Nach meinem Artikel zum durch die Stadt Remscheid verweigerten Eintragung eines Künstlernamens hier auf PhantaNews und einem Crosspost bei der lokalen Seite Waterbölles, kam auch das lokale Printblatt Remscheider General-Anzeiger auf mich zu. Telefonisch bat man um weitere Informationen, die ich gab, und verwies auch auf meinen Text hier.
Über den daraus entstandenen Artikel (möglicherweise hinter Paywall) kann ich mich nur wundern, denn er enthält nicht nur falsche Informationen, sondern es wird zudem erneut kritiklos ein Standpunkt der Stadt Remscheid wiedergegeben, der vom Gericht als eindeutig falsch kassiert wurde.
Da man beim RGA meinen Kommentar nicht freischalten möchte, in dem ich sachlich auf die Fehler hinwies, möchte ich das hier richtigstellen (und muss mich fragen, warum der RGA überhaupt eine Kommentarfunktion anbietet, wenn man Kommentare ohnehin nicht freischalten möchte – dass man sich dabei der aus DSGVO-Sicht problematischen und von Datenschützern kritisierten Plattform Disqus bedient, ist noch ein ganz anderes Problem).
Im Artikel schreibt der RGA:
Nach mehreren Instanzen vor Gericht, in denen der Remscheider zahlreiche Belege und Reichweiten seiner künstlerischen Tätigkeit nachweisen musste, sprachen die Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf Stefan Holzhauer dieses Recht nun zu
Das ist inhaltlich falsch, denn das Urteil erging erstinstanzlich, ich musste nicht durch mehrere Instanzen. Auch dass ich »zahlreiche Belege« […] nachweisen musste, ist so eindeutig missverständlich. Tatsächlich hat das Gericht exakt dieselben Belege bekommen, wie die Stadt Remscheid; es gab nur zwei zusätzliche Belege: eine Auflistung von Veranstaltungen, zu denen ich in den vergangenen Jahren ausgestellt hatte und ein Nachweis von Verkäufen auf einer Künstlerplattform. Der Aufwand für die Bereitstellung der Belege hielt sich in Grenzen.
Kann ich „Großvisier Remscheid“ oder andere Kunstschöpfungen dann auch einfach so in den Personalausweis eintragen lassen? Zumindest kann ich es versuchen – die Meldebehörde entscheidet dann nach eingehender Prüfung.
Mal abgesehen dass ich mich frage, was ein »Großvisier« ist (entweder ist tatsächlich »Großwesir« (selten auch »Großvisir«) gemeint, oder es geht um ein großes Visier, was keinen Sinn ergibt, außer man ist ein Motorrad- oder Ritterhelm):
Dann lässt man eine Dame von der Stadt Remscheid zu Wort kommen. Frecherweise werden hier exakt die falschen Einschätzungen aus meinem Fall wiederholt, die der Stadt vom Richter rechts und links um die Ohren gehauen wurden, und das seitens des RGA unwidersprochen und kritiklos:
Der Künstlername überlagert in der öffentlichen Wahrnehmung den bürgerlichen Namen, zumindest in Teilbereichen. Im Falle von Stefan Holzhauer heißt das: Alle kennen ihn als Xanathon, wenn er über die Straße geht, und nicht als Stefan.
Und genau das ist falsch. In der Urteilbegründung steht unmissverständlich, dass eben keine zu hohen Anforderungen an die Bekanntheit gestellt werden dürfen, unabhängig von der vermeintlichen Bekanntheit, gibt es eben auch ein Persönlichkeitsrecht auf Eintragung des Künstlernamens:
Auszüge aus dem Urteil:
Vor dem Hintergrund, dass auch die Eintragung eines Künstlernamens in ein Ausweisdokument in erster Linie öffentlichen ldentifizierungsinteressen dient, fordern die einschlägigen Verwaltungsvorschriften für eine Eintragung eines Künstlernamens in Pass und Personalausweis über den Umstand, dass er tatsächlich öffentlich geführt wird, hinaus im Ansatz zu Recht, dass die antragstellende Person unter dem von ihr angegebenen Künstlernamen auch bekannt ist (Nr. 4.1.4 Abs. 3 S. ·1 PassVwV). Diese „Bekanntheit« setzt wiederum voraus, dass der Künstlername in der Öffentlichkeit eine entsprechende »Verkehrsgeltung« erlangt hat, mithin in der öffentlichen Wahrnehmung den bürgerlichen Namen zumindest in Teilbereichen überlagert (Nr. 4.1.4 Abs. 3 S. 3 PassVwV). Dabei bezieht sich die öffentliche Wahrnehmung grundsätzlich auf einen überregionalen Bekanntheitsgrad und die Möglichkeit einer Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten (Nr. 4.1.4 Abs. 3 S. 4 PassVwV).
Angesichts des Grundrechtsbezuges der Führung eines Künstlernamen zu Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 3 bzw. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dürfen allerdings bezüglich der Verkehrsgeltung als Voraussetzung für die Eintragung eines Künstlernamens keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.
[…]
Soweit das· Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner Stellungnahme an den Petitionsausschuss des Landtages ausgeführt hat, dass die Eintragung des Künstlernamens des Klägers in dessen Personalausweis voraussetze, dass der Betroffene unter dem Künstlernamen einen solchen Bekanntheitsgrad habe, »dass man ihn eigentlich nur unter diesem Namen« kenne, ergibt sich das in dieser Schärfe aus den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften nicht.
Und das sagt das genaue Gegenteil von dem aus, was im Artikel steht, es muss einen Künstler nämlich eben nicht jeder auf der Straße erkennen und mit dem Künstlernamen anreden. Das wäre eine viel zu strenge – und damit rechtswidrige ‑Auslegung der Vorschriften. Es geht nur um »Teilbereiche« einer öffentlichen Wahrnehmung, nicht um eine vollständige Überdeckung, wie sie bei »alle erkennen ihn auf der Straße als Xanathon« gegeben wäre. Ich gebe zu, dass es hier nicht eindeutig zu erkennen ist, ob die Formulierung so von der Stadt kommt, oder von der Autorin des Textes. Falsch ist es in jedem Fall.
Am Ende versucht die Stadt Remscheid dann noch eine Drohkulisse aufzubauen und andere Personen, die vielleicht ebenfalls einen Künstlernamen führen möchten, durch eine Gebührennennung abschrecken:
Für die beantragte Eintragung wird „eine dem Verwaltungsaufwand berücksichtigende Verwaltungsgebühr in Höhe von 0 bis 500 Euro erhoben“.
Dazu: Manche Kommunen erheben dafür gar keine Gebühren, andere maximal 30 Euro. Üblicherweise sollte die Eintragung eines Künstlernamens insbesondere dann gebührenfrei sein, wenn er mit der Neuausstellung eines Personalausweises einher geht. Ich würde maximal die oben genannten 30 Euro für angemessen halten, auch in einer Pleitekommune wie Remscheid (pleite durch eklatante Fehlentscheidungen der kommunalen Verwaltung, go figure …). Sollte eine Gebührenforderung zu hoch sein, kann man auch dagegen gerichtlich vorgehen.
Für den RGA hätte hier Möglichkeit bestanden, sich kritisch mit einer rechtswidrigen Entscheidung der Stadt auseinander setzen zu können. Leider ist das nicht passiert, zudem enthält der Text inhaltliche Fehler.
Dass die Stadt Remscheid hier mit »Gebühren für Verwaltungsaufwand« argumentiert finde ich offen gesagt ulkig. Denn die rechtswidrige Verweigerung der Eintragung samt Lokaltermin beim Petitionsausschuss des Landtags NRW und die ausführlichen aber ergebnislosen Stellungnahmen der Stadt gegenüber dem Gericht dürften der Stadt Remscheid einen massiv höheren »Verwaltungsaufwand« durch erheblichen Stundenaufwand beschert haben, als es eine sofortige, rechtskonforme Eintragung getan hätte.
Abschließend möchte ich erneut den Tipp geben: Wenn euch eure Kommune die Eintragung verweigert, dann weist euren Anwalt auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hin (Aktenzeichen: 5 K 5337/22) und glaubt nicht einfach, was euch die Verwaltungsbeamten erzählen wollen.