Es war seit Jahren eine nicht nachzuvollziehende Regelung: Auf Bücher fällt eine Mehrwertsteuer von 7% an (weil es sich um Kulturgüter handelt, sagt man), für eBooks und andere elektronische Publikationen wie beispielsweise PDF-Ausgaben von Zeitschriften fiel 19% MWSt an, weil die nicht als Bücher sondern als Dienstleistungen eingestuft wurden.
Auf Anraten der EU-Kommission haben die EU-Finanzminister heute beschlossen, dass es den Ländern freigestellt werden soll, einen geringeren Steuersatz auf eBooks & Co. zu ermöglichen. Schon vor ungefähr einem Jahr hatte das eU-Parlament für die verringerten Steuersätze gestimmt. Finanzminister Scholz hat bereits angekündigt, dass er das im #neuland so schnell wie möglich umsetzen will.
Bisher galt innerhalb der EU ein Mindeststeuersatz von 15% auf eBooks und ähnliche Publikationen.
Damit werden auch Bundleangebote für Print und eBook deutlich einfacher anbietbar als bisher, denn bis dato hatte das wegen der unterschiedlichen Steuersätze einen deutlichen Mehraufwand bedeutet, so dass etliche Anbieter darauf verzichteten.
Ich würde übrigens nicht davon ausgehen, dass eBooks dadurch günstiger werden, sondern dass insbesondere die Großverlage sich die Differenz einstreichen werden.
Tja, schade. Da hat man immer gedacht, Bücher unterscheiden sich von eBooks nur durch die Darreichungsform – und dann müssen einen doch tatsächlich die Damen und Herren vom Europäischen Gerichtshof eines Besseren belehren. Ich gehe stark davon aus, dass die Richter da üblicherweise Kugelschreiber jonglieren, sich das Internet von ihren Sekretärinnen ausdrucken lassen und länger überlegen, wie herum man eine Maus halten muss. Oder dass sie sich einfach an eine EU-Richtlinie halten mussten, was es nicht besser macht.
Was ist passiert, dass ich hier auf der virtuellen Palme sitze und mit grünen Flecken im Gesicht mit der Schnapsflasche wedle (sorry, aber ich muss mir das Urteil schönsaufen, schade um meine Leber)? In einem aktuellen Urteil entschieden die Richter vom Europäischen Gerichtshof, dass verminderte Mehrwertsteuersätze auf eBooks nicht zulässig sind. Auf Printbücher und Hörbücher fallen hierzulande sieben statt 19 Prozent MWSt an, weil Bücher ein kulturelles, zu unterstützendes Gut sind. Und wenn diese Bücher dann nicht mehr auf tote Bäume gedruckt, sondern stattdessen auf einem Bildschirm gelesen werden, dann sind sie keine Bücher mehr. Sondern Dienstleistungen. Und die haben keinen verminderten Satz.
Die Erklärung und Begründung dafür (Pressemitteilung des Gerichts, PDF) ist meiner Ansicht nach so dermaßen idiotisch, hanebüchen und an den Haaren herbeigezogen, dass ich es kaum fassen und nur akute Realitätsverluste vermuten kann: eBooks sind laut der Richter keine »greifbaren Dinge«. Sie können erst zusammen mit einem eReader dargestellt werden. Deswegen stellen sie eine Dienstleistung dar, die erst auf dem Reader wie durch Magie zum Buch wird und deswegen fallen halt 19 Prozent MWSt an, wie bei Dienstleistungen üblich.
Ich war erst einmal sprachlos ob dieser Interpretation aus dem finstersten Mittelalter. Das ist an so vielen Stellen falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Das Buch verändert also seinen Status nach dem Medium, auf dem es dargeboten wird? Ernsthaft? ERNSTHAFT? Der Goethe ist nur auf Papier Kultur, auf einem Bildschirm isser so etwas ähnliches wie an den Tisch gebrachtes Gyros/Pommes mit Pils und Ouzo?
Für den Konsumenten ist der Unterschied nonexistent – am Ende liest man immer einen Text, ob nun auf Papier oder eInk (Junkies, die gern giftige Druckerschwärze schnüffeln, lassen wir an dieser Stelle mal außen vor, ebenso wie die »aber Papierbücher haben doch soooo eine tolle Haptik!!!einsölf!!«-Spinner). Dasselbe übrigens bei Hörbüchern: Wenn ich eins auf CD kaufe, zahle ich 7 Prozent USt, bei einem Download werden 19 % fällig. Will man bei den Organen der EU »moderne« Medien (die gemessen in Internet-Zeitaltern jedoch schon uralt sind) mit Gewalt unterdrücken? Will man gezielt dafür sorgen, dass Europa hinter dem Rest der Welt herschleicht, was Internet und verwandte Medien angeht? Will man Innovation als unerwünscht wegboxen? Oder sind die einfach nur bekloppt?
Die Ökobilanz von eBooks ist laut einer Studie deutlich besser als die von Printbüchern. Sie müssen nicht gedruckt werden, sie müssen nicht gelagert werden, sie müssen nicht mit Lastwagen von A nach B gekarrt werden. Alles prima für den CO2-Footprint und weniger Feinstaub in der Luft. Hatte sich nicht irgendwer Umweltfreundlichkeit auf die Fahne geschrieben? Ich komm jetzt nicht drauf, wer es war. Fängt mit E an und hört mit uropa auf. Ja. Ur-Opa passt irgendwie …
Und was ist mit der Buchpreisbindung? Ja, ich weiß, die allgemeine Lesart von Börsenverein und dessen Treuhändern ist, dass die auch für Medien gilt, die »im Prinzip so was ähnliches wie Bücher« sind (auf Legalesisch: »Preiszubinden sind solche E‑Bücher, die einem gedruckten Buch im Wesentlichen entsprechen«). Nach der Begründung des Gerichtes sind eBooks aber so lange gar keine Bücher, bis sie sich auf meinem eReader befinden, also im Moment des Kaufs noch nicht. Wäre ich Amazon, würde ich die Buchpreisbindung auf eBooks sofort in den Wind schießen, genau so argumentieren und die Abmahnungen und Klagen entspannt auf mich zukommen lassen. Die Kohle, ein paar Runden mit Justizia zu drehen, zahlt Jeff Bezos doch aus der Kaffeekasse. Irgendwann landet das dann vor genau demselben Gericht. Und dann müssen die Hosen runter. Und dann stellt sich raus, dass Amazon zwar keine 3% USt auf eBooks mehr nehmen darf (ist seit dem ersten Januar 2015 eh vorbei, aber das ist eine andere Gruselgeschichte), aber dafür die Preise beliebig festlegen kann. Und das schadet so ziemlich jedem – außer Amazon.
Abschließend möchte ich anmerken, dass ich in dieser Causa (Umsatzsteuer auf eBooks, nicht Buchpreisbindung) tatsächlich so ziemlich derselben Meinung wie der Börsenverein bin. Erschreckend …
Satire off. Nur zur Sicherheit. Nicht, dass sich noch irgendein europäisches Gericht angegriffen fühlt.
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