Meine Güte, peinlicher gehts nimmer. Der Buchreport berichtet: LSL, offenbar der neue Lieblingsdienstleister der Messe Leipzig, der man immer mehr Aufgaben zuschustert, die früher andere wahrgenommen haben (erst die Messebuchhandlung, jetzt der Fantasy-Bereich), »launcht« also etwas, das es schon jahrelang gibt, nämlich eben diesen Fantasy-Bereich. Dass die sich ernsthaft trauen, das so zu formulieren lässt mich nach all den Querelen darum sprachlos zurück, und ich bin nun wirklich eine Menge in Sachen Marketing-Geschwurbel gewöhnt. Noch nicht mal die Arbeit auf der Fantasy-Leseinsel machen sie selbst, die macht – nach dem Rausdrängeln von WerkZeugs – PAN für sie.
Und dann steht da tatsächlich:
Das Genreportal WerkZeugs, das fast 10 Jahre lang die Fantasy-Leseinsel betreut, sich als Anlaufpunkt für Autoren etabliert und auch den Verkauf von Büchern und Merchandise-Artikeln durchgeführt hatte, sagte anlässlich einer deutlich gestiegenen Standmiete die Messeteilnahme ab. Die Messedirektion kümmerte sich umgehend um eine Alternative für den Messeverkauf und engagierte LSL.
Allerdings wurde bereits vermutet, dass es tatsächlich so war, dass man WerkZeugs seitens der Messeveranstalter die dramatisch erhöhten Standpreise präsentierte, mit dem bereits vorher gefassten Plan, dass die daraufhin absagen, und man das Ganze LSL zuschustern konnte.
Weiter kann man lesen:
Nach einigem Hin und Her ist die Leipziger Buchmesse der gemeinsamen Fraktion von WerkZeugs und dem Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) insofern entgegengekommen, dass PAN eine Fläche für die Community-Vernetzung zur Verfügung gestellt wird.
Verschwiegen wird dabei allerdings, dass es zuvor derart massive Proteste von Verlagen und auch namhaften Autoren aus dem Genre-Bereich Deutsche Phantastik gegeben hatte, dass sich die Messeveranstalter offensichtlich zum Einlenken genötigt sahen, da sie sonst Gefahr gelaufen wären, dass namhafte Protagonisten aus dem Bereich der Veranstaltung fern geblieben wären – und damit eben auch die zugehörigen Besucher.
Aber Hauptsache, eine vollmundige Pressemitteilung abgesondert …
[Edit 16:50 Uhr:] Ich wurde darauf hingewiesen, dass sich PAN um die Autorenlounge kümmert, nicht um die Leseinsel. Was die Sachlage allerdings nur minimal verändert.
In Sachen der Querelen um die Buchmesse Leipzig und die von WerkZeugs veranstaltete Leseinsel, hatte ich die Presseabteilung der Messe um Stellungnahme gebeten:
Sehr geehrte Frau Justen,
den nachfolgenden Text veröffentlichte die WerkZeugs KG, die in den vergangenen Jahren die Phantastik-Leseinsel auf der Leipziger Buchmesse betrieben hat, heute auf ihrer Facebook-Seite und hat damit viel Verwunderung in der Phantastik-Szene, sowohl bei Lesern, wie auch bei Verlagen und Autoren, ausgelöst.
[hier der obige Text von WerkZeugs]
Ich würde hierzu um eine Stellungnahme bitten und danke dafür im voraus.
—
Mit freundlichem Gruß,
Stefan Holzhauer
PhantaNews.de
Phantastische Nachrichten
Daraufhin hatte ich noch am selben Tag folgende Antwort bekommen:
Sehr geehrter Herr Holzhauer,
das Unternehmen WerkZeugs KG ist ein langjähriger Partner für den Gemeinschaftsstand innerhalb des Fantasy-Bereiches der Leipziger Buchmesse. Deshalb haben wir ihm auch in diesem Jahr ein Angebot für diesen Gemeinschaftsstand und seine Dienstleistungen rund um das Forum zu weiterhin günstigen Sonderkonditionen vorgeschlagen, die deutlich unter den regulären Standgebühren liegen. Wir bedauern sehr, dass WerkZeugs mit uns dieses Angebot nicht diskutiert hat, sondern öffentlich seine Teilnahme abgesagt hat. In unserem Forum „Fantasy-Leseinsel“ und in unserem Ausstellungsbereich finden Autoren und Verlage selbstverständlich auch zukünftig ein starkes Podium für ihre Präsentation. Zudem werden die Verlage die Möglichkeit haben, ihre Titel über einen eigenen Fantasy-Bereich über die Messebuchhandlung in Halle 2 zu verkaufen. Wir freuen uns selbstverständlich auf alle Fantasy-Fans in Leipzig und sehen weiterhin den Bereich als einen wichtigen Teil der Leipziger Buchmesse.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Ruth Justen
Pressesprecherin Leipziger Buchmesse 2017
i. A. der Leipziger Messe GmbH
Da sich diese Aussage nun doch deutlich von der unterscheidet, die WerkZeugs veröffentlicht hatte (und es für mich deswegen so aussah, als wollen die Veranstalter sie in die Pfanne hauen), stellte ich WerkZeugs via Facebook dieses Statement bereits vorab zur Verfügung und bat ihrerseits um Stellungnahme, da ich das hinsichtlich der von den Veranstaltern geäußerten Vorwürfen für fair hielt. Die wurde mir für heute zugesagt.
Allerdings bekomme ich diesen Kommentar nun nicht, das stand in einer Mail, die ich soeben erhielt. Man möchte keine offiziellen Statements abgeben, »um eine Schlammschlacht zu vermeiden« und weil man »über verschiedene Schienen mit der Messe in Dialog zu kommen versucht«. Das finde ich relativ ulkig, immerhin ist die Schlammschlacht bereits in vollem Gange. Offenbar hofft man bei WerkZeugs immer noch, dass die Veranstalter einlenken. Angesichts der Tatsache, dass bereits vorgestern ein anderer Betreuer der Leseinsel feststand (LSL Leipzig) und dass die Rahmenbedingungen in Sachen Stände auch für die Verlage grundlegend geändert wurden, sehe ich allerdings kaum Hoffnung, dass es die Leseinsel mit Lounge samt angeschlossenen Ständen auch in 2017 in akzeptabler Form geben wird. Da das Konzept seitens der Messe bereits weit fortgeschritten scheint, halte ich Änderungen für unwahrscheinlich.
Wir danken Euch herzlich für Euer Feedback bezüglich der #LeipzigerBuchmesse – so viele liebe, entrüstete und traurige Kommentare, Nachrichten und Emails! Irgendwas müssen wir also in den vergangenen Jahren richtig gemacht haben.
Zum »Faktencheck« der Leipziger Buchmesse hier zwei kleine Richtigstellungen, eine etwas ausführlichere Stellungnahme wird es in Kürze auf #PhantaNews geben.
(1) »Deshalb haben wir ihm auch in diesem Jahr ein Angebot für diesen Gemeinschaftsstand und seine Dienstleistungen rund um das Forum zu weiterhin günstigen Sonderkonditionen vorgeschlagen«
Fakt: Es ist richtig, dass wir für 2017 noch günstige (wenn auch schon deutlich gestiegene) Konditionen bekommen hätten. Allerdings hätten wir uns auf drei Jahre vertraglich festlegen müssen, im dritten Jahr hätten die Standgebühren mehr als das doppelte des bisherigen Preises betragen.
(2) »Wir bedauern sehr, dass WerkZeugs mit uns dieses Angebot nicht diskutiert hat, sondern öffentlich seine Teilnahme abgesagt hat.«
Fakt: Wir haben schriftlich vorliegen, dass die Leipziger Buchmesse von ihrem »Angebot« nicht abweichen und und die Zusammenarbeit deshalb nicht weiterführen möchte.
Und noch ein Wort zur #Leseinsel: Diese bleibt unseres Wissens nach weiterhin bestehen – eben »nur« ohne die von uns erbrachten Dienstleistungen (wie etwa Anmoderation, Koordination der Signierschlangen, Stellen der Security etc.).
Dass die Buchmesse von Ihrem Angebot nicht abweichen wollte ist doch in meinen Augen ein ziemlich zentrales Argument für den Standpunkt von WerkZeugs und anderer Teilnehmer, die jetzt noch versuchen, auf die Veranstalter einzuwirken.
Ich weiß zudem auch von Kleinverlagen, die aufgrund des geänderten, unvorteilhaften Standkonzepts nun überlegen, in den sauren Apfel zu beißen und anstatt nun inakzeptable neue Bedingungen zu akzeptieren, lieber die Stornogebühr in Höhe von EUR 350 zu zahlen, um der Messe fernzubleiben. Wie man sieht, gehen die Probleme rund um die Leseinsel über den Themenkomplex »WerkZeugs« deutlich hinaus.
Unabhängig davon sehe ich die Aussage der Pressesprecherin ebenso wie das sehr ähnlich klingende Statement des Messechefs im Börsenblatt äußerst kritisch und halte beide für einen festen Tritt in den Hintern der Autoren, Verlage und Fans des Phantastik-Bereichs, WerkZeugs sowieso. Mal ganz unabhängig davon, wie die aktuelle Konstellation in Sachen Verantwortung für die Misere zwischen Messe und WerkZeugs tatschlich aussehen mag:
Auch Messedirektor Oliver Zille sollte zur Kenntnis nehmen, dass WerkZeugs in den vergangenen Jahren da nicht nur einen Stand hatte und ansonsten Däumchen drehte, sondern vielmehr die Lesungen, Anmoderationen, Security und jede Menge mehr rund um die Leseinsel organisiert hat. Alles Tätigkeiten, für die sich die Messeveranstalter nicht befähigt sahen – bevor WerkZeugs das übernahm, war der Phantastik-Bereich samt Leseinsel eine lieblose Ecke, die aus hingestreuten Sitzmöbeln bestand. Statt die Preise innerhalb von drei Jahren (mit gleichzeitigem Knebelvertrag über drei Jahre) auf das Doppelte zu erhöhen, sollte die Messe für das Engagement eher eine Gage zahlen.
Man wird sehen, wie die Verhandlungen PANs und WerkZeugs´ mit der Leipziger Messe GmbH tatsächlich enden, und ob es zu einem für alle beteiligten Protagonisten befriedigenden Ergebnis kommen wird. Abgesichts diverser Verhaltensweisen des Messeveranstalters in den letzten Jahren (fragt beispielsweise mal Kleinverlage, wie lange die im vergangenen Jahr auf die Abrechnung der in den Messebuchhandlungen verkauften Bücher gewartet haben) hege ich daran starke Zweifel, aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben …
Logo Buchmesse Leipzig Copyright Leipziger Messe GmbH
Auf ihrer Facebookseite melden sich die Betreiber hinter der WerkZeugs Kreativ KG mit einer Pressemitteilung zu Wort. WerkZeugs hatte in den vergangenen neun Jahren auf der Leipziger Buchmesse die Phantastik-Leseinsel sowie einen Genre-Buchhandel betrieben. Jetzt schreiben sie:
Liebe Freunde der Fantastischen Literatur, liebe Buchmesse-Fans,
leider müssen wir Euch heute etwas für uns sehr trauriges mitteilen:
Nach gut neun Jahren endet 2016 unsere Kooperation mit der Leipziger Buchmesse.
Wir haben uns in den vergangenen Jahren bemüht, die Leseinsel Fantasy und den dazugehörenden WerkZeugs-Stand, die Fantasy-Buchhandlung, zu einem spannenden Ort mit vielen tollen Lesungen und Begegnungen zu machen. Nicht nur für die Leser, sondern auch für die Autoren und Verlagsvertreter, die unsere Lounge gern genutzt haben.
Unsere bestehenden Verträge mit der Messeleitung sind in diesem Jahr ausgelaufen. Die neuen Konditionen, die uns die Messe angeboten hat, machen jedoch ein wirtschaftliches Arbeiten unmöglich, da die Standgebühren mehr als verdoppelt werden sollen. Ein Auftritt auf der Messe in der gewohnten Weise wäre einem finanziellen Ruin gleichzusetzten. Unsere Versuche, eine Lösung zu finden, die für beide Parteien sinnvoll wäre, waren vergeblich.
Aus diesem Grund mussten wir unsere Zusammenarbeit mit der Leipziger Buchmesse leider beenden und werden 2017 nicht auf der Messe vertreten sein.
Wir bedauern dies sehr.
Euer WerkZeugs-Team
Verdoppelte Standpreise. Da kann man wieder einmal sehen, worum den Veranstaltern es auch auf der Buchmesse Leipzig letztendlich geht: Nicht um Bücher, sondern um das Generieren von möglichst viel Kohle. So eine Messe ist ja quasi eine Gelddruckmaschine, insbesondere, wenn einem die Messehallen selbst gehören. Man kassiert von allen ab: Von Besuchern und Fachbesuchern bei den Eintrittskarten und von den Ausstellern gleich doppelt bei den Standgebühren und über die Messebuchhandlungen.
Man kann nun spekulieren, warum auf einmal die doppelte Standgebühr genommen werden soll? Das erscheint als Preissteigerung doch arg übertrieben und kaum vertretbar. Es gibt allerdings neuerdings einige Publikumsverlage, die sich intensiv im Genre-Bereich positionieren, beispielsweise Fischer mit der deutschen Ausgabe von TOR oder Piper Fantasy. Man könnte nun auf die Idee verfallen, dass die vermeintlichen Amateure ausgebootet werden sollen, damit Buchbranchen-»Profis« die Phantastik-Leseinsel übernehmen können. Warten wir mal ab, aber ich prophezeihe, dass die Buchmesse-Veranstalter demnächst mit einem tollen, neuen Partner für die Leseinsel um die Ecke kommen werden.
Oder ob die Standgebühren allgemein so angezogen wurden? In dem Fall dürfte das vermutlich auch für etliche Kleinverlage das Messe-Aus bedeuten, wenn sich der Stand rein wirtschaftlich nicht mehr rechtfertigen lässt, weil man die Ausgabe nicht mal ansatzweise wieder reinholen kann. Dazu kommt ja noch, dass man seine Bücher dort nicht selbst verkaufen darf, sondern die Veranstalter sogar daran noch einen nicht geringen Anteil haben wollen und deswegen nur über spezielle Messebuchhandlungen abesetzt werden darf.
Angesichts der Geschäftspraktiken der Veranstalter der Leipziger Buchmesse wundert man sich in der Nachschau nicht mehr darüber, dass sie schon einmal eine renommierte Branchenmesse verloren haben: Die Gamescon, die heute unter der Neufirmierung GamesCom in Köln veranstaltet wird. Es ist nun sicher unwahrscheinlich, dass eine so langjährige Veranstaltung wie die Buchmesse einfach umzieht, aber wenn durch sinkende Attraktivität wegen deutlich weniger Ausstellern die Besucherzahlen zurück gehen, wird sich der Veranstalter etwas einfallen lassen müssen.
Da es doch angeblich um Kultur geht, könnte man diese aktiv fördern, indem die Großanbieter (also Publikumsverlage oberhalb eines gewissen Jahresgewinns) etwas höhere Gebühren zahlen und damit die kleineren Anbieter bzw. deren Stände sponsorn. Es wird ja regelmäßig die kulturelle Vielfalt beschworen, beispielsweise wenn es um die Rechtfertigung der Buchpreisbindung geht. Auf Veranstaltungen wie der Leipziger oder Frankfurter Buchmesse ist davon dann aber keine Rede mehr, da darf nur teilnehmen, wer auch ordentlich Geld auf den Tisch legt – und das übersteigt eben die Möglichkeiten vieler Klein- und Kleinstverlage ganz erheblich. Hier wird, von der Branche sicher nicht ganz unbeabsichtigt, eine Zweiklassengesellschaft gepflegt: auf der einen Seite die Branchen-»Élite« und auf der anderen Seite die Indies, mit denen man gern prahlt, die sich die teuren Präsenzen auf den Branchenselbstbeweihräucherungsveranstaltungen aber eben nicht leisten können.
Aber wie ich schon schrieb: Es geht auf den Messen weder ums Buch, noch um Kultur, und schon gar nicht um Autoren und deren Bücher, sondern nur noch darum, möglichst viel Geld zu generieren. Als Besucher sollte man sich das vor Augen führen, und vielleicht mal mit den Füßen abstimmen.
Update: Ich habe bei den Veranstaltern der Leipziger Buchmesse um Stellungnahme gebeten:
Sehr geehrte Frau Justen,
den nachfolgenden Text veröffentlichte die WerkZeugs KG, die in den vergangenen Jahren die Phantastik-Leseinsel auf der Leipziger Buchmesse betrieben hat, heute auf ihrer Facebook-Seite und hat damit viel Verwunderung in der Phantastik-Szene, sowohl bei Lesern, wie auch bei Verlagen und Autoren, ausgelöst.
[hier der obige Text von WerkZeugs]
Ich würde hierzu um eine Stellungnahme bitten und danke dafür im voraus.
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Mit freundlichem Gruß,
Stefan Holzhauer
PhantaNews.de
Phantastische Nachrichten
Man darf gespannt sein, wie diese Tellungnahme aussehen wird, falls überhaupt eine kommt.
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