Neuer Beitrag im Artikelportal:
Cory Doctorow ist ein kanadischer Science-Fiction-Schriftsteller und Aktivist in Sachen neue Medien, Internet, Copyright-Liberalisierung und Privatsphäre. Am letzten Wochenende habe ich sein Buch LITTLE BROTHER in Rekordzeit gelesen, nachdem es mir von »fellow netizens« bereits mehrfach nachdrücklich ans Herz gelegt wurde.
Das Besondere an diesem Buch: man kann es nicht nur über die einschlägigen Vertriebskanäle kaufen, sondern es auch einfach auf seiner Webseite kostenlos in zahlreichen Formaten herunter laden. Kostenlos. Einfach so. Legal. Unter einer Creative Commons-Lizenz. Trotz dieser Tatsache verkaufen sich seine Bücher wie geschnitten Brot.
Wie kann das sein? Insbesondere angesichts des Dauergejammers gewisser Verleger und Verlage, wie böse kostenlose Angebote sind – seien sie nun semilegal oder legal – und dass beide den Markt zerstören…
Im Vorwort zu LITTLE BROTHER befindet sich der folgende Text, den ich aus dem Englischen übersetzt habe, um ihn hier zu veröffentlichen, was ich aufgrund der CC-Lizenz problemlos tun darf, wenn ich den Namen des Autoren nenne, auf seine Webseite hinweise und kein Geld damit verdiene.
Ich kopier mal aus dem Text oben, ich denke, das ist nach dem was wir gelesen haben okay: »Für mich – für so ziemlich jeden Schriftsteller – ist nicht Piraterie das Problem, das Problem ist unbekannt zu sein (danke an Tim O’Reilly für diesen großartigen Aphorismus).«
Als Fan von Cory und von Tim O’Reilly (dessen Verlag ich übrigens sehr schätze) muss ich sagen: ja, d’accord. Genauso ist es. Etwas anderes zu behaupten, wäre gelogen.
»Die gute Nachricht (für den Schriftsteller) ist, dass eBooks auf Computern sehr viel wahrscheinlicher eine Werbemaßnahme für ein gedrucktes Buch sind (denn das ist schließlich billig, einfach zu bekommen und einfach zu benutzen) als ein Ersatz. Man kann wahrscheinlich genau so viel von dem Buch auf einem Bildschirm lesen, um zu realisieren, dass man es auf Papier lesen möchte.«
Nein, sorry, da kann ich leider nicht ganz zustimmen. Natürlich: Standard-PCs mit Standard-TFTs sind wirklich nicht geeignet, um ein Buch zu lesen. … Mehr anzeigen
Aber es gibt jetzt Kindle & Co. All diese tollen eBookreader. Seitdem hat sich die Sachlage etwas geändert.
Das Hauptproblem für Autoren, die unbekannt sind: sie werden durch kostenlose Bücher nicht bekannter, und verdienen tun sie auch nichts.
Cory hat unter einem speziellen Betrachtungswinkel Recht: wenn einer wie Neil Gaiman (oder Stephen King, etc.) ein Buch »verschenkt«, dann hat das einen positiven Effekt auf seine Verkäufe. Sowas nennt man schließlich PR.
Es gibt aber einen Aspekt, der hier gar nicht beleuchtet wurde: der »Wert«. Das ist zwar in der Regel abstrakt und oftmals bizarr (beispielsweise: warum soll ein Ferrari für 250.000 Euro so viel besser sein als ein Audi für 60.000 Euro??), aber oft gibt der »Wert« dem Werk auch das Gewicht, das es benötigt, um anerkannt zu werden. Und Anerkennung bedeutet auch Respekt. Und Respekt ist für einen aufstrebenden Schriftsteller sehr wichtig.
Der Text wurde 2007 verfasst, da gab es zwar bereits eBook-Reader, aber weder welche die technisch brauchbar waren, noch welche, die erschwinglich waren. Heute sieht das ein wenig anders aus. Das ändert aber meiner Ansicht nach an Corys Grundaussagen nichts. Der Teil über das Lesen am Bildschirm ist nur ein Aspekt.
Bei mir hat sein Plan wieder mal funktioniert: Ich habe LITTLE BROTHER auf dem eBook-Reader gelesen und ihn dann gleich als Papierbuch bestellt. Gleich zwei Mal: einmal für mich und einmal als Geburtstagsgeschenk für einen Freund.
Doctorows Aussagen bleiben auch angesichts der aufkommenden eBook-Reader valide, zumindest in meinen Augen. Insbesondere wenn man betrachtet, dass er durch die kostenlosen Bücher bekannt wurde. Das wird nicht jedem gelingen, aber unbekannte Autoren werden nicht dadurch bekannter, dass sie von etablierten Verlagen abgelehnt werden… :o) Denn dann werden ihre Werke gar nicht verlegt. Da ist die kostenlose Verteilung von eBooks (Musik) mit der Option freiwillg was zu zahlen nicht gerade abwegig.