Das Leistungsschutzrecht, oder: Lobbyistengesocks
Gestern hat die Bundesregierung ihr Leistungsschutzrecht im Kabinett durchgewunken. Und wieder einmal (wie schon bei anderen ähnlichen Gesetzesaktionen in der Vergangenheit) wurden am Entwurf in letzter Minute Änderungen daran vorgenommen – man kann das nur als »Nacht- und Nebel-Aktion« bezeichnen.
Man muss sich in dieser causa über eines vollkommen im Klaren sein: was ihr in der Presse über das Thema lest, ist in vielen, leider allzu vielen, Fällen erstunken und erlogen, und soll nur eins: abwiegeln und den Leser in Sicherheit wiegen, oder ihn gar gezielt falsch informieren, den immerhin geht es um ein bedingungsloses Grundeinkommen für Verleger und damit um den eigenen Vorteil. Da vergisst man einfach mal, dass man eigentlich neutral und objektiv informieren sollte.
Auch wenn seitens der CDU/CSU-Lobbyhuren ‑Politiker vollmundig behauptet wird, dass das Gesetz den »kleinen Blogger« nicht treffen oder nicht betreffen wird, sind Passagen im Gesetz handwerklich schlecht und schwammig formuliert, Stichwort beispielsweise wie immer das nicht exakt definierte »gewerbsmäßig«, so dass eine neue Einnahmequelle für Abmahnabzocker geschaffen wird. In die letzte Gesetzesversion wurden zudem noch schnell Passi über Twitter und RSS-Feeds geschmuggelt, die ebenfalls für genau solche Abmahnungen sorgen werden.
Aber die schlecht formulierten Stellen sind nur ein Teil des Problems: die ganze Nummer stinkt von vorne bis hinten und die Bundesregierung dürfte vor allem einen Grund gehabt haben, das national und international von Fachleuten für kompletten Bullshit erklärte Gesetz mit derartigem Nachdruck durchzuwinken: massive Angst vor Springer und der Bild (und weiteren Verlegern). Denn inhaltlich lässt sich nicht erklären, was da beschlossen werden soll. Wenn die Verlage nicht mehr mit Überschriften und Snippets – und um mehr geht es angeblich nicht – in Googles Newsservice auftauchen wollen, dann gibt es längst die notwendigen technischen Werkzeuge dafür, von Google selbst zur Verfügung gestellt. Google klaut also nix, aber auch gar nix, im Gegensatz zu den Lügen, die Springer-Chefpropagandisten verbreiten. Die Verlage selbst wären in der Lage, dafür zu sorgen, dass diese Snippets von Google nicht mehr verbreitet werden können. Dennoch tun sie das nicht und verbreiten auch noch den Eindruck, Google würde sich großumfänglich an ihren Texten vergreifen – was eine dreiste Unwahrheit ist.
Doch man will selbstverständlich gar nicht raus aus dem Google-Index, denn weit über 90 Prozent der Besucher auf den Verlagswebseiten kommen über diese Suchmaschine. Und das zeigt die Verlogenheit der ganzen Nummer: man freut sich über den Traffic den Google bringt, will den Suchmaschinenbetreiber aber dennoch zusätzlich dafür zur Kasse bitten. Unfassbar.
Es geht nach wie vor um minimale Textpassagen, mithin pure Information, die hier einem Leistungsschutz unterworfen werden sollen – und zwar weil sie mangels Schöpfungshöhe dem Urheberrecht nicht unterliegen würden. Das würde den Wissens- und Informationsfluss im Internet in Deutschland massiv und in nicht hinnehmbarer Weise einschränken, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe oder Grundlagen gibt. Weiterhin wäre das Gesetz ein massiver Einschnitt in die Presse- und Meinungsfreiheit. Das ist keinesfalls hinnehmbar.
Wer sich weiter informieren möchte, der sei auf aktuelle Artikel beim Perlentaucher und bei Stefan Niggemeier verwiesen, insbesondere in letzterem werden die Scheinargumente der Verfechter dieser vermeintlichen Gelddruckmaschine für Totholzmedien detailliert auseinander genommen.
Hier auf PhantaNews kommt ab sofort ein Plugin zum Einsatz, das Links auf Seiten der Zeitungsverlage auf eine Landingpage umleitet, auf der über das Leistungschutzrecht und die Probleme damit informiert wird. Noch hat man die Möglichkeit, von dort über einen Link zum eigentlichen Artikel weiter zu kommen, aber sollte das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden, wird diese Option auch noch entfernt und in Zukunft einfach nicht mehr auf deutsche Verlage verlinkt. Es bleibt ja analog zur Handhabung »Quelle: Internet«, wie sie in diversen Medien immer wieder zu finden ist, einfach der Hinweis: »Quelle: Zeitung«.
[Update 30.08.2012, 12:20 Uhr:] einen ebenfalls sehr lesenswerten neuen Artikel hierzu findet man auf iRights.info
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