Dass das abseits großer und Publikumsverlage allerdings leider nicht funktioniert, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, ein Buch aus einem Klein- oder Nischenverlag im Buchhandel zu bekommen. Wenn das bei Großhändlern wie KNV (Koch, Neff & Volckmar GmbH, der größte Buchgroßhändler in Deutschland) nicht gelistet ist, dann nutzt auch eine ISBN leider gar nichts – an das Buch kann man als Kunde beim Handel nicht heran kommen (zumindest bei den Händlern, die ihre Bücher bei KNV beziehen).
Glaubt ihr mir nicht? Dann mal ein konkreter Fall: DIE STILLE NACH DEM TON ist eine vom SFCD herausgegebene und in der Reihe AndroSF erschienene Anthologie. Sie enthält die Geschichten, die mit dem SFCD-Literaturpreis (1985 bis 1998) und dem Deutschen Science Fiction-Preis (1999 bis 2012) ausgezeichnet wurden. Erschienen ist sie am 1. September 2012 bei Michael Haitels Verlag p.machinery, die ISBN lautet 978–3942533379.
Michael bekam heute eine Anfrage von einer Buchhandlung, die das Buch im September 2012 bestellt hat. Großhändler KNV behauptet bis dato, also ein geschlagenes Jahr später (!), das Buch sei nicht lieferbar.
Sicher, der Buchhändler kann nichts dafür, aber wenn der Großhändler nicht in der Lage ist, Bücher zu beschaffen, wie es seine Aufgabe wäre, dann wirft das ein deutliches Licht auf das Publicity-Geschrei der Buchbranche in Sachen »Buy Local«. Die Aussage man bekäme alles auch beim lokalen Buchhändler ist schlichtweg falsch, offenbar auch, weil Großhändler überhaupt keinen Bock haben, sich mit Klein- und Indie-Verlagen und deren Angebot ernsthaft auseinander zu setzen. Als Verleger würde ich mich fragen, warum ich die Kohle in eine ISBN überhaupt investieren soll, wenn offensichtlich inkompetente Zulieferer trotz Vorhandenseins einer solchen die Ware nicht beibringen können? Oder handelt KNV etwa einfach nur gemäß dem neuen Werbespruch der Branche: »Vorsicht, Buch!«?
Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt. Solange eine derartige Arroganz gegenüber kleineren Anbietern in der Branche herrscht, soll mir bitte keiner mehr mit »Buy Local« kommen. Denn man bekommt »lokal« nicht das, was man kaufen möchte, insbesondere im Bereich Special Interest und Kleinverlage. Selbstverleger finden ohnehin nicht statt. Bei Amazon kann man es sofort bestellen (kommt dann direkt vom Verlag, kann man also alternativ auch gleich dort ordern).
Was es für die Verlage bedeutet, wenn deren Bücher laut KNV angeblich und fälschlich »nicht lieferbar« sind, kann man sich leicht vorstellen … Übrigens sollten auch die Buchhändler dringend nochmal über diesen Sachverhalt nachdenken.
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Cover DIE STILLE NACH DEM TON Copyright p.machinery
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Nicht nur, dass KNV falsche Behauptungen bzgl. der Lieferfährigkeit aufstellt – andere Großhändler (früher: Libri, auch Umbreit) schicken eine Bestellnotiz an den Verlag, manchmal nur per Post, manchmal per Fax (je nachdem wie up to date die eigenen Datenbanken sind, die i.d.R. nicht mit dem VLB abgeblichen werden [mit ein Grund, weshalb man sich das Geld für’s VLB sparen kann]). Einfach gemachte Ausdrucke aus einer ganz offensichtlich nicht auf solche Ausdruck ausgelegten Software, in denen aber alles drin steht, was der Verleger braucht, um den Buchhändler glücklich zu machen. KNV verschickt sowas nicht, jedenfalls kann ich mich nicht entsinnen, solcherlei von KNV jemals zu Gesicht bekommen zu haben.
Und: Man kann als Kleinverleger natürlich versuchen, bei KNV gelistet zu werden. Es gibt sogar Excel-Tabelle, die man mit den eigenen Titeln füllt und dann hochladen kann.
Ergebnis? Keines. In einem Telefonat vor vielen Monaten (oder schon Jahren, ich glaube, das war Ende 2009 oder Anfang 2010) mit KNV habe ich mündlich erfahren, dass man bei KNV auf kleine Verlage im Programm keinen Wert legt und auf Books-on-Demand-Produktionen sowieso nicht (die könne man sich ja nicht auf Lager legen …).
Am Ende bleibt auch die Erkenntnis, dass es heute gerade die »kleinen« Buchhändler sind, die mehr und mehr das Interesse daran verlieren, ihren Kunden Service zu bieten. Angesichts von katastrophal bestückten Kettenläden liegt der Fokus auch bei den Kleinen offensichtlich nur noch auf Umsatz, Umsatz, Umsatz. Verständlich, denke ich, aber ob das vernünftig ist? Es gibt ganz wenige Ausnahmen in Deutschland. Da sind zwei, drei Buchhändler in meiner Kartei, die quasi Abonnenten für immer den gleichen Kunden spielen, da sind auch immer wieder die gleichen Buchhandlungen, bei denen man merkt, dass sich jemand eine Notiz gemacht hat, dass man bei Buchbestellungen aus dem Programm des Miniverlags Soundso einfach mal bei soundso.de eine Mail platziert.
LG My.
Michael Haitel
p.machinery