Ich liebäugelte schon seit einiger Zeit mit einem größeren eInk-Tablet, das eine Notizfunktion hat, um in eBooks und/oder PDFs handschriftliche Notizen machen zu können. Der Remarkable war in meiner engeren Wahl, allerdings lassen die sich Zubehör fürstlich bezahlen und auch die Zusatzkosten für Cloudfunktionen (die genauso gut lokal angeboten werden könnten) waren abschreckend.
Deswegen war ich erfreut, dass Amazon ein ähnliches Gerät anbieten würde und hoffte, dass es trotz des im Vergleich zu Tablets überzogen wirkenden Preises schon gut werden würde, weil ich annehmen wollte, dass Amazon weiß was sie in Sachen eInk-Gadgets tun.
Von wegen.
Die Installation war aufgrund der bei Kindle gewohnten Vorkonfigurierung unproblematisch. Zur Bildqualität und Auflösung des Gerätes mit einem knapp über zehn Zoll großen Bildschirm muss man nicht mehr viel sagen, die verstehen sich von selbst. Handschriftliche Notizen in der »Notizbuch«-App funktionieren ebenfalls recht gut, aber das ist halt auch genau das, was das Gerät können soll. Angesichts der Qualität des recht simplen Stiftes scheinen mir die dafür angesagten Extrakosten zu hoch; allerdings ermöglichen die Spitze des Stiftes zusammen mit der matten Oberfläche des Geräts ein angenehmes Schreibgefühl. Probleme mit einem aufgelegten Handballen scheint es nicht zu geben.
Aber schon das erste von mir angeklickte Buch verweigert das Öffnen. »Dieses Buch ist für dieses Gerät nicht geeignet«. Bitte? Es handelt sich um ein im Amazon Kindle-Store erworbenes Sachbuch, genau dafür (und für Notizen in PDFs) wurde der Scribe von mir angeschafft, denn warum sollte man handschriftliche Notizen in Belletristik machen? Der technische Support kann nicht weiter helfen und sagt sinngemäß nur »geht halt nicht, Pech«. Ernsthaft. Das ist die Reaktion gegenüber einem Kunden, der ein Gerät für 420 Euro erworben hat. Damit sind die Werbeaussagen die auf amazon.de zum Gerät gemacht werden (»kompatibel mit Millionen eBooks im Kindle-Store«) äußerst fragwürdig, da fehlt der Zusatz »mit Millionen anderer aber nicht«.
Na gut. Als nächstes Notizen in PDF ausprobiert: Scribe mit Computer verbunden und PDFs darauf geladen. PDF aufgerufen: Keinerlei Notizmöglichkeiten vorhanden. Dann die Überraschung: Laut Anleitung müssen PDFs zwingend über eine Amazon-Webseite hochgeladen werden, damit man Notizen darin machen kann. Ernsthaft? Statt Dateien direkt aufs Gerät zu laden soll ich das über Amazons Webseite tun und damit jede Datei quasi Amazon zur Verfügung stellen? Von rechtlichen Problemen mal abgesehen, bedeutet das, dass auch Dateien die persönliche Informationen enthalten können von Amazon eingesehen werden können (und garantiert auch automatisiert eingesehen und analysiert werden)? Seriously? Erschwerend kommt hinzu, dass man im Gegensatz zu lokal auf das Gerät geladenen Dateien auch noch minutenlang darauf warten muss, dass die via Webseite übertragenen Dateien auf dem Gerät erscheinen. Benutzerfreundlich ist anders.
Wenn eine Konvertierung tatsächlich nötig sein sollte, um Notizen zu ermöglichen (was mir technisch allerdings nicht einleuchtet, es sei denn, es würden irgendwelche Funktionen and die PDFs »gepachted«, diese also technisch verändert, was ich ebenfalls für fragwürdig halten würde), dann sollte das doch auch auf dem Gerät geschehen können, oder alternativ könnte Amazon von mir aus auch ein lokales Desktop-Tool dafür anbieten„ wenn es denn technisch unabdingbar sein sollte (was ich nicht recht glauben mag, denn die Notizen-Funktion kann doch nur ein lokaler Wrapper sein).
Andere eBooks, die ich in der Vergangenheit in Amazons Kindle-Shop gekauft habe, zeigen ebenfalls keine Optionen, um handschriftliche Notizen darin anzulegen. Bei wieder anderen funktioniert es. Das wirkt alles äußerst unausgegoren. Bin ich hier etwa für Amazon der Tester, der eine Betaversion zum vollen Preis ausprobieren soll?
Ich warte jetzt mal auf den angekündigten Rückruf vom Support, aber unter diesen Umständen werde ich das Gerät wegen diverser dramatischer technischer Unzulänglichkeiten zurück schicken, insbesondere bei einem Preis von 420 Euro.
Sollten die Probleme gelöst werden können, werde ich diese Besprechung aktualisieren. Ansonsten werfe ich vielleicht doch nochmal einen Blick auf den Remarkable, ich habe gesehen, dass Benutzer bereits lokale Alternativen zu den kostenpflichtigen Clouddiensten auf Github anbieten.