Börsenverein möchte Ankündigungen für Preisaktionen

Bookseller

Dass man beim Bör­sen­ver­ein noch im 20., wenn nicht wenn nicht gefühlt oft gar im 19. Jahr­hun­dert ver­harrt, ist nichts Neu­es. Die­sen Ein­druck ver­stärkt weder ein­mal ein Bericht über die Ein­füh­rung der über­ar­bei­te­ten Ver­kehrs­ord­nung des Bör­sen­ver­eins. BöV-Jus­ti­zi­ar erläu­tert die in einem Inter­view auf der Online-Vari­an­te des Buch­re­ports.

Der eine abso­lu­te Knül­ler dabei ist: Preis­ak­tio­nen für eBooks sol­len künf­tig 28 Tage vor­her ange­kün­digt wer­den.

Da bleibt mir wie­der mal die Spu­cke weg. Statt selbst schnell zu wer­den, sol­len also statt­des­sen agi­le, moder­ne eBook-Her­aus­ge­ber gezwun­gen wer­den, das Schne­cken­tem­po der schläf­ri­gen rest­li­chen Bran­che zu über­neh­men? Das kann doch wirk­lich nicht wahr sein und erscheint in mei­nen Augen wie direkt einem Kaf­ka-Roman ent­sprun­gen – oder dem Dro­gen­rausch eines Bin­dungs­kle­ber­schnüff­lers. Und es beweis erneut, wie weit ab jeg­li­cher wirt­schaft­li­cher Rea­li­tä­ten der Bör­sen­ver­ein nicht zuletzt auf­grund der Buch­preis­bin­dung denkt.

Der Hin­weis auf »Wer­be­vor­lauf« ist beson­ders ulkig. Wo machen denn bei­spiels­wei­se Ama­zon oder Apple im vor­aus Wer­bung für null-Euro-Preis­ak­tio­nen? Im Spie­gel? In der Bild? Im Fach­blatt der Bestat­te­rin­nung? Nir­gend­wo, ein­zig auf der eige­nen Web­sei­te- und das soll­ten die eBook-Ver­käu­fer abseits der Ama­zo­nen wohl auch hin­be­kom­men, oder?

Wei­ter sagt er:

Wenn E‑Books jede Woche einen ande­ren Preis haben, dann wird der Kun­de irgend­wann nicht mehr kau­fen, son­dern dar­auf war­ten, bis ein Titel noch güns­ti­ger zu haben ist.

Äh, ja. Das ist bei ande­ren Waren­grup­pen auch so und völ­lig nor­mal. Wenn man etwas unbe­dingt haben will, dann kauft man es sofort. Wenn es nicht ganz so wich­tig ist, dann war­tet man halt auf einen güns­ti­ge­ren Preis, mache ich bei­spiels­wei­se bei BlueR­ays genau so. Das ist abseits eines Preis­bin­dungs­ge­set­zes völ­lig nor­mal. Auch das ist also kein nach­voll­zieh­ba­rer Grund für die Auf­nah­me eines sol­chen Pas­sus in die Ver­kehrs­ord­nung.

Aber: Die­se Ver­kehrs­ord­nung ist kein Gesetz, es han­delt sich um eine »Emp­feh­lung«, oder im Juris­ten­deutsch »eine von juris­ti­schen Form­erfor­der­nis­sen frei­ge­stell­te Ver­ein­ba­rung«. Damit ist kein Self­pu­blisher gezwun­gen, sich dar­an zu hal­ten. Übri­gens auch kein Ver­lag. Sogar aus der Bran­che selbst kommt Gegen­wind zu die­ser Idee, die wie­der ein­mal zeigt, wie rea­li­täts­fern Tei­le eben die­ser Bran­che sind.

Den­noch droht Sprang im Inter­view ganz unver­hoh­len, wenn er sagt:

Wir sind davon über­zeugt, dass das Gros der Ver­la­ge die­se Sicht­wei­se teilt und sich an die Vor­ga­be hal­ten wird. Even­tu­el­le Ver­stö­ße müss­ten wir im Ein­zel­fall prü­fen.

Und: Der Bör­sen­ver­ein möch­te sich auch für Self­pu­blisher öff­nen, das sind alte News. Den­noch soll­te man sich über­le­gen, was man tut, bevor man ein­tritt, viel­leicht inter­pre­tiert man die Ver­kehrs­ord­nung über­mor­gen als ver­pflich­tend, schreibt das in die Sat­zung, und ver­langt die Ein­hal­tung von allen Mit­glie­dern. Abwe­gig ist das mei­ner Mei­nung nach kei­nes­falls.

Abseits davon fin­det sich im Inter­view mit dem Jus­ti­zi­ar Sprang aber eine Aus­sa­ge zum The­ma Buch­preis­bin­dung auf Self­pu­blisher-eBooks, die mich vor Ver­blüf­fung aus­gie­big die Augen rei­ben lässt, und die den ande­ren Knül­ler dar­stellt:

Nach Ansicht der Rechts­ab­tei­lung des Bör­sen­ver­eins fal­len E‑Books von Self­pu­blishern unter­halb einer preis­li­chen Baga­tell­gren­ze, die der­zeit unge­fähr bei 4 Euro liegt, als nicht ver­lags- bzw. buch­han­dels­ty­pi­sche Titel ohne­hin nicht in den Anwen­dungs­be­reich der Buch­preis­bin­dung. Die­se kön­nen in Aktio­nen des­halb vor­über­ge­hend sogar auf 0 Euro her­un­ter­ge­setzt wer­den. Bei preis­ge­bun­de­nen E‑Books gibt es die­se Mög­lich­keit nicht, weil hier der 0 Euro-Preis als Preis­auf­he­bung gewer­tet wür­de.

Ich wie­der­ho­le den wich­ti­gen Teil:

Nach Ansicht der Rechts­ab­tei­lung des Bör­sen­ver­eins fal­len E‑Books von Self­pu­blishern unter­halb einer preis­li­chen Baga­tell­gren­ze […] ohne­hin nicht in den Anwen­dungs­be­reich der Buch­preis­bin­dung.

Das wider­spricht allen bis­he­ri­gen Aus­sa­gen, die mir gegen­über sei­tens der Rechts­ab­tei­lung des Bör­sen­ver­eins gemacht wur­den. Es hieß immer, auch Self­pu­bli­shing-eBooks, egal wel­chen Prei­ses, unter­lä­gen selbst­ver­ständ­lich der Buch­preis­bin­dung (sie­he bei­spiels­wei­se die­se bei­den Arti­kel auf Phan­ta­News). Und jetzt das. Man muss sich fra­gen, woher die­ser plötz­li­che und völ­lig uner­war­te­te Sin­nes­wan­del kommt?

Vor allem ist die Begrün­dung abso­lut nicht nach­voll­zieh­bar: Ob es sich bei einem Buch um ein Buch han­delt, hängt von diver­sen Fak­to­ren ab, aber garan­tiert nicht vom Preis. Das gibt das vom Bör­sen­ver­ein immer so gern zitier­te Buch­preis­bin­dungs­ge­setz an kei­ner Stel­le her.

[Nach­trag 11:46:] Oder wie es ein mir bekann­ter Ver­la­ger aus­drück­te:

»Wer hat denn dem BÖV in den Kopf gekackt?«

Bild: Book­sel­ler And Aut­hor, Tho­mas Row­land­son, gemein­frei

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen