europäischer Gerichtshof

Rant: Na sicher – eBooks sind laut EU-Gerichtshof gar keine Bücher

USteBook

Tja, scha­de. Da hat man immer gedacht, Bücher unter­schei­den sich von eBooks nur durch die Dar­rei­chungs­form – und dann müs­sen einen doch tat­säch­lich die Damen und Her­ren vom Euro­päi­schen Gerichts­hof eines Bes­se­ren beleh­ren. Ich gehe stark davon aus, dass die Rich­ter da übli­cher­wei­se Kugel­schrei­ber jon­glie­ren, sich das Inter­net von ihren Sekre­tä­rin­nen aus­dru­cken las­sen und län­ger über­le­gen, wie her­um man eine Maus hal­ten muss. Oder dass sie sich ein­fach an eine EU-Richt­li­nie hal­ten muss­ten, was es nicht bes­ser macht.

Was ist pas­siert, dass ich hier auf der vir­tu­el­len Pal­me sit­ze und mit grü­nen Fle­cken im Gesicht mit der Schnaps­fla­sche wed­le (sor­ry, aber ich muss mir das Urteil schöns­au­fen, scha­de um mei­ne Leber)? In einem aktu­el­len Urteil ent­schie­den die Rich­ter vom Euro­päi­schen Gerichts­hof, dass ver­min­der­te Mehr­wert­steu­er­sät­ze auf eBooks nicht zuläs­sig sind. Auf Print­bü­cher und Hör­bü­cher fal­len hier­zu­lan­de sie­ben statt 19 Pro­zent MWSt an, weil Bücher ein kul­tu­rel­les, zu unter­stüt­zen­des Gut sind. Und wenn die­se Bücher dann nicht mehr auf tote Bäu­me gedruckt, son­dern statt­des­sen auf einem Bild­schirm gele­sen wer­den, dann sind sie kei­ne Bücher mehr. Son­dern Dienst­leis­tun­gen. Und die haben kei­nen ver­min­der­ten Satz.

Die Erklä­rung und Begrün­dung dafür (Pres­se­mit­tei­lung des Gerichts, PDF) ist mei­ner Ansicht nach so der­ma­ßen idio­tisch, hane­bü­chen und an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen, dass ich es kaum fas­sen und nur aku­te Rea­li­täts­ver­lus­te ver­mu­ten kann: eBooks sind laut der Rich­ter kei­ne »greif­ba­ren Din­ge«. Sie kön­nen erst zusam­men mit einem eRea­der dar­ge­stellt wer­den. Des­we­gen stel­len sie eine Dienst­leis­tung dar, die erst auf dem Rea­der wie durch Magie zum Buch wird und des­we­gen fal­len halt 19 Pro­zent MWSt an, wie bei Dienst­leis­tun­gen üblich.

Ich war erst ein­mal sprach­los ob die­ser Inter­pre­ta­ti­on aus dem fins­ters­ten Mit­tel­al­ter. Das ist an so vie­len Stel­len falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfan­gen soll. Das Buch ver­än­dert also sei­nen Sta­tus nach dem Medi­um, auf dem es dar­ge­bo­ten wird? Ernst­haft? ERNSTHAFT? Der Goe­the ist nur auf Papier Kul­tur, auf einem Bild­schirm isser so etwas ähn­li­ches wie an den Tisch gebrach­tes Gyros/​Pommes mit Pils und Ouzo?
Für den Kon­su­men­ten ist der Unter­schied non­e­xis­tent – am Ende liest man immer einen Text, ob nun auf Papier oder eInk (Jun­kies, die gern gif­ti­ge Dru­cker­schwär­ze schnüf­feln, las­sen wir an die­ser Stel­le mal außen vor, eben­so wie die »aber Papier­bü­cher haben doch soooo eine tol­le Haptik!!!einsölf!!«-Spinner). Das­sel­be übri­gens bei Hör­bü­chern: Wenn ich eins auf CD kau­fe, zah­le ich 7 Pro­zent USt, bei einem Down­load wer­den 19 % fäl­lig. Will man bei den Orga­nen der EU »moder­ne« Medi­en (die gemes­sen in Inter­net-Zeit­al­tern jedoch schon uralt sind) mit Gewalt unter­drü­cken? Will man gezielt dafür sor­gen, dass Euro­pa hin­ter dem Rest der Welt her­schleicht, was Inter­net und ver­wand­te Medi­en angeht? Will man Inno­va­ti­on als uner­wünscht weg­bo­xen? Oder sind die ein­fach nur bekloppt?

Die Öko­bi­lanz von eBooks ist laut einer Stu­die deut­lich bes­ser als die von Print­bü­chern. Sie müs­sen nicht gedruckt wer­den, sie müs­sen nicht gela­gert wer­den, sie müs­sen nicht mit Last­wa­gen von A nach B gekarrt wer­den. Alles pri­ma für den CO2-Foot­print und weni­ger Fein­staub in der Luft. Hat­te sich nicht irgend­wer Umwelt­freund­lich­keit auf die Fah­ne geschrie­ben? Ich komm jetzt nicht drauf, wer es war. Fängt mit E an und hört mit uropa auf. Ja. Ur-Opa passt irgend­wie …

Und was ist mit der Buch­preis­bin­dung? Ja, ich weiß, die all­ge­mei­ne Les­art von Bör­sen­ver­ein und des­sen Treu­hän­dern ist, dass die auch für Medi­en gilt, die »im Prin­zip so was ähn­li­ches wie Bücher« sind (auf Lega­le­sisch: »Preis­zu­bin­den sind sol­che E‑Bücher, die ei­nem ge­druck­ten Buch im We­sent­li­chen ent­spre­chen«). Nach der Begrün­dung des Gerich­tes sind eBooks aber so lan­ge gar kei­ne Bücher, bis sie sich auf mei­nem eRea­der befin­den, also im Moment des Kaufs noch nicht. Wäre ich Ama­zon, wür­de ich die Buch­preis­bin­dung auf eBooks sofort in den Wind schie­ßen, genau so argu­men­tie­ren und die Abmah­nun­gen und Kla­gen ent­spannt auf mich zukom­men las­sen. Die Koh­le, ein paar Run­den mit Jus­ti­zia zu dre­hen, zahlt Jeff Bezos doch aus der Kaf­fee­kas­se. Irgend­wann lan­det das dann vor genau dem­sel­ben Gericht. Und dann müs­sen die Hosen run­ter. Und dann stellt sich raus, dass Ama­zon zwar kei­ne 3% USt auf eBooks mehr neh­men darf (ist seit dem ers­ten Janu­ar 2015 eh vor­bei, aber das ist eine ande­re Gru­sel­ge­schich­te), aber dafür die Prei­se belie­big fest­le­gen kann. Und das scha­det so ziem­lich jedem – außer Ama­zon.

Abschlie­ßend möch­te ich anmer­ken, dass ich in die­ser Cau­sa (Umsatz­steu­er auf eBooks, nicht Buch­preis­bin­dung) tat­säch­lich so ziem­lich der­sel­ben Mei­nung wie der Bör­sen­ver­ein bin. Erschre­ckend …

Sati­re off. Nur zur Sicher­heit. Nicht, dass sich noch irgend­ein euro­päi­sches Gericht ange­grif­fen fühlt.

Mann­mann­mann.

EuGH: Weiterverkauf gebrauchter Software zulässig – Konsequenzen für Spiele und eBooks

Was der Euro­päi­sche Gerichts­hof heu­te beschloss, hat auf den ers­ten Blick nichts mit eBooks zu tun. In einem Rechts­streit zwi­schen Ora­cle und used­S­oft über den Wei­ter­ver­kauf gebrauch­ter Soft­ware gelang­te das Gericht zu dem Schluss, das das grund­sätz­lich selbst­ver­ständ­lich zuläs­sig ist.

Inter­es­sant dar­an ist die Fest­stel­lung des EuGH, dass es für einen Wei­ter­ver­kauf völ­lig uner­heb­lich ist, ob die Soft­ware auf einem Daten­trä­ger oder als Down­load erwor­ben wur­de, »es han­de­le sich auf alle Fäl­le um einen Ver­kauf«, schreibt man auf Hei­se. Ora­cle war der Ansicht, dass man dem Kun­den nur eine Soft­ware­ko­pie bereit gestellt habe, die zuge­hö­ri­ge Lizenz jedoch nur zur Nut­zung berech­ti­ge, nicht aber Eigen­tum an der Soft­ware gewäh­re. Das sieht der Gerichts­hof deut­lich anders und bezeich­net Kopie und Lizenz als »unteil­ba­res Gan­zes«, weil:

Das Her­un­ter­la­den einer Kopie eines Com­pu­ter­pro­gramms wäre näm­lich sinn­los, wenn die­se Kopie von ihrem Besit­zer nicht genutzt wer­den dürf­te

Damit darf man jeg­li­che Soft­ware wei­ter­ver­kau­fen, solan­ge man die eige­ne Kopie löscht. Das ist ein weit rei­chen­des Urteil und dürf­te nicht zuletzt Spie­le­her­stel­ler vor eini­ge Pro­ble­me stel­len, damit ist näm­lich auch der Wei­ter­ver­kauf von MMOs grund­sätz­lich mög­lich und vor allem ent­ge­gen der Nut­zungs­be­din­gun­gen völ­lig legal – Lizenz- und Nut­zungs­be­din­gun­gen dür­fen näm­lich nicht gegen gel­ten­des Recht ver­sto­ßen. Die immer häu­fi­ger zu fin­den­de Pra­xis, Spie­le an Benut­zer­kon­ten zu bin­den, dürf­te mit die­sem Urteil nicht ohne wei­te­res fort­zu­set­zen sein, denn ein Wei­ter­ver­kauf ist defi­ni­tiv zuläs­sig; damit müs­sen die Anbie­ter Mög­lich­kei­ten schaf­fen, die Wei­ter­ga­be von Lizen­zen zu ermög­li­chen.

Mei­ner Ansicht nach ist das Urteil aber noch viel wei­ter­rei­chen­der und betrifft genau­so eBooks (und selbst­ver­ständ­lich auch Hör­bü­cher), die all­zu oft mit­tels kun­den­feind­li­cher DRM-Maß­nah­men nicht nur an ein­zel­ne Kun­den, son­dern sogar an ein­zel­ne Gerä­te gebun­den sind. Auch hier wer­den die Anbie­ter Mög­lich­kei­ten fin­den müs­sen, wie man Lizen­zen wei­ter­ge­ben kann. Und sogar die DRM-frei­en elek­tro­ni­schen Bücher sind betrof­fen, die ver­fü­gen übli­cher­wei­se über »wei­che« DRM-Maß­nah­men wie Was­ser­zei­chen, um ille­ga­le Ver­brei­tung zu ver­hin­dern bzw. zu ver­fol­gen. Für die die Kun­den ist das in Sachen eBooks (eben­so wie bei Soft­ware) eine gran­dio­se Nach­richt, besei­tigt das Urteil doch einen der größ­ten Nach­tei­le der digi­ta­len Bücher.

Da eBooks letzt­end­lich nichts ande­res sind als Soft­ware (das hat der Gesetz­ge­ber auch bereits durch die Ein­stu­fung einer Mehr­wehrt­steu­er­pflicht in Höhe von 19% bestä­tigt), kom­men hier auf die Anbie­ter von eBooks tur­bu­len­te Zei­ten zu, denn auch bei gekauf­ten eBooks muss zukünf­tig ermög­licht wer­den, die erwor­be­ne Soft­ware (das eBook) wei­ter ver­kau­fen zu kön­nen.

Das wird dem Bör­sen­ver­ein nicht gefal­len …

Ob das alles ohne wei­te­re Kla­gen durch­ge­setzt wer­den kann oder ob die Anbie­ter ver­su­chen wer­den, das Urteil zu igno­rie­ren, steht noch auf einem ande­ren Blatt, die Rech­te der Kun­den wur­den durch die Ent­schei­dung des EuGH jedoch deut­lich gestärkt.

Quel­le unter ande­rem: Hei­se

Bild: Logo des EuGH von Ssol­bergj, aus der Wiki­pe­dia, CC BY-SA

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