Rant: Aus dem »Börsenverein« wird der »Münchhausen-Verein«
Anlass für dieses Elaborat ist ein Artikel auf SpOn. Er handelt davon, wie sich Branchenverbände der Buchhändler (und der Musikindustrie) ihre Zahlen schön rechnen und erneut kommt einem unwillkürlich der Satz in den Sinn »ich glaube nur Statistiken die ich selbst gefälscht habe«.
Worum es geht? Es geht unter anderem um eBook-Verkäufe und die angeblich zahllosen illegalen Downloads. Was man dabei wohlweislich verschweigt ist, dass man sämtliche kostenlos herunter geladenen elektronischen Bücher mit zu den »illegalen Downloads« schlägt! Darunter beispielsweise die zig-tausenden gemeinfreien Werke aus dem Projekt Gutenberg oder haufenweise weitere legale, kostenlose eBooks (wie demnächst auch die Steampunk-Chroniken).
Da kann ich nur ganz offen fragen:
für wie blöd haltet ihr uns eigentlich?
Wer mit bereits auf den ersten Blick nicht belastbaren Zahlen hausieren geht, um seine miserablen Umsätze durch Verfehlungen, mittelalterlich wirkendes Verhalten in Sachen eBooks und Web sowie Mondpreise und kundenfeindliche DRM-Maßnahmen auf angebliche illegale Downloader schieben zu wollen, der hat ganz offensichtlich ein Problem. Ein Problem mit der Wahrheit.
Auch Markus Beckedahl findet in einer Pressemitteilung des Vereins Digitale Gesellschaft e.V. deutliche Worte:
Wer nur teure und dann auch noch mangelhafte, restriktive Angebote macht, darf sich nicht wundern, wenn der wirtschaftliche Erfolg ausbleibt. […] Ein überteuertes Auto, dass man zudem nur Dienstags und bei Regen fahren darf, kauft ja auch keiner freiwillig, wenn er stattdessen auch einfach den Bus nehmen kann.
Lieber Börsenverein: statt euer Versagen am Markt durch gefälschte Zahlen kaschieren zu wollen, wäre es nicht besser, endlich kundenfreundlich zu agieren? Die Umsätze der Musikindustrie mit herunter geladener Musik sind aufgrund des Verzichts auf DRM von 2009 auf 2010 um 30 Prozent gestiegen. Sollte euch das nicht zu denken geben und ihr euch endlich ebenfalls von dem DRM-Mist verabschieden? Wäre es nicht weiterhin angebracht, davon abzusehen eBooks zu einem Preis ganz knapp unter dem des Hardcovers verkaufen zu wollen?
Wäre eure Energie bei eurem Kerngeschäft nicht sinnvoller angelegt, als im weinerlichen Verbreiten offensichtlich saudummer Statistiken? Als dabei mit dem Finger auf die ehrlichen Kunden zu zeigen und sie als Raubkopierer zu verunglimpfen?
Aber das wäre wohl zu einfach und ich warte jetzt auf eure übliche Entgegnung: »dass wir alle keine Ahnung von ‘der Branche’ haben«.
Geschenkt!
[Update 13:55 Uhr:] wer Spaß an Brechreiz hat, liest die Pressemitteilung der Realitätsverdreher von der GVU. Ich weise darauf hin, dass das Wort »Realitätsverdreher« »nur« meine Meinung darstellt…
[Update 2 16:34 Uhr:] auch Heise berichtet kritisch über die jonglierten Zahlen und zitiert alberne Augenwischereien von Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer Börsenverein)
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Bild: CyBook Opus, aus der Wikipedia, gemeinfrei