Deutsche Verlage, eBook-Preise und die Kundenwünsche

Auf Buch​re​port​.de gab es kürz­lich ein sehr inter­es­san­tes Inter­view mit Kel­ly Gal­lag­her vom Markt­for­schungs­un­ter­neh­men R. R. Bow­ker und der Book Indus­try Stu­dies Group, ers­te­res auch ein Spe­zia­list für eBook-Märk­te. Und der sag­te eini­ge sehr inter­es­san­te Din­ge über die hie­si­gen Ver­la­ge (wie immer sind damit haupt­säch­lich gro­ße Publi­kums­ver­la­ge gemeint).

Zum einen kri­ti­siert er das Preis­mo­dell der Ver­la­ge für eBooks.

Sie ver­su­chen, ein Pri­cing-Modell durch­zu­drü­cken, statt zu ana­ly­sie­ren, was der Ver­brau­cher für ein Pri­cing-Modell erwar­tet.

Exakt. Die Prei­se für eBooks kann man hier­zu­lan­de lei­der nach wie vor nur als Mond­prei­se bezeich­nen, die in kei­ner­lei Rela­ti­on zum Auf­wand der Pro­duk­ti­on und Logis­tik oder zum Ver­kaufs­preis der Print­ver­sio­nen ste­hen. Die Argu­men­te, die ange­führt wer­den, um die durch­schnitt­lich viel zu hohen Prei­se zu recht­fer­ti­gen, hal­ten kei­ner genaue­ren Betrach­tung stand. Die Tat­sa­che, dass die­se über­teu­er­ten Pro­duk­te dann fol­ge­rich­tig kaum jemand erwirbt, scheint aber in den zustän­di­gen Eta­gen der Ver­lags­häu­ser nie­man­den zu inter­es­sie­ren. Wäre es nicht unter Hin­blick auf Absatz­zah­len nicht auch ins­be­on­de­re kauf­män­nisch deut­lich sinn­vol­ler, Prei­se anzu­sa­gen, die die Ver­brau­cher auch akzep­tie­ren, statt auf den auch noch durch DRM kas­trier­ten eBooks sit­zen zu blei­ben?

Wei­ter­hin ana­ly­siert Gal­lag­her das Ver­öf­fent­li­chungs­ver­hal­ten wie folgt:

Hin­zu kommt, dass sie bei ihrem Lek­to­rats- und Ver­triebs­mo­dell zu stark auf »Push« set­zen. Ande­re Märk­te ach­ten eher dar­auf, was die Leser wün­schen und wie sie es wün­schen.

Was bedeu­tet das? Ganz ein­fach: In ande­ren Län­dern wird ver­öf­fent­licht, was die Leser wol­len. Hier wird ver­öf­fent­licht, was die Ver­la­ge wol­len. Oder was die Ver­la­ge mei­nen, was die Leser wol­len.
Die Ergeb­nis­se lie­gen klar auf der Hand: nach Markt­be­trach­tung fällt irgend jeman­dem auf, dass Vam­pirsch­mon­zet­ten auf ein­mal gut gehen, weil Ste­phe­nie Mey­er-Roma­ne sich nicht nur ver­kau­fen wie doof, son­dern auch noch Fil­me dazu gedreht wer­den. Also pro­du­ziert man nur noch Roma­ne mit spitz­zah­ni­gen Lovern und ähn­li­che »Roman­t­a­sy«. Dar­aus nun aber zu schlie­ßen, dass genau das vom Leser auch gewünscht wird, ist nicht ganz kor­rekt, denn dass tren­di­ge Pop­kul­tur sich nun­mal ein­fach so abset­zen lässt ist eine Bin­sen­weis­heit, eben­so wie die Tat­sa­che, dass in Deutsch­land haupt­säch­lich Frau­en lesen – außer eBooks, da sind die Män­ner vorn -, aber das ist ein ganz ande­res The­ma.

Dar­auf, sich nach den Wün­schen der Kun­den zu rich­ten, kom­men die Ent­schei­der in den Ver­la­gen erst in neu­es­ter Zeit, und sehr gemäch­lich (oder eher wider­wil­lig?), bei­spiels­wei­se über die Nut­zung von Social Media – in die­ser Hin­sicht muss aber noch eine Men­ge gelernt wer­den. Die übli­che Vor­ge­hens­wei­se dürf­te nach wie vor sein, dass irgend jemand anhand schwer nach­voll­zieh­ba­rer Kri­te­ri­en ent­schei­det, was ver­legt wird und was nicht.

Die Ver­la­ge wer­den sich ins­be­son­de­re im Bereich Phan­tas­tik aus ihrem Elfen­bein­turm ent­fer­nen und auf die Kun­den zuge­hen müs­sen, denn die heu­ti­gen Infra­struk­tu­ren ermög­li­chen es dem Leser sehr ein­fach, an den Lese­stoff zu kom­men, den er wünscht. Und damit mei­ne ich ent­ge­gen des Lamentos der Buch­bran­che kei­ne ille­ga­len Down­loads, son­dern zum einen fremd­spra­chi­ge Impor­te von Print­bü­chern und eBooks (vor­nehm­lich in eng­li­scher Spra­che, in mei­nem Bekann­ten- und Freun­des­kreis macht das fast jeder!) und zum ande­ren selbst­ver­ständ­lich auch Self­pu­bli­shing, selbst wenn letz­te­res in Deutsch­land noch in sehr klei­nen Kin­der­schu­hen steckt. Und auch das Kon­zept Crowd­fun­ding könn­te hier­zu­lan­de schnel­ler fußen, als man den­ken mag.
Das Web ermög­licht es zudem, auf ver­gleichs­wei­se ein­fa­che Art und Wei­se her­aus­zu­fin­den, was der Leser möch­te. Epi­du macht ja bereits vor, wie das gehen kann: es wer­den Lite­ra­tur-Pro­jek­te vor­ge­stellt und die Nut­zer der Platt­form ent­schei­den durch Abstim­mung, was ver­öf­fent­licht wird. War­um sich nicht ande­re Ver­la­ge deut­lich inten­si­ver die­ser Mög­lich­keit bedie­nen, ist mir völ­lig schlei­er­haft.

Viel­leicht weil dann die »Ent­schei­der« nicht mehr aus dem Elfen­bein­turm her­aus hoheit­lich ent­schei­den kön­nen, was der Leser zu lesen hat?

Wer weiß …

[cc]

Bild: »Das Geld« von capl@washjeff.edu, CC BY-NC-SA

6 Kommentare zu „Deutsche Verlage, eBook-Preise und die Kundenwünsche“

  1. Der Trend der zu hohen Prei­se setzt sich aber auch im Rol­len­spiel­be­reich fort. Natür­lich wird ein pdf nicht gedruckt und erzeugt weder Trans­port-Kos­ten noch Druck­kos­ten. Aller­dings hat ein pdf Funk­tio­nen, die ein Buch nicht hat – sei es zB die Ver­lin­kung von Über­schrif­ten aus dem Inhalts­ver­zeich­nis direkt aufs Kapi­tel, nur um eine ein­fa­che Funk­ti­on zu nen­nen. Ande­re bet­ten gleich gan­ze Vide­os oder Flash-Ani­ma­tio­nen ein.

    Wir haben uns bei teil​zeit​hel​den​.de auch mal mit dem The­ma der Preis­fin­dung beschäf­tigt und die Ver­la­ge befragt: http://​www​.teil​zeit​hel​den​.de/​2​0​1​2​/​0​2​/​1​6​/​w​i​e​-​l​e​s​e​n​-​w​i​r​-​h​e​u​t​e​-​w​i​e​-​l​e​s​e​n​-​w​i​r​-​m​o​r​g​en/

    Rein per­sön­lich fin­de ich, dass beson­ders die »gros­sen« RPG Ver­la­ge nach wie vor die Prei­se digi­ta­ler Regel­wer­ke zu hoch anset­zen. So wird kei­ne Akzep­tanz für das »neue« Medi­um geschaf­fen und der Anteil der Hap­tik­ver­lieb­ten Papier­le­ser bleibt unge­bro­chen groß.

  2. Stefan Holzhauer

    Japp. Das Pro­blem mit den Prei­sen ist aber im Bereich Rol­len­spiel kein Neu­es, Regel­wer­ke waren ja schon in Zei­ten, als sie aus­schließ­lich in Druck­form erschie­nen ver­gleichs­wei­se teu­er. Zudem ist der Absatz von Rol­len­spiel-Regel­wer­ken und Quel­len­bü­chern ja deut­lich gerin­ger als der von 2herkömmlicher« Mas­sen­wa­re, da ist der Grund für die höhe­ren Prei­se zu suchen.

    In Sachen PDF-Aus­ga­ben ist der Hin­weis natür­lich kor­rekt.

    Wün­schens­wert wäre mei­ner Ansicht nach übri­gens ein erschwing­li­cher eRea­der mit einem Dis­play in der Grö­ße DIN A4, das wür­de dem Game­mas­ter poten­ti­ell eine Men­ge Schlep­pe­rei erspa­ren … :)

  3. Oh ja, das wäre inter­es­sant.
    *ungern an die gro­ße Sport­ta­sche vol­ler Regel­wer­ke, Source­books und ande­rem Zeug denkt, die damals nor­mal war*

    Lap­tops sind schon eine Ver­bes­se­rung zu »damals«, muss ich aber zuge­ben.

  4. Naja, seit­dem ich Dri​ve​Thr​uRPG​.com ken­ne, sind gro­ße Tei­le mei­ner Samm­lung digi­ta­li­siert. Die Bücher blei­ben im Regal und ver­fal­len nicht so schnell, ich habe alles im schnel­len Zugriff. Und wenn mal zwei Regel­wer­ke benö­tigt wer­den, neh­me ich eben das ech­te auch aus dem Regal. Aller­dings bin ich auch Besit­zer einer Apfel­plat­te, die ich jedoch auch »nur« gewon­nen habe

  5. Inter­es­san­ter Bei­trag, auch der Hin­weis auf Epi­du; wobei ich das Gefühl habe, dass Epi­du zur Zeit noch nicht opti­mal ange­nom­men wird.
    Der Guar­di­an hat übri­gens eine inter­es­san­te Serie zu e‑books und self publi­shing:
    http://​www​.guar​di​an​.co​.uk/​b​o​o​k​s​/​2​0​1​2​/​j​u​n​/​0​6​/​b​e​c​o​m​e​-​a​n​-​e​b​o​o​k​-​s​u​p​e​r​s​tar

  6. Stefan Holzhauer

    Dan­ke für den Link :)

    Bei uns ist das alles noch erheb­lich kom­pli­zier­ter, weil die Kun­den hier deut­lich kon­ser­va­ti­ver sind.

    Es wäre wahr­schein­lich ein recht guter Plan, sich einen ordent­li­chen Über­set­zer zu suchen und sei­ne Werk ein eng­li­scher Spra­che abzu­set­zen. Da ist die Akzep­tanz deut­lich höher – und vor allem hat man ein Viel­fa­ches der Anzahl an poten­ti­el­len Kun­den, die man im Deutsch­spra­chi­gen Raum hat.

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