Spoiler: Konditionen sind – wie zu erwarten war – schlecht.
Früher war Selfpublishing hier auf PhantaNews immer wieder mal Thema, das hat stark abgenommen. Warum? Einfach: Selfpublishing ist aller Widerstände der alteingesessenen (und immer noch ziemlich analogen) Branche zum Trotz längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Laut Branchendaten machte Selfpublishing im Jahr 2020 zehn Prozent des gesamten Buchmarktes aus. Bei einem Gesamtumsatz von 9,3 Milliarden Euro in Deutschland kann man sich schnell ausrechnen, über welche Zahlen wir hier sprechen. Deswegen muss ich hier wahrlich nicht mehr dafür trommeln, Selfpublishing ist längst etabliert.
Mit einer Ausnahme: In Buchhandlungen sind Bücher von Selfpublisher°Innen nach wie vor sehr, sehr selten anzutreffen. Das hatte ich in der Vergangenheit bereits mehrfach thematisiert, ein Grund ist, dass Buchhändler°Innen keinen Bock haben, bei Selfpublisher°Innen zu bestellen, das ist denen zu viel Aufwand, die möchten ihre Bücher lieber beim Grossisten bestellen, wie die der großen Verlage auch. Direkt beim Anbieter zu ordern ist denen zu viel Arbeit – übrigens ein Los, das Selfpublisher mit Kleinverlagen teilen.
An der Stelle könnte man abwinken, sich mit einem »wer nicht will, der hat schon« abwenden, und das Geschäft dem Branchen-Beelzebub Amazon überlassen.
Aber irgendwie scheinen manche Protagonisten doch erkannt zu haben, dass es hier ein Potential gibt, mit dem sich Geld erzeugen lässt. Und so geht in den letzten Wochen die Meldung durch den virtuellen Blätterwald, dass Tolino Media es Selfpublisher°Innen ermöglichen möchte, ihre Bücher in den Buchhandel zu bekommen – und das vergleichsweise einfach und über zentrale Auslieferung (das Börsenblatt hatte ebenso berichtet, wie der Buchreport hinter seiner überteuerten Paywall, bei der man noch nicht mal Einzelartikel kaufen kann).
Whaaaat?
Das wäre nichts anderes als ein Paradigmenwechsel.
Aber natürlich klingt das wie so oft bei Pressemitteilungen von Tolino Media besser als es am Ende ist, denn die Rahmenbedingungen benachteiligen Selfpublisher doch erheblich – auch im Vergleich zu Createspace (ja, ich weiß, das gibt es nicht mehr und läuft via KDP).
Ich hatte noch einen alten Tolino-Zugang von anno dunnemals, als ich mich mit denen als Amazon-Alternative beschäftigt und sie aufgrund inakzeptabler Konditionen verworfen hatte, also loggte ich mich ein (Passwort war aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht mehr gültig) und machte eine Beispielrechnung mit einem Taschenbuch auf:
Taschenbuch im Format »Classic« (135 x 205 mm), 320 Seiten, cremeweißes Papier in 90 Gramm, matt laminiert.
Tolino bietet mir dafür einen Verkaufspreis von 11,99 an, das wäre im Vergleich zu dem, was sich sonst so auf dem Markt tummelt, relativ günstig. Allerdings wäre mein Autorenhonorar dann nur 1,30 Euro pro im Buchhandel verkauftem Exemplar. Das ist sehr wenig.
Noch interessanter wird das Ganze, wenn man den Preis nach oben ändert, um das Autorenhonorar zu erhöhen:
Wenn das Buch drei Euro teurer wird, würde man annehmen, wollen, dass man auch grob drei Euro mehr an Autorenhonorar erhält (also 4,30 EUR). Doch dem ist nicht so, aus 1,30 EUR werden gerade mal 2,47 EUR. An der Umsatzsteuer liegt das nicht, die macht gerade mal einen Unterschied von 20 Cent aus.
Das bedeutet, dass sich den Rest Tolino Media in die Tasche steckt, ohne dass ich dafür einen Grund sehe, denn bei einem gestiegenen Buchpreis fallen weder höhere Druck‑, noch Verwaltungs- oder sonstige Kosten an. Eine Erklärung für diese Handhabung konnte ich nirgendwo finden. Für fair gegenüber den Autor°Innen halte ich diese Vorgehensweise nicht.
Übrigens fallen pro Buch auch noch Kosten in Höhe von EUR 14,95 für ISBN und VLB-Eintrag an, diese Kosten können hier somit ebenfalls nicht eingepreist sein.
Bei dieser Beispielrechnung wurde übrigens auch angegeben, was man für Autorenexemplare berappen muss:
Das scheint okay-ish (verglichen mit einschlägigen deutschen Druckereien), ich möchte das allerdings mal in Relation setzen:
Ich habe in der Vergangenheit Taschenbücher mit den oben angegebenen Rahmendaten bei polnischen Druckereien fertigen lassen. Da zahlt man selbst bei Kleinstserien von beispielsweise 40 Stück Preise von ca. 3,50 bis 4 Euro pro Stück – und das INKLUSIVE Mehrwertsteuer.
Der Aufwand ist derselbe, denn auch bei Tolino muss man Buchblock als PDF selbst erzeugen und hochladen, dasselbe gilt für das Cover.
Ich halte die Rahmenbedingungen, insbesondere das Autorenhonorar, das Tolino Media hier für die Auslieferung an Buchhandlungen ansagt, für völlig inakzeptabel. Und das, obwohl Tolino von Branchenunternehmen betrieben wird, die die dahinter stehende Logistik mit links abwickeln können, da das ohnehin zu ihrem Kerngeschäft gehört. Auch dass Preiserhöhungen des Buches nicht 1:1 an die Autor°Innen weitergegeben werden, ist nicht nachvollziehbar.
Feststellen kann man, dass Selfpublishing – wie eingangs bereits angedeutet – inzwischen so erfolgreich geworden ist, dass die üblichen Verdächtigen jetzt versuchen, sich auch im Printbereich in Sachen »Präsenz in den Buchhandlungen« an den Selfpublisher°innen zu bereichern, wie sie das zuvor schon lange im eBook-Bereich getan haben. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, ob man die gebotenen Konditionen akzeptieren möchte. Der Gewinn ist um ein Erhebliches höher, wenn man sich seine Bücher von einer günstigen Druckerei erstellen lässt und diese dann beispielsweise auf Veranstaltungen verkauft. Wer erwartet, viele Exemplare über den Buchhandel absetzen zu können, dürfte vielleicht trotz der geringen Autorenhonorare Interesse am Angebot Tolino Medias haben.
Bild: Buchhandlung, aus der Wikipedia, gemeinfrei.