Kommentar: Universal gegen AMC – wie Corona die Kinowelt verändert

Nach­dem das Film­stu­dio Uni­ver­sal Pic­tures vor­sich­tig ange­deu­tet hat­te, dass man auch nach dem Ende der Coro­na-Kri­se wohl Fil­me zeit­gleich zum Kino­start als Stream anbie­ten wol­le, pump­te sich AMC, einer der größ­ten Kino­be­trei­ber welt­weit, erwart­bar auf. Man kün­dig­te an, die Fil­me des Stu­di­os zu boy­kot­tie­ren, wenn es tat­säch­lich dazu kom­men soll­te. In Deutsch­land betreibt AMC, das inzwi­schen zu 100% in chi­ne­si­scher Hand ist, die UCI und Ode­on-Kinos.

Da zeich­nen sich mei­ner Ansicht nach erheb­lich Umbrü­che ab, denn seit Jah­ren rin­gen Kinos und Stu­di­os um die Ver­wer­tungs­zei­ten, die haben sich ins­be­son­de­re in den USA immer mehr ver­kürzt. Hier­zu­lan­de bestehen die Kino­be­trei­ber, ins­be­son­de­re die gro­ßen Ket­ten, auf einem drei­mo­na­ti­gen, exklu­si­ven Aus­wer­tungs­fens­ter, bevor Fil­me in Form von Streams oder Sil­ber­schei­ben ver­wer­tet wer­den dür­fen.

Dass auch die­se Bran­che von der Digi­ta­li­sie­rung betrof­fen wer­den wür­de war abzu­se­hen, auch wenn die Betrei­ber sich lan­ge dage­gen gesträubt haben. Ange­sichts der Tat­sa­che, dass aktu­el­le Fil­me, sogar Block­bus­ter, ohne­hin nur drei oder vier Wochen in den Kinos lau­fen, ist das drei­mo­na­ti­ge Aus­wer­tungs­fens­ter frag­wür­dig.

Zudem ver­wei­gern sich die Betrei­ber mög­li­chen zusätz­li­chen Ein­nah­me­quel­len: Ich wür­de mir bestimm­te Net­flix-Fil­me oder Seri­en defi­ni­tiv im Kino anse­hen. Aber auch hier behar­ren die Betrei­ber auf den drei Mona­ten und wol­len kei­nen Con­tent zei­gen, der zeit­gleich als Stream erhält­lich ist (abge­se­hen von Aus­nah­men wir ROMA oder THE IRISHMAN, wo das auf ein­mal doch geht) – eine in mei­nen Augen rück­stän­di­ges und dum­mes Behar­ren, denn das könn­te ihnen zusätz­li­che Besu­cher in die Licht­spiel­häu­ser brin­gen. Das hät­te auch nur Vor­tei­le für die Kinos, denn ohne die­ses Ange­bot ist die­se Ziel­grup­pe grund­sätz­lich ver­lo­ren, mit ihm hät­te man zusätz­li­che Ein­nah­men. Das allein auf­grund des Aus­wer­tungs­fens­ters so weit von sich zu wei­sen zeugt mei­ner Mei­nung nach von eini­ger Rück­stän­dig­keit und Ver­bohrt­heit.

Die Pan­de­mie schafft jetzt Fak­ten. Aktu­el­le Kino­fil­me, die aus offen­sicht­li­chen grün­den nicht in den Licht­spiel­häu­sern gezeigt wer­den kön­nen, lau­fen bei ein­schlä­gi­gen Strea­ming­an­bie­tern und da gene­riert sogar ein ver­gleichs­wei­se pop­li­ger Ani­ma­ti­ons­film wie TROLLS WORLD TOUR ganz erheb­li­che Ein­nah­men. Das liegt natür­lich auch an den weit über­zo­ge­nen Prei­sen, die die Kun­den aber – wie die­ses Bei­spiel zeigt – zu zah­len bereit sind.

Am Ende sit­zen die Stu­di­os mit ihren Block­bus­tern am län­ge­ren Hebel, denn letzt­end­lich wer­den die Kino­be­trei­ber sich über­le­gen müs­sen, ob sie kom­plett auf die­se ver­zich­ten wol­len. Und auf der einen Sei­te gibt es die Kino­fans, die ohne­hin wegen der gebo­te­nen Schau- und Ton­wer­te ins Licht­spiel­haus gehen und das auch wei­ter tun wer­den (ich zum Bei­spiel), und es gibt die Kino­muf­fel, die Kinos has­sen und stest auf die Sil­ber­schei­be oder den Stream war­ten wer­den. Und ver­mut­lich jede Men­ge Band­brei­te dazwi­schen. Und dabei haben wir noch gar nicht dar­über gespro­chen, dass in Sachen Home-Cine­ma samt gro­ßer Lein­wand und Top-Ton aus allen Rich­tun­gen auch Zuhau­se inzwi­schen eine Men­ge geht, und man auch als Cine­ast im Wohn­zim­mer nicht län­ger auf ein hand­tuch­gro­ßes Pan­tof­fel­ki­no mit quä­ki­gem Sound ange­wie­sen ist – und man für Bier und Pop­corn nicht vor­her eine Bank über­fal­len muss.

Lösungs­mög­lich­kei­ten wären sicher­lich vor­han­den: Denk­bar wären zum Bei­spiel Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Kinos und den Stu­di­os, bei denen ers­te­re für eine gewis­se Zeit an den Ein­nah­men aus dem Streams betei­ligt wer­den.

Ganz sicher ist aber: Die Land­schaft wird sich ver­än­dern, das zeich­ne­te sich bereits seit Jah­ren ab, das Gesche­hen bekommt nun aller­dings durch Coro­na eine ganz neue Dyna­mik. Stu­di­os und Kino­be­trei­ber wer­den sich neu zusam­men­rau­fen müs­sen – und ins­be­son­de­re die Betrei­ber wer­den in Sachen Digi­ta­li­sie­rung deut­lich mehr Fle­xi­bi­li­tät zei­gen müs­sen, als sie es in der Ver­gan­gen­heit taten. Und tat­säch­lich gäbe es ja sogar neue Inhal­te und damit auch Besu­cher für die Licht­spiel­häu­ser, wenn die sich dar­auf ein­las­sen wür­den, Strea­ming-Con­tent zum Start zu zei­gen. Auch ande­rer, neu­er Con­tent wären mög­lich, bei­spiels­wei­se E‑Gam­ing-Wett­be­wer­be auf gro­ßen Lein­wän­den, oder eine stär­ke­re Kon­zen­tra­ti­on auf Indie-Inhal­te, die man sonst nur auf Fes­ti­vals zu sehen bekommt. Denk­bar und mög­lich wäre viel, wenn sich ins­be­son­de­re die gro­ßen Kino­be­trei­ber mal bewe­gen und inno­va­tiv wer­den wür­den.

Für Kino­fans wie mich dürf­ten die nächs­ten Mona­te span­nend wer­den. Der­weil hof­fe ich, dass die Kinos unter Auf­la­gen bald wie­der öff­nen dür­fen.