Anlässlich diverser Kritikpunkte am Onlinehändler Amazon (nein, ich stimme nicht ins allgemeine und zu einem nicht geringen Teil alberne Gebashe aufgrund eines reißerischen und manipulierend gestalteten ARD-Berichts ein) wird immer wieder die Aussage laut: »es gibt doch Alternativen!« Das möchte ich überprüfen und werde deswegen hier in Zukunft die ein oder andere angebliche Alternative vorstellen.
Als erstes nahm ich mir heute buchhandel.de vor. Da soll man »umfassend in 1,2 Millionen Büchern und anderen Medien« suchen können. Die kann man dann bestellen und bei einem Buchhändler vor Ort abholen, alternativ steht auch der Versandweg zur Verfügung.
Auf den ersten Blick wirkt das Portal sehr übersichtlich, da auf nahezu jegliche Illustrationen verzichtet wird, es gibt allerdings einen Slider mit Buchcovern. Der Content ist schön brav an die linke Seite gequetscht, Webdesign like it’s 2005. Bei einem Klick auf den Infolink zu Versandkosten erhält man keinerlei sachdienliche Informationen, sondern wird lakonisch belehrt:
Etwaig anfallende Versandkosten für die Lieferung von Büchern werden Ihnen bei der Auswahl Ihres Buchhändlers angezeigt. Eine Übersicht über sämtliche im Zusammenhang mit der Bestellung anfallenden Kosten erhalten Sie außerdem am Ende des Bestellprozesses.
Das hilft nicht wirklich weiter, hier hätte ich mir deutlich erschöpfendere Informationen für gewünscht, beispielsweise ein paar Beispielfälle mit Kosten, aber das würde für die Betreiber ja Aufwand bedeuten, den man offenbar scheut. Der Eindruck bleibt übrigens auch bei der weiteren Nutzung des Portals bestehen.
Ich habe daraufhin die Suchfunktion bemüht, das Sucheingabefeld auf der Startseite habe ich ignoriert und gleich die »Profisuche« in der Navigation angeklickt, ein paar Autorennamen eingegeben, für deren Bücher ich mich interessiere, und in drei der Fälle hätte ich auch tatsächlich etwas bestellen wollen.
- Suche nach Jim Butcher: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Charles Stross: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach George R. R. Martin: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Alan Dean Foster: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Cory Doctorow: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
Das hat die Bezeichnung »Profisuche« aber mal wirklich verdient … (facepalm) Was? Ich soll bitte nicht nach dubiosen Ausländern sondern ordentlichen deutschen Autoren suchen? Bitteschön:
- Suche nach Kai Meyer: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Ju Honisch: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Oliver Plaschka: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.
- »Suche nach Myra Çakan: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Kai Meyer: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Markus Heitz: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.«
- Suche nach Stefan Holzhauer: »Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden. Bitte recherchieren Sie erneut mit geänderten Eingaben.« (kleiner Scherz, aber man hätte mich als Herausgeber der Steampunk-Chroniken durchaus finden können)
An dieser Stelle war ich vor Lachen kaum noch in der Lage, zu tippen und hätte den Test aufgrund völliger Untauglichkeit der Plattform fast abgebrochen. Es hilft nicht im Geringsten, dass man über eine Eingabe in »Stichwort« tatsächlich Bücher hätte angezeigt bekommen können (wie ich später noch heraus fand). Wenn ich »Suche nach Autor« angeboten bekomme, möchte ich sie auch nutzen können. Dass hier nicht ein Ergebnis geliefert wird, ist derart grotesk, dass es jeglicher Beschreibung spottet.
Die Stichwortsuche fand dann überraschenderweise tatsächlich Bücher von Jim Butcher, leider fehlen bei sehr vielen englischsprachigen Werken die Coverabbildungen. Der Preis für den Harry Dresden-Roman BLOOD RITES liegt als Paperback bei sagenhaften 10,99 Euro, dabei wird mit Informationen gegeizt, es wird nicht angegeben, um welche Verlagsfassung es sich dabei handelt. Zum Vergleich: bei Amazon kostet das Taschenbuch BLOOD RITES 7,10 Euro, ist also fast vier Euro preiswerter!
Egal, für den Test in den Warenkorb gelegt. Danach Warenkorb aufgerufen und bestellen wollen. Ich soll eine Postleitzahl angeben, um eine Buchhandlung in der Nähe zu finden. Die Remscheider Buchhandlung Potthoff wird ebensowenig angezeigt, wie die Thalia-Filiale, dafür eine Fachbuchhandlung, die gleich mal darauf hinweist, dass es portofrei erst ab 25 Euro gibt. Geh weg mit Deinem Kleinkram, Du Kunde. Wir wollen Dich nicht. Die nächsten angebotenen Buchhändler sind in Velbert, Ratingen und Düsseldorf. Das macht ja viel Sinn, und ist auch garantiert total gut für meinen CO2-Footprint, wenn ich Kilometer weit fahre, um mir die Bücher abzuholen. Etliche der Buchhandlungen bieten vorsichtshalber erst gar keinen Versand, andere sagen stolze Portokosten, wie beispielsweise deftige 5,90 Euro, an. Damit läge der Butcher bei 16,89 Euro, dafür bekomme ich anderswo das Hardcover.
An dieser Stelle habe ich dann tatsächlich abgebrochen, denn ich sah keinen Sinn darin, diese alberne Plattform weiter zu nutzen. Wer glaubt, dass ich unter diesen Bedingungen kaufe, der glaubt auch an die Schlümpfe. Das Ergebnis stellt allerdings meiner Ansicht nach die Probleme der Buchbranche im Web sehr gut dar, ohne dass man es weiter kommentieren müsste: Ignoranz, Kundenunfreundlichkeit, und vollumfängliche technische sowie inhaltliche Inkompetenz. Von den Mondpreisen für englischsprachige Bücher noch gar nicht gesprochen.
eBooks gibt es übrigens auf buchhandel.de nicht (nur ein Suchfeld für libreka) …
Update (11:00 Uhr): Auf buchreport.de kommentiert Matthias Ulmer:
Sie finden von Cory Doctorow 14 Treffer, wenn Sie im Autorenfeld den Namen so eingeben, wie es Profis tun: Nachname Komma Vorname.
»Eingeben, wie es die Profis tun« – Der war gut! Ich habe gelacht. Wie wäre es mit »Eingeben wie es die Kunden tun«? Oder »Eingeben, wie es in Suchmaschinen üblich ist«?
Update 2 (12:00 Uhr) ich lese gerade auf boersenblatt.de: wenn man als Buchhändler dort erscheinen möchte, muss man monatlich (!) 20 Euro (!!) abdrücken. Dort kann man zudem lesen:
Wir wollen gemeinsam mit dem Buchhandel die Plattform in den nächsten Monaten komplett überarbeiten. Das betrifft zum Einen die Darstellung, die Suche und den Bestellprozess…
»Wir wollen … in den nächsten Monaten …« – Ja, lasst euch ruhig Zeit, die Konkurrenz schläft ganz sicher! Ich bin schon sehr gespannt, ob sie diesmal jemanden fragen, der sich mit so etwas auskennt, oder ob wieder ein ergonomiefreier Moloch dabei heraus kommt.
Update 3 (19:00 Uhr) Auf buchreport.de wurde darauf hingewiesen, dass die Leistung für Buchhändler ab sofort kostenlos ist, die 20 Euro fallen also nicht mehr an. Allerdings will man den Buchhändlern ab Mitte 2013 eine »umsatzabhängige Transaktionsgebühr« berechnen. Ich würde mal vermuten, dass die bei viel Umsatz höher ausfällt, als 20 Euro. Wäre dem so, dann wäre die ach so tolle Neuerung keine.
[cc]
Weitere Tests von Amazon-Alternativen:
RT @PhantaNews: Alternativen beim Online-Buchkauf, gibt es die? Kurztest buchhandel.de http://t.co/r4FV1IflcY
RT @PhantaNews: Alternativen beim Online-Buchkauf, gibt es die? Kurztest buchhandel.de http://t.co/r4FV1IflcY
RT @PhantaNews: Alternativen beim Online-Buchkauf, gibt es die? Kurztest buchhandel.de http://t.co/r4FV1IflcY
Mir, der ich auf dem Dorf lebe, werden als nächste Buchhandlungen Geschäfte in Entfernungen von 50–150km angeboten (interessanterweise nicht die Buchhandlung im Dorf oder die in den nächsten Städten).
In der Form kann man das nicht mal als »Angebot« bezeichnen, ich habe eher das Gefühl man macht es bewusst schlecht, damit die Leute wieder in den stationären Buchhandel gehen.
Aber moment mal…da waren ja noch andere Online-Händler – selbst wenn man Amazon aus ideologischen Gründen ausschliesst.
Siehe mein Update. Buchhandlungen müssen jeden Monat 20 Euro blechen, um dort gelistet zu werden. Lächerlich.
Tja, nicht jeder kann im Buchhandel oder Bibliotheken arbeiten und kennt 720 Sucheinstiege um die Titel und Autoren zu finden …
Es ist wirklich ganz ganz traurig, dass in der heutigen Zeit, wo man im Netz Dinge finden kann die man garnicht gesucht hat, es ein Buchhandel nicht schafft, einen Nutzerfreundliche Suche anzubieten.
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Der Kommentar von Matthias Ulmer ist symptomatisch. In Zeiten von Android, iPhone und einfachste zu bedienenden Devices scheint sich in gewissen Kreisen immer noch nicht rumgesprochen zu haben, dass der Kunde und damit idiotensichere Bedienung das Mass aller Dinge ist. Wenn der Herr Ulmer da anderer Meinung ist, dann bleibt ihm das unbenommen, er hat aber offensichtlich die Kondensstreifen, die an ihm vorbeigezogen sind, »etwas« falsch interpretiert…
Du tust Herrn Ulmer meiner Meinung nach Unrecht, der Kommentar war aus meiner Sicht eher sarkastisch gemeint und machte sich über die untaugliche Suchmaschine lustig.
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Irgendwie hat das Ganze mit buchhandel.de, dessen Betreiber , die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, die wiederum dem Börsenverein gehört… schon etwas von Realsatire.
Zu verantworten hat die Seiten buchhandel.de, libreka.de und liro-shop.de (ja, zwei unterschiedliche Shops für eBooks) u.a. Geschäftsführer ist Ronald Schild. Der war, bevor er 2007 Geschäftsführer der MVB wurde… bei Amazon tätig (http://www.boersenblatt.net/119715/ ), sollte also eigentlich wissen, wie’s geht. Und da das der Ironie noch nicht genug ist, referiert er auch noch zum Thema, unter anderem 2009: »Wege durch den E‑Book-Dschungel: Wege, um das E‑Book an den Leser zu bringen, gibt es viele. Welcher ist der Richtige?« (http://www.boersenverein.de/de/portal/Ronald_Schild_Wege_durch_den_E_Book_Dschungel/319925 ).
Ok, ein bißchen Nachsicht möchte ich doch walten lassen, wobei es fast mehr Mitleid ist. So liegt die Verantwortung für diese – wenn sie nur wenigstens halbgar wären – »Lösungen« wahrscheinlich doch eher in der Struktur des gesamten Börsenvereins. Dort tummeln sich die drei Interessengruppen Verlage, Buchhandel und Zwischenhandel. Wenn man sich die Meldungen und Artikel auf den verschiedenen Vereinsseiten mal anschaut, ist das, was dort geschieht ein Wechselspiel zwischen Vetternwirtschaft und Grabenkämpfen. Nur entfernt sich die Realität, spätestens mit Amazon und dem eBook, mehr und mehr von dieser geschlossenen Gesellschaft. Und sie merkt es nicht. Das Ergebnis: sie setzen sich zusammen, jammern und schimpfen (wahrscheinlich), und beschließen: »Wir müssen etwas tun!«… und tun irgendetwas. Was am Ende dabei rauskommt, können wir an ebendiesen Portalen sehen. In meinen Augen sind das nicht viel mehr als Alibiveranstaltungen, um am Ende des Tages, wenn der selbst vorhergesagte und/ oder heraufbeschworen Untergang eintritt, sagen zu können »Wir haben alles getan« oder »Wir haben es versucht, hatten aber keine Chance«.
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Sehr geehrter Herr Holzhauer, ich bin Buchhändlerin und gerade dabei, meinen Webshop kundenfreundlich zu gestalten (ich arbeite noch daran) und trug mich mit dem Gedanken, buchhandel.de mit einzubinden, verzweifle allerdings selbst oft beim Bibliografieren eben dort an der schwerfälligen Suchmaschine. Ab März diesen Jahres will MVB jetzt tatsächlich am Umsatz beteiligt werden. Allerdings hat sich in den letzten Jahren, wie Sie ja auch haben erfahren müssen in punkto Benutzerfreundlichfreundlichkeit nichts getan. Ihre Ausführungen haben mich in meinen Zweifeln bestätigt. Ich werde buchhandel.de nicht einbinden und mich auch nicht als Partnerbuchhandlung listen lassen.
Die Damen und Herren werde ich allerdings auf Ihre berechtigte Kritik aufmerksam machen.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Sigloch
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