Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und zahllose seiner Mitglieder gerieren sich immer wieder gern mal als die Hüter des Urheberrechts – auch wenn jeder Person mit einem IQ oberhalb der Raumtemperatur klar sein sollte, dass sie in Wirklichkeit die Verwerterrechte meinen und die Urheberrechte für sie höchstens drittrangig sind.
Dass ich mit dieser Annahme vermutlich richtig liege, zeigt die Reaktion auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das der Verlag Carl Hanser bemühen wollte, um die eigenen Pfründe gegenüber den rechtmäßigen Forderungen von Übersetzern zu sichern. Bereits mehrfach hatte der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Übersetzer nachträglich gerichtlich prüfen lassen können, ob ihre Vergütung angemessen ist, um gegebenenfalls Nachforderungen zu stellen.
Hanser gefiel es offenbar nicht, dass man die Übersetzer angemessen an Gewinnen beteiligen muss. Ist ja auch eine Unverschämtheit, wollen die einfach so Geld für ihre Arbeit. Wo kommen wir denn da hin? Um nicht zahlen zu müssen, legte man, unterstützt vom Börsenverein, zwei Verfassungsbeschwerden ein, zum einen gegen die Urteile des BGH, zum anderen gegen das Urheberrechtsgesetz. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Verfassungsbeschwerden zum Zwecke der Gewinnoptimierung und um den Übersetzern ihnen zustehende Zahlungen vorzuenthalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt beide Beschwerden zurückgewiesen – der Justiziar des Börsenverein äußert sich »enttäuscht«.
Urheberrechtsgesetze gelten offenbar im Selbstverständnis des Börsenvereins wieder einmal nur für »die anderen«, nicht für diesen und seine Mitglieder. Die meiner Ansicht nach miserabel entlohnten Übersetzer dürfte das Urteil freuen. Mit Recht.
Auch in Deutschland träumen manche reaktionären Kräfte in den üblichen Parteien bekanntermaßen lautstark über irgendwelche »strikes«-Modelle. Als pure Menschenfreundlichkeit soll das System verkauft werden, bei dem einem Internetnutzer nach mehreren (es werden hierzulande drei bevorzugt) Urheberrechtsverstößen das Grundrecht auf Netzzugang entzogen werden soll. Auch in den USA hat die Lobby eine ähnliche Regelung durchgedrückt und die Ergebnisse lasssen sich sehen:
Aktuell werden die Nutzer dort nach dem Inkrafttreten einer »six strikes«-Regelung geradezu mit DMCA (Digital Millenium Copyright Act) »takedown notices« überzogen. Eine Firma namens dtectnet verschickt offenbar Strikes für alles mögliche, was angeblich irgendeinen Verstoß gegen irgendwelche Copyrights darstellt. Dabei gibt es dem Augenschein nach verblüffende Auswüchse durch ein automatisiertes System, denn etliche der Claims sind völlig haltlos. Was natürlich nichts daran ändert, dass der »Strike« ausgesprochen wurde.
David Sutherland bietet über Mediafire Mods für das MMO GUILD WARS 2 an und der hat folgende Mitteilung erhalten (kompletter Inhalt auf Techdirt):
Dear MediaFire User:
MediaFire has received notification under the provisions of the Digital Millennium Copyright Act (»DMCA«) that your usage of a file is allegedly infringing on the file creator’s copyright protection.
ATE: 22 February 2013Dear Sir/Madam:Please be advised that NBC Universal and/or its subsidiary and affiliated companies(collectively, NBC Universal) are the owners of intellectual property rights in numeroustelevision shows and motion pictures. NBC Universal diligently enforces such intellectualproperty rights.mediafire.com is and has been infringing NBC Universal’s intellectual property rights innumerous properties including, but not limited to, the title(s) listed at the bottom ofthis letter. By way of example, we are providing with this letter a non-exhaustive listof unauthorized copies of NBC Universal properties hosted on mediafire.com, along with theURL corresponding to each listed infringing file. NBC Universal demands that mediafire.comimmediately remove or otherwise disable access to the video files identified in thisletter, and cease and desist from any further infringement of NBC Universal properties.The undersigned has a good faith belief that mediafire.com’s use of NBC Universal propertyas referenced herein infringes NBC Universal’s rights and is not authorized by NBCUniversal, its agent or the law. The information contained in this notification isaccurate. Under penalty of perjury, the undersigned is authorized to act on behalf of NBCUniversal with respect to this matter.Please be advised that this letter is not a complete statement of the facts or law as itmay pertain to this matter, or of NBC Universal’s positions, rights or remedies, legal orequitable, all of which are specifically reserved.
Wir stellen fest: die DMCA-Notice durch NBC Universal ist komplett daneben, denn die haben mit dem Spiel GUILD WARS 2 nicht das geringste zu tun, das ist von ArenaNet und wird von NCSoft vertrieben.
Es ist davon auszugehen, dass es ab sofort haufenweise solche falschen »Strikes« gegen Internetnutzer geben wird, die Filesharing-Dienste verwenden. Frei nach dem Motto: »wir machen das einfach mal, die können ja versuchen, sich dagegen zu wehren.« Natürlich wird man sich auf »technische Probleme« und »Versehen« berufen, aber es dürfte klar sein, dass dies mit auch voller Absicht in Kauf genommen wird. Prima auch für die Firmen, dass man solche DMCA Takedowns offenbar verschicken kann, ohne nachweisen zu müssen, dass es tatsächlich einen Urheberrechtsverstoß gibt. Das erinnert an Abmahnabzocker hierzulande, die gern mal aufgrund von Bildern abmahnen, bei denen sich heraus stellt, dass sie die Rechte gar nicht besitzen, oder erst nachträglich erworben haben. Man bleibt dann aber dennoch üblicherweise auf den Kosten für den Rechtsanwalt sitzen, um diese falschen Abmahnungen abzuwehren – denn dafür müsste man vor Gericht ziehen.
Und es ist ein Vorgeschmack darauf, was hierzulande geschehen wird, sollten die Volksvertreter Volksverräter in den Parteien erneut vor den Lobbies einknicken und auch bei uns solch ein »Strikes«-System einführen. Mißbrauch wäre vermutlich Tür und Tor geöffnet – es gewinnen die mit den dicken Rechtsabteilungen.
Das Börsenblatt weist in seiner Onlinefassung auf eine Veranstaltung der »Akademie des deutschen Buchhandels« hin, die »Expertentagung Medienrecht: Verlagsrecht 2015«. Dabei handelt es sich nach Aussagen des Artikels um eine Tagung, die sich an »Geschäftsführer und Juristen von Medienunternehmen, Verlagsleiter, Mitarbeiter von Lizenzabteilungen und Anwälte« richtet. Dabei soll es nicht nur um Fragen wie den nach einem EuGH-Urteil von Anfang Juli zu erwartenden Gebrauchtverkauf von eBooks, sowie die Buchpreisbindung auf elektronische Bücher gehen, sondern auch darum »wie Textausschnitte und Rezensionen zukünftig geschützt […] werden können«.
Natürlich kann man davon ausgehen, dass das eine buchbrancheninterne Veranstaltung ist und allein das führt bereits zu einer eingeschränkten Sicht. Dem Thema »massenhafte Urheberrechtsverletzungen im Web« dürfte sich wahrscheinlich wie üblich genähert werden: kundenfeindliche DRM-Maßnahmen sind das A und O.
Warum ich persönlich die Veranstaltung nicht ernst nehmen kann und worüber ich laut gelacht habe ist allerdings die folgende Aussage im Artikel, die eine Ankündigung der Veranstalter wieder gibt:
Das Urheber- und Verlagsrecht wird seit Jahren in beachtlicher Geschwindigkeit an Digitalisierung und Online-Nutzungen angepasst
Wer angesichts dieses Satzes nicht in schallendes Gelächter aubricht, der lebt meiner unmaßgeblichen Meinung nach in einer Filterbubble oder sogar in einer äußerst subjektiven Wahrnehmung. Denn tatsächlich hinkt gerade die Gesetzgebung in Sachen Urheberrecht fast allen Fällen, die mit dem Web zu tun haben, der Realität Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinterher. Dank intensiver Lobbyarbeit ändert die Politik Gesetze sogar nach wie vor zu Ungunsten der Bürger und entgegen allem gesunden Menschenverstand. Über die fossile Buchpreisbindung gerade auf eBooks noch gar nicht gesprochen.
Wer angesichts dessen den obigen Satz absondert, dass die Gesetze »in beachtlicher Geschwindigkeit« angepasst werden, hat entweder massive Realitätsverluste oder äußert diese falsche Aussage vielleicht sogar vorsätzlich. Woher die Veranstalter kommen, zeigt sich ja allein daran, dass auch hier offfenbar überlegt werden soll, wie man Textsnippets (»Textausschnitte«) schützen und damit das Zitatrecht umgehen kann. Soll hier etwa ein Leistungsschutzrecht ähnlich dem für Verleger geschaffen werden?
Sieht man sich an, wer organisiert und wer Vorträge hält: nahezu ausschließlich Rechtsanwälte oder selbsternannte Hilfssheriffs wie die »Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen« (GVU), dann wundert einen eigentlich nichts mehr …
Es kann nicht angehen, dass weltweite Proteste es schaffen, SOPA und PIPA in den USA zu stoppen, aber ACTA von bürgerfernen und demokratisch nicht kontrollierten Lobbyhuren in Brüssel durchgewunken werden kann.
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Hier der Text:
Schon der Name führt in die Irre. Die eigentliche Intention von ACTA ist es, Immaterialgüterrechte zu beschützen. Als Handelsabkommen wurde es dazu entwickelt, Produkt- und Markenpiraterie sowie gefälschte Kopien von hochwertigen Gütern zu verhindern. Ebenso soll es den Missbrauch oder die Umdeutung von bekannten Marken ausschließen. Es soll die Investitionen, die in die Entwicklung von Produkten gesteckt wurden, durch Patente auf Medizin, medizinische Produkte aber auch Nahrungsmittel und Saatgut schützen. Künstler, Kreative und Journalisten sollen durch ACTA eine sichere Grundlage erhalten, um die Qualität ihrer Veröffentlichungen zu verbessern und um das internationale Urheberrecht zu harmonisieren. ACTA baut auf TRIPS auf.
Wikipedia definiert Fälschung als: »die bewusste Nachahmung eines Objektes oder einer Information zur Täuschung Dritter«.
Wenn man jedoch ein File im Internet kopiert, bleibt es genau das gleiche File, es handelt sich hierbei um keine Nachahmung. Es wurde auch nicht gestohlen, denn das Original ist noch immer da, wo es ursprünglich war. Die Information wurde ohne ein Entgelt für den Schöpfer geteilt. Der Begriff Fälschung (Counterfeit) ist deswegen irreführend.
Geistiges Eigentum oder auch Immaterialrechte wurden nie in ACTA definiert. Somit schützt ACTA nicht nur Handelsmarken, es kann auch zum urheberrechtlichen Schutz jeder Idee, Information oder sogar von Begriffen eingesetzt werden, damit dessen unlizensierter Gebrauch dann kriminalisiert und verfolgt werden kann.
Der Einfluss durch dieses Abkommen auf das Internet würde die Grundlagen der freien, auf Teilhabe und Partizipation bauenden Informationsgesellschaft aushebeln.
Der tatsächliche ACTA-Text deckt eine breite Palette von Feldern ab, ist extrem komplex und schwer zu fassen. Analog zum Internet würde ein hypothetisches Beispiel folgendermaßen aussehen:
Du lernst in einem bezahlten Kochkurs ein tolles Gericht kennen und möchtest es Deinen Freunden vorstellen. Diese Weitergabe stellt mit ACTA ein kriminelles Vergehen dar.
Im Internet würde ACTA diese Verstöße des Urheberrechts durch eine engmaschige Kontrolle aller Datenströme kontrollieren und protokollieren. Über ACTA würden die Verwerter und Verlage, welche die jeweiligen Rechte innehalten und die verletzt wurden, unmittelbar informiert. Sie könnten den Rechteverstoß direkt ahnden, die Daten und Links zum Content werden ohne Verhandlung gesperrt.
ACTA verlangt von den ISPs eine Überprüfung der von den Usern dort hinterlegten Daten nach urheberrechtlichen Verletzungen.
ACTA möchte dies für Musik, Filme, Bilder, journalistische Beiträge, Trademarks und Patente durchsetzen. Damit würden Portale wie Youtube, Twitter, Tumblr und viele andere unmittelbar kriminalisiert und zensiert.
ACTA wurde hinter verschlossenen Türen geheim ausgehandelt und ist als undemokratisch legitimiertes Instrument verfassungsrechtlich bedenklich.
Es betreibt den Rückbau von Partizipation in der Informationsgesellschaft und fußt auf einem totalitären Zensuranspruch. ACTA öffnet Tür und Tor für die grenzenlose Überwachung des Bürgers durch die Industrie.
Cory Doctorow zu Copyright, Urheberrechten und Web. Der Mann ist einfach ein Held!
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… unter diesem Titel hat die Heinrich Böll Stiftung zusammen mit iRights.info einen Reader zum Thema Copyright in der Internet-Ära herausgebracht. Der Untertitel lautet »Plädoyers für ein zukunftstaugliches Urheberrecht«. In diesem Reader nehmen renommierte Autoren unter anderem Stellung zum Urheberrecht in der modernen vernetzten Welt, zum Kopieren und zum Leistungsschutz-Gejammer der etablierten Verleger.
Der Reader steht unter einer Creative Commons-Lizenz, die es mir ermöglicht, einen der Artikel hier zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um die Betrachtungen von Monika Ermert zum ACTA-Abkommen, dass soeben hinter verschlossenen Türen und weitestgehend ohne den Einfluss demokratischer Prinzipien verhandelt wird und das zu einschneidenden Einschränkungen unserer Bürgerrechte in der digitalen Welt führen wird – wenn es nicht rechtzeitig gestoppt und auf eine demokratische Basis gehoben wird.
Warum ich das hier thematisiere? Das hat verschiedene Gründe. Zum einen stammt das heute genutzte Urheberrecht aus einer grauen Vorzeit und passt nicht mehr zur »digitalen Gesellschaft«. Zum anderen kann es meiner Ansicht nach nicht angehen, dass Volksvertreter die Interessen des Volkes das sie vertreten sollen an die Vertreter von Medienkonzernen verkaufen. Und drittens sehe ich die Gefahr, dass Bürgerjournalisten ihre Blogs und Special-Interest-Seiten (so wie beispielsweise diese hier) zumachen können, wenn die Verleger von Baumfäll-Zeitungen (und Konsorten) ihre Forderungen mittels massiver Politik-Manipulationen durchsetzen können – ein erster Ansatz ist mit dem Jugendmedienstaatsvertrag und seinen abstrusen Forderungen bereits getan.
Man muss diese Informationen verbreiten, damit auch die vielleicht endlich aufwachen, die unreflektiert die Parolen der Medienindustrie und ihrer Handpuppen nachplappern.
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