Ein (nicht ganz) neuer Weg, dem Kunden sein Geld aus der Tasche zu ziehen, ist ein besonders dreister Etikettenschwindel des Heyne-Verlags. Auf dem Cover des Romans GEGEN ALLE FEINDE prangt groß und fett wie gewohnt der Name eines Autoren: in diesem Fall Bestseller-Schreiber Tom Clancy. Klar, dass alle Clancy-Fans sofort und ohne Bedenken zm Roman greifen.
Doch verwundert reibt sich der Fan die Augen ob des Inhalts von GEGEN ALLE FEINDE, der qualitativ nicht mit anderen Werken des Schriftstellers mithalten kann und ein vergleichsweise tumbes »aufrechte amerikanische Helden gegen fanatische islamistische Terroristen«-Szenario beschreibt. Betrübt fragt sich der Thriller-Anhänger, ob Clancy seinen Schaffenszenit überschritten hat? Muss man sich etwa einen neuen Genre-Autor suchen?
Seid beruhigt, Millionen. Der Grund für die mindere Qualität des Romans ist keine plötzliche Kreativitätssenke oder Stil-Inkontinenz Clancys, sondern vielmehr, dass es sich bei dem Buch um einen miesen Etikettenschwindel handelt. Tatsächlich wurde der Roman nämlich überhaupt nicht von Clancy verfasst, sondern von jemandem namens Peter Telep.
Wie Heyne groß Clancy aufs Cover pinnt, ohne dass Clancy tatsächlich drin ist (ob nun ausschließlich oder mit »Co-Autor« ist hierbei völlig irrelevant), das kann man meiner Ansicht nach nur als Unverschämtheit und dreiste Abzocke bezeichnen.
Übrigens: auch auf der US-Fassung des Romans (verlegt von Berkley, eines Tochterverlags der Penguin Group) prangt groß der Name Tom Clancy, allerdings steht hier wenigstens verschämt und klein darunter »with Peter Telep«.
In Heynes Kurzbeschreibung zum Roman liest man:
Internationale Intrigen, explosive Action – der neue große Tom Clancy
Seit Jahren tobt der Konflikt im Mittleren Osten. Nun sieht es so aus, dass sich der Kriegsschauplatz verlagert hat. Die Taliban bedienen sich für ihre Machenschaften eines mexikanischen Drogenkartells und tragen den Kampf ins Heimatland des Erzfeindes – in die Vereinigten Staaten von Amerika. Tom Clancy, der Meister des internationalen Politthrillers, stellt uns seinen neuen Helden vor: Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und der steht allein – gegen alle Feinde.
Es wird fraglos eindeutig der Eindruck erweckt, der Roman stamme ausschließlich von Clancy – jeglicher Hinweis auf einen »Co-Autor« fehlt im Gegensatz zur englischen Fassung, wo man wenigstens darauf hinweist, dass es einen solchen gibt. Auch auf Amazon.de fehlt jeglicher Hinweis auf den Co-Autor Telep. Ich nehme an, im Buch steht es an irgendeiner Stelle verschämt und klein, wo man es nicht findet oder es sowieso keiner liest.
Ist der schnelle Euro wichtiger als das Vertrauen der Kunden, das man mit solchen überflüssigen Winkelzügen leichtfertig aufs Spiel setzt? Dass so etwas gerade heutzutage ins Auge geht, zeigen die derzeit an allen Ecken des Webs erscheinenden negativen Rezensionen des Werks.
Diese Nummer wird übrigens nicht nur bei Clancy gefahren …
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Cover GEGEN ALLE FEINDE copyright 2012 Heyne
Das Konzept ist jetzt aber nicht sooooo neu – der nette Herr Holbein hat das in den späteren 80ern des letzten Jahrhunderts sogar zu einem regelrechten Marketingkonzept ausgebaut und »produzierte« auf diese Weise manchesmal ein halbes dutzend Veröffentlichungen im Monat … und ruinierte sich freilich seinen Namen damit :)
Wie groß der Name eines Autoren auf dem Buchcover steht ist im übrigen bei Gemeinschaftswerken Verhandlungssache. Du kannst also davon ausgehen, daß der Agent des Herrn Clancy einen recht ordentlichen Obulus dafür erhalten hat.
Ergänzen möchte ich noch:
In den USA passiert dasselbe
http://www.amazon.com/Against-All-Enemies-Tom-Clancy/dp/042524606X/ref=sr_1_4?ie=UTF8&qid=1335276816&sr=8–4
Und die Verantwortung dafür ist wohl eher beim Autoren zu suchen
http://www.amazon.com/Locked-On-ebook/dp/B005P4YED0/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1335276871&sr=8–3
Ist es doch bei praktisch allen Coops so
http://www.amazon.com/Dead-Alive-Tom-Clancy/dp/0425244857/ref=sr_1_8?ie=UTF8&qid=1335276896&sr=8–8
Sogar dann, wenn er gar nichts geschrieben hat
http://www.amazon.com/Tom-Clancy-Presents-Act-Valor/dp/0425259358/ref=sr_1_10?ie=UTF8&qid=1335276933&sr=8–10
Kurioserweise wird in der deutschen Ausgabe gar kein Autor im Impressum genannt o_O – sind wir schon wieder so weit?
Das Nichtnennen des Verfassers muss mit dieser Stärkung des Urheberrechts zusammenhängen, von der die Verlage immer faseln.
Wer die Verantwortung dafür hat ist im Prinzip egal, Kundenverarsche ist es allemal.
Ja, dass Hohlbein das auch so betrieben hat weiß ich, allerdings ist der Hinweis darauf heute angesichts der vollmundigen Behauptungen, dass nur die Verlage Qualitzät liefern können, aktueller denn je. :)
Bei Computerspielen ist »Tom Clancy« schon seit längerem eine Marke und keine Autorenbezeichnung mehr (siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Tom_Clancy#Namensrechte).
Dass das jetzt auch bei den Büchern passiert, ist unschön, aber wie schon erwähnt, nichts Neues. Für die Fans ist es natürlich gar nicht lustig, wenn der Verlag/Namensinhaber/Tom Clancy selbst? keinen guten Autor als Ghostwriter anheuern.
Bei Computerspielen ist mir aber vorher klar, dass das Produkt nicht vom Autor stammt :)
So? Ist es das? Eigentlich erwarte ich, daß dort wo Pratchett draufsteht auch einer drin ist – natürlich erwarte ich nicht, daß er es programmiert hat, allerdings geht wohl auch keiner davon aus, daß er ein Buch selbst gesetzt und persönlich gedruckt hat.
Ich sehe einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Medien. Wenn auf einem Buchumschlag ein Autor steht, gehe ich davon aus, dass er es geschrieben hat. Bei einem Computerspiel gehe ich nicht davon aus, dass er persönlich die Bits in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht oder sie auf eine DVD gebrannt hat. Wenn es nicht explizit in der Beschreibung steht, gehe ich noch nicht mal davon aus, dass das Skript von ihm (oder ihr) stammt.
Aber das kann jeder selbstverständlich sehen wie er will.