Als ich zum ersten Mal vom Retro-Games-Handheld Evercade hörte, war ich als Retro-Fan interessiert, immerhin habe ich all die Spiele damals live erlebt, als sie neu waren. Deswegen stehen hier auch diverse alte Computer und Konsolen herum, ebenso diverse Hardware- und FPGA-Emulatoren.
Die Evercade sollte ein Handheld mit einem 3Zoll-Bildschirm sein, für das Spiele der verschiedensten Systeme und Publisher (beispielsweise Namco, Atari oder Capcom) als Cartridges erhältlich sein sollten, also wie in den alten Zeiten. Das würde auch bedeuten: Einstecken, losspielen.
Deswegen hatte ich Anfang Mai ein Evercade bei Amazon vorbestellt, Lieferung sollte Ende Mail sein, das verschob sich dann auf den 6. Juni, bis dahin noch kein Problem.
Dann verstrich der 6. Juni 2020 ohne dass ich ein gerät erhielt. Im Amazon-Backend wurde jeglicher Liefertermin gelöscht. Eine Anfrage bei Amazon ergab: der Evercade-Hersteller ist schuld, weil er nicht genug Einheiten ausgeliefert hat, die hingegen wollten den schwarzen Peter Amazon zuschieben und behaupteten: Amazon hat nicht genug bestellt und kann deswegen nicht liefern. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Amazon halte ich das für unglaubwürdig, denn die wussten ja aufgrund der Vorbestellungen ziemlich genau, wieviele sie benötigten, deswegen gehe ich davon aus, dass Evercade einfach nicht genug Konsolen geliefert hat. Während andere also schon erste Besprechungen verfassten, sagte man mir bei Amazon nur lapidar: »Sie können ja einfach stornieren.« Das war natürlich ebenso wenig eine Option wie der vom Hersteller vorgeschlagene Weg, doch einfach in GB zu bestellen, da wäre mir ein eventueller Kaufrücktritt dann allerdings zu teuer geworden.
Anfang der Woche meldete Amazon mir dann unerwartet per Email, dass die Konsole am 7. Juli 2020 geliefert werde. Sie kam gestern, also sieben Tage vorher.
Nach dem Auspacken wurde leider bestätigt, was andere Rezensenten bereits bemängelt hatten: das Steuerkreuz ist arg spillerig und wenig vertraueneerweckend, ähnliches gilt für die Buttons. Die Cartridges kann man nur mit einiger Gewalt in den vorgesehenen Schacht drücken und noch schwieriger wieder heraus bekommen (das Support-Video dazu, das mir zeigen will wie ich das handhaben soll, damit es funktioniert, ist ein guter Lacher, aber keine Lösung), der Sound ist aufgrund der winzigen Lautsprecher eher schlecht.
Dazu kommt, dass ich mir die Zusammenstellungen der Spiele auf den Cartridges gar nicht so genau angesehen hatte (ich hatte einen Pack aus Konsole mit drei Cassetten erworben, dabei sind Atari Classics, Namco Museum und Interplay). Auf der Namco-Cartridge befanden sich gerade mal elf Spiele, darunter auch welche, die man nicht wirklich als »Klassiker« bezeichnen würde, die restlichen Cassetten sahen ähnlich traurig aus. Gut, ich gebe zu: das war mein Fehler, ich hätte vorher mal genauer hinsehen sollen, wie umfangreich die Spielesammlungen sind. Betrachtet man, dass die Cassetten einzeln für 20 Euro angeboten werden, ist die Spielauswahl darauf ein Lacher, es gibt für andere Konsolen für denselben oder sogar niedrigere Preise deutlich umfangreichere Sammlungen. Vermutlich waren den Evercade-Machern die Lizenzkosten für echte Kracher in ausreichender Anzahl zu hoch.
Nachdem ich dann noch feststellen musste, dass es sich bei beispielsweise PAC-MAN, XEVIOUS oder GALAXIAN um technisch minderwerige NES-Versionen handelte, also nicht um Arcade-Fassungen, habe ich die Atari- und Interplay-Cartridges gar nicht mehr aus‑, dafür aber das Evercade wieder eingepackt und werde es im Rahmen meines Kaufrücktrittsrechts zurücksenden.
Schade. Eigentlich eine gute Idee, allerdings mangelt es an der technischen Umsetzung, der Qualität der Konsole, sowie der Qualität der emulierten Spiele ebenso wie deren Anzahl für den angesagten Preis. Dann doch lieber Namco Museum (und andere) auf der Switch. Da gibt es sogar nahezu eins zu eins-Umsetzungen von Spielhallenklassikern wie MOON PATROL.
Hardcore-Fans könnten mal einen Blick riskieren, für die gibt es allerdings zahlreiche andere und in meinen Augen bessere Optionen für in aller Regel weniger Geld. Ich hatte semilegale China-Konsolen in der Hand, die besser verarbeitet waren, als das Evercade …
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