­zen. Denn hier wird das Urhe­ber­recht vor­ge­scho­ben, obwohl es tat­säch­lich um etwas ganz ande­res geht. Das Urhe­ber­recht – das wie der Name bereits sagt die Urhe­ber schützt und begüns­tigt – ist den Ver­wer­tern tat­säch­lich völ­lig egal (und ich habe mir »scheiß­egal« ver­knif­fen). Tat­säch­lich geht es ihnen aus­schließ­lich um die Tei­le dar­aus, die ihnen die Ver­wer­tung (sprich: Mone­ta­ri­sie­rung – ja, das sagen die so. Es bedeu­tet: Koh­le machen) geschaf­fe­ner Wer­ke Drit­ter ermög­li­chen.
Tat­säch­lich lässt man den Autor oder Musi­ker (auch der uner­träg­li­che Gor­ny von der Musik­in­dus­trie hat wie­der gepö­belt) mit Pea­nuts am aus­ge­streck­ten Arm ver­hun­gern, wäh­rend man selbst das Geld absackt, auch wenn immer wie­der ande­res behaup­tet wird.
Sprecht mal mit Autoren abseits des Best­sel­lers, lie­be Leser, und fragt sie, was von den Buch­ver­käu­fen bei ihnen ankommt. Ich wie­der­ho­le mich und ich tue es gern, damit es ein­si­ckert: das sind Pea­nuts. Es macht sich natür­lich ganz pri­ma, sich als Beschüt­zer der armen, armen Urhe­ber zu gerie­ren und laut­stark zu ver­kün­den, man selbst (und das Urhe­ber­recht) sei­en die letz­ten Schutz­wäl­le, die die Urhe­ber vor den ille­ga­len Nut­zun­gen behü­ten. Tat­säch­lich gehts auch hier wie­der nur um ihre Koh­le, um ihre Ein­nah­men. Und sie wis­sen genau: ihre Zah­len über ille­ga­le Down­loads und deren Scha­den sind von vor­ne bis hin­ten erstun­ken und erlo­gen.

Ich stim­me zu, dass das Urhe­ber­recht drin­gend einer Refor­ma­ti­on bedarf. Es muss an die Rea­li­tä­ten der moder­nen Netz­welt ange­passt wer­den. Die irr­sin­ni­gen Schutz­fris­ten müs­sen auf ein Maß zurecht­ge­stutzt wer­den, das kul­tu­rell und aus Sicht einer Wis­sens­all­men­de sinn­voll ist, damit Kul­tur nicht ver­schwin­det, weil Ver­wer­ter dar­auf sit­zen und sie nicht ver­öf­fent­li­chen. Abmahn-Abzo­ckern mit ihren Raub­rit­ter-Geschäfts­mo­del­len muss die Geschäfts­grund­la­ge ent­zo­gen wer­den, die Schul­kin­der kri­mi­na­li­siert und pro­fes­sio­nel­le Anbie­ter von Raub­ko­pien davon kom­men lässt (weil die Bran­chen und ihre Hilfs­she­riffs zu dumm sind, die zu bekom­men, hält man sich lie­ber an die, die sich nicht weh­ren kön­nen).

Am wich­tigs­ten ist mei­ner Ansicht nach jedoch, dass die Rech­te der Urhe­ber statt die der Ver­wer­ter gestärkt wer­den.  Schluss mit Total Buy­out, Schluss mit Kne­bel­ver­trä­gen, Schluss mit Pea­nuts und Schluss mit pau­schal ein­ge­räum­ten Rech­ten für »bis­her unbe­kann­te Nut­zungs­ar­ten«. Rech­te müs­sen nach defi­nier­ten Zeit­räu­men wie­der an die Urhe­ber zurück fal­len. eBooks müs­sen geson­dert ver­gü­tet wer­den, eben­so Hör­bü­cher. Urhe­ber müs­sen mehr Mit­spra­che­recht bekom­men, wie ihre Wer­ke ver­wer­tet wer­den. Urhe­ber müs­sen ange­mes­sen bezahlt wer­den, egal ob Autoren, Jour­na­lis­ten, Foto­gra­fen oder Musi­ker. Und es muss zwi­schen den Ver­wer­ter­rech­ten und den Ver­brau­cher­rech­ten abge­wo­gen wer­den. Denn: Gewin­ne ste­hen nicht über Bür­ger­inter­es­sen und auch nicht über Men­schen­rech­ten.

Die Buch­bran­che zeigt durch ihre Köp­fe immer wie­der eine Kul­tur des Mah­nens und War­nens. Vor neu­en Tech­no­lo­gien, vor Mit­be­wer­bern, die im Gegen­satz zu ihr agil sind. Statt der uner­träg­li­chen Mie­se­pe­te­rei soll­te man sei­ne Kräf­te dar­auf bün­deln, die Tech­no­lo­gien zu ver­ste­hen und zu nut­zen. Statt Gegei­fe­re gegen Apple, Ama­zon und Goog­le soll­te man von den Gegen­spie­lern ler­nen. Aber viel­leicht ist das von der tief kon­ser­va­ti­ven Bran­che zu viel ver­langt.

Die Buch­mes­se ist eine Ver­an­stal­tung, auf der die Buch­bran­che sich pro­fi­lie­ren möch­te und sich selbst beweih­räu­chert. Das soll sie mei­net­hal­ben gern tun. Nur mögen ihre Groß­kop­fer­ten bit­te davon abse­hen, mich mit Phra­sen zu lang­wei­len, mich offen­sicht­lich zu belü­gen, oder mir zu ver­ste­hen zu geben, dass sie mich für dumm hal­ten. Davor warnt der Holz­hau­er nach­drück­lich.

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Cory Doctorow – LITTLE BROTHER

Cover Little Brother

Anmer­kung: die­se Rezen­si­on erschien im April 2010 auf dem alten Arti­kel­por­tal. Da das Buch durch die Dis­kus­si­on um Über­wa­chung und schwin­den­de Bür­ger­rech­te aktu­ell wie nie ist, habe ich mich ent­schlos­sen, die Rezen­si­on hier noch­mals zu ver­öf­fent­li­chen. Und weil Jens Scholz die Akti­on #oplitt­le­brot­her aus­ge­ru­fen hat.

Ich lese ja gern und viel und gebe das offen zu. Es kann auch mal vor­kom­men, dass ein Roman so gut/​span­nend/​un­be­schreib­lich ist, dass ich ihn in kur­zer Zeit lese und dar­über an­de­re Din­ge ver­nach­läs­si­ge. Den­noch habe ich in den letz­ten Jah­ren fest­ge­stellt, dass mir das immer sel­te­ner pas­siert – auch Bü­cher, die mich wirk­lich fes­seln, tun das lan­ge nicht mehr in dem Um­fang wie frü­her. Das ist auch kein Wun­der, je mehr das Ge­hirn schon auf­ge­nom­men hat, je mehr man schon ge­le­sen hat, des­to schwie­ri­ger wird es zum einen über­rascht zu wer­den und zum an­de­ren kennt man halt der­ma­ßen vie­le Wer­ke und Ideen, dass wirk­li­che Neue­run­gen aus­blei­ben.

Cory Doc­to­rows LITT­LE BRO­THER hat mich von den ers­ten Buch­sta­ben an völ­lig weg­ge­hau­en und ich habe mich in einer Ge­schwin­dig­keit durch die­sen Roman ge­fräst, der mich selbst in der Nach­schau völ­lig über­rascht, denn ich hät­te nicht mehr für mög­lich ge­hal­ten, dass mich ein Roman noch­mal der­art fas­zi­nie­ren kann, dass ich ihn in einem Rutsch in Null­zeit durch­le­se, dass es mir wirk­lich schwer fällt, ihn mal weg­zu­le­gen und dass ich dann jede Ge­le­gen­heit nut­ze, ihn so­fort wie­der in die Hand zu neh­men, um wei­ter zu lesen.

ARGO – exzellentes Kino

Die­se Geschich­te ist so absurd, dass sie nur wahr sein kann. Es ist eine bis­her kaum bekann­te Geschich­te, die aus einem nach dem Viet­nam-Krieg bis dahin größ­ten Trau­mas erwuchs, das die Ver­ei­nig­ten Staa­ten im Aus­land erle­ben muss­ten. 1979 stür­men ira­ni­sche Demons­tran­ten des Aya­tol­lah-Regimes die Bot­schaft des ver­hass­ten Ame­ri­ka und neh­men das ver­blie­be­ne Per­so­nal als Gei­sel. Nicht das gesam­te Per­so­nal, denn sechs Bot­schafts­an­ge­stell­ten gelingt es zu ent­kom­men, die nach einer kur­zen Odys­see schließ­lich von der kana­di­schen Bot­schaft auf­ge­nom­men wer­den. Die Ira­ner sind unge­stüm aber nicht dumm. Mit aber­wit­zi­gen Aktio­nen fin­den die ira­ni­schen Gei­sel­neh­mer schnell her­aus, dass in der gestürm­ten Bot­schaft sechs Diplo­ma­ten feh­len und geflüch­tet sein müs­sen. Wer flüch­tet macht sich ver­däch­tigt, und Ver­däch­ti­ge sind auto­ma­tisch Spio­ne. Und Spio­ne wer­den gna­den­los öffent­lich hin­ge­rich­tet.

Fantasy Filmfest 2012: ALL COPS ARE BASTARDS als Widerruf seines Titels

Von allen Fil­men auf dem dies­jäh­ri­gen Fan­ta­sy Film­fest dürf­te die­ser einer der­je­ni­gen sein, die am wenigs­ten Fan­ta­sy sind. Am 12. Okto­ber fei­ert er in Deutsch­land sei­ne DVD-Pre­miè­re. Lei­der. Denn die­ser Film hät­te in Deutsch­land einen Kino-Ver­lei­her mehr als ver­dient. Von allen Fil­men auf dem dies­jäh­ri­gen Fan­ta­sy Film­fest, war die­ser einer der beein­dru­ckends­ten.

Soweit man weiß, ist die A.C.A.B.-Paro­le eng­li­schen Ursprungs, die mit ihrer Aus­sa­ge „all cops are bas­tards“ den irri­gen Unmut des Pro­le­ta­ri­ats gegen­über der Staats­macht pro­pa­gan­die­ren soll. Spielt aber auch kei­ne Rol­le mehr, denn der auf unzäh­li­ge Beton­wän­de gespray­te A.C.A.B.-Schriftzug hat längst den Weg der Glo­ba­li­sie­rung genom­men. Man kennt bri­ti­sche Fil­me zuhauf, die sich mit den schmut­zi­gen, aber grim­mig ehr­li­chen Sei­ten von Hoo­li­gan-Sze­ne, Poli­zei-Gewalt oder Sozi­al­hil­fe­emp­fän­gern aus­ein­an­der­set­zen. ATTACK THE BLOCK war einer die­ser Fil­me, zudem Publi­kums­lieb­ling des Film­fes­tes 2011. Der hat­te aller­dings Außer­ir­di­sche. Die braucht A.C.A.B. nicht, der wirkt mit sei­nem ein­neh­mend scho­ckie­ren­den Rea­lis­mus schon fremd genug. Zudem kommt er aus einem Land, das sonst auf the­ma­tisch ganz ande­rem Gebiet hei­misch ist. So wie der 2008 auf­se­hen­er­re­gen­de GOMORRHA.

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