JMStV

Auf Wiedersehen Internet – der JMStV

Eigent­lich woll­te ich auf Phan­ta­News wei­test­ge­hend davon abse­hen, poli­ti­sche oder netz­po­li­ti­sche The­men zu bespre­chen. Bei die­sem The­ma geht das aber lei­der nicht mehr, denn die Kon­se­quen­zen betref­fen auch Phan­ta­News, betref­fen JEDEN, der eine Web­sei­te oder ein Blog betreibt.

Grund für die­sen Arti­kel ist die Tat­sa­che, dass die Grü­nen im NRW-Land­tag auf ein­mal für den JMStV stim­men wol­len, obwohl man vor­her ver­kün­de­te, dage­gen zu sein. Jetzt hat man sogar noch die Chuz­pe, wei­ter­hin zu behaup­ten, man sei selbst­verstz­änd­lich dage­gen, obwohl man dafür stim­men wird… Zitat vom Twit­ter-Account der NRW-Grünen:

»Wir sind wei­ter­hin gegen den JMStV, die Frak­ti­on hat sich auf­grund par­la­men­ta­ri­scher Zwän­ge anders entschlossen«

Ja, lie­ber Leser, Du ver­stehst das nicht? Will­kom­men im Club. Für mich sind die Grü­nen damit noch unwähl­ba­rer gewor­den, als sie es ohne­hin bereits waren (denn was die zusam­men mit der SPD ver­bockt haben, geht eben­so wenig auf eine Kuh­haut, wie ihr Umfal­len beim Netz­z­ensur­ge­setz). Über den Grü­nen ent­lädt sich gera­de zu Recht ein »Shit­s­torm«, der sich gewa­schen hat.

War­um so ein Auf­stand wegen eines Staats­ver­trags der »doch nur Kin­der schüt­zen soll«?

Ganz ein­fach: die Maß­nah­men im Ver­trag sind zum einen völ­lig hirn­ris­sig – wie »Sen­de­zei­ten« von TV und Radio aufs Inter­net zu über­tra­gen – oder füh­ren dazu, dass man ohne teu­re Fach­leu­te oder eben­so teu­re Alters­ein­stu­fungs­sys­te­me kei­ne Web­sei­ten oder Blogs mehr online stel­len kann, ohne sich dem Risi­ko aus­zu­set­zen, von der Abmahn­ma­fia belangt zu werden.

Bür­ger­jour­na­lis­mus ist damit de fac­to nicht mehr mög­lich, die freie Mei­nungs­äu­ße­rung im Inter­net kann nicht mehr stattfinden.

Umso alber­ner wird das Gan­ze, wenn man sich vor Augen führt, dass all die­se idio­ti­schen Regeln aus­schließ­lich für Deutsch­land gel­ten, in einem inter­na­tio­na­len Inter­net kann immer noch jeder auf sämt­li­che Inhal­te der Sei­ten von Anbie­tern zugrei­fen, deren Ser­ver NICHT in Deutsch­land stehen.

Detail­lier­te Hin­ter­grün­de und Argu­men­ta­tio­nen war­um der JMStV völ­li­ger Blöd­sinn ist, fin­den sich bei­spiels­wei­se bei T3N oder beim AK Zen­sur, ich muss die­se des­we­gen hier nicht noch­mal wie­der­ho­len. Bit­te unbe­dingt lesen!

Die Kon­se­quenz müss­te im Prin­zip sein, alle mei­ne Blogs und Web­sei­ten off­line zu neh­men, denn ich kann mir weder Jugend­schutz­be­auf­trag­te leis­ten, noch meh­re­re tau­send Euro Lizenz­ge­büh­ren für tech­ni­sche Maß­nah­men zur Alters­kenn­zeich­nung. Noch­mal zum Mit­mei­ßeln: Die­se Kon­se­quenz gilt für alle Anbie­ter von Web­sei­ten, am schlimms­ten ist die Lage jedoch für sol­che, die nut­zer­ge­ne­rier­ten Con­tent erlau­ben, also Kom­men­ta­re oder gar Foren.

Ich hof­fe aller­dings noch dar­auf, dass die »Netz­ge­mein­de« jetzt los­legt… Ich wer­de jeg­li­che Aktio­nen unter­stüt­zen und jeder, dem an einem unzen­sier­ten und frei­en Inter­net liegt, das nicht von ver­blö­de­ten Polit-Ahnungs­lo­sen zer­stört wird, soll­te das eben­falls tun!

[cc]

»ungeeignet«-Label von Gor­mu­lus, CC BY NC SA, Wahl­pla­kat »Die Grü­nen« von Pan­tof­fel­punk, CC BY NC SA

Ungeeignete Maßnahmen zum Jugendschutz im Internet

Pres­se­mit­tei­lung des AK Zen­sur

Zur Unter­zeich­nung des 14. Rund­funk­än­de­rungs­staats­ver­trags und der Ände­run­gen am Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trags durch die Minis­ter­prä­si­den­ten der Län­der und zur Pres­se­mel­dung von Kurt Beck am 10. Juni 2010 erklärt der Arbeits­kreis gegen Inter­net-Sper­ren und Zensur:

Unge­eig­ne­te Maß­nah­men zum Jugend­schutz im Internet“

Kri­tik an Unter­zeich­nung des Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trags durch die Ministerpräsidenten

»Anders als von Kurt Beck behaup­tet, sind die neu­en Maß­nah­men im Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trag nicht frei­wil­lig. Im Gegen­teil: Wer Inhal­te publi­ziert, die für Kin­der „erzie­hungs­be­ein­träch­ti­gend“ sind, muss Maß­nah­men ergrei­fen. Wer sich nicht dar­an hält, han­delt ord­nungs­wid­rig und ris­kiert ein Buß­geld. „Frei­wil­lig“ ist dabei nur die Wahl der Maß­nah­men. Ein ers­ter Pra­xis­test des AK Zen­sur hat gezeigt, dass Selbst­ein­stu­fung und Alters­kenn­zeich­nung nicht prak­ti­ka­bel sind und dem Jugend­schutz nicht die­nen. Die Alters­gren­zen wer­den auch bei all­täg­li­chen Inhal­ten schnell erreicht.

Der neue Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trag ist tat­säch­lich, wie Kurt Beck behaup­tet, rich­tungs­wei­send. Die Rich­tung zeigt aller­dings in die Ver­gan­gen­heit: Die jetzt beschlos­se­nen Maß­nah­men wur­den schon Mit­te der 90er-Jah­re dis­ku­tiert, dann aber als untaug­lich ver­wor­fen. Die Vor­stel­lung, Rege­lun­gen aus dem Rund­funk könn­ten im glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um Inter­net funk­tio­nie­ren, ist naiv. Moder­ner Jugend­schutz ver­langt neue Kon­zep­te und medi­en­päd­ago­gi­sche Strategien.

Durch man­geln­den Sach­ver­stand, feh­len­de Ein­sicht in die Zusam­men­hän­ge und falsch ver­stan­de­ne Für­sor­ge­pflicht wird ein popu­lis­ti­sches Bün­del von Vor­schrif­ten ver­ord­net, das dem Schutz von Kin­dern und Jugend­li­chen nicht dient.

Der JMStV kann nur in Kraft tre­ten, wenn alle Lan­des­par­la­men­te zustim­men. Es bleibt zu hof­fen, dass die­se nicht vor­be­halt­los die Ent­schei­dung der Minis­ter­prä­si­den­ten abnicken.«

Internet: das Ende der »Mittler«?

Internet

Wir haben ein Grund­recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung (ein­ge­schränkt durch z.B. Jugend­schutz­ge­set­ze) und wir haben ein Grund­recht auf Infor­ma­ti­ons­frei­heit, das bedeu­tet, dass man die Quel­len aus denen man sich infor­miert frei wäh­len darf (solan­ge sie im Ein­klang mit dem Gesetz stehen).

Vor der brei­ten Ent­de­ckung des Inter­net durch die Bür­ger war ins­be­son­de­re bei der Infor­ma­ti­ons­frei­heit die Aus­wahl beschränkt: Man erhielt sei­ne Infor­ma­tio­nen haupt­säch­lich aus Fern­se­hen und Tages­zei­tun­gen. Auch im Bereich Unter­hal­tung war man auf die vor­ge­ge­be­nen und vor­sor­tier­ten media­len Kon­ser­ven der ein­schlä­gi­gen »Inhal­te­an­bie­ter« (neu­sprech: »Con­tent Pro­vi­der«) wie Ver­le­ger, Fern­seh­sen­der oder (bei der musi­ka­li­schen Unter­hal­tung) Musik­mul­tis ange­wie­sen, denn es gab kaum Alternativen.

Das ändert sich zur Zeit mas­siv und dras­tisch. Ein Web­ser­ver ist schnell ange­mie­tet, noch schnel­ler kann man bei­spiels­wei­se ein vor­ge­fer­tig­tes Blog nut­zen, um selbst zum Anbie­ter von Inhal­ten zu wer­den. Damit wer­den die Mitt­ler immer mehr aus­ge­schal­tet, man infor­miert sich nicht mehr nur über Tages­schau, Zeit, Blöd Bild und Co. son­dern auch über Bür­ger­jour­na­lis­mus und Mei­nungs­mul­ti­pli­ka­to­ren im Netz – die zuvor mit Sicher­heit bei den eta­blier­ten, ange­pass­ten und zum Teil gleich­ge­schal­te­ten (oder gar ver­dum­men­den) Medi­en kei­ne Stim­me gefun­den hät­ten. Klar gibt es eine Men­ge über­flüs­si­ges Grund­rau­schen von Wich­tig­tu­ern oder Dumm­schwät­zern, aber wen stört es? Die wich­ti­gen und guten Blogs wer­den auch gele­sen, zitiert und sogar über das Netz hin­aus wahr­ge­nom­men. Im Unter­hal­tungs­be­reich kön­nen Nischen­grup­pen und ‑Inter­es­sen bedient wer­den, derer sich die Eta­blier­ten nie­mals anneh­men wür­den. All das gilt für Infor­ma­ti­on wie auch für Unter­hal­tung allen Formen.

Es ist abzu­se­hen, dass das Ende für die »Mitt­ler« kom­men wird. Schnel­ler als man mei­nen könn­te und sogar schnel­ler als bei den Ver­la­gen, Ver­le­gern und sons­ti­gen klas­si­schen Inhal­te­an­bie­tern vie­le bereits fürch­ten. Das sehen die auch selbst, wie die bis­wei­len ver­zwei­felt anmu­ten­den Bemü­hun­gen zei­gen, ent­we­der bei Regie­run­gen einen Bestands­schutz für ihr über­hol­tes Geschäfts­mo­dell ein­zu­for­dern, oder aber sich der Kon­kur­renz durch Bür­ger­jour­na­lis­ten oder »nicht­pro­fes­sio­nel­le« Anbie­ter von Unter­hal­tung auf die ver­schie­dens­ten Arten zu entledigen.

Der vor­geb­li­che Jugend­schutz der mit der Neu­ord­nung des Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trags ange­strebt wird, ist mei­ner Ansicht nach eben­falls ein kaum ver­deck­ter Ver­such, die­sen Bür­ger­jour­na­lis­mus und den direk­ten Kul­tur­aus­tausch zwi­schen den Men­schen mit uner­füll­ba­ren Klau­seln aus­zu­he­beln und durch die Hin­ter­tür Zen­surme­cha­nis­men zu instal­lie­ren, nach­dem das öffent­lich über die Gesetz­ge­bung nicht funk­tio­niert hat.

Einen deut­lich detail­lier­te­ren und sehr emp­feh­lens­wer­ten Text hier­zu fin­det man auf der »Wun­der­ba­ren Welt von Iso­topp«. Lesen!

Bild: »Inter­net« von Trans­cam auf flickr, CC-Lizenz

Internetzensur im Namen des Jugendschutzes

Logo AK Zensur

Zen­sur­su­las Zen­sur­ge­setz wur­de bis­her nicht durch­ge­zo­gen, aber ande­res Unheil dräut. Und dies­mal geht es nicht nur um Zen­sur von Web­sei­ten, die Neu­fas­sung des Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­tra­ges (JMStV) ent­hält gro­tes­ke For­mu­lie­run­gen, die Pro­vi­der für die Inhal­te ihrer Kun­den ver­ant­wort­lich machen wol­len, oder Foren und Blog­ger ver­pflich­ten wol­len, miss­lie­bi­ge Inhal­te umge­hend zu ent­fer­nen, ansons­ten dro­hen recht­li­che Kon­se­quen­zen. Wei­ter­hin sol­len Web­in­hal­te ähn­lich wie Fil­me oder Com­pu­ter­spie­le  in Alters­klas­si­fi­zie­run­gen ein­ge­teilt wer­den, wer auch nur den Ansatz von Ahnung hat, sieht die Idio­tie sofort und sieht auch, was all das für die Betrei­ber von Foren, Blogs und ähn­li­chen Com­mu­ni­ties bedeu­ten dürf­te: das Aus.

Hier in einer Pres­se­mit­tei­lung die Stel­lung­nah­me des AK Zen­sur, die beleuch­tet ziem­lich deut­lich, was da vor sich geht:

Am kom­men­den Mitt­woch fin­det in der Staats­kanz­lei in Mainz eine nicht­öf­fent­li­che Anhö­rung zum aktu­el­len Ent­wurf des über­ar­bei­te­ten Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­tra­ges statt.

Dazu haben wir beim AK Zen­sur eine Stel­lung­nah­me ver­fasst, die den Ent­wurf in den meis­ten Punk­ten kritisiert.

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