Spiegel Online erweist sich bekanntermaßen immer mal wieder gern als Grund für ausgiebiges Gesichtspalmieren; der eine nennt es Qualitätsjournalismus, der andere »wir wollen für diesen Onlinescheiß einfach kein Geld ausgeben«. Aktuell darf sich ein gewisser Arno Frank produzieren (Titel: »Hobbit« am Ende: Auf den Wolkenkuckuckskontinenten der Fantasy), der sich selbst als »leidenschaftlicher Tolkien-Verächter« bezeichnet und mit den Filmen um den HERRN DER RINGE und den HOBBIT »abrechnet«. Eigentlich wollte ich einen länglichen Rant schreiben, aber das ist gar nicht nötig, da der Artikel sich in seiner plumpen Art selbst als das entlarvt, was er ist: Das (und ich möchte an dieser Stelle Arno Frank zitieren) »gestelzte Geschwätz« eines Wichtigtuers und selbstverliebte Beleidigungen Andersdenkender, und – an erster Stelle – plumpe Trafficerzeugung.
Ich möchte nur kurz auf ein paar Punkte eingehen:
Frank glaubt, dass es mit der Fantasy jetzt vorbei ist, da der letzte Teil des HOBBIT in die Kinos kommt. Ich weiß nicht, wie groß sein Horizont ist, aber er scheint nah am Tellerand zu liegen, denn man sollte ihn mal mit der für ihn sicherlich erschreckenden Realität konfrontieren: Jener, dass Tolkiens Werk mitnichten die gesamte Fantasy ausmacht. Tatsächlich gibt es mehr Bücher und Filme in diesem Genre als jemals zuvor. Deswegen kaufen Sie besser eine größere Menge Leberkleister, um sich zu betäuben, denn: Es ist nicht Schluss mit der Fantasy, Herr Frank, ganz im Gegenteil.
Dann kommt das übliche Eskapismusgebashe, wie man es seit den 70ern aus den Reihen linker Intellektueller immer wieder vernimmt und zu dem man sich deswegen auch kaum äußernn muss, denn dazu ist bereits alles gesagt worden. Wer diesen uralten Thesen in Überschätzung der eigen Meinung noch immer nachhängt, und sich weigert, die Phantastik als literarisches und kulturelles Genre anzuerkennen, den kann man nur als evolutionsresistent bezeichnen.
Außerdem kennt er offensichtlich keine Phantastik-Anhänger, wenn er postuliert, dass diese sich in eine Fantasiewelt flüchten. Der weitaus größte Teil von jenen, die ich kenne (und ich kenne im Gegensatz zu Herrn Frank eine Menge) ist fest im Leben verankert, an der Realität interessiert und kann differenzierte Meinungen zu lokalen und weltpolitischen Ereignissen äußern. Weitaus differenzierter und inhaltlich fundierter übrigens, als dieser SpOn-Artikel zum Thema Fantasy.
Am Ende lässt er sich dann schließlich noch über Rollenspieler und LARPer aus, »organisiert in illusionsfördernden Gemeinschaften«, auch hier offensichtlich, ohne irgendeine Art von Sachkenntnis zu besitzen, deswegen nehmen wir auch das als das »gestelzte Geschwätz«, das es ist. Früher musste man ja zumindest rudimentäre Ahnung über das haben, worüber man schreibt, zu Zeiten des Qualitätsjournalismus scheint das nicht mehr nötig zu sein.
Eins ist für mich ganz klar: in der farb- und fantasielosen Welt eines Spießers wie Arno Frank möchte ich wirklich nicht leben und bin der Ansicht, dass deutlich mehr Fantasie und Vision in Politik und Wirtschaft nur gut tun könnten. Diese seine Welt hat aber wohl mit der von ihm so geliebten Realität auch nicht viel zu tun. Betrachten wir diesen Artikel also als das, was er tatsächlich ist: der verzweifelte Versuch eines sterbenden Mediums, mit dem Verriss eines populären Themas Traffic zu generieren. Hier, ihr könnt gern von mir auch noch ein paar Mitleidsklicks haben. Der Link steht oben.
p.s.: Ich persönlich halte das Werk Tolkiens übrigens für überbewertet (daraus habe ich nie einen Hehl gemacht), kann mich aber dennoch an den Filmen erfreuen und auch ansonsten Fantasy gut finden.
Edit: Auch die Autorin Ju Honisch hat eine Meinung zum Artikel.
»Facepalm« von Santiago García Pimentel auf flickr, CC-BY-NC-SA
@PhantaNews Was würde er wohl von mir halten. Seit Jahrzehnten Fantasie Fan und nie auch nur einen einzigen Tolkien gelesen LOL
Lieber Stefan,
im Grunde genommen, hast du 550 Worte zu viel an diesen Menschen verschwendet. Nichts weiter als ein Selbstdarsteller. Die redaktionelle Leitung hätte so einen Artikel gar nicht veröffentlichen dürfen, weil er jeden journalistischen Ansprüchen widerspricht. Das ist sehr traurig. Was mich zudem beschäftigt, sind die nicht unwesentlichen Kommentare, welche Herrn Frank zustimmen.
Habe mich gerade hinreissen lassen, auf einen anderen Kino-Artikel bei SPON zu kommentieren. Jetzt ärgere ich mich, weil es auf dieser Seite ohnehin keinerlei Auswirkungen hat.
Zur »Eskapismus«-Kritik, die ja so alt ist wie das Genre, mal eine Anmerkung aus religionswissenschaftlicher Sicht; Ob man nun Tolkien mag oder nicht, ihm inhaltlich zustimmt oder nicht – schon 1937 hat er in einem großen Vortrag dargelegt, warum er Fantasy gerade nicht als »Kinderkram« betrachtet, sondern als funktionalen und sogar wesentlichen Teil der menschlichen Natur. Für ihn – als frommen Katholiken – spiegelte sich in der menschlichen Fähigkeit, »sekundäre Welten« schaffen und genießen zu können, sogar die Ebenbildlichkeit des Schöpfers! Anders formuliert: Die einen bauen Kathedralen, die anderen fantastische Welten – und beide beschenken damit die Welt der Menschen.
Klar muss ihm da keiner zustimmen. Aber wer sich was auf seine vermeintliche Bildung gibt, sollte die Argumente Tolkiens wenigstens kennen und bewerten können…
http://www.scilogs.de/natur-des-glaubens/j‑r-tolkien-fantasy-sub/
Blognachbarliche Grüße!
Ich habe den Artikel auf SPON gesehen, und NICHT angeklickt. Denn schon beim überfliegen der Lead-In war mir klar, dass es da nur um Click-Bait geht und der Zeitgenosse ansonsten einen IQ kaum über der Zimmertemperatur hat. Nach Lektüre des »Kurzrants« hier stellt sich mein Verhalten als richtig raus. Man soll »Qualitätsjournalisten« einfach nicht durch Anklicken unterstützen. Gut is.
Eigentlich kann man über die Tirade dieses Arno Frank nur mitleidig lächeln…
Wenn einer nicht weiß, was für eine tiefe und reiche Erlebniswelt ihm unzugänglich bleibt, und dabei lauthals und in unflätigem Ton seine »Verachtung« für das von ihm Unverstandene herausposaunt … nun, dann erinnert mich das an den Asexuellen, der mir mal erklärt hat, er verstehe gar nicht, was die Leute an dem ganzen Geglitsche, Geschlabber und Gegrunze eigentlich fänden.
Aber der kam immerhin ohne den ständigen Gebrauch der Vorsilbe »Scheiss-« und ohne die säuerlich-moralistische Verdammung des gehassten Phänomens aus.
Na, so lange er nicht gleich Verbote fordert, wie Spaßbremsen es ja gerne tun, soll der Herr Frank geifern, wie er mag.
Beste Grüße
Ian
Sehen wir es mal so herum: So ein Spiegel-Autor ist heute ein hoffnungsloser Exot, der als letztes Reservat die niederen intellektuellen Regionen der Internetausgabe eines ehemaligen Nachrichtenmagazins bewohnt. So ganz wird die Gattung nicht aussterben, aber sie gibt nicht mehr den Ton an.
Die Nerds und Popkulturfans haben gewonnen. Nicht, indem sie selbst plötzlich oder anhaltend »cool« wären (das wollten sie auch nicht), sondern in dem das, was sie mögen, massentauglich geworden ist. Die Tatsache, dass man heute Fantasy und Science Fiction in jeglicher Erscheinungsform bis ins kleinste Details diskutieren, kritisieren und analysieren kann, ist ein Zeichen für Normalität.
Ich bin über Dr. Michael Blume auf den Artikel hier gestoßen und stelle fest, dass ich den Autor offenbar vor zwei Wochenenden gesehen habe. So klein ist die Welt.