Fällt erst einmal positiv auf, dass er auch bei den Verlagen ein deutliches Abnehmen der Qualität erkennt, werden seine Ausführungen danach eher abstrus. Da wird doch tatsächlich gefordert, dass es irgendwelche wie auch immer gearteten Dienstleister geben muss, die eBooks (und nur eBooks) darauf überprüfen, ob sie qualitativ okay sind:
Zu beurteilen wäre die Form (Cover, Inhaltsverzeichnis, Register), das sachliche Lektorat und selbstverständlich Rechtschreibung und Nutzbarkeit (Querverweise, Links etc.).
Ein solches Gütesiegel muss ja nicht kostenfrei abgegeben werden, der Aufwand sollte schon vergütet werden. Die Leser sollten von jedem Verlag oder Self-Publisher einfordern, dass er seine digitalen Werke prüfen lässt, um sicherzustellen, dass bestimmte Qualitätsstandards eingehalten wurden.
Man sollte sich den Artikel mal durchlesen, um zu verstehen, wovon er da redet. Also: nicht nur Selfpublisher, sondern auch Verlage sollen gegen teuer Geld ihre Produkte auf Qualität prüfen lassen, weil nur dann der Kunde Qualität bekommt? Das ist ja eine großartige Idee! Pure Geldmacherei, denn wie wird sicher gestellt, dass die Inquisitoren ihre Arbeit gut machen? Wie bekloppt müsste ich sein, einem solchen Dienstleister ein Buch einzureichen, der sackt meine Kohle ab und weist das Buch dann zurück – aus welchen Gründen auch immer? Woher weiß ich, wie kompetent der Dienstleister ist? Was, wenn da ein von sich selbst überzeugter kulturchauvinistischer Anspruchsmutant mit Orthografie-Fetisch sitzt, der alles ablehnt, was nicht aus literarisch wertvollen, aber leider stinklangweiligen Schachtelsätzen besteht?
Warum sollten wir uns die gerade entstehende Freiheit des Publizierens mit Abschaffung der alten Torwächter in den Verlagen, die gerade in den letzten Jahren nur noch das verlegen, was sich auch »drehen« lässt, durch die Hintertür in ganz ähnlicher Form wieder einführen? Ja, es ist nicht ganz einfach, sich durch den Wust an Bullshit zu wühlen, der im Bereich Selfpublishing, aber genauso von den Publikumsverlagen veröffentlicht wird. Aber das gilt für zahllose andere Bereiche des Lebens ganz genauso und ohne ein wenig Eigeninitiative bei der Suche wird man möglicherweise prima Lesestoff verpassen, insbesondere, wenn man sich ausschließlich auf angeblich »professionelle« Veröffentlichungen verlässt. Dumm gelaufen. Selbst schuld.
Und vor allem: Warum bezieht er das nur aufs eBook? Hat er noch nichts von CreateSpace oder Print On Demand gehört? Ist ihm nicht klar, dass die von ihm bemängelten Qualitätsverluste bei den »professionellen« Verlagen sich nicht aufs eBook beschränken, sondern selbstverständlich auch im Printbuch zu finden sind? Kann ich mir nicht vorstellen, aber warum reitet er so ausdauernd ausschließlich auf dem Elektrobuch herum?
Es ist ihm zudem offensichtlich entgangen, dass sich mit Qindie bereits ein Gütesiegel zumindest für Selfpublisher etabliert hat, in dem Autoren darüber entscheiden, ob die Qualität von Werken stimmt, statt irgendeiner übergeordneten Inquisition, die ein Interesse daran hat, Bücher abzulehnen, damit diese immer und immer wieder eingereicht werden müssen, und man prima Kohle abseihen kann. Oder die – da verlagsnah – Verlagsbücher durchwinken und solche von Indie-Autoren blockieren; und es soll mir keiner erzählen, dass es nicht so kommen würde.Und dann folgt ein zwingendes Qualitätssiegel dem nächsten und irgendwann musst Du so viele davon auf Deinem Cover kleben haben, dass man das Titelbild nicht mehr sieht.
Und tatsächlich gibt es kaum etwas überflüssigeres als solche erzwungenen »Qualitätssicherungsdienstleistungen«. Man kann sich als Indie freiwillig an Lektoren und Korrektoren wenden, muss es aber nicht. Verlage könnten Lektoren und Übersetzern angemessene Gehälter zahlen, um die Qualität zu verbessern, müssen es aber nicht (und viele tun es auch nicht mehr). Um herauszufinden, ob ein Buch lesenswert ist – und das völlig unabhängig, ob es sich um ein Verlagsbuch oder ein selbstverlegtes, um Print oder eBook handelt – braucht man keine kostenpflichtige Dienstleistung. Man kann sich gerade in Zeiten des Internets zahlloser Quellen bedienen, um heraus zu finden, ob man ein Buch wirklich lesen möchte und ob es handwerklich gut ist: Leseproben, Besprechungen, Empfehlungen in sozialen Medien oder durch unabhängige Gruppen wie Qindie (völlig kostenlos) und ähnliche – und was weiß ich nicht noch mehr.
In einer Antwort auf einen Kommentar zu seinem Artikel weist Stühr dann noch darauf hin, das so etwas wie sein Gütesiegel selbstverständlich optional wäre. Nein! Doch! Ah! Neues von Captain Obvious …
Man kann den Selfpublishern nur eine Warnung aussprechen: lasst euch von solchen Bauernfängern nicht beeindrucken, die behaupten, Bücher wären nur dann gut, wenn sie ein völlig überflüssiges aber teuer bezahltes Qualitätssiegel aufweisen. Und: auch mit der Qualität von Verlagsbüchern steht es leider allzu oft und immer öfter nicht zum Besten.
Deswegen weiter oben schon mal mein völlig kostenloses und frei verwendbares Qualitätssiegel für Indie-Autoren: garantiert verlagsfrei!
[cc]
Qualitätssiegel von Stefan Holzhauer CC‑0, eReader-Faceplam: eReader von Stefan Holzhauer, Facepalm von Fabio Venni auf flickr, CC BY-SA
Lieber Stefan Holzhauer,
vielen Dank für Ihre Gedanken zum meinem Blogbeitrag.
Es ist richtig: Leider bieten zum Teil auch alteingesessene Verlage hahnebüchene Qualität an:
– E‑Books ohne qualifiziertes Inhaltsverzeichnis und Navigation
– E‑Books als plain PDF
– E‑Books, die nicht einmal korrekt dargestellt werden
Solche Machwerke gefährden den nachhaltigen Erfolg der jungen Branche. Ein einmal enttäuschter Leser ist nur sehr schwer wieder für E‑Books zu interessieren. Ihr Artikel erweckt aber den Anschein, die Firma MarkStein wolle Gütesiegel verkaufen, dem ist selbstverständlich nicht so. Ich denke lediglich öffentlich darüber nach, ob ein Gütesiegel helfen würde, die Spreu vom Weizen zu trennen. Mein Vorschlag ist, einer unabhängigen Institution E‑Books zur Prüfung vorzulegen. Zunächst eine rein technische und inhaltlich formale Prüfung nach offengelegten Kriterien (nicht selbstherrlich wie bei Apple), selbstverständlich auf freiwilliger Basis. Das ist kein Torwächter alten Stils, sonder ein reiner Qualitätsnachweis. Oder scheuen Sie den etwa? Von einem Zwang zum Siegel oder eine Platzierung auf dem Cover war gar nicht die Rede.
Natürlich leben einige Blogartikel von Polemik. Polemik kann die Probleme der Branche aber nicht lösen. Nur eine Zusammenarbeit von Selfpublishern, Autoren, Technikern und Verlegern wird den Lesern bestmögliche E‑Books liefern. Dann gewinnen beide: die E‑Book-Macher und die E‑Book-Leser.
Beste Grüße
Michael Stühr
Warum sollte ich irgend etwas »scheuen«? Warum diese Bemerkung überhaupt, wass soll sie implizieren? Auf der Basis brauchen wir gar nicht erst weiter zu diskutieren.
Korrekt: Polemik kann die Probleme der Branche nicht lösen, Polemik und Überspitzung zum Zwecke der Kritik sind aber zwei paar völlig unterschiedliche Schuhe. Ich nehme an, Sie wissen, was ein »Rant« ist? ich erlaube es mir, die Branche zu kritisieren, auch mit deutlichen Worten. Sie werden an anderen Stellen auf dieser Seite zahllose Artikel finden, die Probleme mit hundsmiserablen Webportalen oder Defiziten der Branche detailliert besprechen. Einfach nur Meckern sieht wahrlich anders aus. Dass die Branchenmogule das nicht lesen wollen, ist mir dabei schon klar.
Die Branche glänzt seit Jahren durch Ignoranz und Arroganz – und außer Schimpfen auf Amazon ist bis heute keinerlei Änderung zu bemerken, weiter verzettelt sich die Branche nach wie vor in einer Mischung aus Vetternwirtschaft und Grabenkriegen. DAS sind die eigentlichen Probleme dieser statischen und selbstverliebten Branche. Ich habe auf der Buchmesse Dinge gehört und gesehen, die lassen sich mit »Weltfremdheit« nur unzureichend umschreiben.
Übrigens halte ich allein schon Ihre Aussage »PDFs würden von mir kein Gütesiegel bekommen« eine höchst fragwürdige Einstellung. PDF ist ein Format von vielen und war überhaupt nicht als eBook-Format gedacht. Dennoch gibt es Situationen, wo das Format angebracht sein kann. Das pauschal abzulehnen erscheint mir weder zielführend, noch sonderlich sachkundig.
Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht, ob MarkStein die Dienstleistung verkaufen möchte. Da ich allerdings bei nochmaligem Lesen tatsächlich keine konkreten Hinweise darauf finden konnte, habe ich mich explizit entschlossen, das so NICHT zu formulieren. Sie können mir aber vielleicht erläutern, wo sie das aus dem Rant entnehmen wollen? [Nachtrag:] Tatsächlich halte ich ihn allerdings für eine zumindest versteckte Werbung für Ihre Produkte: »Mit unserer Software xyz kann man übrigens zumindest technisch valide eBooks erstellen«.
Nach wie vor ist offen, und geht auch aus Ihrem kommentar weiterhin nicht hervor, warum man überhaupt einen – letztlich völlig subjektiven – Qualitätsnachweis konkret benötigt. Umso mehr, wenn er als kostenpflichtige Dienstleistung angeboten wird.
Qualitätssiegel kann ich im Minutentakt erfinden und so ziemlich jede Branche tut das auch. Die Konsumenten sind inzwischen darüber informiert, dass die meisten davon frei erfunden sind. Weitere davon sind in meinen Augen ebenfalls in keinster Weise zielführend.
Ach ja: Was ist mit dem Hinweis auf Qindie? Freiwillige, kostenlose Qualitätskontrolle für Selfpublisher.
Am Ende der Kostenloskultur
Erst wenn ihr das Endgame erreicht habt,
das Licht ausgeht
und der Akku vom Laptop versagt,
werdet ihr merken,
dass eure Eltern den Strom bezahlten.
Dem unbekannten Nerd
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PS Vielen Dank für die Inspiration (^_-)
PPS Diese Zeilen sind sinn- und kostenlos und dürfen bei Namensnennung gerne frei verteilt werden (^_^)
Ich würde mich ja fragen, was der Kommentar mit dem Artikel zu tun hat, aber die Antwort steht wohl bereits drunter …
Übrigens habe ich noch eine sinnvolle Anmerkung zum oben angesprochenen Thema »Kostenloskultur«:
Kommerz um jeden Preis kann, darf und sollte nicht das hauptsächliche Ziel einer Gesellschaft sein. Und: schon mal was von Open Source und Creative Commons gehört?
Es hat niemand etwas dagegen, dass versucht wird Geld zu verdienen. Allerdings durchaus gegen sinnlose Geldmacherei.
Man kann deutlich erkennen, wie etablierte Kommerz-Strukturen sich um ihre Position sorgen, wenn durch moderne Technik und Internet jedermann in die Lage versetzt wird, zu veröffentlichen – an allen alten Verwertungsketten vorbei.
Eine echte Lösung bietet das Inbooks Germany an. Ein Label, das Indies veröffentlicht und zwar als Ebook und Druckbuch und es über die Grenzen von Amazon schiebt. Und das Korrigiert und mit Profi-Covern bei guten Konditionen für den Autor. Autor zahlt nichts und bekommt hohe Tantiemen.
Nein, das ist keine »echte Lösung«. Denn auch hier entscheidet ein Türsteher, ob man das Buch überhaupt verlegen will. Man muss zuerst ein Exposé einreichen, wenn das gefällt das gesamte Werk und dann wird bei Inbooks entschieden, ob man es verlegt. Klassisches Verlagsmodell, genau davon will man sich ja als Selfpublisher explizit lösen. Da nützen auch die scheinbar tollen Tantiemen nichts. Die berechnen sich übrigens nach dem »Reingewinn« statt nach dem Umsatz, wie sich dieser »Reingewinn« genau zusammen setzt, das konnte ich auf der Webseite leider nicht entdecken.