Der Börsenverein und das Leistungsschutzrecht
Sind Sie eigentlich der Ansicht, dass die Textausschnitte in Ihrem »Netz-Monitor Buch« gemäß dem am 1. August 2013 in Kraft getretenen Leistungsschutzrecht in dieser Form unbedenklich sind?
Daraufhin passierte erst einmal: nichts. Ich habe dann zwei Tage später nochmal nachgefragt und die ursprüngliche Mail weiter geleitet. Die Antwort auf die Frage zum LSR hätte von mir aus noch länger auf sich warten lassen dürfen, aber meinen Namen wollte ich schon schnell geändert haben. Diesmal kam die Antwort kurzfristig:
Was das Leistungsschutzrecht betrifft, sind von diesem Dienste ausgenommen, die »die verlegerische Leistung auf andere Weise nutzen, z. B. indem sie dem Internet-Nutzer aufgrund eigener Wertung eine Auswahl von Presseerzeugnissen anzeigen.« Darüber hinaus heißt es in § 87g (4) UrhG‑E: »Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.«
Der Börsenverein ist kein gewerblicher Anbieter in diesem Sinne und der Netz-Monitor BUCH eine Dienstleistung überwiegend für Mitglieder, die den Online-Diskurs durch redaktionelle Auswahl von Blogbeiträgen fördern will.
Wir halten fest: der Börsenverein ist der Ansicht, dass das Leistungsschutzrecht für seinen »Netz-Monitor Buch« nicht gilt. Das finde ich ehrlich gesagt äußerst ulkig, denn das Gegenteil dürfte der Fall sein. Rechtsanwalt Schwenke (einer von den Guten) schreibt in einem seiner Artikel zu diesem Thema sehr eindeutig:
Das Leistungsschutzrecht betrifft nur Suchmaschinen und Dienste, die Inhalte ähnlich wie Suchmaschinen aufbereiten. Damit sind Aggregationsdienste gemeint, die Presserzeugnisse gesammelt auflisten, wie zum Beispiel Presseschauen oder Blogartikelübersichten.
Und um eine Presseschau bzw. um eine Blogartikelübersicht (oder genauer: um eine Übersicht über Artikel aus dem Netz) handelt es sich beim »Netz-Monitor Buch« eindeutig. Und sie steht offen im Netz, auch wenn sie laut der Stellungnahme »eine Dienstleistung überwiegend für Mitglieder« ist.
Weiter schreibt RA Schwenke:
Suchmaschinen und Aggregationsdienste dürfen aus Presseerzeugnissen ein Jahr lang nur »einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte« übernehmen …
Die im Netz-Monitor Buch wiedergegeben Texte überschreiten das bei Weitem.
Dann heisst es in der Stellungnahme: « … der Börsenverein ist kein gewerblicher Anbeiter in diesem Sinne«. Das finde ich noch viel ulkiger. Wer eine private Webseite oder ein Blog betreibt, der wird von Gerichten bereits als gewerblicher Anbieter eingestuft, wenn er Werbeanzeigen schaltet oder Affiliate-Links setzt. Dabei ist es völlig unerheblich, ob damit eine Gewinnerzielungsabsicht einher geht. Ebenso wenig muss die Gewinnerzielungsabsicht sich meiner Meinung nach auf die Presseschau direkt beziehen. Dass der Börsenverein der Ansicht ist, kein gewerblicher Anbieter zu sein, und das trotz der Rechtsform als Verein, dem Erheben von Mitgliedsbeiträgen, einem Geschäftsführer (fällt jemandem das Wort »Geschäft« auf?) und einer Umsatzsteuernummer im Impressum seiner Webseite, das hat mich nicht wenig erheitert.
Im Prinzip wäre mir das alles egal. Allerdings sind es Börsenvereins-Geschäftsführer Skipis und Vorsteher Honnefelder, die zu jeder sich bietenden Gelegenheit auf Einhaltung der Urheberrechtsgesetze pochen oder sogar deren Verschärfung zu Ungunsten der Bürger fordern. Umso erstaunlicher, dass der Börsenverein selbst sich offenbar eines … na sagen wir mal … »eher gelassenen« Umgangs mit solchen Gesetzen befleißigt. Wollen wir hoffen, dass der Börsenverein nicht den Umtrieben eines bösen Abmahn-Abzockers zum Opfer fällt.
Ob der Börsenverein mit seinen Ansichten Recht hat, wird sich entscheiden, wenn es die ersten konkreten Urteile zum Leistungsschutzrecht gibt. Doch die sonst so streitbaren Presseverleger (sogar die Hauptinitiatoren vom Springer-Verlag) halten sich bisher merkwürdig damit zurück, Präzedenzfälle zu schaffen …
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Screenshot: aus dem Netzmonitor Buch mit den Auszügen aus meinem Artikel (und dem korrigierten Namen)