Es war also wieder einmal an der Zeit, die Rechtsabteilung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels nach einer Einschätzung zu diesem Thema zu fragen. Die Antwort fiel für mich nicht unerwartet aus …
Meine Anfrage lautete wie folgt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
erneut wende ich mich mit einer Anfrage in Sachen Buchpreisbindung an Sie und bitte um eine Einschätzung. Für die Beantwortung möchte ich mich im Voraus bedanken.
Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass auch diesmal ihre Antwort auf meinem Onlineportal veröffentlicht werden wird.
Der Börsenverein vertritt die Ansicht, dass eBooks der Buchpreisbindung unterliegen. Ihr Justiziar antwortete dabei in einer früheren Antwort unter anderem konkret mit dem Passus
»Preiszubinden sind solche E‑Bücher, die einem gedruckten Buch im Wesentlichen entsprechen. […] E‑Books im Sinne von § 2 Abs. 1 BuchPrG sind beispielsweise in ihrer Gesamtheit zum Download bestimmte oder auf Datenträgern jeglicher Art handelbare Werke, die geeignet sind, in ähnlicher Form genutzt zu werden wie gedruckte Werke.«
In den Nutzungsbedingungen von Amazons Kindle Shop findet sich nun folgender Passus:
»Ihre digitalen Inhalte werden durch den Anbieter von Inhalten lizenziert, nicht aber verkauft«
Damit kaufe ich kein Buch, sondern erwerbe nur ein Nutzungsrecht, das mir theoretisch auch jederzeit wieder entzogen werden kann (dies ist auch bereits geschehen, es handelt sich somit nicht um einen rein theoretischen Fall). Das ähnelt der Handhabung bei einem Verleihvorgang deutlich mehr, als dem Kauf eines Papierbuches.
Wenn ich aber kein Buch erwerbe, sondern nur eine Nutzungslizenz, kann meiner Ansicht nach dafür die Buchpreisbindung nicht gelten, denn ich erwerbe eben KEIN Buch.Ich bitte um Einschätzung und Stellungnahme. Nochmals vielen Dank im Voraus.
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Mit freundlichem Gruß,
Stefan Holzhauer
Für folgende Antwort, die ich am heutigen Tag erhielt, möchte ich mich bedanken:
Sie haben Recht. E‑Books werden nicht verkauft, da aufgrund der mangelnden Körperlichkeit der Kunde kein Eigentum erwerben kann. Es werden somit immer Nutzungslizenzen vergeben. Aus unserer Sicht ist das Buchpreisbindungsgesetz jedoch entsprechend anwendbar, wenn eine Nutzungslizenz dauerhaft vergeben wird, der Lizenznehmer das E‑Book wie ein Eigentümer nutzen kann, es ihm also dauerhaft und an Orten und Zeiten seiner Wahl zu Verfügung steht.
Wird das E‑Book dem Kunden jedoch von vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum überlassen, wie bei verschiedenen »Miet- bzw. Leihmodellen« (rechtlich gesehen liegt ebenfalls keine Miete oder Leihe vor), z.B. Scoobe, dann ist das Buchpreisbindungsgesetz nicht anwendbar. Die dauerhafte Lizenz von E‑Books wird also mit dem Kauf von Büchern gleichgesetzt, während die zeitlich befristete Lizenz der Miete bzw. Leihe entspricht. Ebenso wenig wie bei dem Vermieten von haptischen Büchern unterliegt daher auch die zeitweise entgeltliche Überlassung von E‑Books der Buchpreisbindung.
Hier also nichts Neues. Nach Einschätzung des Börsenvereins ist die Buchpreisbindung durch die (scheinbar) dauerhaft vergebene Nutzungslizenz anwendbar. Besonders interessant daran ist übrigens meiner Ansicht nach, dass der EuGH Anfang Juli in Sachen der Frage, ob man Software gebraucht weiter veräußern darf, eindeutig festgestellt hatte, dass körperliche und nichtkörperliche Versionen gleichgestellt sind, auch wenn die Gelehrten sich noch streiten, ob das auf eBooks übertragbar ist, könnte man das annehmen. Das würde die obige Aussage im Prinzip sogar noch unterstützen. Auf der anderen Seite bedeutet das aber möglicherweise auch, dass ein Käufer einer Nutzungslizenz für ein Buch in Form eines eBooks dieses weiter veräußern darf – was dank DRM in den meisten Fällen unmöglich gemacht wird.
Gleichzeitig wird aber auch beantwortet, dass Mieten oder Leihen durchaus möglich ist und auch nicht gegen das Buchpreisbindungsgesetz verstößt. Das ist im Zusammenhang mit Amazons gerade gestarteten Entleihprogramm für Prime-Kunden interessant, hier stellte sich ja ebenfalls die Frage, ob das mit der Preisbindung auf eBooks vereinbar ist. Ist es laut Börsenverein.
Es bleibt zu hoffen, dass zügig ein Gericht klarstellt, was für Rechte der Kunde hier tatsächlich hat. Denn es ist nicht einzusehen, dass man horrende – und meiner Ansicht nach völlig überzogene – Preise für eBooks bezahlt, die man sofort wieder los wird, wenn Amazon einem das Konto sperrt; das gesamte für die Käufe der Nutzungslizenzen ausgegebene Geld hätte man in dem Fall genauso gut Cent-weise in den Gully rollen können.
Solange man beim Kauf von eBooks nur Nutzungslizenzen an DRM-verseuchten und in ihren Möglichkeiten dadurch erheblich eingeschränkten Dateien erwirbt, die sich zudem jederzeit »in Luft auflösen« können, sollte man sich genau überlegen, was man tut und an welchen Anbieter man sich bindet.
Wäre man spitzfindig, könnte man allerdings darüber nachdenken, ob man nicht eine eBook-Aktion wie das Humble Bundle dadurch realisieren könnte, indem man die Bücher darin nur »verleiht«. Sagen wir für 50 Jahre … :) Ich befürchte allerdings, dass das ebenfalls mit einer »dauerhaften Nutzungslizenz« gleichgestellt werden würde – also auch keine Option.
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Bild eReader mit Paragraph von mir, CC BY-NC-SA
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