Kurzfassung: Der Cross Cult-Verlag, bekannt für deutsche Fassungen diverser US-Comics und auch zahlloser Romanreihen zu Fernsehserien, allen voran STAR TREK, muss Ende August (also jetzt) große Teile seines Lagers schreddern, weil das Finanzamt den Wert viel zu hoch ansetzt und eine gigantische Steuernachzahlung in Höhe von 60000 – 70000 Euro verlangen würde. Da ein vergleichsweise kleiner Verlag sich das nicht leisten kann, bleibt nur der Ausweg der Vernichtung des Lagerbestands, um diese Kosten zu umgehen. Der vollständige Artikel im Tagesspiegel.
Da bleibt mir die Luft weg. Backlists sind für Verlage ohnehin ein Greuel, für den Leser sind sie Gold wert. Wie es sein kann, dass so ein Finanzamt Fantasiewerte für Lagerhaltung ansetzen kann, und damit für die Vernichtung von Kulturgüter sorgt, kann ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen. Fragt man die Hausbank nach dem Wert des Lagerbestands, dann wird die vermutlich etwas wie »Altpapier« antworten und ihn in keiner Weise als Wert oder Sicherheit anerkennen wollen. Das Finanzamt kehrt das zur Generierung von Steuermitteln für den Staat einfach mal unilateral um. Widerstand ist zwecklos, mit den »grauen Herren« legt man sich nicht an, das weiß jeder Selbstständige, denn die sitzen immer am längeren Hebel und lassen Dich im Zweifelsfall nicht nur sinngemäß am ausgestreckten Arm verenden. Genannt wird sowas dann üblicherweise »Ermessensentscheidung«.
Unfassbar.
Da zeigt sich wieder mal die Steuergerechtigkeit in Deutschland: je größer die Firmen, desto größer üblicherweise deren Steuerbefreiung. Erst gestern fand sich ein Artikel auf Telepolis, der beleuchtete, dass durch von der Politik so gewollt vermiedene Steuern und Abgaben insbesondere großer und multinationaler sich auf über eine Billion Euro jährlich (!) belaufen. Könnten die kassiert werden, wäre Europa auf einen Schlag saniert.
Statt aber die dicke Kohle bei den ganz Großen endlich abzuholen, sorgt das deutsche Finanzamt, legitimiert durch eben diese Politik, dafür, dass kleine Firmen unter Druck gesetzt werden und ihre Backlist vernichten müssen. Ich will hier wahrlich keinen Godwin produzieren, aber da kommt mir schon unwillkürlich das Wort »Bücherverbrennung« in den Sinn. Das ist die Realität, während irgendwelche Politiker immer wieder mal von der »Steuererklärung auf einem Bierdeckel« schwafeln. ich würde mal vermuten, dass die Finanzbeamten umso kreativer sind, je leerer bei der jeweiligen Gemeinde die Kasse ist.
Wenn ihr also demnächst wieder mal einen Titel aus der Backlist nicht mehr bekommt, dann wisst ihr, wem ihr zu danken habt. Den Kulturvernichtern aus dem Bundesministerium der Finanzen und den Sachbearbeitern in den Finanzämtern mit ihren »Ermessensentscheidungen«.
Ein Fall wie bei Cross Cult erzeugt nur Verlierer (Zitat Tagesspiegel):
Der Verlag verliert seine Bücher, das Finanzamt sein Geld und die Leser den Zugriff auf mitunter preisgekröntes Kulturgut.
Wenn ihr schnell noch ein paar Bücher vor der Vernichtung bewahren wollt, dann kauft was bei Cross Cult.
Übrigens könnte auch das zu einer verstärkten Verbreitung von eBooks führen, denn da gibt es systembedingt keine Lagerhaltung …
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Allerdings haben Gemeinden dem Finanzamt überhaupt mal garnichts zu tun – das Finanzamt zieht auch keine Steuern für Städte ein oder so.
Das ist richtig. Neulich gab es einen Bericht beim WDR, der beleuchtete, dass Finanzämter von Pleitegemeinden besonders kreativ darin sind, soviel Moneten wie möglich einzutreiben, auch wenn es ihnen nicht direkt zugute kommt.