Was sich wie ein schlechter Witz anhört, ist leider Realität. Inzwischen sind alle großen deutschen Verlagshäuser davon abgekommen, ihre eBooks mit dem kundenfeindlichen und äußerst unergonomischen Adobe DRM zu verseuchen. Eigentlich ein Grund, sich zu freuen. Allerdings nicht für Nutzer eines Lesegerätes mit der Bezeichnung Tolino, denn in dessen Shop sind trotz der Abkehr nach wie vor alle eBooks mit dem Kopierschutz versehen.
Wie kann das sein?
Das von den Tolino-Anbietern eingebaute Wasserzeichen ist nach Ansicht der Branche zu offensichtlich und damit zu leicht zu entfernen, deswegen weigern sich Verlage aus Angst vor Raubkopien, ihre eBooks ohne DRM anzubieten. Bisher war man bei Tolino offenbar noch nicht in der Lage, ein Verfahren anzubieten, das die Chefetagen der paranoiden Verlage zufriedenstellen konnte. Angeblich arbeitet man aber daran.
Das ist natürlich alles ein ziemlich schlechter Witz und man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Verlage auch mit der Nutzung von Wasserzeichen alle zahlenden Kunden unter den Generalverdacht stellen, ihre gekauften eBooks an Dritte weiterzugeben. Dabei reichen ihnen die implementierten Systeme noch nicht mal aus. Die werden sich umgucken, wenn auch vermeintlich sichere Wasserzeichen im Handumdrehen entfernt werden können. Offen ist auch nach wie vor noch, wie sie im Fall der Fälle beweisen wollen, dass der Kunde selbst das eBook in Tauschbörsen gestellt hat.
Man kann Tolino-Nutzern eigentlich nur raten, bei Händlern abseits der Tolino-Allianz zu kaufen, die tatsächlich auf hartes DRM verzeichten, beispielsweise bei Osiander. Denn auch deren Bücher im ePub-Format kann man selbstverständlich auf das Lesegerät werfen. Allerdings ist auch Osiander ab Oktober Tolino-Partner. Ob die dann auch nur noch mit hartem DRM ausliefern?
Weiterhin versuchen deutsche Verlage mit aller Kraft, eBooks unattraktiv zu machen.
Als letzte der großen Verlagsgruppen in Deutschland schafft das zu Bertelsmann gehörende Random House die kundenunfreundliche Unverschämtheit Adobe DRM ab und setzt ab dem 1. Oktober ausschließlich auf softes DRM, also Wasserzeichen. Vorangegangen waren Ende Juni Bonnier, kurz darauf Holtzbrinck.
Für den Kunden ist das natürlich eine großartige Sache, Adobe dürfte vermutlich weniger fröhlich sein, das stört mich allerdings nicht die Bohne, das Verfahren war unausgereift, äußerst unergonomisch und in der Vergangenheit gab es Fehler, die dazu führten, dass man rechtmäßig erworbene eBooks (zeitweilig) nicht mehr lesen konnte.
Damit sind allerdings nicht alle Probleme vorbei, denn nach wie vor gibt es Soft-DRM, die Bücher werden also mit sogenannten Wasserzeichen gekennzeichnet. Wenn solcherart eindeutig den Kunden zuzuordnende eBooks geklaut werden (man kann sich Viren vorstellen, die den Rechner gezielt nach eBooks durchsuchen und diese irgendwo hochladen) und beispielsweise auf Tauschbörsen oder einschlägigen Webseiten angeboten werden, kann das für den Kunden zu Problemen führen. Denn Random House will mit der einschlägig berüchtigten Kanzlei Waldorf & Frommer verstärkt gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen. Ich bin schon sehr auf die ersten Gerichtsverfahren gespannt, wenn man nachweisen will, wer konkret das Zeug irgendwo hochgeladen hat. Ein solcher Nachweis dürfte nämlich abseits von Tauschbörsen nahezu unmöglich sein. Und: Wer garantiert mir, dass die Soft-DRM-Verfahren fehlerfrei sind? Können gleiche Schlüssel mehrfach vergeben werden? Das lässt sich nur ermessen, wenn die Verfahren offen gelegt werden, das werden die Verlage nicht wollen. Auch das wird sicherlich in der Zukunft Gerichte beschäftigen.
Für Nutzer von Amazons Kindle ist das eine gute Nachricht, denn wenn hartes DRM fehlt, kann man ePubs anderer Anbieter mittels der Software Calibre völlig problemlos in ein Format wandeln, das der eReader der Amerikaner darstellen kann, man wird somit ein klein wenig unabhängiger vom geschlossenen Amazon-Ökosystem. Aufgrund der unzeitgemäßen Buchpreisbindung wäre das allerdings nur interessant, wenn man fremdsprachige Bücher lesen möchte – und die sind ohnehin bei Amazon um Längen günstiger als bei den anderen Anbietern in Deutschland. Ich bezweifle allerdings, dass das DRM-Umdenken aller großen deutschen Verlage den Onlinehändler dazu bringt, ebefalls auf Kopierschutz zu verzichten, insbesondere, da der Kunde gar nichts davon bemerkt.
Die Random House-Pressemitteilung im Volltext:
VERLAGSGRUPPE RANDOM HOUSE SETZT AUF SOFT-DRM
Die Verlagsgruppe Random House veröffentlicht seit mehr als 15 Jahren digitale Ausgaben der Bücher ihrer Autorinnen und Autoren. Um die Handhabung von E‑Books zu vereinfachen und den Markt weiterhin dynamisch zu entwickeln, ermöglicht die Verlagsgruppe ihren Vertriebspartnern ab 1. Oktober, E‑Books auch mit Soft-DRM anzubieten.
DRM hat sich als Marktstandard bei der Auslieferung von E‑Book-Dateien etabliert. Bislang wurde der Zugriff mit Hilfe von „hartem“ Digital Rights Management (DRM) kontrolliert. Auch wenn diese Art des Kopierschutzes innerhalb der Plattformen einiger Anbieter gut funktioniert, gibt es auch Systeme und Situationen, die den Leser stark einschränken. Mit der Umstellung auf Soft-DRM können Leser E‑Books noch einfacher auf allen Plattformen und Endgeräten lesen und ihre persönliche E‑Book-Bibliothek verwalten.
Gleichzeitig wird auch durch Soft-DRM ein sinnvoller Schutz vor Missbrauch gewährleistet, da sich der Weg von E‑Books mittels Markierungen wie z. B. digitalen Wasserzeichen zurückverfolgen lässt. Mit Hilfe solcher und weiterer Maßnahmen wird die Verlagsgruppe auch künftig die Werke ihrer Autorinnen und Autoren vor Missbrauch schützen und aktiv gegen Urheberrechtsverstöße vorgehen.
„Wir wollen das Interesse am digitalen Lesen weiter fördern und es Lesern möglichst einfach machen, E‑Books zu lesen. Der Verzicht auf hartes DRM erleichtert Lesern und Vertriebspartnern den Umgang mit E‑Book-Dateien, erhöht die Kundenzufriedenheit und reduziert Komplexität. Gleichzeitig können auch Händler und Plattformen beliefert werden, die kein hartes DRM anbieten. Mit der Umstellung auf Soft-DRM schließen wir uns auch einem immer breiter werdenden Branchenkonsens an, mit dem Ziel den digitalen Markt in Deutschland kontinuierlich weiterzuentwickeln“, so Dr. Frank Sambeth, CEO der Verlagsgruppe Random House. Die Verlagsgruppe Random House ist ein Unternehmensbereich der Bertelsmann SE & Co. KGaA.
Zu den 45 Verlagen der Verlagsgruppe Random House in Deutschland zählen u.a. Blanvalet,
C. Bertelsmann, DVA, Goldmann, Heyne, Luchterhand und Siedler
Dass harte DRM-Maßnahmen Mist sind und ausschließlich ehrliche Kunden bestrafen, hat die Musikindustrie bereits vor Jahren auf die harte Tour erfahren müssen. Diese gab dann irgendwann ihre Evolutionsresistenz auf und verzichtete darauf. Seitdem brummen digitale Musikverkäufe. Weniger gesunden Menschenverstand zeigt die konservative Buchbranche, in der viel zuviele Verlage Kopierschutzmaßnahmen immer noch für das Ei des Kolumbus halten, und eine meiner Ansicht nach völlig überzogene Paranoia gegenüber irgendwelchen »Buchpiraten« pflegen.
Nun ist es also passiert: Adobe bringt eine neue Version von Digital Editions heraus und das führt erwartungsgemäß zu Problemen. eReader für die es keine Firmware-Updates mehr geben wird, sind raus, man wird sie zum Lesen von eBooks, die mit ADE3 geschützt sind nicht mehr nutzen können. Aktuelle Lesegeräte benötigen möglicherweise Firmwareupdates, von denen man nicht weiß, wie schnell sie kommen werden. Oder ob diese jemals erscheinen.
Pikant in diesem Zusammenhang auch: Kürzlich erst wurden Adobe haufenweise Datensätze entwendet, man spricht von bis zu 150 Millionen Kundendaten, die aufgrund möglicherweise schlecht gesicherter Server des Anbieters Kriminellen in die Hände fielen. Darunter eben auch die Daten von Kunden, die man nur deswegen genötigt hat, ein Adobe-Konto einzurichten, damit diese eBooks lesen können, die mit dem DRM der Firma geschützt sind. Unfassbar. Auch hier sollte die Buchbranche dringend mal in sich gehen und darüber nachdenken, wieviel Verantwortung sie in dieser Causa mitzutragen hat.
Was mich daran am meisten belustigt: Seit Monaten, wenn nicht Jahren, schießt die Branche mit zahllosen mehr oder weniger haltlosen Argumenten gegen den Antichristen Amazon. Statt nun aber dafür zu sorgen, dass man kundenfreundlicher und bequemer wird als der Onlineriese, treibt man den eBook-Leser mit untauglichen, durch Update defekte und vermutlich ohnehin demnächst obsoleten DRM-Maßnahmen (»unknackbar« – daran glaube ich nicht) geradezu ins Kindle-Ökosystem, wo zwar ebenfalls ein Kopierschutz vorhanden sein kann, der Kunde aber in der Nutzung nichts davon bemerkt.
Wenn es die Buchbranche ernst damit meint, (nicht nur) in Sachen eBooks eine ernstzunehmende Alternative zu Amazon werden zu wollen, dann sollte sie die lächerlichen, kundenfeindlichen DRM-Spielchen sofort einstellen. Unter anderem. Aber die zahllosen anderen Defizite sind hier nicht das Thema.
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