Seit einiger Zeit lamentiert die Buchbranche über deutlich gestiegene Papierpreise bzw. eine Papierknappheit. In den letzten Tagen hörte man aus Kreisen großer Publikumsverlage auch erst wieder, dass die Buchpreise deutlich angehoben werden müssten – natürlich nicht zugunsten der Autor°Innen, die weiterhin mit Brosamen abgespeist werden, sondern damit die Taschen der Verleger voller werden. Bücher sind in Deutschland im internationalen Vergleich ohnehin schon sauteuer und werden damit schon seit einiger Zeit zum Luxusgut, dass sich nicht mehr jede/r leisten kann oder will, erst recht nicht angesichts der katastrophalen Lage auf dem Wohnungsmarkt oder den aktuellen Entwicklungen um Lebensmittel‑, Energie- oder Kraftstoffpreise. Erschwerend kommt hinzu, dass sich nach all den Jahren offenbar in der Branche immer noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man in direkter Konkurrenz zu 99 Cent-Apps oder Streamingdiensten steht, wenn es um das begrenzte Geld und den Krieg um die Aufmerksamkeit der Nutzer geht. Für den Preis eines Hardcovers, das nach drei Tagen durchgelesen ist, kann man auch beispielsweise zwei Monate WORLD OF WARCRAFT spielen …
Gerade interveniert der europäische Drucker-Dachverband Intergraf wegen der Papierknappheit und der hohen Preise bei der EU-Kommission. Die ist ohnehin dafür bekannt, der Verlagsbranche jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.
Dabei existiert eine wirklich einfache und naheliegende Lösung für die Papierknappheit in der Buchbranche:
Das Lesen von eBooks forcieren.
Insbesondere den Leser°innen mit Sinn für Umweltschutz sollte doch zu vermitteln sein, dass für Bücher keine Bäume sterben und auch keine Unmengen an Wasser für Altpapiererzeugung verschwendet werden müssen. Das sollten auch Klebebindungs- und Druckerschwärze-Junkies, die über »Geruch eines gedruckten Buches« phantasieren, leicht einsehen können, oder?
Bei Bildbänden oder bestimmten Hardcovern sehe ich ja ein, dass man die im Regal stehen haben möchte, aber bei Wegwerfliteratur wie Massenpaperbacks und Taschenbüchern?
Der Herstellungsfootprint in Sachen Umweltbelastung eines eReaders amortisiert sich im Vergleich zu Printbüchern ungefähr innerhalb knapp eines Jahres, deutlich schneller bei Vielleser°Innen – ab dann ist die Umweltbilanz eines eReaders besser oder sehr viel besser als die von Papierbüchern. Moderne eReader verbrauchen aufgrund des eInk-Displays verschwindend geringe Mengen an Strom und sind äußerst langlebig. Meinen ersten Kindle habe ich verschenkt, als ich mir ein Nachfolgemodell mit besserem Display gegönnt habe, beide Geräte sind nach wie vor im Einsatz, der erste seit acht Jahren, ohne nennenswerte Verschleißerscheinungen.
Das nenne ich nachhaltig.
Seitdem hat die Darstellungsqualität nochmal erheblich draufgelegt, die neuen Kindles haben eInk-Displays mit einer Auflösung von 300 DPI, das ist wie auf Papier gedruckt. Die Ergonomievorteile liegen ebenfalls auf der Hand: Durch die Beleuchtung auch im Dunkeln lesen können, ohne jemanden mit einer Nachttischlampe zu stören und die Möglichkeit die Schriftgröße zu skalieren ist für Personen mit Sehschwächen ohnehin ein Killerfeature.
Insbesondere umweltschutzaffinen Leser°innen sollte doch zu vermitteln sein, dass eBooks eine geradezu perfekte Lösung darstellen.
Leider halten große Teile der Verlagsbranche eBooks immer noch für Ausgeburten der Hölle oder versuchen trotz erheblich geringerer Logistik- und Druckkosten Mondpreise dafür anzusagen.
Ich bin schon lange der Ansicht, dass insbesondere Massenware-Bücher hierzulande deutlich überteuert sind. Und ich meine damit klassische gedruckte Bücher, die meist verlangten Mondpreise für eBooks sind eine ganz andere Geschichte. In einem Artikel vom letzten Sonntag arbeitet sich Börsenblatt Online am Thema ab und man ist ganz offensichtlich der Ansicht, dass Bücher zu billig sind und teurer werden müssen. Als Argumentationshilfe bedient man sich des Einkaufsleiters vom Barsortimenter KNV. Der agiert mit Phrasen wie »Bücher haben ihren Preis« oder »Bücher in gedruckter oder digitaler Form haben ihren Wert«.
Machen wir mal einen Realitätscheck hinsichtlich der Kosten von Büchern in Europa und den USA. ich möchte hier mal einige Preise exemplarisch nennen, um zu zeigen, dass Gedrucktes hierzulande im Vergleich einfach zu teuer ist. Vorher will ich allerdings noch auf eine seiner Aussagen eingehen. Er führt aus, dass es einen Preisanstieg um ca. zwei Prozent gab und fügt hinzu:
Seit zwanzig Jahren gab es eine solche Preiserhöhung von einem Jahr zum anderen nicht mehr.
Ich weiß ja nicht, von welchen 20 Jahren er redet, aber ich kann mich an deutliche Preissteigerungen zur Umstellung von Deutschmark auf Euro erinnern – und in Blick in mein Buchregal bestätigt das auch. Warum blendet er diese Tatsache wissentlich aus?
Aber kommen wir zu den Preisvergleichen. Ich habe einige Bücher – natürlich aus dem Segment »Phantastik« – herausgesucht und deren Preise in verschiedenen Ländern verglichen. Es handelt sich aus naheliegenden Gründen um internationale Titel, die in allen Ländern verfügbar sind. Das Ergebnis ist wie folgt:
Suzanne Collins – THE HUNGER GAMES, deutscher Titel: DIE TRIBUTE VON PANEM, Hardcover
Deutschland: 18,95 EUR
United Kingdom: 9,99 GBP ~ 12,00 Euro
USA: 14,06 USD ~ 10,34 EUR
Italien: 12,67 EUR
Spanien: 15,20
J. R. R. Tolkien – THE HOBBIT – deutscher Titel: DER HOBBIT, Hardcover
Deutschland: 14,95 EUR
United Kingdom: 7,19 GBP ~ 8,64 EUR
USA: 11,80 USD ~ 8,68 EUR
Italien: es scheint keine italienischsprachige Ausgabe zu existieren, die englische kostet EUR 10,36
Spanien: 13,25 EUR
George R. R. Martin: A SONG OF ICE AND FIRE, deutscher Titel: DIE HERREN VON WINTERFELL und DAS ERBE VON WINTERFELL, Taschenbuch
Deutschland: 15,00 EUR plus 15,00 EUR = 30 EUR
United Kindom: 6,29 GBP ~7,56 EUR
USA: 8,22 USD ~ 6,05 EUR
Italien: 12,75 EUR (die scheinen ebenfalls aufzuteilen, aber es gibt anlässlich der TV-Serie die ersten beiden Bände in einem Buch)
Spanien: 9,50 EUR
J. K. Rowling – HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS, deutscher Titel HARRY POTTER UND DIE HEILIGTÜMER DES TODES, Hardcover (gibt es in .de nicht als Taschenbuch)
Lassen wir es dabei bewenden, ich könnte hunderte weitere Beispiele nennen. Der Trend ist eindeutig: Bücher sind im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland teuer. Zum Teil sogar sehr teuer. Der einzige Ausreißer in den Stichproben ist TINTENHERZ in Spanien, vermutlich sind die dortigen Verlage ordentlich über den Tisch gezogen worden. Es möge mir bitte auch niemand damit kommen, dass auf der britischen Insel keine Umsatzsteuer auf Bücher anfällt, in allen Fällen wären diese auch dann noch deutlich preisgünstiger, wenn man sieben Prozent aufschlagen würde. Der Fairness halber muss man auch noch sagen, dass Bücher in Frankreich ähnlich teuer sind wie in Deutschland. Auch da arbeitet offenbar eine gute Lobby. Ja, ich weiß, der Absatzmarkt und damit die Produktion in englischer Sprache ist weitaus höher als die in deutscher, damit kann man mehr absetzen. Die Preisgestaltung unterscheidet sich allerdings auch in Ländern mit geringeren Absatzzahlen üblicherweise von Deutschland dadurch, dass Bücher preiswerter sind. Und den Osten Europas habe ich dabei noch gar nicht betrachtet. Übrigens gilt auch in Spanien und Italien eine Buchpreisbindung, eine solche existiert in gerade mal acht von 26 Ländern Europas. Nach aktuellen Statistiken befindet sich Deutschland beim allgemeinen Preisniveau in Europa ungefähr in der Mitte. Bei Buchpreisen sieht das aus schwer nachvollziehbaren Gründen anders aus. Leider konnte ich keine Statistik finden, die die Buchpreise in europäischen Ländern vergleicht, deswegen meine Stichproben.
Grundsätzlich deuten die Stichproben aber an, dass Bücher hierzulande im Allgemeinen deutlich mehr kosten, als anderswo. Jaja, ich weiß, jetzt wird das Argument mit der Übersetzung kommen, das ist immer gern genommen. Allerdings weiß man auch, dass Übersetzer hierzulande äußerst miserabel bezahlt werden, deswegen kann dieser Umstand insbesondere bei Bestsellern kein Argument darstellen. Außerdem kann man mit ein wenig Vergleichen erkennen, dass sich die Preise übersetzter ausländischer Literatur an denen deutscher Bücher orientieren. Daraus könnte man schließen, dass auch letztere zu teuer sind.
»Aber denkt denn keiner an die Autoren?« höre ich es wieder einmal aus den heiligen Hallen der Buchbranche rufen. Doch, an die denke ich. Ständig. Und ich weiß, wie miserabel die entlohnt werden. So schlecht, dass außer Bestsellerautoren in Deutschland kaum jemand davon leben kann.
Wir halten fest: Bücher sind bereits jetzt aasgeierig teuer und der Börsenverein scheint zu unterstützen, dass diese noch teurer werden sollen. Zudem geht man vom Taschenbuch immer öfter gern mal aufs Paperback, weil man das bei gleichem Inhalt deutlich teurer verticken kann – man könnte es, ebenso wie das Aufteilen von Wälzern auf zwei Bücher, auch als »Kundenverarsche« bezeichnen, denn es handelt sich nur um neue Schläuche für alten Wein. Die Branche versteht offensichtlich immer noch nicht, dass sie heutzutage in direkter Konkurrenz zu Tablet- und Smartphone-Apps steht, die man für ein paar Cent erwerben kann. Von anderen direkten Konkurrenzen wie Internet, Spielen, Filmen noch gar nicht gesprochen. Und auch nicht davon, dass man sich eben seinen Lesestoff für einen Bruchteil des deutschen Preises gleich im englischen Original kaufen kann. Allerdings sollte man sich diese englischen Originale besser nicht bei deutschen Anbeitern kaufen.
Die massiv ansteigende Armut in Deutschland, nach aktuellen Angaben sind fünf Prozent aller Kinder als arm anzusehen, scheint die Branche in ihrer Filterblase ebenfalls nicht zu interessieren. Wenn die Entscheidung lautet: Buch oder etwas zu essen, ist die Entscheidung wohl einfach. Kann sich noch jemand an Anton Philipp Reclam erinnern, der mit seiner Universalbibliothek auch weniger Betuchten das Lesen von Klassikern und Belletristik ermöglichen wollte? Was ist davon geblieben, außer dem Ansinnen, möglichst viele Bücher »zu drehen«?
Ja, ich denke auch, dass Bücher einen Wert haben. Aber der Preis muss angemessen sein. Und das ist er in meinen Augen bereits jetzt nicht. Zumindest nicht bei den Publikumsverlagen mit ihren Großauflagen.
[cc]
Bild: Der Bücherwurm, von Karl Spitzweg, gemeinfrei, angereichert mit Euro-Symbolen
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