Kein Rant, aber wer gewisse satirische Anklänge findet, darf sie behalten.
Ich will den Namen nicht schon wieder nennen, man vermutet in mir ob meiner regelmäßig geäußerten Kritik an der Buchbranche seitens derselben ohnehin immer wieder einen Claqueur für einen gewissen Onlinehändler, dabei ist das gänzlich falsch. Mal sehen, ob ich es schaffe, diesen Artikel zu schreiben, ohne den Namen des Ladens zu nutzen. Die Buchbranche ist ja inzwischen so weit, dass ihn etliche nicht mehr »Voldemort« nennen, sondern als »you shall not name him« bezeichnen. Wie Harry Potters Konsorten werden sie irgendwann feststellen, dass Ignorieren das Problem nicht löst. Aber darüber wollte ich eigentlich – wie bereits angemerkt – gar nicht reden.
Reden wir doch mal über ein beinahe monolithisches Gebilde wie die kartellhafte Buchbranche. Warum ein Teil davon, nämlich das Verlagskonglomerat in meinen Augen ein gesetzlich lizensiertes Kartell ist, habe ich an anderer Stelle bereits ausführlich analysiert. Die Kurzfassung: Es gibt keinen echten Wettbewerb, weil man sich im ruhigen Gewissen zurück lehnen kann, dass es die Buchpreisbindung gibt, die eine normale Entwicklung von Preisen unmöglich macht. Wenn man Personen fragt, die bereits seit Jahren durch die Branche indoktriniert wurden, dann wird man immer wieder mantraartig zu hören bekommen, dass eine Abschaffung der Buchpreisbindung den Untergang des literarischen Abendlandes bedeuten würde.
Oh Gott! Oh Gott! Wir werden alle störrrben! – Nicht!
Wie es sein kann, dass andere Kunstformen auch ohne eine Preisbindung prima und mächtig breitbandig existieren, darauf will mir nie jemand eine Antwort geben.Wie es sein kann, dass andere Kunstformen auch ohne eine Preisbindung prima und mächtig breitbandig existieren, darauf will mir nie jemand eine Antwort geben. Beispiel Musik: da gibt’s keine Preisbindung. Dennoch ist eine immense musikalische Vielfalt auch abseits des Mainstreams der Contentmafia Major Player der Branche gegeben, weil dank Internet inzwischen jeder seine Musik veröffentlichen und unter die Leute bringen kann, ohne auf die Musikindustrie angewiesen zu sein (übrigens auch mit der Hilfe von A … Uh, jetzt hätte ich fast was Falsches gesagt. Ich sag einfach mal: A…pple). Und mit den Selfpublishern passiert gerade im Bereich Buch etwas ganz Ähnliches, auch wenn die Branche das noch nicht so richtig gemerkt zu haben scheint. Aber die braucht halt immer etwas länger, weil sie, gebettet auf einem dicken, bequemen Kissen namens Buchpreisbindung, eher gen Altvater Gutenberg schielt, denn gen Internet-Zukunft im #neuland. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass Bezos aus dem Gebüsch gesprungen kam (ungefähr mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte) und der Branche gar mächtig einen mit der Kundenfreundlichkeits-Keule über den Schädel zog.
Weil sie dadurch ihre Monopolstellung verliertWorauf ich hinaus möchte: Eine Branche echauffiert sich über eine Monopolstellung und die schiere Marktmacht eines Anbieters. Warum tut sie das? Weil sie dadurch ihre Monopolstellung verliert. Früher musste ein Autor vor Verlagen zu Kreuze kriechen und hoffen, dass man ihn gnädig aufnimmt, seinen Text durch die Mühle dreht, um ein Drittel kürzt, schnell ein billiges Cover draufpappt und ihn dann mit Krumen abspeist. Warum? Weil die Verlage ein Monopol auf das Veröffentlichen von Büchern hatten. Ja, sicher war das ein Monopol, es war logistisch und technisch bedingt, weil nicht jeder zu Hause eine Druckmaschine rumstehen hatte oder weil man das Zeug nicht in die Buchläden bekam. Und weil sie sich um Preise keine Sorge machen mussten. Ob es sich dabei um einen oder drölf Verlage handelt, ist erst einmal irrelevant, denn das Resultat bleibt dasselbe.
Neben der Torwächterfunktion wurde aber über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, zudem eine Infrastruktur aus Verlagen, Zwischenhändlern und Buchhändlern geschaffen, die zwar nicht so richtig intransparent ist, die aber das Hineinkommen von unerwünschten Dritten äußerst schwierig macht.
Was ich damit meine? Einfach: Will man als Selfpublisher, dass seine Werke in einer Buchhandlung käuflich erwerbbar sind, dann braucht man zum einen eine ISBN (kost´ Geld) und zum anderen einen Eintrag ins VLB (das bedeutet in seiner Langform »Verzeichnis lieferbarer Bücher«), und das kost´ so richtig Geld – und vor allem immer wieder. Warum das so ist, weiß keiner. Gerade beim VLB: Man trägt heute seine Daten sogar selbst ein – und dafür wollen die einen Haufen Kohle sehen? Warum? Was vielleicht zu prä-Internet-Zeiten noch einen Sinn hatte, weil echte, papierne Kataloge gedruckt werden mussten, verliert im Informationszeitalter seinen Sinn komplett (außer vielleicht, um ein paar alteingesessene Sesselfurzer am Leben zu erhalten, die das schon immer so gemacht haben). Ja, ich sehe ein, dass auch ein Online-VLB administriert und gewartet werden muss – dennoch sind die Preise, um da hinein zu kommen, in keinster Weise auch nur annähernd gerechtfertigt.Warum muss man groteske Summen für einen VLB-Eintrag ausgeben?Alexander Skipis, der Chef des Börsenvereins, lamentiert ob des Streits von A … äh … von Bezos´ Bauchladen mit Bonnier ´rum und sagt doch tatsächlich, dass Autoren, die bei Amazon nicht gelistet sind, auch nicht existieren. Ja, wer ist das denn schuld? Und die nächste Frage: Warum ermöglicht es die Buchbranche den Selfpublishern nicht, auf derart einfache, günstige und abzockfreie Weise wie bei A … also ihr wisst schon bei wem … im ganz normalen Buchhandel gekauft werden zu können? Na? Warum nicht? Ihr könntet daran mitverdienen? Keinen Bock auf Verdienen? Warum muss man dann groteske Summen für einen VLB-Eintrag ausgeben? Weil der Laden künstlich am Leben gehalten werden muss? Oder weil man Selfpublisher draußen halten möchte? Warum können Buchhändler die Bücher von Kleinverlagen in diesem ach so tollen Katalog nicht finden?
Es geht hier nicht um den niedlichen Kleinverlag von nebenanIst das nicht noch eine viel größere Diskriminierung als jene, die (ich sags jetzt einfach) Amazon betreibt, indem sie mal ein paar Bücher verzögert ausliefern, weil sie im Clinch mit einem multinational agierenden Großkonzern wie Bonnier liegen? Es geht hier nicht um den niedlichen Kleinverlag von nebenan, ich wiederhole mich: auch Bonnier ist ein international agierender Konzern. Wer auch nur ansatzweise der Propaganda glaubt, es ginge hier um Leser, oder gar Autoren, der hat gigantisch einen an der Waffel. Es geht um Kohle für Bonnier, von mir aus auch Hachette oder eben für Amazon.
Doch zurück zum Indie-Publishing:
Warum sind so ziemlich alle Selfpublisher bei Amazon (jetzt ist eh alles verloren, egal, dann kann ich den Namen ja einfach weiter verwenden)? Weil Amazon es den Nutzern so ungeheuer einfach macht. Word-Datei hochladen, fertig ist das eBook, kurze Zeit später kann es erworben werden. Printbuch? Zwei PDFs hochladen (Inhalt und Cover), Stunden später kann es gekauft werden. Besonders interessant daran: dabei räumt sich Amazon im Gegensatz zu den deutschen Anbietern (die so ziemlich alle an einem namhaften Verlag oder einer Verlagsgruppe hängen) keine dreisten und umfangreichen Rechte an den Büchern ein.
Wo ist das Gegenangebot der Buchbranche? Klar, dass den Verlagen die Konkurrenz aus dem Indie-Lager nicht passt, kann man verstehen. Ebenso, dass sie deswegen überhaupt kein Interesse daran haben, diesen Amateuren auch noch Vorschub zu leisten (verdienen möchten sie dennoch dran, anders ist die mehr oder weniger verdeckte Aktivität mancher Verlagshäuser im Selfpublishung-Bereich kaum zu erklären).Aber: Warum hat der Buchhandel kein Interesse daran, Bücher von Selfpublishern zu verkaufen? Bringen die kein Geld? Doch, würden sie, aber tatsächlich kann man in einer Buchhandlung in den allermeisten Fällen keine Indie-Bücher bekommen.
Warum?
Da sind wir wieder beim VLB und anderen geheimen Schriften: Es wird nur in den bekannten Katalogen nachgeschaut, da sind die Indies (und auch Kleinverlage) nicht drin, oft weil sie sich den Regularien der Branche ebenso wenig unterwerfen wollen, wie deren wegelagerische Lösegelder für eine Listung in den Branchenkatalogen. Jetzt könnte man natürlich sagen: selbst schuld! Wenn ihr dabei sein wollte, dann zahlt
Das ist aber doch eine Denke aus dem letzten Jahrtausend!
Warum kann jeder den Namen eines Indie-Autoren in eine Suchmaschine der eigenen Wahl eingeben, die dann die Autorenwebseite ausspuckt, der gemeine Buchhändler aber nicht?Warum kann jeder den Namen eines Indie-Autoren in eine Suchmaschine der eigenen Wahl eingeben, die dann die Autorenwebseite ausspuckt, der gemeine Buchhändler aber nicht? Weil das außerhalb der bekannten Abwicklungs-Workflows ist? Das kann keine Ausrede sein. Wichtig sollte es doch sein, den Kunden, der genau dieses Buch möchte, zufriedenzustellen. Denn eins ist klar: bekommt der Leser das Buch beim Buchhändler nicht, bei Amazon kann er es garantiert kaufen, inklusive kostenloser Zustellung am nächsten Tag und ohne längliche Diskussion, dass es das Buch angeblich gar nicht gibt.
Der Buchhandel muss sich von den Spinnweben im Kopf lösen, muss die Möglichkeiten der modernen Kommunikation und Informationstechnologie endlich nutzen, wie das der größte Teil der Gesellschaft heute tut, weil es eben so verdammt einfach ist. Muss vorgestrige elitäre Standesdünkel ablegen (wobei sie das mit dem Verticken von Romantasy-Schmonzetten oder 50 Schattierungen von irgendwelchen Farben ohnehin schon lange getan haben). Was ist so schwer daran, auch die Bücher von Indie-Autoren zu verkaufen, wenn die Kunden sie haben wollen? Klar, der Aufwand ist etwas größer, als mal eben in den Standard-Katalog zu klicken und nichts weiter tun zu müssen, weil der Zwischenhändler dafür sorgt, dass der Schinken morgen im Regal liegt. Vielleicht muss man den Indie mal anrufen, oder ihm eine Email schreiben. Und der Versand dauert sicher auch länger. Aber der Aufwand lohnt sich doch, weil man damit Amazon Anteile abnehmen könnte und vor allem wieder im Ansehen der Kunden und der Indie-Autoren deutlich steigt.
Alle hätten gewonnen, Autoren, Leser und BuchhändlerWenn einer der Zwischenhändler schlau wäre, würde er einen ähnlich attraktiven (in jeglicher Hinsicht, also auch gerade in Sachen Rechtesparsamkeit) Print On Demand-Service schaffen, wie CreateSpace/Amazon es ist, der es aber ermöglicht, die Bücher über den Buchhandel bestellen zu können. Alle hätten gewonnen, Autoren, Leser und Buchhändler, weil Amazon nicht mehr der einzige brauchbare Anbieter wäre.
Doch solange diese Branche tief im Gestern gefangen ist und lieber nach gesetzlichem Festklopfen der fürs Internetzeitalter nicht mehr passenden fossilen Vorgehensweisen und Gegebenheiten ruft, wird daraus vermutlich nichts werden.
Liebe Buchhändler: Probiert es doch einfach mal. Sucht im Internet nach dem Autoren, dessen Printbuch der Kunde haben möchte, wenn ihr das in euren okkulten Katalogen nicht findet. Ruft ihn an, schickt ihr eine Email. Die senden euch das Buch bestimmt sehr gern und so schnell es geht. Auf Wunsch sogar mit Widmung, versucht das mal bei einem Verlag oder Zwischenhändler.
Liebe Indie-Autoren: Haltet die Kontaktinformationen auf euren Webseiten aktuell und nachvollziehbar und antwortet schnell, wenn ein Buchhändler anfragt.
Liebe Leser: Fragt beim Buchhändler eurer Wahl nach Büchern von Independent-Autoren (und Kleinverlagen). Je mehr von euch das tun, desto schneller wird es sich in den Köpfen festsetzen, dass man die ohne Standesdünkel anbieten muss.
Doch solange der Buchhandel die Indie-Autoren durch Ignorieren noch viel schlimmer benachteiligt (und damit kommen wir zum Titel dieses Artikels), als Amazon das durch Lieferverzögerungen mit Verlagsgiganten tut, wird sich nichts verbessern. Denkt mal drüber nach.
p.s.: Ich hör schon die üblichen »Argumente«: »Aber … aber … das geht doch nicht … wir können doch nicht auf einmal alles anders … die Strukturen … der Zwischenhandel … das haben wir noch nie so gemacht …«
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Abbildungen:
»Sowjetisches Buch«, aus Wikimedia Commons, Urheber Bundesarchiv, CC BY
Espresso Print On Demand-Maschine: Pixabay, CC 0
Kugelschreiber: Pixabay, CC 0
Warning: Pixabay, CC 0
@PhantaNews Ein interessanter Beitrag, der mich zu einer Reaktion darauf in meinem Blog motiviert hat. http://t.co/Q5vp3165x9
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… und früher war sowieso alles besser …
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Danke, für diese Ausführungen, die den Nagel wieder einmal genau auf dem Schädel erwischt haben.
Leider übersieht der Kommentator scifiwatchman in seiner Replik, dass ich bereits diverse Artikel zu diesem Thema verfasst habe und beschäftigt sich nur mit diesem. Ich bin keineswegs der Ansicht, die existierenden Strukturen müssten in der bestehenden Form erhalten bleiben, ganz im Gegenteil. Ich bin allerdings im Gegensatz zum Kommentator Realist und weiß, dass die Branchenstrukturen sich nicht von heute auf morgen über den Haufen werfen lassen. Insbesondere deswegen nicht, weil die gesamte Branche zutiefst konservativ ist und deswegen erhebliche Beharrungskräfte herrschen.
Die Branchenerneuerung wird aber vermutlich von ganz alleine kommen, sollten die Protagonisten so weiter machen wie bisher, als gäbe es keinen Medienwandel und kein Internet. Und das wird dann keine leichte Cäsur.
Merkwürdig auch der Hinweis darauf, dass ich am Amazon-Partnerprogramm teilnehme, als ob das etwas Ehrenrühriges sei (zumal er selbst ebenfalls Teilnehmer ist). Der Kommentator kann ja mal versuchen, sich am Affiliateprogramm eines beliebigen Buchhandelsprotagonisten zu beteiligen, dann wird er schnell herausfinden, warum ich das nicht tue. Auch darüber habe ich übrigens bereits einen Artikel verfasst.
Jetzt komm ihm doch nicht mit Fakten wenn er schon eine Meinung hat… ;)
Hallo Stefan,
zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Du auf meinen Beitrag hier in den Kommentaren eingegangen bist.
Weil auch ich an Fakten interessiert bin, sind hier mal zwei: Da auch ich der Meinung bin, dass sich der Buchhandel nicht über Nacht revolutionieren lässt, weshalb ich das auch in meinem Beitrag nirgendwo so geschrieben habe, bin ich genau so ein Realist wie Du. Außerdem nehme ich an keinem Affiliate-Programm teil. Ich weise in der Sidebar meines Blogs als „Lesetipp“ auf einen Roman hin, der mir sehr gut gefallen hat. Der Autor hat als Self-Publisher Amazon als alleinigen Vertriebsweg gewählt. Gelangt jemand über meinen Blog auf die Produktseite des Romans und kauft ihn dort, bekomme ich dafür keinen Cent.
Unterm Strich war mir nach dem Lesen nicht vollständig ersichtlich, was die Intention Deines Artikels war. Regt Dich das Gejammere der Verlage und des Handels derart auf, dass Du einfach mal Dampf ablassen musstest? Dies könnte ich sogar nachvollziehen, doch in meinen Augen lohnt es sich nicht, wegen der Unbeweglichkeit anderer Leute Energie und Zeit zu verschwenden. Wenn Du möchtest, darfst Du das natürlich tun, denn es ist allein Deine Sache. Wenn es hingegen Deine Absicht war, dem Handel nicht nur die Leviten zu lesen, sondern auch Wege aufzuzeigen, wie es sich wandeln und dadurch langfristig überleben kann, dann ist das zwar ein lobenswerter Versuch, aber aus meiner Sicht ein vergeblicher. Das gedruckte Buch wird auf absehbare Zeit ein Nischenprodukt sein und die örtliche Buchhandlung eine Randerscheinung. Und zwar allein deshalb, weil der Kunde es so will. Es ist nämlich viel praktischer, hunderte Bücher auf dem E‑Book-Reader verfügbar zu haben, als sich etliche Regalmeter mit Totholz zu füllen. Darum wird auch kein Wandel und kein Umdenken den Buchhandel vor seinem Schicksal bewahren. Du darfst das selbstredend anders sehen. Diskussionen sind ja schließlich nur spannend, wenn es unterschiedliche Ansichten gibt.
In diesem Sinne,
Watchman
Ich finde in Deinem Link zu Amazon einen Affiliate-Parameter fürs Partnerprogramm. Solltest Du nicht daran teilhaben, solltest Du vielleicht über den verwendeten Link nachdenken (tag=derstekankunf-21).
Ich bin ja nun wirklich ein großer eBook-Fan, aber das Szenario, das Du hier entwirfst entbehrt jeder Grundlage. Es ist keineswegs so, dass das Printbuch ein Auslaufmodell ist und es ist auch nicht so, dass es in absehbarer Zeit ein Nischenprodukt sein wird. Nichts deutet darauf hin. Es wird eine Nebeneinander von Print- und eBook geben, wer etwas anderes behauptet, kann mir nicht erläutern, wie er darauf kommt. »Praktisch« hin oder her, es wird noch mindestens ein bis zwei Generationen dauern, bis das Printbuch in Vergessenheit versinkt, wenn überhaupt. Wer der Ansicht ist, dass das in naher Zukunft passiert, der hat – mit Verlaub – kein Ahnung.
Davon abgesehen glaube ich auch, dass der Buchhandel einem üblen Schicksal entgegen geht. Aber nicht unbedingt aufgrund des eBooks. Und schon gar nicht, weil »der Kunde« es »so will«. Das ist ein Totschlagargument, weil es nicht widerlegbar ist, deswegen lasse ich es auch nicht gelten. Der Kunde will:
- günstige Preise
– schnelle Lieferung
– guten Service
Wer das kann, ist sekundär, es muss nur irgend jemand können. Im Moment kann es Amazon, in Zukunft kann das vielleicht jemand anderer sein. Auch der Buchhandel, wenn es endlich einen Wandel in der Wahrnehmung der Buchhändler gibt. Mn muss nicht besser alsAmazon sein, man muss anders als Amazon sein. Und dazu gehört auch, die indies nicht mehr zu ignorieren.
Wer bin ich, dem Handel die Leviten zu lesen? Das greift auch zu kurz, denn »der Handel« ist in der Buchbranche nicht das Problem (na gut, ein wenig, weil sie so weiter machen wie immer). Das Problem ist das gesamte Konglomerat aus Verlagen, Zwischenhandel und Buchhandel. Der Buchhandel ist dabei das schwächste Glied, das abseits der großen Ketten wenig bis kaum Einfluss hat. Theoretisch über den Börsenverein, aber der ist ja auch ein zahnloses Monstrum, das nur brüllt, aber nie beißt (und ansonsten wie ein großäugiges Kind staunend vor dem gigantischen zirkus »Internet« steht, und keine Ahnung hat, was das ist).
Ich kann meine Meinung zu diesem Themenkomplex sagen. Sicher. Das tue ich hier auch, immer wieder, in zahllosen Facetten. Such mal nach den Artikeln und den Kommentaren, in denen ich von Buchhändlern oder Autoren angegangen wurde. Fakt ist aber: ich habe nichts gegen Buchhändler. Die haben mich in den ersten 25 Jahren meiens Lebens ganz gut versorgt (jetzt bin ich fast doppelt so alt). Wenn ich meinen Lesestoff heute als eBook kaufen und einem coolen Buchhändler gutschreiben könnte, würde ich das nutzen, denn verödete Innenstädte nutzen auch keinem (leider kenne ich keinen coolen Buchhändler – der letzte war ein Comichändler). Leider sehe ich noch nicht mal den Ansatz eines Umdenkens in der Branche – und das wird ihr das Genick brechen, nicht Amazon, Apple oder Google.
»Energie und Zeit verschwenden«? Zeit in der man Spaß hat ist nie verschwendet. :)
Abschließend: es ging gar nicht um Print- oder eBook, das Thema war ein ganz anderes. Nämlich dass die klassische Branche die Selfpublisher zu ignorieren und auszugrenzen versucht, statt sie mit ins Boot zu nehmen. Und das ist a) das Thema, und b) nichts anderes als dumm.
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Ich würde vermuten, dass das Problem weniger qualitativer als vielmehr wirtschaftlicher Natur ist und dass man zwei Fälle unterscheiden muss:
(1.) das Besorgungsgeschäft, wenn ein Kunde mit einem konkreten Titelwunsch in die Buchhandlung kommt sowie
(2.) die Aufnahme eines SP-Titels ins eigene Sortiment.
Um die Mindesthürde = Bestellbarkeit für das Besorgungsgeschäft zu nehmen, muss der Titel zwangsläufig eine ISBN besitzen, beim VLB gemeldet sein sowie an die buchhändlerische Infrastruktur angeschlossen sein. Ist dies der Fall, würde es mich sehr wundern, wenn nicht jeder Buchhändler den gewünschten Titel bestellen würde (alleine schon aus Gründen des Kundenservice).
Den zweiten Fall = Aufnahme in eigene Sortiment dürfte in der Regel aus rein wirtschaftlichen Gründen scheitern, insbesondere wenn bessere Konditionen als von »etablierteren« Verlagen gefordert werden. Das ist für Einzeltitel – Stichwort: Transaktionskosten ** – schlicht nicht zu realisieren.
Buchhandlungen nutzen in der Regel so genannten Bündelungen über Auslieferungen oder Großhändler = 1 Bestellung, 1 Lieferung, 1 Lieferschein, 1 Arbeitsvorgang, 1 Abrechnung. Und selbst in solchen effiziensoptimierten Fällen reichen die Margen kaum zum Leben, da sich ein Buchhändler ja nicht nur selbst versorgen muss, sondern zusätzlich einen Laden und Mitarbeiter unterhalten muss.
Um wirklich etwas an der Situation ändern, wäre es vielleicht eine Überlegung, eine gemeinsame Vermarktungs- und Vertriebsgemeinschaft zu gründen? Damit wäre allen Seiten geholfen. PoD-Dienstleister helfen da nicht, das reicht allenfalls für die Bestellbarkeits-Hürde.
= = = = =
** zu den Transaktionskosten: Vereinfacht gesagt ist die Frage, wie viel Zeit man für einen Titel investieren muss und was die eigene Zeit im Verhältnis zur Handelsmarge kostet. Ein Beispiel (ganz gleich ob Verlag oder Selfpubisher):
– Kommuninkation mit dem Anbieter
– Information über den Titel (Waschzettel / Leseprobe)
– Bezugsweg recherchieren + Titel bestellen
– Bestellung auspacken
– Lieferschein checken und ablegen
– Titel ins Warenwirtschaftssystem einpflegen (optimal: Barcode-Scan)
– Titel präsentieren oder ins Regal räumen
– Titel verkaufen (1): Verkaufs- / Beratungsgespräch
– Titel verkaufen (2): Bezahlvorgang abwickeln
– Titel mit Anbieter abrechnen
(Horror = Einzel-Rechnung + Einzel-Überweisung)
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Wer für alle mit dem Verkauf eines Buches anfallenden Vorgänge unter dem Strich weniger als eine halbe Stunde braucht, ist verdammt schnell. Ich würde vermuten, dass deutlich mehr Zeit aufgewendet werden muss, insbesondere, da wir keine geschlossene Prozesskette haben, sondern zwischen jedem Schritt notgedrungen eine zeitliche Pause liegt, was wiederum zu Reibungsverlusten führt.
Ließe man das Ganze einen Angestellten machen, der lediglich den Mindestlohn von EUR 8.– bekäme (was auf Arbeitgeberseite etwas über EUR 10.– wäre), müsste der Buchändler mindestens EUR 5.– Marge haben, allein um die Kosten für den einzelnen Mitarbeiter zu decken, womit für das Ladengeschäft aber noch keine Kostendeckung erreicht wäre.
D.h. unter dem Strich bedeutet jede Beschäftigung mit einzelnen Titeln, egal ob von Verlags- oder Selfpublisherseite einen dicken Verlust, den sich kein Buchhändler leisten kann, wenn er nicht in die Insolvenz schlittern will.
Rentabel wird das Ganze nur, wenn man Skaleneffekte (insbesondere über Bündelung und Bestseller-Geschäft) nutzen kann – da bilden Buchhändler im Wirtschaftsleben leider keine Ausnahme.
Nein muss es nicht. Das hat sich in den Köpfen der Buchhändler festgesetzt und genau das ist eins der Kernprobleme. Die Kosten für eine VLB-Listung sind grotesk hoch und nicht zu begründen. Und wie mir verschiedene Kleinverlage erklärt haben, können ihre Bücher trotzdem nicht gefunden werden. Diese uralten Branchenrituale müssen weg, oder zumindest dürfen sie nicht mehr alternativlos sein, sonst kauft der Kunde anderswo.
ISBN und VLB sind Relikte. Wer darauf beharrt, muss sich nicht wundern, wenn bei Amazon bestellt wird.
Was ist rentabler? Wenn der Kunde bei einem selbst kauft und weil er zufrieden ist dann wiederkommt, oder wenn man ihn an Amazon verliert? Mit »das geht nicht, das können wir nicht, das haben wir noch nie so gemacht« hat sich die Branche in die derzeitige Situation manövriert. Einfach so weiter zu machen wie bisher löst die Probleme nicht. Die Mitarbeiter stehen eh im Laden rum und haben definitiv nicht ständig zu tun, da können sie auch mal eine Bestellung abwickeln, wie sie im gesamten restlichen Einzelhandel möglich ist.
»Die Kosten für eine VLB-Listung sind grotesk hoch«
Das Argument würde ich verstehen, wenn wir beispielsweise in den USA lebten, wo eine einzelne ISBN sage und schrieben $ 125.– kostet. Da sind hierzulande selbst die kombinierten Kosten von ISBN + VLB deutlich günstiger.
»ISBN und VLB sind Relikte. Wer darauf beharrt, muss sich nicht wundern, wenn bei Amazon bestellt wird.«
Auch das möchte ich so nicht stehen lassen – sicherlich kann man über das VLB in seiner aktuellen Form streiten, da es in der Tat nicht mehr zeitgemäß ist und dehalb auch gerade eine Generalüberholung erfährt.
Die ISBN hingegen ist, wie der Name schon sagt, eine INTERNATIONALE Standard Book Number, d.h. der weltweite Buchhandel basiert auf diesem gemeinsamen Identifizierungssystem. Ohne ISBN würde selbst bei Amazon nichts laufen (ich weiß, dass sie in ihrem Selfpublishing-Berereich Ausnahmen machen, aber dafür gibt es die Titel dann auch nur bei Amazon).
Jede Bracnhe benötigt ein System zur eindeutigen Identifizierung von Waren – für die Buchbranche ist (und bleibt) das die ISBN.
Und wer seine Titel sauber einpflegt, der wird auch gefunden, selbst als Kleinstverlag. Wer die Verlegerei allerdings wirklich professionell btreiben möchte, wird nicht umhin kommen, sich auch eine professionelle Auslieferung zu suchen sowie seine Titel bei den Barsortimenten = den Großhändlern der Bracnhe listen zu lassen.
In der Regel auchen Buchhändler nämlich zuerst im Katalog ihres Barsortiments und erst wenn der Titel darüber nicht lieferbar ist, wird er über die Auslieferung bestellt, was dann eben nicht einen Tag (wie über den Großhändler) dauert, sondern 3–4 Tage.
Wer aber nicht über den Großhandel gelistet ist und auch keine eindeutig identifizierbare Auslieferung hat, der wird in der Tat schlecht oder auch gar nicht gefunden.
Ich gehe darauf jetzt nicht detailliert ein, aber ich antworte: nein! Man muss sich den überkommenen Traditionen der Buchbranche auf gar keinen Fall unterwerfen. Dieses Beharren auf alten Strukturen ist ein Teil des Problems, Amazon hat die nämlich bis auf die ISBN einfach ignoriert.
Das ist falsch. ich kenne genug Kleinverleger, die mir was anderes erzählen – und die sind garantiert nicht alle zu dumm. Diese Fixierung auf den Großhandel, der zudem auch noch massenweise Bücher einfach aus dem Katalog wirft (siehe libri) ist eines der großen Probleme der Branche.
Den Status Quo zu erhalten wird dazu führen, dass Amazon noch mehr Macht und Anteile erlangt. Wer nicht sieht, dass das grundlegend überarbeitet gehört, der klammert sich an ein untergehendes Schiff. Buchhändler, sie nicht in der Lage sind, eine Suchmaschine zu bedienen, werden untergehen.
Ach ja:
Quelle: http://www.german-isbn.org/isbn_start_text.html/10012/
Versandkosten??? Was für Versandkosten? Der oben genannte Preis von 125 USD wären übrigens derzeit umgerechnet 93.56 Euro … Was ist da »deutlich günstiger«?
»Buchhändler, die nicht in der Lage sind, eine Suchmaschine zu bedienen, werden untergehen.«
Da gebe ich Ihnen absolut Recht. Das Problem ist aber nicht die Bedienung einer Suchmachine, sondern automatisierte Schnittstellen und etablierte Prozesse.
Genauso wie es Amazon seinen Kunden einfach macht, mit einem Klick zu bestellen, leisten das das VLB und die Großhändler für die Branche, d.h. etablierte Bestell- und Abwicklungsprozesse inklusive Logistik, Warenwirtschaft, Rechnugslegung und Buchhaltung.
Jede Branche hat ihre eigenen Systeme und Gepflogenheiten, die den Geschäftsverkehr untereinander einfacher, schneller, effizienter und nicht zuletzt rechtssicher machen – weil man untereinander Verträge und Vereinbarungen hat, die jeder kennt und akzeptiert.
Ohne ektronische Kassensysteme mit angeschlossener Warenwirtschaft sowie einen voll computergestützten Arbeitsablauf (mit den entsprechenden Programmen, Schnittstellen und Systemen) würde heute kein Betrieb funktionieren, in keiner Branche. Und dafür braucht es verbindliche Standards, nicht Google.
Dann der Branche weiterhin viel Erfolg mit den verbindlichen Standards. Wohin das führt, sehe wir ja gerade. Und ich verweise auf die Kommentare weiter oben, in denen sich ein Buchhändler meldet und darauf hinweist, dass es mit ein klein wenig Aufwand auch ohne geht. Solche Buchhändler haben eine Chance.
Der Rest sind pure Ausreden einer erstarrten Branche. Das mag so vielleicht für eine Kette gelten, der sprichwörtliche »kleine Buchhändler« sollte die Flexibilität besitzen (und hat sie offenbar auch, siehe oben), seinen Kunden auch ohne »verbindliche Standards« zu bedienen. Es verlangt ja niemand, die »verbindlichen Standards« aufzugeben. Es muss aber zusätzlich auch ohne gehen. Wenn man das nicht will, ist es das eigene Problem.
»Google« ist übrigens ein gutes Stichwort. Die verkaufen auch Bücher. Ohne »branchenübliche, verbindliche Standards«.
p.s.: bloss, gut, dass man auf dem Markt oder beim Bauern immer noch Äpfel ohne EAN-Nummer kaufen kann. Äpfel != Birnen? Mag sein …
Bin erst heute auf diese Beiträge gestossen (über einen Verweis im »Schweizer Buchhandel« vom August). Bin über 70 und war mein halbes Leben im Buchhandel tätig (Laden, Vertrieb/Vertretung, Verlag). Gewiss eine konservative Branche (wenn denn konservativ nur was Negatives wäre…). Hab am Schluss tageweise in einer Kleinbuchhandlung gearbeitet, die sich durchaus auch um Texte bemüht, die ausserhalb des klassischen Buchsystems erscheinen. Und ich hab bald überfordert aufgegeben, weil mir die Buchladenarbeit (war vorher Buch-Vertreter) viel zu aufwendig und kompliziert war.
Wenn nun diese Strukturen verschwinden, wie komme ich dann an mich interessierende Texte (die auch in Stil und Sprache geniessbar sind)?
Verlage/Buchhandlungen sind/waren Filter, deren Auswahl auf einem sehr weiten Begriff von interessant/lesenswert beruhten. Da ist bestimmt sehr vieles nicht publiziert worden, was es vielleicht doch wert gewesen wäre (und es geht vieles durch den Filter, das in meinen Augen nicht wert ist, auf Papier gedruckt oder im e‑book veröffentlicht zu werden). Wenn diese Filter verschwinden (ich kenn viele der an diesem System beteiligten Menschen direkt oder indirekt und kann deren Urteil einordnen), wie finde ich mich in Wust der im Netz kursierenden Texte zurecht? Da gibt’s dann entsprechende Portale (?)
die diese Filterfunktion haben. Ist das so viel anders als vorher? Und noch was: in den Verlagen arbei(te)ten LektorInnen, die die Texte lesbarer gemacht haben (ich habe hunderte von unlektorierten Texten gelesen…).
Vielleicht ist diese Bemerkung überflüssig: Ein schön gemachtes Buch ist was vom tollsten, das es gibt, ein Bildschirm (als solcher) immer gleich langweilig.
In meinen Augen ist Konservativ durchaus nichts Positives, insbesondere dann, wenn es verbohrtes Verharren bei Altem bedeutet.
Um an lesbare Texte zu kommen, kann man problemlos die gigantische Ressource Internet verwenden. Auch ohne Vorschlagssysteme.
Verlage sind Filter, die vor allem das verkaufen wollen, was ihnen (vermeintlich) Geld einbringt. Und die dabei häufig falsch liegen. Um irgendeine Kultur geht es doch schon lange nicht mehr. Im Web gibt es ungefilterte Meinungen zu fast allem, so dass man sich ein Bild machen kann, auch ohne irgendwelche »Portale«, mit denen vermutlich Onlinehändler gemeint sind – dann ist die Begrifflichkeit falsch.
Das mit dem Bildschirm und der Totholz-Fetischismus werden sich innerhalb einer Generation erledigt haben. Ich persönlich finde Bücher immer öfter anstrengend, weil sie unergonomisch und unbequem sind. Wichtig ist der Text, der auch beim eBook ansprechend aufbereitet werden kann. Außerdem ist Bildschirm nicht gleich Bildschirm. Schon bei den ersten Generationen eInk-Displays war das Leseerlebnis wie bei einem Buch, und die neuen Geräte sind sogar noch deutlich besser. Ich habe bisher jeden Senior, dem ich einen eReader demonstriert habe, innerhalb kürzester Zeit überzeugt. Sogar solche, die nicht technikaffin sind.
Zum Abschluss: Ich habe lange im Einzelhandel gearbeitet. Wenn da ein Kunde etwas haben will, dann wird das bestellt, im Zweifelsfall auch direkt beim Hersteller. Ist VÖLLIG normal. Dass Buchhändler derart zicken und Bücher nicht beschaffen wollen, weil der Aufwand angeblich zu hoch ist, zeigt, in welcher abgeschlossenen Traumwelt die leben. Wer so agiert muss sich nicht wundern, wenn die Kunden abwandern. Und mein Mitleid hält sich dann auch in Grenzen.