Update:
Siehe auch den Folgeartikel: Fünf Fragen an 100 Fans.Auf meinen gestrigen Artikel zur »Crowdfunding«-Plattform 100fans von der Münchner Verlagsgruppe erhielt ich ebenfalls gestern noch eine Email mit Bitte um Richtigstellung. Eigentlich wollte ich mit der Veröffentlichung warten, bis auch die Antworten auf meine restlichen gestellten Fragen eintreffen, habe mich aber dann doch dagegen entschieden. Ich führe die von den Betreibern bemängelten Stellen hier im einzelnen auf und gehe auch gleich inhaltlich darauf ein.
Der Betreiber schrieb:
Bevor ich Ihre weitergehenden Fragen beantworte, muss ich Sie auf einige sachliche Fehler in dem Artikel auf Ihrer Seite hinweisen und um deren Berichtigung bitten. Wenn man sich sachlich mit etwas auseinandersetzen möchte, sollten die Fakten schon stimmen.
Unwahr ist:
»…das darf in Form eines eBooks oder oder herkömmlichen Druckwerks daher kommen…«
Wahr ist: Alle 100 FANS-Bücher wird es sowohl als E‑Book als auch als gedruckte Bücher geben. Zum Funding muss kein Autor ein fertiges Buch bei uns abliefern, sondern er präsentiert sein Buch oder seine Buchidee mit einem Exposé oder einem Auszug auf unserer elektronischen Plattform.
Tatsächlich habe ich geschrieben:
Man kann dort sein Buchprojekt vorstellen, das darf in Form eines eBooks oder herkömmlichen Druckwerks daher kommen, und nach Schwarm-Finanzierern suchen.
Ich sehe nicht, wo das »unwahr« sein soll. Die Autoren werden ohnehin nur Dateien einreichen, aus denen werden dann eBooks oder Bücher oder beides. Ich sehe ehrlich gesagt nicht ganz den Kritikpunkt, ebenso wenig kann ich meinen Satz als »unwahr« erkennen. Vielleicht als »ungenau formuliert«.
Weiter mit dem Hinweis auf »Total Buyout«:
Unwahr ist:
»…total buyout…«
Wahr ist: Es handelt sich nicht um einen Total Buyout, sondern um eine bei Autorenverträgen völlig übliche Rechteübertragung. Dabei verzichten wir auf weitergehende Rechte, die in Standardverträgen üblich sind, etwa auf Filmrechte, Vertonungen oder Dramatisierungen. Rechteeinräumung und Lizensierung wie in unserem Autorenvertrag ist absolut branchenüblich und werden auch bei allen anderen Autorenverträgen der Münchner Verlagsgruppe so angewandt.
Das ist wirklich nett. »Total Buyout« ist kein exakt definierter Begriff, was genau damit beschrieben wird ist eher schwammig, insbesondere auch deswegen, weil es von den konkreten Umständen abhängig ist. Wirft man einen Blick in die AGB von 100fans, dann räumt sich die Verlagsgruppe weitreichende Verwertungsrechte an dem veröffentlichten Werk ein, diese sogar zeitlich unbegrenzt und für »unbekannte Nutzungsarten«:
Der Autor räumt dem Verlag an dem Werk die räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten, ausschließlichen Nutzungsrechte für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten ein.
Für den Fall, dass man den Vertrag kündigt, wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Lizensierungen, die bereits an Dritte vergeben wurden, selbst nach Kündigung weiter laufen:
Das Recht zur Vergabe von Nutzungsrechten an Dritte endet mit Beendigung dieses Vertrages; der Bestand bereits abgeschlossener Lizenzverträge bleibt hiervon unberührt.
und
Der Verlag ist berechtigt, obige Rechte einzeln oder komplett auf Dritte zu übertragen, ohne dass es hierzu der Zustimmung des Autors bedarf. Dies gilt insbesondere für das Recht zur Vergabe von deutsch- oder fremdsprachigen Lizenzen in das In- und Ausland für alle vertrags¬gegenständlichen Nutzungsformen. Die Entscheidung über die Vergabe von Lizenzen (Art und Umfang, Konditionen etc.) an Dritte steht im freien Ermessen des Verlages. Der Verlag hat ferner das Recht, die Pflichten und Befugnisse aus diesem Vertrag durch Dritte ausüben zu lassen.
Die Begründung »branchenüblich« kann ich ohnehin nicht gelten lassen, denn es handelt sich um ein Scheinargument, ebenso wie die Formulierung »Standardvertrag«. Jeder weiß, dass es zwar Standardverträge gibt, die endgültigen Vereinbarungen aber immer wieder in Details mit jedem Autor ausgehandelt werden. 100Fans will eine umfassende Rechteeinräumung, ohne aber für diese Rechte bezahlt zu haben, denn das Geld kommt von den Fans.
Auch im Bereich elektronische Medien räumt man sich umfassende Rechte ein:
Eingeschlossen ist auch das Recht, im Rahmen der in diesem Vertrag erwähnten Nutzungsarten eine interaktive Nutzung des Werkes oder Teilen davon (gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Werken) durch den Nutzer zu ermöglichen;
Theoretisch könnte man damit aus einem Buch sogar ein MMO machen. Den gesamten Text des Autorenvertrags kann man auf der AGB-Seite von 100Fans lesen (Ab § 6 – Autorenvertrag), wenn man sich selbst ein Bild machen will. Auch wenn Film- und Fernsehrechte oder Hörspielfassungen nicht enthalten sind, bleibt es meiner Meinung nach einem klassischer Buyout-Vertrag zumindest sehr ähnlich, denn man erhält Teile seiner Rechte noch nicht einmal dann zurück, wenn man den Vertrag kündigt. Man verzichtet seitens der Betreiber auf die Filmrechte? Wie gnädig … Andererseits: Die »zeitlich und inhaltlich unbeschränkten, ausschließlichen Nutzungsrechte für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten« umfassen NICHT die Film‑, Fernseh- und Hörspielrechte? Das kann man dem nicht entnehmen. Im Gegenteil, aufgrund dieser uneingeschränkten Rechte könnte der Betreiber die eBooks vermutlich sogar auf Klopapier drucken oder auf den Mond lasern lassen (um mal »unbekannte Nutzungsarten« vorzuschlagen).
Edit: Richtig ist sicher, dass nach üblicher Lesart »Total Buyout« bedeutet, dass ein Werkschaffender einmal bezahlt wird und danach kein Geld mehr für die Nutzung seines Werkes sieht. Das ist hier so nicht der Fall. Allerdings räumt sich der Betreiber Nutzungsrechte ein, die weit über das hinaus gehen, was andere Anbieter in ihren Autorenverträgen festschreiben, »branchenüblich« hin oder her.
Weiter im Text:
Ich kann nicht erkennen, was daran unwahr sein soll. Insbesondere möchte ich auf die nebenstehende Grafik verweisen, diese ist ein Screenshot eines Pakets eines angebotenen Projekts und zeigt deutlich, dass es Pakete gibt, die neben dem eBook auch die Printfassung enthalten. Was mir das sagen soll und was daran jetzt genau »unwahr« ist, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht.Unwahr ist:
»…Nettoerlös der Fanpakete, die mehr als nur ein eBook enthalten…«
Wahr ist: Unsere erweiterten Fanpakete enthalten die gedruckte Ausgabe des Buches, nicht das E‑Book.
Unwahr ist:
»fangen die sogenannten »Fanpakete«, die man als Unterstützer kaufen kann, allerdings erst bei ca. 18 Euro an«
Wahr ist: Die günstigsten Bücher gibt es bei uns zu einem Preis von 8,49 (Print) bzw. 6,40 (E‑Book). Die Preise der Bücher sind abhängig von der Seitenzahl.
Ja, ich muss zugeben, dass es auch Projekte gibt, bei denen die »Pakete« preiswerter zu haben sind, das war mein Fehler, für den ich mich entschuldigen möchte. Ich hatte stichprobenartig auf drei Projekte geklickt, und da dort jedesmal das preiswerteste Paket knapp 18 Euro kostete, bin ich davon ausgegangen, das sei der Minimalpreis.
Dazu aber noch eine Anmerkung: Der Preis ist also vom Umfang abhängig. Tatsächlich ist der günstigste Preis für ein eBook-Paket 6,40 Euro. eBooks zu diesem Preis haben allerdings nur einen Umfang von ca. 100 Seiten (zumindest entnehme ich das der Webseite). Für einen 120-Seiten PERRY RHODAN-Roman bezahle ich im Vergleich dazu gerade mal 1,49 Euro. Auch hier erscheint mir das Preis-Leistungs-Verhältnis gegenüber dem Finanzierenden nicht mal ansatzweise gegeben. Ein konkretes Beispiel: SMS VON ANGELA soll nur 83 (!) Seiten haben, das preiswerteste Paket kostet bei diesem Projekt aber schon 11,99 Euro. Das ist in meinen Augen kein auch nur ansatzweise reeller Gegenwert für den Finanzierenden.
Unwahr ist:
»… die Fans die Rechte bezahlt haben…«
Wahr ist: Die Fans gehen beim Kauf eines Fanpakets ein, das die Lieferung eines Buches, also einer Ware, beinhaltet. Die Fans erwerben durch den Kauf, wie auch beim Kauf von Büchern im Buchhandel, selbstverständlich keinerlei Rechte.
Ich schreibe an keiner Stelle, dass die Fans die Rechte erwerben. Ich schreibe allerdings, dass die Fans die Rechte bezahlen – und das ist auch völlig korrekt. Der Betreiber räumt sich die oben angedeuteten umfangreichen Rechte ein, obwohl Dritte das Geld hierfür aufgebracht haben. Das finde ich nach wie vor in hohem Maße merk- und fragwürdig. Außerdem: Beim Crowdfunding erhält man eben keine Ware gegen Geld. Man finanziert ein Projekt und erhält dafür ein Gimmick, ein Geschenk, wenn das Projekt realisiert wird. Man investiert und bekommt dafür später ein Dankeschön. Dass man mit dem Pledge eine »Ware kauft« ist das 1:1‑Übertragen von uralter Geschäftsdenke auf moderne Web-Prozesse. Allein diese Formulierung zeigt schon, dass man das Konzept »Crowdfunding« möglicherweise nicht verstanden hat. Und wenn das Fanpaket die Lieferung einer Ware, eines Buches, beinhaltet muss man sich erneut fragen, warum diese Ware überteuert ist?
Unwahr ist:
»Ein Fundingziel wird ebenso wenig genannt wie die Unterstützer.«
Wahr ist: Das Fundingziel bei 100 FANS ist es, mindestens 100 Fans zu bekommen. Fundingziele können im Crowdfunding beliebig gesetzt werden und müssen keine Geldsumme sein.
Von mir aus. Das ist reine Wortklauberei. Es bleibt dabei, dass in keinster Weise transparent gemacht wird, wieviel Geld zusammen kommt, das widerspricht in meinen Augen dem Crowdfunding-Prinzip. Die eingenommene Summe könnte bei einem 100-Seiten eBook zwischen 640,00 und 1090,00 Euro liegen. Bei einem umfangreicheren Projekt liegt der Betrag zwischen 1749,00 und (theoretisch, wenn alle hundert das Premium-Paket kaufen) sagenhaften 202349,00 Euro (auch wenn dieser Fall maximal unrealistisch ist). Man sollte dabei immer im Hinterstübchen behalten, dass bei einhundert Fans nicht Schluss ist, wenn mehr Fans »pledgen«, kommt mehr Geld zusammen. Ich habe den Eindruck, der Verlag ist der Ansicht, es handelt sich beim Crowdfunding nur um eine abgewandelte Art der Subskription. Tatsächlich ist das allerdings etwas ganz anderes. Die Wikipedia zur Subskription:
Das Verfahren der Subskription wurde im 17. Jahrhundert auf dem deutschen Buchmarkt eingeführt, um das Erscheinen von Werken, die höchstwahrscheinlich aufgrund ihres speziellen Inhalts, ihrer künstlerischen Gestaltung oder aber aufgrund ihres geplanten Umfangs nur schwer verkäuflich sein würden, zu ermöglichen. […]
Heute ist die Subskription im Buchhandel eine verbindliche Vorbestellung via Buchhändler oder vom Subskribenten-Kunden. Diese erhalten dafür oft einen Preisnachlass bis zu 20 % (bezogen auf den Nettoladenpreis, der durch die Buchpreisbindung lange festgelegt ist).
Auf den ersten Blick könnte man das tatsächlich verwechseln. Um eine Subskription kann es sich hier aber nicht handeln, da der zahlende »Fan« nicht etwa einen Preisnachlass erhält, sondern im gegenteil sogar für das Produkt deutlich mehr zahlt, als vermutlich später der Ladenpreis sein wird. Es sei denn, sie wollen 83-Seiten eBooks tatsächlich für 11,99 Euro verticken, was allerdings nicht eben erfolgreich sein dürfte.
Ich hatte dem Betreiber gestern einige Fragen zur Plattform per Email zugesandt, darunter zugegebenermaßen auch provokante. Man bat mich vor der Beantwortung um »Richtigstellung« der »falschen Aussagen«. Ich bin hiermit zumindest dem Wunsch nachgekommen, den Standpunkt des Betreibers vorzustellen, denn ich habe seine Ansichten, was »unwahr« ist, hier wiedergegeben – und kommentiert. Jetzt bin ich gespannt auf die Beantwortung meiner Fragen, darunter auch die, ob es sich hier nicht um ein ähnliches Prinzip handelt, wie bei Zuschussverlagen. Sobald mir diese Stellungnahme vorliegt, werde ich diese hier veröffentlichen und einen abschließenden Kommentar abgeben.
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Quellenangabe: Zitate aus den AGB Copyright Münchner Verlagsgruppe GmbH
Hmmm… ich mag mich nun irren, aber irgendwie widerspricht sich die Aussage im Vertrag »für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten« und die Aussage »Dabei verzichten wir auf weitergehende Rechte, die in Standardverträgen üblich sind, etwa auf Filmrechte, Vertonungen oder Dramatisierungen«. ALLE Nutzungsarten beinhalten eben auch Filmrechte etc.
Hat man da im Verlag den eigenen Vertrag nicht gelesen?
Danke für die Anmerkung Bernd, ich habe das im Artikel noch ergänzt!
RT @PhantaNews: Reaktion des Betreibers von 100Fans http://t.co/8PcLk1H9nT #100fans #crowdfunding
Vieles an der Kritik ist richtig. Auch ich halte die Benutzung des Begriffs Crowdfunding für fragwürdig, Subskription schien den Machern vermutlich zu altbacken – trifft es ja auch nicht hundertprozentig.
Der Hauptvorwurf, man schließe bei 100Fans einen Total-buy-out-Vertrag ab, trifft allerdings m. E. nicht zu. Kern solcher Verträge ist, dass der Rechteerwerber nur einmal zahlt, das Werk aber anschließend beliebig nutzen und weiterverwerten darf, ohne den Urheber an diesen Erlösen zu beteiligen.
Bei 100Fans wird der Urheber aber bei jeder weiteren Verwertung honoriert. Im Autorenvertrag heißt es in § 4.3:
»Der Autor erhält als Beteiligungshonorar für die nicht verlagseigene Verwertung (Lizenzvergabe) der eingeräumten Rechte einen Anteil von 40 Prozent vom Nettolizenzerlös des Verlages (= dem Verlag zufließende Vergütung abzüglich Kosten wie etwaige Honorare für Dritte, von Vermittlungskosten oder Gebühren, zum Beispiel für Agenturen oder Rechtsanwälte, Steuern etc.).«
Total buy out kann ich hier nicht erkennen.
Um das abschließend bewerten zu können, müsste man zumindest grobe Angaben dazu haben, wie hoch die Abzüge durch »Kosten wie etwaige Honorare für Dritte, von Vermittlungskosten oder Gebühren, zum Beispiel für Agenturen oder Rechtsanwälte, Steuern etc.« sind.
Persönlich halte ich die äußerst umfangreiche Rechteinräumung fast schon für unverschämt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Dritte die Realisierung der Bücher finanziert haben.
Da haben wir uns viele Wochen Gedanken gemacht wie wir andere für uns das Risiko tragen lassen und dann zerreden Sie unser »Geschäftskonzept« in zehn Minuten. Sie böser Sie. :-)
Teilweise sind deine Argumente aber auch wirklich seltsam.
»100Fans will eine umfassende Rechteeinräumung, ohne aber für diese Rechte bezahlt zu haben, denn das Geld kommt von den Fans.«
Wenn man bei einem seriösen Kleinverlag einen Vertrag unterschreibt, räumt der sich auch Rechte ein und zahlt dafür nichts (Vorschüsse sind bei Kleinverlagen unüblich). Das Geld, dass der Autor nach veröffentlichung bekommt, sind die Verkaufserlöse, das Geld kommt also da auch von den »Fans«, sprich den zahlenden Kunden.
Recht gebe ich dir aber, dass wir hier quasi ein Subskriptionsmodell unter Crowdfunding-Deckmantel haben.
Im Gegensatz dazu möchte man hier die Kohle allerdings lieber schon vorher haben, und damit das Risiko für den Betreiber komplett bereits im Vorfeld ausschalten. Trotzdem möchte man aber zudem »branchenüblich« verdienen. Bahnbrechend. :)
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