In der eingeschränkten schwarz-weiß-Weltsicht des Buchhandels ist die Lage klar. Amazon wurde als das Böse an sich ausgemacht und man wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass man dort gefälligst nicht kaufen soll. Mit teilweise außerordentlich hanebüchenen Begründungen und völlig außer Acht lassend, dass der Onlineversender aus den USA insbesondere im Bereich Kundenfreundlichkeit die Nase Lichtjahre weit vorne hat. Man versucht die Leser mit so halbgaren Kampagnen wie »Vorsicht! Buch!« oder »Buy Local« zu gewinnen, statt einfach besser zu werden.
Dass der Slogan »Vorsicht! Buch!« aber auch in ganz anderer Hinsicht stimmt, beweist ein Artikel von »Seitenflügel«, auf den ich heute hingewiesen wurde. Darin beklagt man sich konkret über einen unwilligen Buchhandel, der offenbar nicht die geringste Lust hat, Bücher zu verkaufen, sobald sie außerhalb des Mainstreams oder der großen Verlage liegen. Da heißt es:
Wir kümmern uns nun seit einem Jahr verstärkt um unser Buchprogramm, das bis dahin ein Nebengeschäft war. Und unsere Analysen der Branche sind fatal: Der klassische Buchhandel blockiert sich selbst. Amazon hat all unsere Bücher immer aufgenommen, angeboten, auf Lager bestellt, damit sie jederzeit lieferbar sind. Die Großeinkäufer des stationären Buchhandels (KNV, Libri, Umbreit) sind da viel träger, nachlässiger.
Den Rest des Artikel sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, insbesondere die konkreten Fälle, die genannt werden. Man kann nur vermuten, dass viele Buchhändler in einem Universum fern ab jeglicher Realität leben, eingekuschelt in das warme, weiche Kissen aus jahrzehntelanger Preisbindung und die fehlende Notwendigkeit kaufmännischen Denkens.
Einen ganz ähnlichen Ton schlug neulich Joachim Körber von der Edition Phantasia auf SteglitzMind an. Der Artikel ist betitelt mit »Ich habe oft den Eindruck, dass dem deutschen Buchhandel nichts ferner liegt, als Bücher zu verkaufen.« Denn auch seine Erfahrungen mit Buchhandlungen sind seit Jahren vergleichbar schlecht wie die aus dem oben genannten Beispiel.
Wir haben anfangs eine Menge Geld ausgegeben und Adressen von Buchhändlern beim Börsenverein gekauft, haben Werbeaktionen und Mailings gemacht, und die Resonanz war gleich null. Ich habe oft den Eindruck, dass dem deutschen Buchhandel nichts ferner liegt, als Bücher zu verkaufen.
Auch dieses Interview außerst lesenswert.
Ich habe hier schon des Öfteren Ähnliches behauptet, da mir solche Informationen bereits unter der Hand von Kleinverlagen bzw. deren Mitarbeitern gesteckt wurden. Mit der Bitte, keine Namen zu nennen. Warum, kann man sich leicht vorstellen. Deswegen finde ich es umso schöner, und überaus mutig, dass das Thema jetzt auf diese Weise ein wenig öffentlicher gemacht wird. ich habe allerdings die Befürchtung, dass die ach so hehren Verfechter der Buchhandelsethik, die es angeht, davon wieder mal nichts mitbekommen werden. Oder es ihnen weiterhin egal ist.
Und wenn man als Kleinverleger mit vorhandener ISBN und teuer bezahltem VLB-Eintrag schon diese Probleme hat, dann kann man sich vorstellen, wie es Selfpublishern geht.
Bild: Buchhandlung, aus der Wikipedia, gemeinfrei.
Merci für die Verlinkung zu unserem Blogbeitrag https://seitenfluegel.wordpress.com/2015/02/16/was-man-als-verlag-so-alles-mit-dem-buchhandel-erlebt/ . Merci auch für die vielen anderen interessanten Texte auf Ihrer Seite). Die Braunschweiger Graff-Buchhandlung (siehe Ihr historisches Foto) gehört nach unseren Erfahrungen übrigens zu den rühmlichen Ausnahmen. Sehr umsichtig, sehr verlässlich – sie tun etwas für Autoren und Bücher.
Deswegen hatte ich extra im Quellenhinweis darauf hingewiesen. Ich werde das Bild aber vorsichtshalber nochmal überarbeiten, damit man den Namen nicht mehr lesen kann.
Ich habe das Bild ausgetauscht. Wenn es schonmal eine rühmliche Ausnahme gibt, sollte man fairerweise kein Bild dieser Buchhandlung als Opener verwenden.
Du hast vollkommen recht, Stefan: Ursache ist das bequeme Kuschelkissen Buchpreisbindung, die den kreativen Wettbewerb verhindert und dem Sortimenter eine vermeintlich sichere Zukunft vorgaukelt.
Dass der Buchhandel nicht ganz koscher ist, habe ich in den letzten Jahren zu oft erleben müssen. Jede vierte Buchhandlung musste ich mit einem Mahnverfahren beglücken. Daraufhin verlangte ich nur noch Vorkasse. Das führte dazu, dass die Buchhandlungen ihre Bestellungen zurückzogen.
Ich habe hunderte von Buchhandlungen bei Facebook als Freund eingetragen. Aber auf die Bekanntmachung, dass neue Bücher erschienen sind, hat keine Auswirkung. In Darmstadt und Umgebung gibt es nur eine Buchhandlung, die meine Bücher anbietet.
Selbst alles halbe Jahr einen kurzen Besuch bei allen Buchhandlungen führt zu nichts.
Ich frage mich dann doch manchmal, was die Buchhandlungen wollen. Der Kontakt zu Kleinverlagen ist jedenfalls eher Null.
Ich habe zu dem Thema mal Buchhändlerinterviews geführt, Schwerpunkt war an und für sich deutsche Horrorliteratur. Ich möchte hier auf eines eines wirklich engagierten Buchhändlers verlinken, der Kleinverlage auch wirklich schätzt: https://dieloge.wordpress.com/2012/11/29/interview-mit-walter-robotka-von-mord-musik/
Gerade die letzte Frage gibt schon einen Aufschluss darüber …
Aber was nutzen die Einzelfälle, die was drauf haben, in der Masse der bornierten?
Manchmal denkt man wirklich das die Buchhandlung vor Ort nicht auf den Kunden angewiesen ist, der nichts aus ihrem Sortiment oder jenseits des Mainstream kauft.
Die SF Bücher sind innerhalb der Fantasy versteckt.
vor 20 Jahren gab es da mal eine größere Auswahl.
Ich brauche die Buchhandlung vor Ort nicht.
Und diese aber scheinbar auch nicht alle Kunden.
Beim Lesen des Slogan « buy local« muss ich an den Buchladen bei uns um die Ecke denken, dem Besitzer scheint es auch nicht wirklich um den Verkauf von Büchern zu gehen, noch schert man sich dort um Kundenfreundlichkeit und der Begriff Service scheint ein Fremdwort zu sein. Meine Tochter bekam von eben diesem Buchhändler gesagt, sie solle ihre Eltern schicken wenn sie ein Buch bestellen wolle und überhaupt nähme man solche Bestellungen nur gegen Vorkasse entgegen. Eine Freundin bat um die Zusammenstellung einiger Verlagskataloge, die, meines Wissens nach, von Verlagsseite Buchhandlungen zugehen, um der Kundschaft zugänglich gemacht zu werden. (Zumindest funktioniert es in anderen Buchhandlungen so.) Die Antwort, die meine Freundin auf ihre Bitter erhielt war: »Rufen se doch die Verlage an, die können ihnen des auch zuschicken.« Das letzte Mal als ich diesen Laden betreten habe wollte ich als Geschenk für einen lieben Freund ein bestimmtes Buch bestellen. Der Kommentar darauf war ein « das Buch ham wir nicht, geh’n sie’s doch woanders kaufen.« Seit her bestelle ich und der Rest meiner Familie Bücher fast ausschließlich übers Internet. Wir haben zwar eine große Buchhandlung in der Stadt, kommen dort aber nur eher selten hin. Was uns allerdings nicht davon abhält, der Buchhandlung einen ausgedehnten Besuch abzustatten, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich gehöre noch zu dem Menschen, die das « Printmedium« der elektronischen Variante vorziehen. Ich habe das Buch gern in der Hand und »rieche« die Geschichte des Buches. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum wir inzwischen eine sich über 3 Räume erstreckende Bibliothek mit mehreren tausend Büchern unser eigen nennen dürfen.
Stimmt leider auffallend. Ich habe als Autor ähnliches erleben dürfen und empfehle mittlerweile den Leuten, bei mir direkt oder eben bei Amazon zu kaufen. Da wirds wenigstens geliefert ..
Pingback: Amazon vs. lokaler Buchhandel – ein Text und seine Folgen | Seitenflügel
Die Faz hat mit der »Seitenstraße« gesprochen:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maechtige-internetriesen/seitenstrassen-verlag-aus-berlin-ueber-erfahrungen-mit-amazon-13444881.html
Unfassbar …
Berechtigte Kritik hören sie wohl nicht gerne, die Buchhändler. Aus dem Artikel:
»Mit solchen Vorwürfen und ihrem Blogbeitrag haben die beiden Autoren viele kleine Händler gegen sich aufgebracht. Einige hätten bereits zum Boykott des Seitenstraßen Verlags aufgerufen«
Oh, »Qualitätsjournalismus« bei der FAZ. In einem weiteren Beitrag auf Seitenflügel klingt das ganz anders:
https://seitenfluegel.wordpress.com/2015/02/22/amazon-vs-lokaler-buchhandel-ein-text-und-seine-folgen/
Boykottaufruf? Ok, erstens kann man sich einen Boykott locker leisten, wenn man von einem Kleinverlag mit elf Titeln eh nur wenige bis keine im Jahr verkauft. Irgendwo las ich was von »Regalmetern«, die jetzt wieder frei würden. Klingt so als wenn ich drohen würde, nie mehr bei Gosch oder Käfer Hummer zu essen, weil ich dort mal warten musste. Wo haben die überhaupt ein Geschäft in meiner Nähe? ;-)
Zweitens wäre ein expliziter Boykottaufruf rechtlich heikel. Falls der nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, könnte § 21 »Boykottverbot« im »Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen« ziehen. Ist vermutlich aber zivilrechtlich einzuklagen und ob man dazu Lust und Zeit hat, ist wieder was anderes. Nur wer bindet sich ohne Not sowas ans Bein, wenn er doch eh kaum Geschäfte mit dem kleinen Verlag macht? Klingt eher wie wenn einer erwischt wurde, und nun frech »haltet den Dieb« ruft.
Pingback: Seitenstraßenverlag
Sehr geehrter Herr Stefan Holzhauer,
leider hat sich, an der von Ihnen beschriebenen Lage nichts geändert.
Die Buchhandlungen sind immer noch im selben Modus. Wollen wir doch mal ehrlich sein, dass fängt doch schon damit an das die Rechnungen am Ende des Quartalsende bezahlt wird. Man übersieht einfach das genannte Zahlungsziel. Man möchte die Bücher nur auf Kommission, da muss man sich nicht bemühen sie zu verkaufen. Man schickt zurück.
Sie lehnen auch alles was mit der digitalen Welt zu tun hat ab. Alle digitalen Buchvorschauen ab. Die digitalen Verlagsvorschauen könnten sich auch kleine Verlage leisten aber eine gedruckte nicht. Ich hab mal nur 1,00 € für Druck und 1,00 € für Versand gerechnet. Da sind also die Kosten für die Erstellung für eine Printausgabe der Verlagsvorschau nicht und Versandtaschen nicht dabei. Bei zwei Ausgaben im Jahr und ca. 12.000,00 € im Jahr bei 6000 Buchhandlungen. Die digitalen Vorschauen haben natürlich auch zwei Seiten.
Ich könne jetzt noch mehr schreiben aber es würde ins Uferlose führen.
Fazit ist: Viele Kleine und mittelständige Verlage, wären schon pleite hätten sie nicht die Plattformen wie Amazone und großen Buchhandelsketten wo die Kunden kaufen können.
Der Pax et Bonum Verlag wird 5 Jahre und ich habe mit dem stationären Buchhändlern nur schlechte Erfahrungen gemacht.
Es ist traurig aber wahr. Der Buchhandel hat viele Ansprüche an die Verlage aber keine Angebote für eine Zusammenarbeit.
Ingolf Ludmann-Schneider
@Stefan Holzhauer: Da Kleinverlage und Buchhandel doch immer wieder Thema sind möchte ich hier an einen (heute noch) lesenswerten Zeit-Artikel erinnern. Schon im Jahr 1993 klagte ein Kleinverleger über die Verrohung der Sitten beim Buchhandel: »Nicht weinen: Leser suchen!« (Siehe: http://www.zeit.de/1993/41/nicht-weinen-leser-suchen/komplettansicht )
Unfassbar … oO
Hallo, ich mache auch gerade solche Erfahrungen und finde die Statements hier sehr tröstlich. Es scheint also doch irgendwie erfolgreiche Kleinverlage zu geben, trotz dieser Situation. ich finde Kampagnen wie »Buy local« allerdings extrem unverschämt und beunruhigend. Zu meinen im VLB gut geführten, lieferbaren Titeln erscheint in den Online-Katalogen der Buchhandlungen lediglich, dass »Keine Informationen zu dem Titel verfügbar« sind – ganz klein oben links steht dann noch, »Alle Sortimente«. Ich finde es jetzt nicht so dramatisch, meine Bücher den Sortimentern anzubieten, wenn sie sie nehmen und noch ein paar Euro für uns übrigbleiben. Aber diese Behauptung, der Titel wäre nicht lieferbar oder es wären keine Informationen verfügbar, wenn ein(e) nichtsahnende® Leser(in) von buchhandel.de im Onlinekatalog einer Buchhandlung landet, ist gezielte Geschäftsschädigung. Amazon macht das ähnlich, wenn man nicht direkt über Amazon verkauft. Der regionale Buchhandel weigert sich mittlerweile auch konzertiert und systematisch, Titel zu bestellen, die nicht bei den Barsortimentern in Kommission sind. Früher bekam ich einfach Bestellungen von/über KVN, ohne meine Titel dort zusätzlich zum VLB anmelden oder hinschicken zu müssen. Das VLB ist mittlerweile aber nur noch eine Fassade, wenn sonst überall behauptet wird, das Buch sei »nicht bestellbar«. Natürlich schreckt das Kunden sofort ab, man denkt, das Buch sei ’nicht mehr’ lieferbar oder nicht das, das man sucht etc. Zudem orientiert sich Amazon bei den zulässigen Beschreibungen der Angebote und der Auflistung der Titel nach Schlagworten ebenfalls an Parallelkatalogen. Des weiteren nervt Amazon ungemein mit den Portopauschalen, insbesondere durch die Unklarheiten bezüglich der Umsatzsteuer (Verpackung ist steuerlich gleich dem Inhalt ) und baut damit auch wichtige Besonderheiten wie den ermäßigten Umsatzsteuersatz ab.… Vielleicht entwickelt sich Ebay.…