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#saveyourinternet Demos: Wir sind alle nur gekauft!

Heu­te war ich wie vie­le zehn­tau­sen­de ande­re in Deutsch­land (inzwi­schen wird bei seriö­sen Quel­len von »weit über 100000 Per­so­nen« gere­det – Update: über 150000!) für ein frei­es Inter­net auf der Stra­ße, das lob­by­ge­steu­er­te EU-Poli­ti­ker, allen vor­an Axel Voss (CDU), zuguns­ten von Ver­wer­tern und wei­te­ren Inter­es­sen­grup­pen zer­stö­ren wollen.

Vor­geb­lich ist dabei immer vom Urhe­ber­recht die Rede und davon, dass Krea­ti­ve ange­mes­sen ent­lohnt wer­den sol­len. Das ist aller­dings nur vor­ge­scho­ben, denn die Rea­li­tät sieht völ­lig anders aus, bei­spiels­wei­se sol­len die Ver­wer­tungs­ge­sell­schaf­ten wie VG Wort in Zukunft wie­der die Hälf­te der Ein­nah­men an die Ver­wer­ter (also bei­spiels­wei­se Ver­la­ge) aus­schüt­ten, statt wie es nach höchst­rich­ter­li­cher Ent­schei­dung sein muss alles an die Urhe­ber. Die­ses höchst­rich­ter­li­che Urteil war den Ver­wer­tern ein Dorn im Auge und es wur­de bei­spiels­wei­se durch den Bör­sen­ver­ein des deut­schen Buch­han­dels mas­si­ve Lob­by­ar­beit betrie­ben, damit im EU-Recht fest­ge­schrie­ben wer­den soll, dass die Hälf­te des Gel­des wie­der an ver­wer­ter gehen muss.

Wie­so das urhe­ber­freund­lich sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich hal­te es für das genaue Gegenteil.

Über die Upload­fil­ter wur­de bereits genug gesagt und ich möch­te dar­auf nicht umfäng­lich wei­ter ein­ge­hen, nur kurz: Sie sind tech­nisch unmög­lich umsetz­bar und wer­den mas­siv over­blo­cken. Unter ande­rem eben auch Wer­ke klei­ner Urhe­ber, die abseits der gro­ßen Ver­wer­ter ihre Wer­ke anbie­ten. Wenn die ihre Wer­ke aber nicht mehr hoch­la­den kön­nen, weil ein Con­tent­fil­ter die falsch als durch drit­te urhe­ber­recht­lich geschützt erkennt, dann hilft das auch die­sen Urhe­bern nicht. Vom Scha­den für die freie Mei­nungs­äu­ße­rung haben wir da noch gar nicht gesprochen.

Es geht hier also gar nicht um Urhe­ber (son­dern um Ver­wer­ter) und die soge­nann­te »Reform«, die das Urhe­ber­recht fürs 21. Jahr­hun­dert fit machen soll, tut genau das Gegen­teil: Sie ist ein Rück­schritt und zemen­tiert über­kom­me­ne, kon­ser­va­ti­ve Geschäfts­mo­del­le, statt dem Rech­nung zu tra­gen, dass wir alle Urhe­ber sind. Die Inter­es­sen der Bür­ger und der Krea­ti­ven wer­den zuguns­ten der Ver­wer­ter kom­plett über Bord gewor­fen, wir inter­es­sie­ren nicht, allein die Inter­es­sen der Ver­wer­ter zählen.

Und heu­te dann gehen so vie­le Men­schen wie noch nie zuvor bei einem netz­po­li­ti­schen The­ma auf die Stra­ßen Deutsch­lands. Allein in Mün­chen kamen nach Anga­ben der Poli­zei 40000 Per­so­nen zusam­men (und die Poli­zei schätzt immer äußerst kon­ser­va­tiv), um fried­lich für ihre Rech­te zu demonstrieren.Und auch im Rest Euro­pas gab es in zahl­lo­sen Städ­ten Kundgebungen.

Und was macht die CDU: Die lässt jeg­li­che demo­kra­ti­sche wer­te hin­ter sich und behaup­tet allen Erns­tes, wir Demons­tran­ten sei­en alle von irgend­wel­chen US-Fir­men bezahlt. 450 Euro pro Per­son – in mei­ner Tasche ist jeden­falls nichts davon. Ich bin­de den Beweis als Bild ein, falls der Tweet – wie schon frü­he­re aus Rich­tung die­ser Par­tei – plötz­lich verschwindet:

Ich wie­der­ho­le mich: Mit die­ser Lüge, die auf dem Niveau von Trump oder Orban ist, hat die CDU den Boden der Demo­kra­tie ver­las­sen. Sie will den Pro­test, der fest in unse­rer Ver­fas­sung ver­an­kert ist, durch die­se offe­nen Falsch­aus­sa­gen diskreditieren.

Das ist zudem ein erneu­ter Beweis, was die­se Geron­ten-Par­tei von der Jugend hält. Geht sie zur Schul­zeit für das Kli­ma und gegen die ver­fehl­te Kli­ma­po­li­tik der letz­ten 25 Jah­re auf die Stra­ße wird dar­auf nicht inhalt­lich ein­ge­gan­gen, es geht nur um »man darf nicht schwän­zen«. Gehen zig-zehn­tau­sen­de am Wochen­en­de auf die Stra­ße, dann fällt den Polit­clowns nichts Bes­se­res ein, als zu behaup­ten die wären alle »von ame­ri­ka­ni­schen Kon­zer­nen« bezahlt.

Das hier geht nicht mehr weg. Die CDU hat es geschafft, eine gan­ze Gene­ra­ti­on gegen sich auf­zu­brin­gen und die Sym­pa­thi­san­ten der Jugend­li­chen wer­den immer mehr. Und über die Jugend­li­chen hin­aus waren heu­te auf der Demo in Düs­sel­dorf auch etli­che Per­so­nen zu sehen, die eher in mei­nem Alter waren (Ich bin ein alter Sack. Ers­ter Com­pu­ter 1979, WWW-Zugang seit Mit­te der 1990er, in der IT tätig). Und ich hof­fe und gehe davon aus, dass es mehr werden.

Soll­te die­ses gro­tes­ke Gesetz am Diens­tag tat­säch­lich ver­ab­schie­det wer­den, dann war das heu­te erst der Anfang, dann muss sich die Geron­to­kra­tie im warm anziehen.

Und obwohl alle Demos heu­te völ­lig fried­lich von­stat­ten gegan­gen sind (es wur­de in Düs­sel­dorf ohne aus­drück­li­che Erlaub­nis noch nicht ein­mal eine frei zugäng­li­che Wie­se betre­ten!): eine Jugend die der­art oft und der­art dreist ver­arscht wird, könn­te sich radi­ka­li­sie­ren und dage­gen könn­ten die 68er wie ein … Kin­der­ge­burts­tag aussehen.

Update: Die Rea­li­tät sieht übri­gens so aus:

Korrupte Politiker im EU-Parlament beschließen das Ende des Internets wie wir es kennen

Ein Kom­men­tar

Es war hart gekämpft wor­den um die Novel­lie­rung des Urhe­ber­rechts in Euro­pa. Die Ände­run­gen gehen unter ande­rem auf EU-Digi­tal­kom­mis­sar Oet­tin­ger zurück, der von Digi­ta­lem ver­mut­lich so viel Ahnung hat­te, wie eine Kuh vom Rad­fah­ren. Trei­ber der soge­nann­ten Refor­men war Axel Voss (CDU).

Gro­ße Tei­le der angeb­li­chen »Reform« sind völ­lig gegen die Bedürf­nis­se und Inter­es­sen des sprich­wört­li­chen »nor­ma­len Bür­gers« und bedie­nen aus­schließ­lich wirt­schaft­li­che und Lobby-Interessen.

Ver­le­ger, an ihrer Spit­ze (Ach­tung: Mei­nung!) Volks­ver­het­zer wie der Axel Sprin­ger Ver­lag (Bild-Zei­tung), wol­len ein Leis­tungs­schutz­recht (Link Tax), das in Deutsch­land kra­chend geschei­tert ist, euro­pa­weit durch­set­zen. Wei­ter­hin sol­len auto­ma­ti­sier­te Con­tent­fil­ter (die tech­nisch nicht funk­tio­nie­ren kön­nen) den Upload von urhe­ber­recht­lich geschütz­tem Mate­ri­al ver­hin­dern. Die­se Zen­sur­fil­ter wer­den zu mas­si­vem Over­blo­cking, dem Ver­schwin­den von Netz­kul­tur und erheb­li­cher Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit füh­ren. Denn man kann ohne inhalt­li­che oder recht­li­che Kon­trol­le erst­mal alles weg­blo­cken, ohne dass man als Betrof­fe­ner eine ein­fa­che Mög­lich­keit hat, sich dage­gen zu wehren.

Statt das Urhe­ber­recht ans Inter­net des 21. Jahr­hun­derts und die inter­es­sen der Nut­zer anzu­pas­sen, bei­spiels­wei­se durch Rege­lun­gen wie »fair use«, ist man beim euro­päi­schen Par­la­ment kom­plett vor den Wün­schen der Wirt­schaft ein­ge­knickt, zum Nach­teil der euro­päi­schen Bür­ger. Die Kon­se­quen­zen sind unab­seh­bar und rei­chen ins­be­son­de­re für jeden, der Con­tent ins Netz stellt (also dank sozia­ler Medi­en ALLE Nut­zer) erheb­lich wei­ter als die viel­dis­ku­tier­te DSGVO.

Detail­lier­te Infor­ma­tio­nen zu die­sem The­ma fin­det man bei Netzpolitik.org. Die schrei­ben, der Kampf sei ver­lo­ren. Das sehe ich anders:

Jetzt fängt er erst rich­tig an!

Wer meint, ich klin­ge ange­fres­sen, hat völ­lig recht.

Update: Thread von Cory Doc­to­row auf Twitter:

The­re are thou­sands of ways that fil­ters can acci­den­tal­ly fin­ger your legit works as pira­cy, and if you’­re not a pira­te, your reme­dy is to file appeals, cross your fin­gers, and hope a plat­form with a bil­li­on users and mil­li­ons of peo­p­le in your situa­ti­on will review your case.

Update: Julia Redas Stel­lung­nah­me:

Das Euro­pa­par­la­ment befür­wor­tet die Ein­füh­rung neu­er recht­li­cher und tech­ni­scher Schran­ken für die Mei­nungs­frei­heit im Netz. Zuguns­ten von Kon­zern­pro­fi­ten wer­den Prin­zi­pi­en über den Hau­fen gewor­fen, ohne die das Inter­net nie sei­ne heu­ti­ge Bedeu­tung erlangt hätte.

Update: Mario Six­tus auf Twit­ter:

Heu­te hat der Axel-Sprin­ger-Ver­lag bei sei­nem Bestre­ben, das Inter­net kaputt zu machen, einen gro­ßen Schritt nach vor­ne gemacht. Wer für Sprin­ger arbei­tet, deren Publi­ka­tio­nen abon­niert oder auf deren Tex­te ver­linkt, ist mitschuldig.

Update: Arti­kel auf hei­se: »Vor­ab­kon­trol­le und Zen­sur­in­fra­struk­tur«

Die US-Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Elec­tro­nic Fron­tier Foun­da­ti­on (EFF) weist dage­gen dar­auf hin, dass das bekann­te »Con­tent ID«-System von You­Tube Ent­wick­lungs­kos­ten in Höhe von 60 Mil­lio­nen Euro ver­schlun­gen habe und in zahl­rei­chen Fäl­len recht­mä­ßi­ge Inhal­te blo­ckiert habe. Zudem kön­ne jeder Anwen­der oder Rech­te­inha­ber nut­zer­ge­ne­rier­ten Con­tent auf eine schwar­ze Lis­te geschütz­ter Wer­ke set­zen, die dann nicht mehr ver­öf­fent­licht wer­den könnten.

Hier kann man sehen, wer ver­ant­wort­lich ist:

Gra­fik Link­tax und Con­tent­fil­ter: CC-BY Oli R, Bild »Kains Face­palm« von Alex E. Pro­imos, aus der Wiki­pe­diaCC BY

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