Den Namen Tad Williams kennt der Phantastik-Fan durch Epen wie die OTHERLAND- oder die OSTEN ARD-Reihe, letztere mit dem Roman DER DRACHENBEINTHRON. Williams wurde kürzlich in einem Video-Interview von Mediapublishing-Studenten der Hochschule der Medien in Stuttgart zum Thema Selfpublishing befragt (und ich frage mich: warum nutzen ausgerechnet Mediapublishing-Studenten das Bildformat 4:3? Aber das nur am Rande).
Für den Autor kommt nach seinen Aussagen Selfpublishing nicht in Frage, da er sich auf das Schreiben konzentrieren will und er beim Independent-Verlegen zu viele Marketing- und Publicity-Dinge nebenher machen müsste. Außerdem sagt der Autor: »Auch wenn alle über Selfpublishing reden, weiß niemand, was passieren wird«.
http://www.youtube.com/watch?v=iUoM__JbhqkDoch auch wenn er eine Menge wirklich kluge Dinge sagt, da irrt der Meister vermutlich. Erst gestern berichtete Ansgar Warner auf e‑book-news darüber, dass die verlegten Titel in Sachen Selfpublishing in den USA jene der klassischen Buchbranche bereits um ein Vielfaches übersteigen:
… das potentielle, bisher unausgeschöpfte Marktvolumen liege bei 52 Milliarden Dollar, und damit etwa doppelt so hoch wie der aktuell von klassischen Verlagen erzeugte Umsatz.
Selbst wenn man Reprint und gemeinfreie Klassiker herausrechnet, werden via Self-Publishing schon jetzt acht mal mehr Titel verlegt als auf klassischem Weg. Die Zahl der Independent-Autoren übersteigt die der Verlagsautoren sogar um das 100-fache.
Das liegt unter amderem daran, dass man CreateSpace-Bücher in den USA auch über das Barsortiment bekommt – oder ganz profan ausgedrückt: im Buchhandel. Eine Situation, von der die deutschen Selfpublisher nur träumen können. Es handelt sich um »verdeckten Zahlen«, denn die US-Buchbranche nimmt Verkäufe von Independent-Autoren bisher nicht oder kaum in ihre Statistiken auf – genau wie hierzulande.
Auf e‑book-news.de heisst es weiter:
Fragt sich natürlich: Und was ist mit Deutschland? Interessanterweise hat ja die Frankfurter Buchmesse das Self-Publishing medienwirksam zum Top-Thema des Jahres 2013 gemacht. In den Messehallen selbst werden jedoch mal wieder die Produkte von klassischen Verlagen das Bild bestimmen, ein Bild, das aber die tatsächlichen Marktstrukturen verschleiern dürfte.
Und das ist in meinen Augen die größte Lachnummer: die Betreiber der Buchmesse (also im Prinzip der Börsenverein), erklären Selfpublishing zum ganz großen Hype, tatsächlich möchte man aber auf der Veranstaltung dann doch lieber unter sich bleiben, so wie es schon immer war, und alte Traditionen pflegen. Man könnte sie auch erstarrte Strukturen nennen. Wenn Selfpublishing tatsächlich das große Ding ist, warum lädt man die Autoren dann nicht ein, um sich auf der Messe zu präsentieren? Einfach: weil man selbst mit eigenen Ablegern wie epubli oder neobooks Kontrolle über die Indie-Autoren erlangen und sie nach den brancheneigenen Spielregeln manipulieren möchte – um mit den vermeintlichen Buch-Parias trotzdem abzukassieren.
In Deutschland dauert immer alles etwas länger, aber es würde mich sehr wundern, wenn Selfpublishing nicht auch hierzulande zu einem Faktor werden würde. Insbesondere der Handel würde gut daran tun, sich dem zu öffnen.
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Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, dass du das positiv siehst. Das zeigt doch nur, dass eben jeder Depp seine Ergüsse auf den Markt werfen kann, und genau diese Unzahl wird den Indie-Wahn auch ganz schnell wieder abwürgen, denke ich.
Aus Autorensicht:
Unter all diesen Autoren aufzufallen ist mittlerweile fast genauso schwer, wie einen Verlag oder eine Agentur zu finden. Wer soll zu all dem Zeugs Leser-Rezensionen schreiben, die doch bei der Auswahl helfen sollen. Es wird also immer mehr zu gekauften Rezensionen und 1‑Stern-Bashing kommen, bis dieses Werkzeug jedwede Glaubwürdigkeit verloren hat.
Aus Lesersicht:
Unter dem Berg von Müll der veröffentlicht wird die wirklich lesenswerten Sachen zu finden, wird immer schwerer, nicht zuletzt weil es eben kaum noch glaubwürdige Leserrezensionen gibt.
Klar, auch Verlage veröffentlichen Müll, aber MEHR Müll macht es für den geneigten Käufer nicht eben einfacher.
Bleibt zu hoffen, dass diverse Möchtegern-Autoren nach enttäuschenden ersten Büchern sich wieder den dingen zuwenden, von denen sie was verstehen und die Zahl der Indie-Veröffentlichungen auf ein vernünftiges Maß
Das sind doch dieselben Argumente, wie man sie auch im Zusammenhang mit Indie-Musik oder dem Internet und Bürgerjournalismus gehört hat – und sie haben sich als falsch erwiesen.
Vielfalt kann nie schlecht sein.
Natürlich ist eine Menge Müll unter den Selfpublishing-Veröffentlichungen, aber genauso ist das im Internet: man muss unter den Millionen Babyseiten, Katzenbildern und Schwafelblogs mit irrelevantem Inhalt ebenfalls den relevanten Content finden. Dabei helfen Suchmaschinen und etwas ganz ähnliches wird es bald auch fürs Selfpublishing geben, da bin sicher. Entweder in Form moderierter Kataloge wie Qindie oder auch automatisiert, denn letztlich sind Stil und Orthografie durch Algorithmen zu erfassen, dafür kann man eine Suchmaschine programmieren; Google kommt bestimmt mit sowas auf den Markt. Dass so etwas geht, zeigt beispielsweise die Software Papyrus auf eindrucksvolle Art und Weise. Wenn die Zahl der Rechtschreibfehler in einer Leseprobe zu hoch wird, oder die Stilanalyse einen schlechten Wert vergibt, dann schaut man sich das halt gar nicht erst an. Damit kann man die ganz miserablen schonmal aussieben. Und ohne Leseprobe kaufe ich gar nix mehr.
Eins ist aber ganz klar: die Verlage werden sich darauf einstellen müssen und schnell agieren, sonst sehe ich schwarz. Denn insbesondere bekannte Autoren können ihre Bücher aufgrund ihres Bekanntheitsgrads auch ohne Verlage veröffentlichen. Die sollten sich schnell davon lösen, in Selfpublishern grundsätzlich nur Parias und Amateure zu sehen. Dasselbe gilt auch für Leser. Wer nur schlechte Selfpublishung-Bücher findet, der hat eine schlechte Suchstrategie. Leserbewertungen ersetzen das selbstständige Denken nicht.