Er ist eine der jüngeren Marvel-Figuren, und mit Sicherheit eine der unkonventionellsten. Seine Fans, und Film-Fans im Allgemeinen, warteten im Schatten des Marvel-Cinematic-Universe und den X‑MEN-Serien schon lange auf einen Helden, der sich wirklich einmal abheben sollte. Ryan Reynolds hatte Deadpool bereits in WOLVERINE ORIGINS gespielt, mit Freude am Töten, ungehobelt, und reichlich vorlaut. Aber da war er noch Wade Wilson, der Söldner. Sieben Jahre später zeigt man wenig Erinnerung an diesen ersten Auftritt. Doch der Charakter blieb Reynolds Passion, und zwar auf Grundlage der Comics, nicht des weichgespülten Films. Obwohl er Teil GREEN LANTERN war eines der unsäglichsten Flops der Comic-Verfilmungen, vertrauten all die hungrigen Deadpool-Fanatiker auf Ryan Reynolds. Und ihr Vertrauen wurde belohnt.
Eigentlich ist es sehr selten geworden, dass Filme sich noch mit Titelvorspännen abgeben. DEADPOOL tut es, und offeriert dabei schon ein Kunstwerk für sich. Und die Titel sagen unmissverständlich, dass dies nicht der Superhelden-Film werden wird, wie er sich die letzten Jahre dem Mainstream gezeigt hatte. Was folgt ist eher KICK ASS für Erwachsene. Und ein sehr genaues Abbild der Comic-Vorlage. Zugegeben, einige Dialoge hören sich an, als wären sie einem Bud Spencer- und Terence Hill-Film entsprungen, doch darüber kommt man auch wieder schnell weg. Schließlich hat DEADPOOL noch eine richtige Geschichte zu erzählen, nur etwas anders, denn diese hier fängt mittendrin an. Er gibt sofort Vollgas und zieht den Kinobesucher umgehend ins Geschehen. Damit setzt er vom Start weg den richtigen Ton, ohne die Erwartungshaltung seines Zuschauers auf die Probe zu stellen. Eine dankbare Zufriedenheit stellt sich direkt ein. Dabei wendet sich der Held, der sich weigert die Bürde eines Helden anzunehmen, des Öfteren direkt an das Publikum.
Fast alles an DEADPOOL ist ungewöhnlich. Seine obszöne Sprache, die Erzählstruktur, seine Brutalität, die popkulturellen Anspielungen. Wade Wilson äußerst, dass er keinen grünen Anzug haben möchte, oder beschwert sich über McAvoy und Stewart, und dass man schon nicht mehr durchblicke, bei den ganzen Zeitebenen. Obwohl selbst im X‑MEN Universum, wird munter über die Filme hergezogen. Oder Wade Wilson referiert über die Karriere des Schauspielers Ryan Reynolds. Normalerweise würde man dahinter vielleicht einen japanischen Film vermuten. Aber es ist DEADPOOL, ein äußerst sorgsam umgesetztes Traumprojekt, bei dem die Macher ein Auge dafür hatten, wie man einen Film auch einmal anders und viel direkter erzählen kann. Ryan Reynolds hatte Jahre hart daran gearbeitet, diesen Streifen überhaupt – und dann auf diese Art – zu machen. Und der jetzt vielleicht sogar Vorbildcharakter hat. Keine zwei Wochen nach seinem furiosen Start, gab 20th Century Fox bekannt, dass WOLVERINE 3 auf ein eigentlich von Studios ungeliebtes R‑Rating hin produziert wird. Es könnte einen Gastauftritt geben …
DEADPOOL
Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Ed Skrein, T.J. Miller, Gina Carano, Brianna Hildebrand u.a.
Regie: Tim Miller
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
Kamera: Ken Seng
Bildschnitt: Julian Clarke
Musik: Junkie XL (Tom Holkenborg)
Produktionsdesign: Sean Haworth
108 Minuten
USA – Kanada 2016
Bildrechte: Twentieth Century Fox of Germany