Rant: Erst jahrelang tief schlafen und dann Amazon als »das Böse« ausmachen?

Anlass hier­für ist ein läng­li­cher Arti­kel auf René Kohls Blog, in dem die­ser sich über Ama­zon und des­sen markt­be­herr­schen­de Stel­lung aus­lässt (ich wei­se dar­auf hin, dass sich die­ser Rant nur auf den Arti­kel bezieht und ihn nicht direkt inhalt­lich the­ma­ti­siert).

Ich fin­de es immer wie­der put­zig, wie man sich inner­halb der deut­schen Buch­bran­che ins­be­son­de­re im Bereich Mas­sen­pu­bli­ka­tio­nen über die angeb­li­che Macht und Markt­be­herr­schung Ama­zons mokiert, um damit von jah­re­lan­gen ekla­tan­ten eige­nen Ver­säum­nis­sen abzu­len­ken. Ama­zon kommt als agi­les, Inter­net-zen­trier­tes Unter­neh­men daher und ver­kauft auf ein­fa­che und wei­test­ge­hend kun­den­freund­li­che Art Bücher (und was weiß ich sonst noch alles). Statt dar­aus eine Leh­re zu zie­hen und mal in Wal­lung zu kom­men, um eben­falls kun­den­freund­lich zu agie­ren, ergeht man sich in immer neu­en Lamentos, wie »böse« Ama­zon doch sei (und arbei­tet selbst­ver­ständ­lich den­noch mit dem Rie­sen zusam­men, denn die Absatz­zah­len stim­men)…

Der Hin­weis auf die Bar­nes & Noble-Prak­tik, DC-Comics aus den Rega­len zu neh­men (und der zwi­schen den Zei­len zu lesen­de Applaus zu die­ser Groß­tat) ist beson­ders ulkig. Es ist also bes­ser, den Kun­den Ware die sie gern erwer­ben wür­den gar nicht anzu­bie­ten, um Ama­zon eins aus­zu­wi­schen? Wer auf sowas kommt, muss schon an einer beson­ders üblen Form der Hirn­erwei­chung lei­den oder mög­li­cher­wei­se gewohn­heits­mä­ßig Betäu­bungs­mit­tel miss­brau­chen. (face­palm)

Der Buch­han­del hat mich lan­ge ver­lo­ren. Es steht nie das im Regal, was ich möch­te. Fra­ge ich nach Phan­tas­tik, schaut man mich an wie einen Trieb­tä­ter oder führt mich schnur­stracks zu dem Regal mit »Roman­t­a­sy« ali­as Schmu­se­vam­pi­ren & Co. Möch­te ich US-Taschen­bü­cher erwer­ben, nennt man mir dafür Prei­se, die in aller Regel dop­pelt so hoch lie­gen, wie bei Ama­zon oder sogar libri​.de – und ist auch noch ver­grätzt, wenn ich die selbst­ver­ständ­lich nicht zah­len möch­te. Und es soll mir bit­te nie­mand damit kom­men, dafür wür­de ich ja in einer Buch­hand­lung eine fach­li­che Bera­tung erhal­ten – sie­he den Trieb­tä­ter oben; mal davon abge­se­hen, dass mich in diver­sen Ket­ten ohne­hin nur noch umeti­ket­tier­te Flei­sche­rei­fach­ver­käu­fe­rin­nen bedie­nen (nichts, abso­lut nichts, gegen Flei­sche­rei­fach­ver­käu­fe­rin­nen, aber bit­te im rich­ti­gen Job).

Ich freue mich schon auf das erneu­te Geheu­le inklu­si­ve Rufen nach staat­li­cher Kon­trol­le und Leis­tungs­schutz­recht, wenn Goog­le dem­nächst sei­nen eBook-Shop auch in Deutsch­land eröff­net.

Man ver­ste­he mich nicht falsch: ich hal­te Mono­po­le für schlecht. Die Mit­be­wer­ber Ama­zons (und dem­nächst Goo­gles), also die Publi­kums­ver­la­ge und Buch­händ­ler, soll­ten aber end­lich das Dau­er­ge­jam­mer auf­ge­ben und statt­des­sen anfan­gen im Sin­ne der Kun­den (und in Sachen eBooks auch im Sin­ne der Autoren) agie­ren, statt auf immer nur noch grö­ße­re Gewin­ne zu schie­len (oder auf sin­ken­de Gewin­ne, weil man sich nicht anpas­sen kann) – und ihr Ange­bot nicht skla­visch an den Vor­schlags- und Best­sel­ler­lis­ten von Ama­zon aus­rich­ten… Das Geschäfts­mo­dell gründ­lich reno­vie­ren, statt es mit immer neu­en Krü­cken in einer halb ver­fal­le­nen Ver­si­on künst­lich am Leben zu erhal­ten.

Weni­ger Räu­cher­stäb­chen und ande­ren Nip­pes in Buch­hand­lun­gen aus­zu­le­gen statt Büchern wür­de viel­leicht eben­falls hel­fen.

[cc]

Bild: Ama­zon-Kar­tons von mir, CC BY-NC-SA