Erstmal könnte man annehmen, dass das ein gutes Zeichen ist, angesichts der von Politikern und anderen Gutmenschen polemisch geführten »Killerspiele«-Diskussionen der letzten Monate. Man könnte annehmen, dass eine gesellschaftlich längst als völlig normal angenommene und durchgeführte Freizeitbeschäftigung durch die Verleihung eines solchen Preises die lange überfällige Anerkennung erhalten sollte, und das Thema aus dem angeblichen Gewaltsumpf und aus dem Stammtisch-Populismus gewisser CSU-Politiker hebt.
Doch das ist leider nicht der Fall, die Jury macht sich doppelt lächerlich: zum einen dadurch, dass sie ihre Entscheidung auf Druck der darin sitzenden Politiker fällt und nicht aufgrund der Qualität eines Spieles abstimmt, sondern Produkte mit angeblich zu hohem Gewaltanteil einfach herausfallen lässt – ohne jede konkret nachvollziehbare Begründung.
Zum anderen verstoßen sie gegen ihre eigenen Richtlinien, wenn sie ein deutsches Spiel als bestes internationales Produkt küren, obwohl diese Rubrik eindeutig nur für nicht-deutsche Spiele gedacht war, nur um wieder ein angeblich gewalttätiges Game nicht auszeichnen zu müssen.
Nominiert war auch UNCHARTED 2 und das hätte den internationalen Preis nach Meinung so ziemlich jeden sachkundigen Beobachters auch gewinnen müssen. Verhindert haben das allerdings Polit-Jurymitglieder, die darin zuviel Gewalt sahen – was völliger Unsinn ist, denn UNCHARTED 2 ist ein spannendes Spiel, das auf Brutaliät jedoch verzichtet.
Staatsminister Bernd Neumann:
»Der Preis ist in der Computerspielszene angekommen.«
Die Vergabe zeigt, dass der Deutsche Computerspielepreis in dieser Form nicht nur nichts damit zu tun hat, was gut ist (oder detaillierter: technisch, künstlerisch oder dramaturgisch brilliant gemacht), sondern auch die realen Computerspieler in diesem Land weitestgehend ignoriert. Nennt das Ding wie ihr wollt, vielleicht »Preis für pädagogisch wertvolle Computerspiele«, aber versucht nicht, uns Spielern vorzumachen, dass ihr irgendeine Ahnung habt, was in der Szene gespielt wird, oder dass ihr gar eine Affinität zu dieser Szene habt. Aber was sollte man schon erwarten, wenn sich Regierungsmitglieder als »Fachjury« bezeichnen – ich nehme denen definitiv nicht ab, dass sie über Skat oder »Mensch ärgere Dich nicht« hinaus Spielefachwissen haben, schon gar nicht in Sachen Computerspiele.
Wenn das so weiter durchgezogen wird (und davon kann man ausgehen), dann wird auch im nächsten Jahr wieder allenthalben über diesen albernen Preis gelacht werden. Zu Recht.
Ach ja: Sieger in der Kategorie »Bestes Jugendspiel«: THE WHISPERED WORLD (Daedalic). »Bestes mobiles Spiel«: GIANA SISTER (dtp Entertainment). »Bestes Kinderspiel«: CAPTN SHARKY (Tivola). »Bestes Serious Game«: EXPERIMINTE (IW Medien GmbH). »Bestes Browsergame«: WEWAII (Travian Games). Gewinner des Studentenwettbewerbs ist NIGHT OF JOEANNE und Platz 1 des Schülerwettbewerbs ging an GOOSEGOGS. Ein »Bestes Online Lernspiel« wurde nicht nominiert und somit gab es auch keinen Gewinner.
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Es macht sich scheinbar immer mehr ein Schwarz-Weiß-Denken breit, das sich inzwischen durch alle Computerbereiche zieht. Wobei jeweils die beiden extremen Fronten ungleich gewichtet sind. Da gibt es die Nutzer, also die Computerspieler, die am Besten beurteilen könnten, welches Spiel in allen Kategorien herausragend ist. Und auf der anderen Seite eine winzige Jury, durch die der inzwischen kurze Arm einer an Wahn grenzenden Politik ungeniert agiern kann.
Genauso läuft die Sache bzgl. Internet und dem konfliktgeladenen Thema Copyright. Auch hier hat die Politik mit ihren Lobbyisten einen verdammt starken Arm. Auch hier haben die Nutzer, die Kunden gewaltig das Nachsehen.
Man kann nur hoffen, dass dieses Ungleichgewicht nicht völlig ausartet …
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