Nein! Doch! Oh!
Die Rahmenbedingungen sind in meinen Augen fast schon grotesk zu nennen. Zum einen muss man sich zwingend registrieren und dabei personenbezogene Daten wie den Realnamen angeben (was ist mit der gesetzlichen Vorgabe laut Telemediengesetz, Onlineangebote auch anonym oder mit Pseudonym nutzen zu können? Warum will MVB sich bei einer Anmeldung einräumen, die Kreditwürdigkeit des Blogbetreibers zu prüfen?). Zum anderen weist man darauf hin, dass Buchcover rechtssicher zu nutzen seien, wenn man sich den Vorgaben unterwirft. Auf der Seite spricht man tatsächlich konkret von »rechtssicher« und baut in meinen Augen eine reine Drohkulisse im Zusammenhang mit dem Urheberrecht auf Buchcover auf, sollte man sich nicht an ihre Vorgaben halten. Dummerweise wurde das allerdings offenbar von jemandem verfasst, der weder über technische noch rechtliche Expertise verfügt.
Die Drohkulisse verweist auf das Urheberrecht in Sachen Buchcover und auf »strafrechtliche Folgen« (ich lachte). Man kann auf der Seite lesen:
Zur Erklärung:
Buchcover unterliegen dem Urheberrecht und dürfen daher
- nur in einem entsprechenden und eindeutigen Zusammenhang mit dem Titel gezeigt werden.
- bei Euch auf dem Blog nicht lokal gespeichert werden.
- nicht bearbeitet oder verändert werden.
- nicht in Teilen/Ausschnitten dargestellt werden.
Denn: dies verstößt gegen das Urheberrecht und das kann strafrechtliche Folgen haben.
Aha. Der Hinweis auf Bearbeitung und Veränderung ist korrekt. Der Hinweis auf Teile und Ausschnitte auch, wobei das ohnehin eine Veränderung ist und deswegen bereits vom vorhergehenden Punkt abgedeckt wurde. Doppelt gemoppelt hält in den Augen der MVB vielleicht besser. Aber der Rest drängt mich heftigst zum Gesichtspalmieren…
Ein Cover darf im Zusammenhang mit einer Rezension des zugehörigen Buches abgebildet werden. Ja, ich weiß, die Meinungen von Juristen gehen hier auseinander und das Thema ist überaus komplex, aber Rechtsanwalt Schwenke, der sich immer wieder sachkundig zu Netzthemen äußert (der ist wirklich einer von den Guten!), hat dazu eine eindeutige Meinung: Eine Coverabbildung bei einer Rezension ist statthaft – und das ohne die merkwürdigen und verschwurbelten Vorgaben der MVB. Dazu muss auch kein Blogger irgendwelche Nutzungsbedingungen der MVB anerkennen. Warum auch?
Der Knüller sind in meinen Augen aber folgende Passi:
Buchcover unterliegen dem Urheberrecht und dürfen daher
…
bei Euch auf dem Blog nicht lokal gespeichert werden.
…
Denn: dies verstößt gegen das Urheberrecht und das kann strafrechtliche Folgen haben.
Erstens: Ein Buchcover wird auf Blogs (oder anderen Webseiten) als Bilddatei von Speicherplatz auf einem Server eingebunden und dann innerhalb der Seite dargestellt. Wo sich dieser Speicherplatz der Datei genau befindet, ist technisch völlig irrelevant, weil der Nutzer der Webseite das ohnehin nicht nachvollziehen kann, ohne in den Seitenquelltext zu schauen (und wer macht das schon?). Denn die Darstellung des Bildes findet auf der aufgerufenen Webseite statt, egal wo es herkommt. Damit unterliegt die Darstellung auch dem der Kontrolle des Betreibers der Webseite, denn der weiß wo es liegt. Ob sich das Bild auf dem Server des Blogs befindet oder auf dem Server von buchhandel.de ist in Sachen Urheberrecht VÖLLIG IRRELEVANT. Denn das Bild wird immer auf der Seite des Bloggers dargestellt. Ob der das selbst hochlädt, oder es in einem Content Delivery Network liegt, oder bei Buchhandel.de, hat so mit dem Urheberrecht ABSOLUT NICHTS ZU TUN. Wenn die MVB mit ihrer Wortwahl hier einen anderen Eindruck erwecken möchte, dann ist das schlichtweg objektiv falsch und reine Panikmache – oder eben Drohkulisse. Und – nochmal ganz deutlich: Der Verstoß gegen das Urheberrecht (wenn es ihn denn gäbe) ist selbstverständlich nur davon abhängig, dass man das Bild auf der eigenen Seite einbindet, und definitiv NICHT davon, wo die Datei liegt. Wer so etwas wie oben schreibt, der hat weder Ahnung von Internettechnologie, noch von rechtlichen Belangen. Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie die MVB auf diese Formulierung kommt, und warum man dort vertreten kann, das sei so. ES! IST! FALSCH!
Zweitens: Selbst wenn eine Verwendung einer Covergrafik ein Urheberrechtsverstoß wäre, was im Einzelfall bewertet werden müsste (siehe dazu nochmal den verlinkten Artikel von RA Schwenke weiter oben), dann hat das KEINERLEI strafrechtliche Konsequenzen, denn ein Urheberrechtsverstoß ist zivilrechtlich relevant. Vielleicht sollte mal jemand den Webseiten-Redakteuren bei MVB den Unterscheid zwischen Straf- und Zivilrecht erläutern. Dringend.
Liebe Buchblogger: Lasst euch nicht verunsichern. Meiner Ansicht nach versucht buchhandel.de euch mit der Vortäuschung falscher Tatsachen dazu zu bringen, ihre in meinen Augen abstrusen Nutzungsbedingungen anzuerkennen.
Und dabei haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, dass etliche der aus Stockfotos zusammengeklickten, nicht selten peinlichen, Simpelcover der Publikumsverlage vermutlich die Anforderungen an die notwendige Schöpfungshöhe für einen urheberrechtlichen Schutz ohnehin gar nicht erfüllen.
Ich werde bei der MVB nachfragen, wie sie die oben beschriebenen meiner Meinung nach falschen Aussagen inhaltlich und auch rechtlich begründen. Die Antwort (wenn ich denn eine bekomme) wird hier wiedergegeben. Was ich aber überhaupt nicht verstehen kann: Dass manche Seiten die vermeintlich großzügige Erlaubnis, Cover auf Buchblogs abzubilden, als große, tolle Nummer und Großzügigkeit der MVB abfeiern. Wacht mal auf! Ihr seid Bürgerjournalisten. Ihr macht für die Verlage kostenlose Werbung. Ihr seid denen nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert – und ihr müsst schon lange nicht alle abstrusen Nutzungsbedingungen anerkennen! Erst recht müsst ihr nicht auf ein Webangebot verlinken, das euch solche merkwürdigen Vorgaben aufzwingen will. Und Verlage, bei denen euch ewig gestrige, arrogante Vollhonks in den Chefetagen dafür abmahnen wollen, bei einer Rezension die Coverabbildung zu verwenden, gehören meiner Ansicht nach geshitstormt und boykottiert.
[Update 12:20:]
Folgende Anfrage ging soeben an MVB raus:
Sehr geehrte Damen und Herren,
auf Ihrer Seite mit der URL
http://info.buchhandel.de/blogs/unser-angebot-fuer-blogger.html
schreiben Sie unter anderem:
»Buchcover unterliegen dem Urheberrecht und dürfen daher
- nur in einem entsprechenden und eindeutigen Zusammenhang mit dem Titel gezeigt werden.
- bei Euch auf dem Blog nicht lokal gespeichert werden.
- nicht bearbeitet oder verändert werden.
- nicht in Teilen/Ausschnitten dargestellt werden.
Denn: dies verstößt gegen das Urheberrecht und das kann strafrechtliche Folgen haben.«
Dazu einige Fragen:
1. Warum halten Sie den Speicherort der Bilddatei für hinsichtlich des Urheberrechts relevant? Tatsächlich ist es für den Webseitenbesucher nicht offensichtlich, von woher die Datei eingebunden wird. Der eigentliche Vorgang der Bildeinbindung auf der jeweiligen Webseite ist der möglicherweise urheberrechtlich relevante Vorgang, nicht aber, wo die Bilddatei »physikalisch« liegt. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage schreiben Sie eine Einbindung von ihrem Server vor? Sie weisen ja eindeutig in diesem Zusammenhang auf das Urheberrecht hin. Meiner Ansicht nach, existiert keinerlei Passus im Urheberrecht, der sich mit Dateispeicherorten befasst.
Nach rechtsanwaltlicher Meinung ist die Abbildung eines Covers zu einer Rezension des zugehörigen Buches grundsätzlich ohnehin statthaft. Siehe beispielsweise:
http://rechtsanwalt-schwenke.de/wann-ist-ein-bildzitat-erlaubt-anleitung-mit-beispielen-und-checkliste/
Sehen Sie das anders?
1.1 Können Sie sicherstellen, dass die Cover auf ihren Servern dauerhaft verfügbar sind? Oder müssen die Blogger damit rechnen, dass diese in der Zukunft plötzlich verschwinden, da sie auf den Servern nicht mehr vorgehalten werden?
2. Warum sehen Sie eine strafrechtliche Relevanz? Sollte ein Urheberrechtsverstoß vorliegen ist dies ausschließlich zivilrechtlich relevant, oder sind Sie anderer Ansicht?
3. In der Datenschutzerklärung zur zwingend notwendigen Bloggeranmeldung schreiben Sie:
»2. Kreditprüfung
Zum Zwecke der Kreditprüfung werden MVB von der Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Postfach 500 166, 22701 Hamburg, die in ihrer Datenbank zur Person des Kunden gespeicherten Adress- und Bonitätsdaten einschließlich solcher, die auf der Basis mathematischstatistischer Verfahren ermittelt werden, zur Verfügung gestellt, sofern MVB das berechtigte Interesse glaubhaft dargelegt hat.«Warum sind sie der Ansicht, für eine reine Covernutzung eine Kreditprüfung des Bloggers durchführen zu müssen?
4. Warum wollen Sie suggerieren, dass Blogger sich zwingend bei der MVB anmelden müssen, um Buchcover in Rezensionen nutzen zu können?
Für eine Beantwortung der Fragen bedanke ich mich im voraus und weise darauf hin, dass die Antwort auf test.phantanews.de veröffentlicht werden wird.—
Mit freundlichem Gruß,
Stefan HolzhauerPhantaNews.de
Phantastische Nachrichten
[Update 24.03.2015:] In einem weiteren Artikel die Antwort von MVB
Pingback: Buchhandel.de, Cover und die Blogger: Die Antwort von MVB - PhantaNews
Ein toller Artikel, danke!