Der Deutsche Computerspielepreis – eine Farce

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Ges­tern wur­de er mit gro­ßem Medi­en-Tam­tam und Vor­zei­ge­stars aus Unter­hal­tung und Poli­tik in Ber­lin prä­sen­tiert: Der Deut­sche Computerspielepreis.

Erst­mal könn­te man anneh­men, dass das ein gutes Zei­chen ist, ange­sichts der von Poli­ti­kern und ande­ren Gut­men­schen pole­misch geführ­ten »Killerspiele«-Diskussionen der letz­ten Mona­te. Man könn­te anneh­men, dass eine gesell­schaft­lich längst als völ­lig nor­mal ange­nom­me­ne und durch­ge­führ­te Frei­zeit­be­schäf­ti­gung durch die Ver­lei­hung eines sol­chen Prei­ses die lan­ge über­fäl­li­ge Aner­ken­nung erhal­ten soll­te, und das The­ma aus dem angeb­li­chen Gewalt­sumpf und aus dem Stamm­tisch-Popu­lis­mus gewis­ser CSU-Poli­ti­ker hebt.

Doch das ist lei­der nicht der Fall, die Jury macht sich dop­pelt lächer­lich: zum einen dadurch, dass sie ihre Ent­schei­dung auf Druck der dar­in sit­zen­den Poli­ti­ker fällt und nicht auf­grund der Qua­li­tät eines Spie­les abstimmt, son­dern Pro­duk­te mit angeb­lich zu hohem Gewalt­an­teil ein­fach her­aus­fal­len lässt – ohne jede kon­kret nach­voll­zieh­ba­re Begründung.
Zum ande­ren ver­sto­ßen sie gegen ihre eige­nen Richt­li­ni­en, wenn sie ein deut­sches Spiel als bes­tes inter­na­tio­na­les Pro­dukt küren, obwohl die­se Rubrik ein­deu­tig nur für nicht-deut­sche Spie­le gedacht war, nur um wie­der ein angeb­lich gewalt­tä­ti­ges Game nicht aus­zeich­nen zu müssen.

Anno 1404

Gewin­ner in den Kate­go­rien »bes­tes deut­sches Spiel« und »bes­tes inter­na­tio­na­les Spiel« ist ANNO 1404. Gutes Spiel, Gra­tu­la­ti­on. Ein inter­na­tio­na­les Pro­dukt laut der Vor­ga­be ist das aber nicht: »Jeder Ver­band kann jeweils bis zu drei im Aus­land her­ge­stell­te Spie­le für die­se Kate­go­rie vor­schla­gen.« Dar­an gehal­ten hat sich die Jury nicht, als sie ANNO als rein deut­sches Pro­dukt prämierte.
Nomi­niert war auch UNCHARTED 2 und das hät­te den inter­na­tio­na­len Preis nach Mei­nung so ziem­lich jeden sach­kun­di­gen Beob­ach­ters auch gewin­nen müs­sen. Ver­hin­dert haben das aller­dings Polit-Jury­mit­glie­der, die dar­in zuviel Gewalt sahen – was völ­li­ger Unsinn ist, denn UNCHARTED 2 ist ein span­nen­des Spiel, das auf Bru­ta­li­ät jedoch verzichtet.

Staats­mi­nis­ter Bernd Neumann:

»Der Preis ist in der Com­pu­ter­spiel­sze­ne angekommen.«

Die Ver­ga­be zeigt, dass der Deut­sche Com­pu­ter­spie­le­preis in die­ser Form nicht nur nichts damit zu tun hat, was gut ist (oder detail­lier­ter: tech­nisch, künst­le­risch oder dra­ma­tur­gisch bril­li­ant gemacht), son­dern auch die rea­len Com­pu­ter­spie­ler in die­sem Land wei­test­ge­hend igno­riert. Nennt das Ding wie ihr wollt, viel­leicht »Preis für päd­ago­gisch wert­vol­le Com­pu­ter­spie­le«, aber ver­sucht nicht, uns Spie­lern vor­zu­ma­chen, dass ihr irgend­ei­ne Ahnung habt, was in der Sze­ne gespielt wird, oder dass ihr gar eine Affi­ni­tät zu die­ser Sze­ne habt. Aber was soll­te man schon erwar­ten, wenn sich Regie­rungs­mit­glie­der als »Fach­ju­ry« bezeich­nen – ich neh­me denen defi­ni­tiv nicht ab, dass sie über Skat oder »Mensch ärge­re Dich nicht« hin­aus Spie­le­fach­wis­sen haben, schon gar nicht in Sachen Computerspiele.

Wenn das so wei­ter durch­ge­zo­gen wird (und davon kann man aus­ge­hen), dann wird auch im nächs­ten Jahr wie­der allent­hal­ben über die­sen alber­nen Preis gelacht wer­den. Zu Recht.

Ach ja: Sie­ger in der Kate­go­rie »Bes­tes Jugend­spiel«: THE WHISPERED WORLD (Daeda­lic). »Bes­tes mobi­les Spiel«: GIANA SISTER (dtp Enter­tain­ment). »Bes­tes Kin­der­spiel«:  CAPTN SHARKY (Tivo­la). »Bes­tes Serious Game«: EXPERIMINTE (IW Medi­en GmbH). »Bes­tes Brow­ser­ga­me«:  WEWAII (Tra­vi­an Games). Gewin­ner des Stu­den­ten­wett­be­werbs ist NIGHT OF JOEANNE und Platz 1 des Schü­ler­wett­be­werbs ging an GOOSEGOGS. Ein »Bes­tes Online Lern­spiel« wur­de nicht nomi­niert und somit gab es auch kei­nen Gewinner.

Logo Copy­right G.A.M.E. Bun­des­ver­band der Ent­wick­ler von Com­pu­ter­spie­len e.V., Cover ANNO 1404 Copy­right Ubisoft

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AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

2 Kommentare for “Der Deutsche Computerspielepreis – eine Farce”

Onoma

sagt:

Es macht sich schein­bar immer mehr ein Schwarz-Weiß-Den­ken breit, das sich inzwi­schen durch alle Com­pu­ter­be­rei­che zieht. Wobei jeweils die bei­den extre­men Fron­ten ungleich gewich­tet sind. Da gibt es die Nut­zer, also die Com­pu­ter­spie­ler, die am Bes­ten beur­tei­len könn­ten, wel­ches Spiel in allen Kate­go­rien her­aus­ra­gend ist. Und auf der ande­ren Sei­te eine win­zi­ge Jury, durch die der inzwi­schen kur­ze Arm einer an Wahn gren­zen­den Poli­tik unge­niert agi­ern kann.
Genau­so läuft die Sache bzgl. Inter­net und dem kon­flikt­ge­la­de­nen The­ma Copy­right. Auch hier hat die Poli­tik mit ihren Lob­by­is­ten einen ver­dammt star­ken Arm. Auch hier haben die Nut­zer, die Kun­den gewal­tig das Nachsehen.
Man kann nur hof­fen, dass die­ses Ungleich­ge­wicht nicht völ­lig ausartet …

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