Rant: Erst jahrelang tief schlafen und dann Amazon als »das Böse« ausmachen?
Ich finde es immer wieder putzig, wie man sich innerhalb der deutschen Buchbranche insbesondere im Bereich Massenpublikationen über die angebliche Macht und Marktbeherrschung Amazons mokiert, um damit von jahrelangen eklatanten eigenen Versäumnissen abzulenken. Amazon kommt als agiles, Internet-zentriertes Unternehmen daher und verkauft auf einfache und weitestgehend kundenfreundliche Art Bücher (und was weiß ich sonst noch alles). Statt daraus eine Lehre zu ziehen und mal in Wallung zu kommen, um ebenfalls kundenfreundlich zu agieren, ergeht man sich in immer neuen Lamentos, wie »böse« Amazon doch sei (und arbeitet selbstverständlich dennoch mit dem Riesen zusammen, denn die Absatzzahlen stimmen)…
Der Hinweis auf die Barnes & Noble-Praktik, DC-Comics aus den Regalen zu nehmen (und der zwischen den Zeilen zu lesende Applaus zu dieser Großtat) ist besonders ulkig. Es ist also besser, den Kunden Ware die sie gern erwerben würden gar nicht anzubieten, um Amazon eins auszuwischen? Wer auf sowas kommt, muss schon an einer besonders üblen Form der Hirnerweichung leiden oder möglicherweise gewohnheitsmäßig Betäubungsmittel missbrauchen. (facepalm)
Der Buchhandel hat mich lange verloren. Es steht nie das im Regal, was ich möchte. Frage ich nach Phantastik, schaut man mich an wie einen Triebtäter oder führt mich schnurstracks zu dem Regal mit »Romantasy« alias Schmusevampiren & Co. Möchte ich US-Taschenbücher erwerben, nennt man mir dafür Preise, die in aller Regel doppelt so hoch liegen, wie bei Amazon oder sogar libri.de – und ist auch noch vergrätzt, wenn ich die selbstverständlich nicht zahlen möchte. Und es soll mir bitte niemand damit kommen, dafür würde ich ja in einer Buchhandlung eine fachliche Beratung erhalten – siehe den Triebtäter oben; mal davon abgesehen, dass mich in diversen Ketten ohnehin nur noch umetikettierte Fleischereifachverkäuferinnen bedienen (nichts, absolut nichts, gegen Fleischereifachverkäuferinnen, aber bitte im richtigen Job).
Ich freue mich schon auf das erneute Geheule inklusive Rufen nach staatlicher Kontrolle und Leistungsschutzrecht, wenn Google demnächst seinen eBook-Shop auch in Deutschland eröffnet.
Man verstehe mich nicht falsch: ich halte Monopole für schlecht. Die Mitbewerber Amazons (und demnächst Googles), also die Publikumsverlage und Buchhändler, sollten aber endlich das Dauergejammer aufgeben und stattdessen anfangen im Sinne der Kunden (und in Sachen eBooks auch im Sinne der Autoren) agieren, statt auf immer nur noch größere Gewinne zu schielen (oder auf sinkende Gewinne, weil man sich nicht anpassen kann) – und ihr Angebot nicht sklavisch an den Vorschlags- und Bestsellerlisten von Amazon ausrichten… Das Geschäftsmodell gründlich renovieren, statt es mit immer neuen Krücken in einer halb verfallenen Version künstlich am Leben zu erhalten.
Weniger Räucherstäbchen und anderen Nippes in Buchhandlungen auszulegen statt Büchern würde vielleicht ebenfalls helfen.
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Bild: Amazon-Kartons von mir, CC BY-NC-SA