Buchstabenfetischisten

fuhlerzufehler

Es gibt bekann­ter­ma­ßen ver­schie­de­ne Arten von Kunst. Alle haben eins gemein­sam: Ob einem das Werk gefällt ist maß­geb­lich vom eige­nen Geschmack und von den eige­nen Prä­fe­ren­zen abhän­gig, nicht vom Hand­werk. Gera­de bei gemal­ten oder gezeich­ne­ten Bil­dern ist bei­spiels­wei­se die Band­brei­te immens: da kann sogar ein ver­meint­lich hand­werk­lich schlecht gemach­tes Bild gera­de eben die genia­le Kunst sein (oder man ver­kauft es ein­fach so). Die Kunst liegt im Auge des Betrach­ters. Auch bei der Musik: Wenn jemand Musi­ker ist und live wirk­lich coo­le Musik macht, dann über­hört man gern auch mal eine Stel­le, die viel­leicht nicht ganz so opti­mal gelau­fen ist – und das wird dann ach noch als authen­tisch und nicht über­pro­du­ziert gelobt. Weil der Rest so toll und die Musi­ke­rin eine sym­pa­thi­sche Type ist. Ohne mit­tels Auto­tu­ne gestream­li­ned und lang­wei­lig gemacht zu wer­den. Im Netz fin­det man hau­fen­wei­se Wer­ke unbe­kann­ter Maler und Zeich­ner und man fin­det auch noch viel mehr Stü­cke von Indie-Musi­kern. Und ihnen wird übli­cher­wei­se eher wohl­wol­lend gegen­über­ge­stan­den, wenn sie ihr Hand­werk halb­wegs verstehen.

Im Bereich Schrift­stel­le­rei und Ver­öf­fent­li­chen von Büchern ist das anders. Da kom­men sofort die Buch­sta­ben­fe­ti­schis­ten aus ihren Löchern gekro­chen und regen sich über jeden gefun­de­nen Feh­ler auf, und sei er auch noch so klein. Und monie­ren laut­stark, dass das nicht sein dürfe!!!11einself!!

Man ver­ste­he mich nicht falsch. Grund­sätz­lich soll­te die Ortho­gra­fie stim­men. Viel­leicht sogar die Gram­ma­tik (man­che als klas­sisch aner­kann­te Autoren zei­gen aber, dass gera­de das nicht zwin­gend der Fall sein muss).

Aber dass ins­be­son­de­re bei Self­pu­blis­hern, also Indie-Autoren, so stren­ge Maß­nah­men ange­legt wer­den, deut­lich stren­ge­re als sogar bei Ver­lags­pu­bli­ka­tio­nen, die eben­falls nicht feh­ler­frei sind, lässt mich völ­lig ver­blüfft zurück. Ist denn das Schrei­ben und Ver­öf­fent­li­chen von Büchern eine so ande­re Kunst als das Malen oder Musi­zie­ren? War­um sieht man das nicht bei Büchern genau­so locker wie bei ande­ren Kunst­for­men? War­um der elen­de Buchstabenfetischismus?

Wenn ihr Recht­schreib- oder Flüch­tig­keits­feh­ler in einem selbst­pu­bli­zier­ten eBook fin­det, dann motzt nicht dar­über, son­dern sagt es dem Autor, der freut sich, kann die Feh­ler kor­ri­gie­ren und dann eine ver­bes­ser­te Ver­si­on online stel­len. Und euch ist schon auf­ge­fal­len, dass die Wer­ke von Self­pu­blis­hern übli­cher­wei­se deut­lich güns­ti­ger ange­bo­ten wer­den, als die von Publi­kums­ver­la­gen, mit ihren zig­tau­sen­der Auf­la­gen und ent­spre­chen­den Ein­nah­men? Wie könnt ihr da anneh­men, Indie-Bücher müss­ten in Sachen Feh­ler­frei­heit sogar bes­ser sein, als die von Verlagen?

Wenn ich ein Buch lese, dann ent­schei­de ich anhand des Inhalts und des Stils, ob es mir gefällt. Ist da hin und wie­der mal ein klei­ner Feh­ler drin, dann ist mir das – mit Ver­laub – scheiß­egal, denn das schmä­lert den Rest des Buches nicht im Gerings­ten. Das ist für mich ganz genau so, wie bei ande­ren Kunst­for­men auch.

Was die Buch­sta­ben­fe­ti­schis­ten da machen, ist in mei­nen Augen typisch deut­sche Korinthenkackerei.

[Update] Aus gege­be­nem Anlass: Es geht hier weder um »Self­pu­bli­shing-Bücher, die vor Feh­lern strot­zen«, noch um die »Ver­ge­wal­ti­gung der Spra­che im Inter­net«, also bit­te kei­ne Derai­ling-Ver­su­che. Danke.

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

6 Kommentare for “Buchstabenfetischisten”

facebook_Vero Havre.1624593927802646

sagt:

Ich gebe zu, ich gehö­re auch zu den Korin­thenk­a­ckern und Erb­sen­zäh­lern, die sich an vie­len (nicht ver­ein­zel­ten) Feh­lern stö­ren. Aller­dings mache ich das nicht öffent­lich, son­dern sen­de dem Autor eine Feh­ler­lis­te, wenn mir das Buch gefällt. Und ich rege mich bei Ver­lags­bü­chern mehr auf. Und manch­mal bin ich mir nicht so sicher, ob es da einen signi­fi­kan­ten Unter­schied gibt. Der Unter­schied zu ande­ren Arten der Kunst liegt viel­leicht dar­in begrün­det, dass man dem geschrie­be­nen und gedruck­ten Wort immer noch mit Hoch­ach­tung gegen­über­tritt. Oder aus den ers­ten Buch­er­fah­run­gen – meist mit Schul­bü­chern – meint, alles müss­te rich­tig sein? Anja Bagus hat in ihren 5 Din­gen, die sie ger­ne als Autorin vor­her gewusst hät­te, dazu Stel­lung genom­men. Dem kann ich beipflichten.

sagt:

War­um soll­te man dem gedruck­ten Wort mit irgend­ei­ner Art von »Hoch­ach­tung« gegen­über­tre­ten? Das ist eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form. Mehr nicht. Die­se künst­li­che Über­hö­hung der (deut­schen) Spra­che ist auch so ein typisch deut­sches Phänomen.

sagt:

Es geht hier weder um »Self­pu­bli­shing-Bücher, die vor Feh­lern strotzen«, 

Als Ergän­zung dazu:

Ich wer­de ins­be­son­de­re bei der ers­ten Argu­men­ta­ti­on immer sofort wild, weil das gern (aus der Ver­lags­welt) als KO-Kri­te­ri­um gegen Self­pu­bli­shing all­ge­mein ver­wen­det wird: »Self­pu­bli­shing-Bücher strot­zen vor Feh­lern«. Nicht man­che, das wird gern als Kon­stan­te verkauft.
Und auf der ande­ren Sei­te heben sie dann soge­nann­te Self­pu­bli­shing-Por­ta­le aus der Tau­fe, auf denen sie selbst jeden Mist ver­öf­fent­li­chen las­sen, nur um am Hype mitzuverdienen.

sagt:

Vie­len Dank für die­sen Bei­trag, der mir aus der See­le spricht.
Ich habe das Gefühl, die­se Bes­ser­wis­se­rei in Sachen Rechtschreibung/Orthographie ist auch ein biss­chen typisch Deutsch. 

Ich habe schon mit Grau­sen Rezen­sio­nen gele­sen, die in ihrer ohne­hin sub­jek­ti­ven Bewer­tung einen oder meh­re­re Punk­te abge­zo­gen haben allein wegen Recht­schreib- oder Layoutfehlern.

Neu­lich habe ich einen exzel­len­ten Roman gele­sen, indem mir eine gan­ze Rei­he an Gram­ma­tik- und Ortho­gra­phie­feh­lern auf­ge­fal­len sind. Die habe ich dann für mei­ne Rezen­si­on ein­fach mal alle­samt men­tal aus­ge­blen­det, da das für mich bei einem ansons­ten her­vor­ra­gen­den Roman neben­säch­lich ist.

sagt:

Was mich stört, ist die­se Gna­den­lo­sig­keit. Und mich stö­ren Feh­ler, wenn es zuvie­le wer­den. Aller­dings ist es noch nicht lan­ge her, dass ich einen wun­der­ba­ren Kri­mi­nal­ro­man gele­sen habe, des­sen Autorin lei­der zu Unrecht ihrem Kor­rek­tor ver­traut hat­te. Da war wirk­lich alles drin, und im Über­maß: Über­res­te vom Redi­gie­ren, fal­sche Gram­ma­tik­for­men, Tipp­feh­ler – trotz­dem habe ich das Buch zuen­de gele­sen, weil die Geschich­te an sich wun­der­bar erzählt war.
Wenn etwas gut ist aber feh­ler­haft, kann man das dem/der Autoren/in mit­tei­len. Ist es nicht gut, braucht man es ja nicht zu lesen :)

Florian

sagt:

Sich drü­ber auf­re­gen und den/die Autor/in nie­der­ma­chen? Nein.

Das gan­ze erwäh­nen und es tat­säch­lich spür­bar mer­ken? Ja, das ist möglich.

Nicht jeder Mensch ist gleich und even­tu­ell wäre ich als Kor­rek­tor bes­ser auf­ge­ho­ben denn als nur-Leser, aber wenn es ekla­tant vie­le Feh­ler sind, stockt bei mir wirk­lich das Lesen. Um nicht zu sagen, sie sprin­gen mir aus dem Schrift­bild ins Auge wie ein Test­bild in einem Film.

Jedes­mal wenn ich Abschluss­ar­bei­ten vor der Abga­be für Bekann­te gele­sen habe, muss­te ich qua­si erst­mal alle Feh­ler ankrei­den, weil ich beim schnell durch­le­sen über jeden ein­zel­nen Feh­ler stol­pe­re und es mich rausreisst.

Aber wahr­schein­lich ist es nur ein Kind­heits­trau­ma, weil mei­ne a A4 Sei­ten lan­gen Auf­sät­ze ohne einen ein­zi­gen Recht­schreib­feh­ler immer schlech­ter bewer­tet wur­den als die 6 A4 Sei­ten lan­gen mit ein paar Dutzend ;)

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