Jetzt mag man fragen, wo denn der Unterschied zu beispielsweise einem Guttenplag ist, auf dem die Plagiate von zu Guttenberg offengelegt wurden. Da gibt es diverse: Erstens war das Guttenplag (und sind ähnliche Angebote) öffentlich und transparent, sprich: man kann das Zusammentragen der inkriminierten Stellen durch die verwendete Wikisoftware und deren Versionierung nachverfolgen. Zweitens kann man sie als journalistische Angebote einstufen, die deswegen auch über ein Impressum verfügen, und sich der Sachlichkeit verpflichten. Drittens geht es dabei um Personen von zeitgeschichtlicher Relevanz, das ist bei eher unbekannten AutorInnen ganz sicher nicht der Fall. Viertens wird auf solchen Angeboten nicht lamentierend der Untergang des Abendlandes beschworen, denn das ist das genaue Gegenteil von sachlicher und objektiver Auseinandersetzung mit dem Thema.
Interessant sind die Reaktionen, wenn man die Handlungsweise der Plagiatsjäger auf Facebook kritisch hinterfragt und auf die existierenden rechtlichen Probleme und die Bedenklichkeit hinweist. Die kann man mit Fug und Recht als agressiv, ja geradezu »giftig« bezeichnen. Wenn man solche kritischen Fragen äußert, wird einem sogar umgehend unterstellt, dass man ja wohl selbst Dreck am Stecken haben müsse, wenn und weil man die Plagiatoren »in Schutz nehme«. Alternativ wird vermutet, dass man sich mit der geäußerten Kritik nur wichtig machen möchte, oder eine »Hexenjagd« auf die Plagiatssucher eröffnen wolle. Man muss sich fragen, warum die Reaktionen auf kritische Fragen oder Hinweise auf mögliche rechtliche Probleme mit diesem »Facebook-Pranger« so extrem ausfallen. Es ist zudem festzustellen, dass Personen sich regelrecht mit der »Aufdeckung« solcher Fälle schmücken, sich als vermeintliche Helden feiern lassen und dabei wortreich darauf hinweisen, wie »schrecklich« das alles sei, und wie sehr es dem Ansehen der Zunft schade – und man das deswegen offenlegen müsse. Man geriert sich also auch noch als Held.
Es existiert offensichtlich keinerlei selbstkritische Einsicht und auch kein Unrechtsbewusstsein, wenn Dritte an den Internet-Pranger gestellt und deren Persönlichkeitsrechte dabei grundlegend verletzt werden. Eine tatsächliche zivil- oder strafrechtlich relevante Tat ist dabei übrigens ebenso irrelevant, wie eine eventuell stattgefundene Selbstbezichtigung der Person.
Und das gilt ausnahmslos. Ein unsachlicher Internetpranger ist immer ein Verstoß gegen die Achtung der Menschenwürde und eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte sowie ein eklatanter Verstoß gegen die Unschuldvermutung, eine der Säulen unserer zivilisierten Gesellschaft. Rechtsanwalt Karsten Gulden führt in seinem Artikel eindeutig aus:
Sind Internetpranger immer unzulässig?
Ja, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel. Ein Pranger im Internet verstößt immer gegen die Achtung der Menschenwürde, egal, was der oder die Verantwortlichen mit dem Pranger bezwecken.
Was man selbstverständlich darf und auch tun sollte, ist erlangte Informationen an Geschädigte weitergeben, also beispielsweise den plagiierten Autor oder dessen Verlag – und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Alles andere ist vermutlich rechtswidrig, egal mit welchen schöngeredeten Begründungen die Plagiatsjäger die Öffentlichmachung auch verteidigen wollen. Und damit werden sie möglicherweise selbst zivilrechtlich belangbar und setzen sich der Gefahr mindestens einer Schadensersatzforderung aus. Mit Meinungsfreiheit hat das alles übrigens am allerwenigsten zu tun.
Disclaimer: Ich bin kein Anwalt. Aber man kann sich die verlinkten Artikel ansehen, die meine Meinung unterstützen, oder auch mal eine Suchmaschine der eigenen Wahl bemühen.
Bild von mir, CC0
Ich glaube das ist schlecht recherchiert und stimmt auch nicht.
Selbst die FAZ hat über einen Plagiatsfall berichtet, der von einer FB-Gruppe aufgedeckt wurde. Und natürlich wurde der Name der Autorin darin genannt, die vorher selbst öffentlich gemacht hatte, dass sie abgeschrieben hat.
Da kann von Verletzung der Persönlichkeitsrecht nicht mehr die Rede sein.
Beim nächsten Mal besser mal einen Anwalt für Urheberrecht fragen, bevor man so einen Artikel veröffentlicht.
Beim nächsten Mal genauer lesen. Ich habe eindeutig einen Unterschied zwischen journalistischer Berichterstattung und simplen Anprangern durch selbsternannte Wichtigtuer gemacht. Da ist überhaupt nichts »schlecht recherchiert«, Du hast es nur nicht verstanden, deswegen ist Dein »Glauben« falsch.
Was hat eigentlich ein Anwalt für Urheberrecht mit Persönlichkeits- und Menschenrechten oder dem Grundgesetz zu tun? Ich erkläre es Dir gern: nichts.
Edit: Übrigens kann sich sogar ein journalistisches Angebot wie die FAZ einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte schuldig machen. Einfach mal die von mir verlinkten Artikel lesen und zu verstehen versuchen. Dass die irgendwas schreiben und/oder veröffentlichen ist nun wahrlich kein Argument.
Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Unschuldsvermutung nichts mit der Verfassung zu tun hat. Tatsächlich findet sich sich in der in Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 sowie in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und sowie in Deutschland aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz.
Übrigens werden »Verfassung« und »Grundgesetz« oft synonym verwendet, auch wenn das nicht immer ganz korrekt sein mag. Im vorliegenden Fall halte ich das für Korinthenkackerei.
Lieber Stefan,
sorry, aber in dem Artikel geht so einiges durcheinander.
Beginnen wir mal mit dem Thema Unschuldsvermutung. Die strafrechtliche Unschuldsvermutung („in dubio pro reo“) gilt nur im Verhältnis zwischen Bürger und Strafverfolgungsbehörde und nicht zwischen Bürger und Bürger. Ich als Otto Normalverbraucher darf also jemand anderes „Schuld“ vermuten, soviel ich will, so lange ich dabei keine für jedermann geltenden Strafvorschriften verletze. Aber dazu gleich mehr. Dasselbe gilt übrigens auch für das von Dir mehrfach zitierte Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Dabei handelt es sich um ein Grundrecht und auch Grundrechte binden primär den Staat, und nicht die Bürger untereinander, wie man z.B. Art. 1 Abs. 3 GG entnehmen kann.
Und damit kommen zum zweiten Thema. Zwar behauptest Du in dem Artikel mehrmals, die Personen, die Plagiate öffentlich derart anprangern würden, müssten selbst strafrechtliche Verfolgung fürchten. Allerdings lässt diesen Fischen keine Butter folgen, d.h. Du nennst die betreffenden Strafvorschriften nicht. Infrage kommen hier aber allenfalls die Üble Nachrede und die Verleumdung, §§ 186 und 187 StGB. Schauen wir uns daher die beiden Normen mal etwas genauer an. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist bei beiden Normen die Verbreitung von Tatsachen. Eine Tatsache ist im Gegensatz zum Werturteil eine Behauptung, die dem Beweis zugänglich ist. Sage ich also: „Autor XY ist ein fantasieloser Schmock“, so ist das ein Werturteil und damit allenfalls eine Beleidigung im Sinne von § 185 StGB. Sage ich hingegen: „Autor XY hat das Buch a Autor Z plagiiert, so ist dies dem Beweis zugänglich und damit eine Tatsache. So weit, so gut. Eine Strafbarkeit kommt allerdings nach beiden Normen NICHT in Betracht, wenn die behauptete Tatsache erweislich WAHR ist. Insofern liegst Du falsch, wenn Du z.B. meinst, es spiele keine Rolle, ob die Person, gegen die sich die Behauptung richtet, sich irgendwo selbst bezichtigt habe. Tatsächlich wäre so ein Geständnis von hoher Relevanz. Hat ein Straftäter seine Straftat öffentlich gestanden, so kommt eine Strafbarkeit eines Dritten, der ihn dieser Strafbarkeit bezichtigt, wegen Übler Nachrede oder Verleumdung nicht in Betracht, weil die Tatsache seiner Schuld durch sein Geständnis belegt ist. Selbst wenn er dies Geständnis später zurückziehen sollte, hätte der ihn Bezichtigende jedenfalls immer noch in gutem Glauben gehandelt.
Einem Geständnis kommt es gleich, wenn der Bezichtigende selber Beweise für die Schuld des Bezichtigten hat, also in unserem Fall die Plagiate vorweisen kann. Dabei spielt es allerdings – anders als von Dir vermutet – keine Rolle, ob der Bezichtigende seine Bezichtigung öffentlich und transparent durch die ihm vorliegenden Beweise untermauert (den Vroniplag-Betreibern wurde seinerzeit erfolglos ihre teilweise Anonymität vorgeworfen). Für die Strafbarkeit i.S.d. §§ 186 u. 187 StGB kommt es allein darauf an, ob er den Beweis der Wahrheit seiner Bezichtigung später in einem eventuellen Strafverfahren zu führen in der Lage ist. Selbst wenn der Bezichtigende sich in seiner Annahme eines Plagiats irrt, kommt eine Strafbarkeit wegen des schwerwiegenderen Delikts der Verleumdung schon deswegen nicht in Betracht, weil er in diesem Fall das Plagiat jedenfalls in gutem Glauben, aber nicht vorsätzlich wider besseres Wissen behauptet hat. Übrigen bleibt dann allein eine eventuelle Strafbarkeit wegen Übler Nachrede und selbst in solchen Fällen dürfte es kaum zu einer Verurteilung kommen, wenn der Bezichtigende sich in einem schwer zu beurteilenden Zweifelsfall letztlich geirrt hat.
Liegt aber tatsächlich ein Plagiat vor, dann besteht – wie schon gesagt – sicherlich keine Strafbarkeit des Bezichtigenden. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob seine Behauptung in eher sachlicher oder polemischer Form vorgebracht wurde (auch die Guttenplag- und Vroniplag-Betreiber waren in ihren Presseäußerungen nicht immer zimperlich). Die Strafbarkeit hängt auch nicht daran, ob eine Website ein Impressum aufweist oder nicht. Die Impressumspflicht gilt, wenn sie denn gegeben ist, unabhängig von den verbreiteten Inhalten. Auch die Frage, ob eine Person zeitgeschichtliche Relevanz besitzt, spielt für die Strafbarkeit keine Rolle (sonst würde das in §§ 186, 187 StGB auftauchen), sondern höchstens für die zivilrechtliche Wertung der ganzen Angelegenheit, zu der ich zum Abschluss kommen möchte.
Voraussetzung für die von Dir behauptete Möglichkeit einer Schadenersatzforderung gegen die Anprangernden wäre zuallererst einmal, dass der Angeprangerte überhaupt einen nachweisbaren materiellen Schaden erlitten hat. Ein solcher kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn – wie in den derzeit virulenten Fällen – ertappte Autoren ihre Bücher selbst offline nehmen, denn dann fehlt es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Anprangerung und möglichem Schaden. Im Übrigen ist ein Schaden in Form von nichtverkauften Büchern vor Gericht ohnehin sehr schwer zu beweisen, weil der Beweis ja eine Eventualargumentation beinhaltet. Der Geschädigte müsste in der Lage sein handfest nachzuweisen, dass und wie viele Bücher er aufgrund der Anprangerung weniger verkauft hat. Und selbst wenn er einen solchen Beweis führen könnte, wäre analog zum Strafrecht eine zivilrechtliche Haftung dann nicht gegeben, wenn tatsächlich ein Plagiat vorliegt, da es dann schon an der von § 823 BGB geforderten „Rechtsverletzung“, mindestens aber an deren „Widerrechtlichkeit“ mangelt. Denn die richterliche Auslegung dieser Begriffe muss nicht allein das Persönlichkeitsrecht des Angeprangerten, sondern auch die Meinungsäußerungsfreiheit des Anprangernden in Betracht ziehen. Letztere dürfte aber regelmäßig dann überwiegen, wenn der Anprangernde die Wahrheit seiner Äußerung beweisen kann. Aus denselben Gründen dürfte dann auch die Geltendmachung eines ideellen Schadens wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, also quasi einer Art seelischen Schmerzensgeldes scheitern.
Die theoretisch denkbare Beantragung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (vulgo Abmahnung) durch den Angeprangerten dürfte ebenfalls dann scheitern, wenn die angeprangerten Umstände erweislich wahr sind. Anderenfalls hätte auch Freiherr zu Guttenberg durchaus gegen die gegen sein Plagiat gerichteten Plattformen vorgehen können.
Im Endergebnis wird man dazu kommen, dass das öffentliche Anprangern von Plagiaten, dass ja übrigens im von Dir zitierten Fall Hegemann von diversen Feuilletons praktiziert wurde, ohne dass irgendjemand je dagegen eingeschritten ist, zumindest so lange risikolos ist, so lange die Prangernden in der Lage sind, ein Plagiat im Zweifel auch nachzuweisen.
Was die von Dir zitierten Quellen angeht, so möchte ich anmerken, dass zum einen juristische Zitate aus einer österreichischen Quelle für die deutsche Rechtslage weitgehend irrelevant sind. Zu den beiden anderen Quellen möchte ich sagen, dass es sich dabei um Blogeinträge bzw. Postings von Anwälten mit offensichtlich werbendem Charakter handelt. Die sind nun gerade nicht als rechtliche Expertisen gedacht, sondern sollen eher darauf zielen, dem sich äußernden Anwalt neue Mandantschaft ins Haus zu bringen.
Bitte versteh mich nicht falsch: Soziologisch mag man über die Berechtigung und den ethischen Wert derartiger Pranger durchaus streiten. Auch das Jagdfieber mancher Vroniplagler erschien mir mitunter etwas suspekt. Andererseits finde ich es zumindest nachvollziehbar, wenn eine Gruppe von Autoren ihre Peergroup (Self Publisher) von dem drohenden Generalverdacht des Plagiatorentums öffentlich wirkungsvoll abgrenzen will. Man sollte m.E. auch im Auge behalten, dass das initiale Unrecht nicht die Anprangerung, sondern das Plagiat war. Das scheint mir in Deinem Text ein wenig unter den Tisch zu fallen.
Beste Grüße, Dein Thomas
Aha, da hat man also gleich mal Thomas Elbel gegen mich in Stellung gebracht, ich fühle mich geehrt. Wer wissen möchte wer das ist, und was er auch in Sachen Urheberrechte vertritt, empfehle ich eine Internet-Suche. Ich würde ihn als Urheberrechts-ultrakonservativ bezeichnen, in meinen Augen agitiert er gegen Novellierungen des Urheberrechts, die den Nutzer und auch andere Urheber – also uns alle – besser stellen würde, beispielsweise beim Recht auf Remix. Ich weise darauf hin, damit man seine Äußerungen vielleicht ein wenig besser einschätzen kann.
Ich werde mich inhaltlich nicht zu dem obenstehenden Juristensprech-Overkill äußern, da ich, wie auch am Ende des Artikels steht, kein Anwalt bin, und man mich natürlich unendlich mit beliebigen Paragraphen vollbomben kann, ohne dass ich das widerlegen könnte. Nur soviel: Wer Anwälte kennt, der weiß: Drei Anwälte fünf Meinungen. Und auch dass die Meinung anderer Anwälte als unbedeutend oder gerade mal als Werbemaßnahme diskreditiert werden soll, ist in meinen Augen eher typisches Anwalts-Alphamännchen-Gehabe, als ein Beleg, dass deren Aussagen falsch sind.
Auch Mimikama könnte man kennen. Deren Server steht zwar in Österreich, aber sie behandeln keineswegs nur Themen die dieses Land betreffen, sondern solche rund um soziale Medien allgemein.
Ach ja: Dass »strafrechtliche Unschuldsvermutung („in dubio pro reo“)« … »nur im Verhältnis zwischen Bürger und Strafverfolgungsbehörde und nicht zwischen Bürger und Bürger« gilt, mag formaljuristisch so sein. Betrachtet man allerdings die Herkunft aus den allgemeinem Erklärungen der Menschenrechte, erkennt man, dass es neben der juristischen auch noch eine moralisch-ethische Ebene gibt. Wer sagt »ich bin nur ein Bürger, das gilt für mich nicht!«, der zeigt in meinen Augen eine erschreckende Ignoranz gegenüber den Menschenrechten.
Herr Elbel verkennt, dass bei der Beurteilung zB von Schadensersatzansprüchen von Bürgern (Autorin) gegen Bürger (»Jäger«) selbstverständlich das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgewogen wird.
Herr Elbel verkennt weiter, dass die Unschuldsvermutung in der EMRK verankert ist, die als Zentrales Bekenntnis der Europäischen Gemeinschaft zur Rechtsstaatlichkeit natürlich Leitbild jeglichen öffentichen Verhaltens sein muss, da es die »Gesellschaft« bildet.
Es gehört gerade NICHT zur Meinungsfreiheit, hier Legislative (was ist ein Plagiat), Exekutive (wir ermitteln) und Jurisdiktion (wir strafen durch Anprangern) in Personalunion auszuüben. Das UrhG, das hier allein verletzt ist, regelt nicht etwa den Schutz der Allgemeinheit vor authentischen Werken, sondern das Recht des Urhebers, seine Werke wirtschaftlich zu verwerten. Das geht hier völlig unter.
Ich halte es davon unabhängig für grenzwertig »bigott«, einerseits hoheitliche Maßnahmen wie die Strafverfolgung/Schutz der Öffentlichkeit für sich zu beanspruchen, aber andererseits dann zu verkünden, dass die Grundrechte, die die hoheitliche Hand binden, für einen persönlich nicht gelten. Würde man diese Auffassung tatsächlich teilen (und die Mehrheit auch der Rechtsprechung tut dies in dieser Absolutheit nicht), wäre in der Konsequenz Denunziantentum beliebiger Form Tür und Tor geöffnet, solange man nur für sich, noch dazu geheim gehaltene Beweise für eine Glaubhaftmachung der Tatsachen in Händen hält (wenn ein »Beweis« nicht hält, hat man sich halt geirrt, macht nichts, auch wenn der Schaden irreversibel ist).
Herr Elbel lässt (da er ja Jurist ist) vermutlich bewusst außen vor, dass die »Jäger« in Blogs und FB-Gruppen agieren, also dem Presserecht unterworfen sind. Hier gibt es eine vom BVerfG als Korrektiv zur Pressefreiheit in ständiger Rechtsprechung entwickelte »Journalistische Sorgfaltspflicht«, die hier vermisst wird. Es wird erwartet, dass die Presse als »vierte Gewalt« sich freiwillig den Grundrechten unterordnet. Selbst die Bild muss von Verdächtigen schreiben, die Berichterstattung anonymisieren und auf die namentliche Nennung im Ermittlungsverfahren verzichten.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass den Beschuldigten zB in einem Artikel die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird und darauf hingewiesen wird, dass diese gewährt (und ggf. abgelehnt) wurde. Die Quellen und die Grundlagen der Meinungsbildung sind umfassend nachvollziehbar aufzudecken. Die Pressefreiheit entspringt einem Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu eigener Meinungsbildung und nicht etwa der eigenen Meinungsfreiheit der Verfasser. Ein Disclaimer (»Unschuldsvermutung besteht fort«) ist gleichfalls Zeichen seriöser Berichterstattung.
Auch ein Geständnis entbindet entgegen der Auffassung von Herrn Elbel nicht von der Ermittlungspflicht. Im Gegenteil, es ist Ausfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes §§ 160, 244 StPO, RiStBV, dass trotz Geständnis weiterermittelt werden muss, sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft. Warum? Weil es neben »guten« Gründen für ein falsches Geständnis (Schadensminimierung in der Öffentlichkeit, psychiische Gründe, Schutz Dritter wie der Familie, die bei namentlicher Nennung mitbetroffen ist), auch noch neben dem erfüllten Tatbestand die Rechtswidrigkeit und die Schuld gesondert zu prüfen und zu bejahen sind. Entfällt nur einer dieser Punkte, endet das Verfahren in einem Freispruch!
Die von Herrn Elbel so verharmlosten Ehrdelikte, §§ 185ff. StGB, erfahren im Zeitalter sozialer Netzwerke und Internetkommunikation eine erhebliche Anwendungsverschärfung (strengerer Maßstab innerhalb des bestehenden Strafrahmens) um so ein notwendiges Korrektiv zu schaffen, dass der enorm erhöhten Reichweite einer ehrverletzenden Behauptung und dem damit angerichteten Schaden für das Opfer korrespondiert (»Cyber Mobbing« als prominentes Beispiel). Dem sind insbesondere medial erfahrene Persönen wie die »Jäger« insofern besonders verpflichtet, als sie sich nicht mit dem guten Glauben auf ihre »Recherchen« berufen können, die keinesfalls ein gerichtliches Gutachten sind (selbst ihre mit der Prüfung betrauten, namentlich nicht genannten und damit in ihrer Sachkunde nicht überprüfbare »Experten« wären vor Gericht nur »Parteigutachter«, also sogenannte »sachverständige Zeugen«).
Die von Stefan aufgeworfene Frage, ob eine Person zeitgeschichtliche Relevanz besitzt, ist zwar nicht für das Strafrecht, wohl aber für das Zivilrecht (Schadensersatz nach §823 Abs.1 BGB und Presserecht von Relevanz, bei denen eben öffentliche und private Interessen gegeneinander abgewogen werden. Hier greift Herr Elbel wissentlich zu kurz.
Ich habe in der öffentlichen Diskussion auch seitens der »Jäger« mehrere Äußerungen gelesen, die aufgrund der Tonlage jedenfalls den Anfangsverdacht einer Beleidigung zu begründen vermögen. Vorverurteilungen, suggestiven Titel und Formulierungen sind mindestens presserechtlich haftungsrelevant, ggf. auch strafbar. (»Es darf nicht durch die Art der Formulierung der Eindruck erweckt werden, die Person sei schuldig und nur die Aspekte der Tat seien zu klären, z.B. „Warum hat X das getan?“ – Basiswissen journalistischer Arbeit – upload-magazin.de).
Unabhängig davon, dass natürlich ein wirtschaftlicher Schaden durch den so aufgebauten »Druck« entstanden ist (wenn man z.B. jemanden dazu treibt, dass er von der Brücke springt, ist man auch ein Mörder, obwohl man nicht geschubst hat), bleibt die Komponente Schmerzensgeld für immaterielle Schäden bei Elbel völlig außen vor.
Der Vergleich mit Guttenberg hinkt mehrfach:
1. ist G als Bundesminister nachweislich ein A‑Promi und nicht irgendein allenfalls szenebekannter Autor (eingeschränktes Persönlichkeitsrecht);
2. ging es um wesentlich einfacher nachzuweisende wissenschaftliche Plagiatsfälle, bei denen nicht das Urheberrecht des Erstwerks gegen die Kunstfreiheit des potentiellen Plagiats gegeneinander abzuwägen ist, weil nach Ansicht des BVerfG der Kunst immanent ist, sich auch mit sich selbst fortlaufend kritisch auseinanderzusetzen (z.B. mittels Parodie, Intertextualität, Anspielung, Paraphrase etc. )
3. wurden die »Mogeleien« in einem Eilverfahren auch zumindest hochschulrechtlich wirksam festgestellt und zur Aberkennung der Doktorwürde führten; ein Korrektiv durch die offizielle Verwaltungsgerichtsbarkeit hat m.W. nicht stattgefunden, weil es G. nicht wollte);
Das hat nichts damit zu tun, ob nicht die angeprangerten Werke am Ende einer rechtsstaatlichen Überprüfung durch hierzu von der Gesellschaft beauftragte Instanzen Plagiate sind, sondern damit, dass auch ich ein schales Gefühl bei der Art und Intensität der Berichterstattung habe und deshalb der Rechtsauffassung von Herrn Elbel eine andere entgegenhalten möchte.
Danke für den Kommentar.
Noch ein Nachtrag: Man macht sich keine Vorstellungen, was mir aufgrund dieses Artikels auf Facebook entgegen geschlagen ist. Selbstverständlich beinhaltet das Recht auf freie Meinungsäußerung auch, dass man auf die geäußerte Meinung gegenteilige Rückmeldungen bekommt. Damit habe ich gerechnet. Womit ich nicht gerechnet habe ist, dass sich Personen, von denen ich im Leben noch nie gehört habe, persönlich angegriffen fühlten und zum Teil … sagen wir mal freundlich … drastische Äußerungen mir gegenüber zu dem Thema tätigten oder mir Dinge unterstellten, die man aus dem obigen Artikel nur mit einer erheblich überbordenden Phantasie herauslesen kann. Von einem Shitstorm möchte ich allerdings nicht sprechen, dafür war das sich ereifernde Häufchen doch arg überschaubar.
Was ich keinesfalls tun werde ist, mich in irgendwelche Bitchfights in fremden Arenen verwickeln lassen. Ich entscheide, wo ich mich dem Diskurs stelle. Wer mir etwas zu dem Artikel zu sagen hat, kann das selbstverständlich gern hier tun. Ich lasse mir allerdings definitiv weder vorschreiben, wo ich zu diskutieren habe, noch lasse ich mich in Kommentaren beleidigen oder unsachlich diskreditieren.
Es wurde übrigens unter anderem der Vorwurf erhoben, ich hätte den Artikel zugunsten oder im Auftrag Dritter verfasst. Ich habe gelacht.
Ich bin kein Jurist und ob und wie das strafrechtlich zu werten ist, kann und will ich auch gar nicht beurteilen. Ich denke, du übersiehst bei deinem Artikel ein wenig, was ein Plagiat emotional bedeutet. Für alle anderen Autoren, nicht nur für den, der plagiiert wurde.
1.) Der Neidfaktor. Ja, ich geb’s offen und ehrlich zu, mir geht regelmäßig das Geimpfte auf, wenn ich sehe, dass Plagiatoren bessere Verkaufszahlen haben als ich. Ich racker mir den Arsch ab, und die nehmen sich einfach was, was jemand anderer gemacht hat und ihnen gut gefällt, kopieren das und haben dann noch gute Verkaufszahlen dafür. Das ist unfair! Ich muss mit dem auskommen, was ich selber in der Lage bin, zu schreiben, und kann mir nicht mal eben schnell mit Harry Potter eine goldene Nase verdienen und obendrein den Ruhm für einsacken. Was die machen, ist unfair, und wenn die dann noch Verkaufszahlen bzw Verkaufsränge auf Amazon haben, von denen ich nur träumen kann … Boah. Wut.
2.) Natürlich die Angst, dass man selber mal Opfer von sowas wird. Dass jemand anders mit meinen Federn schmücken und das Geld einsacken könnte, das mir zusteht. Das verunsichert.
3.) Werden mal wieder schnell alle Selfpublisher in den Topf der unseriösen Nichtsnutze geworfen, oder es kommt einem subjektiv so vor, und das ist natürlich auch unschön.
Ein Plagiat ist keine Bagatelle. Wenn man das so abkanzelt, als wär’s eigentlich eh nichts Schlimmes, und sich noch für Täterschutz einsetzt, ist das auch nicht okay. Ich denke, wenn man ein Plagiat findet (also zweifelsfrei, man kennt das Original, man hats verglichen, man hat gesehen, es ist eindeutig ein Plagiat) dann muss man das auch sagen dürfen. Die Fälle häufen sich in letzter Zeit schon gewaltig, und ich find’s aus obengenannten drei Gründen gut, wenns da ein Bewusstsein für gibt. Das Jagdfieber muss da auch jeder verstehen, als Autor fühlt man sich da halt immer persönlich bedroht und betroffen, auch, wenns einen nicht direkt betrifft. Ist ein normales Gefühl, das bei vielen auftaucht in solchen Fällen, und wofür man auch Verständnis haben muss.
Dein Kommentar geht völlig am Inhalt meines Artikels vorbei. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man Plagiate melden sollte. An keiner Stelle habe ich das als Bagatelle »abgekanzelt«. Ob jemand plagiiert und wie das zu bewerten ist, ist aber hier nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass polemische Öffentlichmachung inklusive nachfolgendem »virtuellen Lynchmob« rechtlich und moralisch bedenklich sind. Man stellt sich damit durchaus auf eine ähnliche Stufe, wie die Plagiatoren. Es fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein, auch etwas, das den »Abschreibern« gern vorgeworfen wird.
Ich kann ehrlich nicht nachvollziehen, was daran so schwer zu verstehen ist und warum immer wieder darauf herumgeritten wird, wie »verwerflich« das Abschreiben ist. Sicher ist es das, das steht nicht zur Debatte und das habe ich nirgendwo anders vertreten. Das ist hier aber nicht der Punkt. Eine selbsternannte »Bürgerwehr« im Netz ist genauso verwerflich. Und keine Deiner oben genannten am Kern vorbeigehenden Argumente entkräftet das. Persönliche Befindlichkeiten spielen dabei schon gar keine Rolle und sollten es auch nicht. Und genau wegen der gesehenen Emotionalität und persönlichen Betroffenheit muss man die Aufklärung auch denjenigen überlassen, deren Job das ist: Gerichten.
Am Rande: Wer »die Selfpublisher« pauschal für rechtliche Entgleisungen einzelner veranstortlich macht, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Das ist dasselbe Bullshit-Argument wie »alle Flüchtlinge sind Verbecher«.
Ich hab schon verstanden, was du mit dem Artikel sagen wolltest. Dass Shitstorms auslösen keine Lösung ist und eventuell sogar strafbar. Aber bei dem Thema geht’s um die Wurst. Shitstorms entstehen immer dort, wo es für viele Leute persönlich um etwas geht – oder gefühlt persönlich. Wenn Bloggern ungerechtfertigt rechtliche Schritte für irgendwas angedroht werden – ich erinner mich da an den Fall von Muriel mit der 1‑Sterne-Rezi oder an Jack Wolfskin, die das Verwenden von Pfotenabdrücken auf Häkeldecken abgemahnt haben. Wenn sowas passiert, muss man sich wehren dürfen. Und wenn sowas passiert, machen sich viele Leute für die Sache stark, die nicht aktuell persönlich betroffen sind. Kann man als Lynchmob bezeichnen, ganz egal wie man dazu sagt. Wenn das aus einem berechtigten Grund passiert, dann ist es zwar vielleicht immer noch nicht rechtens, aber auch nicht das Übel. Das Übel ist in dem Fall nicht der Shitstorm, sondern das, was dem vorausgeht. Das sollte man dabei nicht aus den Augen verlieren.
Ich hab selber auch noch keinen Shitstorm ausgelöst und noch bei keinem mitgemischt. Da nutze ich meine Zeit lieber sinnvoller und gehe Hemden bügeln oder fahr mein Auto waschen. Aber wo würden wir da hinkommen, wenn sich nicht mehr jeder aufregen dürfte, worüber er will. Da wär das Internet ganz schön leer. (gilt übrigens auch für das Gegen-Aufregen wie hier, auch wenn der gravierende Unterschied ist, dass du keine Namen nennst … Wenn genug Leute mit dem Artikel mitgehen würden, würden irgendwann Namen fallen, und dann ginge der Lynchmob in die andere Richtung los. Das gleiche in Grün)
Essenz der Aussage: ich find’s auch nicht gut, Verurteilungen pauschal zu verurteilen.
Ich »verurteile Verurteilungen nicht pauschal«. Ich weiß nicht, an welcher Stelle Du das erkennen willst, aber vielleicht magst Du die konkrete Stelle ja mal benennen. Es ist erstaunlich, was in den Text hineininterpretiert oder ‑phantasiert wird.
Ich verurteile rechtlich und moralische fragwürdige Praktiken, wenn noch nicht rechtskräftig Verurteilte an den Facebook-Pranger gestellt werden und somit im Prinzip eine Art Selbstjustiz betrieben wird.
Das ist übrigens etwas völlig anderes, als das Vorgehen gegen oder Öffentlichmachen von fragwürdigen Praktiken einer Firma. Firmen haben kein Persönlichkeitsrecht. Deswegen hinkt der Vergleich gewaltig.
»Man muss sich doch wehren dürfen« ist ebenfalls kein Argument. Sondern Selbstjustiz. Wehren darfst Du Dich über Gerichte, falls Du persönlich betroffen bist. Falls Du Dich für andere »wehrst« … siehe oben.
@Kay Noa:
»> „Herr Elbel verkennt, dass bei der Beurteilung zB von Schadensersatzansprüchen von Bürgern (Autorin) gegen Bürger (“Jäger”) selbstverständlich das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgewogen wird.“
Das verkenne ich keinesfalls. Tatsächlich steht es sogar in meinem Kommentar. Zitat: „Denn die richterliche Auslegung dieser Begriffe muss nicht allein das Persönlichkeitsrecht des Angeprangerten, sondern auch die Meinungsäußerungsfreiheit des Anprangernden in Betracht ziehen.“ Wer lesen kann, ist wie immer klar im Vorteil.
Interessant übrigens die Diktion: Der Plagiierende ist „Autor“, der das Plagiat Aufdeckende ist „Jäger.
»>„Herr Elbel verkennt weiter, dass die Unschuldsvermutung in der EMRK verankert ist, die als Zentrales Bekenntnis der Europäischen Gemeinschaft zur Rechtsstaatlichkeit natürlich Leitbild jeglichen öffentichen Verhaltens sein muss, da es die »Gesellschaft« bildet.
Es gehört gerade NICHT zur Meinungsfreiheit, hier Legislative (was ist ein Plagiat), Exekutive (wir ermitteln) und Jurisdiktion (wir strafen durch Anprangern) in Personalunion auszuüben.“
Bitte noch mal genau Art. 1 EMRK lesen, aus dem genau hervorgeht, wen die nachfolgenden Menschenrechte binden, nämlich die Vertragsparteien, also die unterzeichnenden Staaten, NICHT deren Bürger.
»>„Das UrhG, das hier allein verletzt ist, regelt nicht etwa den Schutz der Allgemeinheit vor authentischen Werken, sondern das Recht des Urhebers, seine Werke wirtschaftlich zu verwerten. Das geht hier völlig unter.“
Genau. Und in dieses Verwertungsrecht greift ein, wer fremde Werke plagiiert. Ich halte übrigens nebenbei auch einen Betrug nicht für völlig abwegig, wenn jemand ein fremdes Werk als sein eigenes verkauft, denn der Käufer kauft das Buch im Vertrauen auf dessen Authentizität.
»>“Ich halte es davon unabhängig für grenzwertig »bigott«, einerseits hoheitliche Maßnahmen wie die Strafverfolgung/Schutz der Öffentlichkeit für sich zu beanspruchen, aber andererseits dann zu verkünden, dass die Grundrechte, die die hoheitliche Hand binden, für einen persönlich nicht gelten. Würde man diese Auffassung tatsächlich teilen (und die Mehrheit auch der Rechtsprechung tut dies in dieser Absolutheit nicht), wäre in der Konsequenz Denunziantentum beliebiger Form Tür und Tor geöffnet, solange man nur für sich, noch dazu geheim gehaltene Beweise für eine Glaubhaftmachung der Tatsachen in Händen hält (wenn ein »Beweis« nicht hält, hat man sich halt geirrt, macht nichts, auch wenn der Schaden irreversibel ist).“
Nochmal: Die Grundrechte sind Regeln die den Staat in seinem Handeln gegenüber den Bürgern binden. Sie sind kein allgültiger Moralkodex, auch wenn das von Laien immer wieder gerne so behauptet wird. Das ist juristisch betrachtet, gefährliches Halbwissen. Auch die vielbeschworene Lehre von der so genannten unmittelbaren Drittwirkung bedeutet nur, dass die Gerichte auch im Falle von Streitigkeiten unter Bürgern bei der Auslegung von privatrechtlichen Normen die Einstrahlungswirkung von Grundrechten in Betracht ziehen müssen. Das hat aber eben keine DIREKTE Bindungswirkung von Grundrechten für Bürger zur Folge.
»>“Herr Elbel lässt (da er ja Jurist ist) vermutlich bewusst außen vor, dass die »Jäger« in Blogs und FB-Gruppen agieren, also dem Presserecht unterworfen sind. Hier gibt es eine vom BVerfG als Korrektiv zur Pressefreiheit in ständiger Rechtsprechung entwickelte »Journalistische Sorgfaltspflicht«, die hier vermisst wird. Es wird erwartet, dass die Presse als »vierte Gewalt« sich freiwillig den Grundrechten unterordnet. Selbst die Bild muss von Verdächtigen schreiben, die Berichterstattung anonymisieren und auf die namentliche Nennung im Ermittlungsverfahren verzichten.“
Es ist schon blanker Unsinn, überhaupt von einem monolithischen „Presserecht“ zu sprechen. Tatsächlich sind die Presse betreffende Vorschriften über viele Gesetze verstreut. Noch blankerer Unsinn ist, es zu behaupten Blogger oder Postings auf Facebook seien diesem „Presserecht“ komplett unterworfen. Tatsächlich kann die Zuordnung eines Blogs oder Postings zum Bereich „Presse“ immer nur am Einzelfall entschieden werden. Das spielt es z.B. laut Mediendienste-Staatsvertrag eine Rolle, ob das Blog „journalistisch-redaktionell gestaltet“ ist, und „periodisch“ angeboten wird.
»>„Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass den Beschuldigten zB in einem Artikel die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird und darauf hingewiesen wird, dass diese gewährt (und ggf. abgelehnt) wurde. Die Quellen und die Grundlagen der Meinungsbildung sind umfassend nachvollziehbar aufzudecken. Die Pressefreiheit entspringt einem Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu eigener Meinungsbildung und nicht etwa der eigenen Meinungsfreiheit der Verfasser. Ein Disclaimer (“Unschuldsvermutung besteht fort”) ist gleichfalls Zeichen seriöser Berichterstattung.“
Die hier angesprochenen Sorgfaltspflichten, Gegendarstellungsrecht etc. entspringen zum Teil den Landespressegesetzen bzw. dem (rechtlich nicht verbindlichen) Pressekodex, der aber eben nur für Presseorgane gilt. Aber wie schon eben gesagt, nicht jeder Blogeintrag oder jedes Facebookposting ist als „Presseberichterstattung“ zu qualifizieren. Man kann an die Meinungsäußerung privater Individuen nicht dieselben Qualitätsansprüche stellen, wie an professionelle Journalisten. Das ist schlicht unsinnig.
»>“Auch ein Geständnis entbindet entgegen der Auffassung von Herrn Elbel nicht von der Ermittlungspflicht. Im Gegenteil, es ist Ausfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes §§ 160, 244 StPO, RiStBV, dass trotz Geständnis weiterermittelt werden muss, sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft. Warum? Weil es neben »guten« Gründen für ein falsches Geständnis (Schadensminimierung in der Öffentlichkeit, psychiische Gründe, Schutz Dritter wie der Familie, die bei namentlicher Nennung mitbetroffen ist), auch noch neben dem erfüllten Tatbestand die Rechtswidrigkeit und die Schuld gesondert zu prüfen und zu bejahen sind. Entfällt nur einer dieser Punkte, endet das Verfahren in einem Freispruch!“
Das mag ja alles stimmen, gilt aber eben nur für die Strafverfolgungsbehörden. Blogger sind keine solchen, auch wenn sie sich quasi privatdetektivistisch betätigen.
»>„Die von Herrn Elbel so verharmlosten Ehrdelikte, §§ 185ff. StGB, erfahren im Zeitalter sozialer Netzwerke und Internetkommunikation eine erhebliche Anwendungsverschärfung (strengerer Maßstab innerhalb des bestehenden Strafrahmens) um so ein notwendiges Korrektiv zu schaffen, dass der enorm erhöhten Reichweite einer ehrverletzenden Behauptung und dem damit angerichteten Schaden für das Opfer korrespondiert (“Cyber Mobbing« als prominentes Beispiel). Dem sind insbesondere medial erfahrene Persönen wie die »Jäger« insofern besonders verpflichtet, als sie sich nicht mit dem guten Glauben auf ihre »Recherchen« berufen können, die keinesfalls ein gerichtliches Gutachten sind (selbst ihre mit der Prüfung betrauten, namentlich nicht genannten und damit in ihrer Sachkunde nicht überprüfbare »Experten« wären vor Gericht nur »Parteigutachter«, also sogenannte »sachverständige Zeugen”).“
Erstens verharmlose ich überhaupt nichts. Ich habe lediglich die in Frage stehenden Handlungen (öffentliches Anprangern von Plagiaten in Facebookgruppen oder Blogs) konkret an den in Frage kommenden Vorschriften der §§ 186, 187 StGB gemessen und bin zu dem Schluss gekommen, dass weder die eine noch die andere Norm erfüllt ist. Und zwar weil beide Normen mindestens die Behauptung einer nicht erweislich wahren Tatsache voraussetzen. Hier aber ist die Tatsache erweislich war, weil die Plagiierenden sie öffentlich eingestanden haben. Selbst wenn dieses Geständnis aus welchen Gründen auch immer unwahr sein sollte, befänden sich die Prangernden dann in einem so genannten vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, so dass eine strafrechtliche Verfolgung derselben gleichwohl nicht in Betracht kommt.
Warum Personen, die solche Plagiate privatinitiativ aufklären, automatisch „medial erfahren“ sein sollen, erschließt sich mir nicht. Für den guten Glauben der Prangernden im Rahmen einer möglichen Strafbarkeit gem. §§ 186, 187 StGB spielt es nicht die geringste Rolle, ob ihre Recherchen vor Gericht der Rang eines Sachverständigengutachtens oder lediglich einer Parteieinvernahme zukommt (hier wird übrigens offensichtlich strafrechtliches und zivilrechtliches Prozessrecht durcheinander geworfen, denn eine Parteieinvernahme gibt es im Strafprozess gar nicht).
»>„Die von Stefan aufgeworfene Frage, ob eine Person zeitgeschichtliche Relevanz besitzt, ist zwar nicht für das Strafrecht, wohl aber für das Zivilrecht (Schadensersatz nach §823 Abs.1 BGB und Presserecht von Relevanz, bei denen eben öffentliche und private Interessen gegeneinander abgewogen werden.“
Wie gesagt: Es ist höchst zweifelhaft ob hier „Presserecht“ überhaupt auch nur in Teilen zur Anwendung kommen würde. Aber selbst wenn ich das für einen Moment unterstelle, kann man im Falle eines wirtschaftlich sehr erfolgreichen Amazon-Autors wohl durch aus zu einer zumindest relativen Relevanz kommen. Auch das Ereignis des Plagiats selbst vermag zur Begründung einer Relevanz beizutragen, weil es ein durchaus berichtenswerter Vorgang ist, wie man an den Fällen der zahlreichen Wissenschaftsplagiate im Gefolge der Guttenberg-Affäre gesehen hat.
»>“Hier greift Herr Elbel wissentlich zu kurz.“
Da scheint jemand hellseherische Fähigkeiten zu besitzen.
»>“Ich habe in der öffentlichen Diskussion auch seitens der »Jäger« mehrere Äußerungen gelesen, die aufgrund der Tonlage jedenfalls den Anfangsverdacht einer Beleidigung zu begründen vermögen.“
Vorsicht. Eine Beleidigung liegt nur vor, wenn die Äußerung in einem Werturteil besteht. Die Behauptung eines Plagiats aber ist eine Tatsache und kann daher keine Beleidigung sein.
»>“Vorverurteilungen, suggestiven Titel und Formulierungen sind mindestens presserechtlich haftungsrelevant, ggf. auch strafbar. (“Es darf nicht durch die Art der Formulierung der Eindruck erweckt werden, die Person sei schuldig und nur die Aspekte der Tat seien zu klären, z.B. „Warum hat X das getan?“ – Basiswissen journalistischer Arbeit – upload-magazin.de).“
Und nochmal: Es ist blanker Unsinn, hier pauschal zu unterstellen, es handele sich um Presseberichte und die Äußerungen dann an presserechtlichen Sorgfaltsmaßstäben zu messen, die man sich von der Presse in Fällen wie dem Kachelmann-Prozess gewünscht hätte. Hier aber hatte man es sogar mit geständigen Täter zu tun. Eine Verpflichtung einen Rechtsbrecher in einem besonders freundlichen, seine Tat erklärenden Licht darzustellen, kennt sogar das Presserecht nicht.
»>“Unabhängig davon, dass natürlich ein wirtschaftlicher Schaden durch den so aufgebauten »Druck« entstanden ist (wenn man z.B. jemanden dazu treibt, dass er von der Brücke springt, ist man auch ein Mörder, obwohl man nicht geschubst hat), bleibt die Komponente Schmerzensgeld für immaterielle Schäden bei Elbel völlig außen vor.“
Also demzufolge bin ich für Schäden haftbar, die ein betrügerischer Immobilienfondsmanager dadurch erleidet, dass er infolge der Aufdeckung seiner Betrügereien durch mich seine Geschäfte einstellt. Dass das nun wirklich gröbster Unfug ist, dürfte sogar juristischen Laien einleuchten. Zur Frage des „Schmerzensgeldes“ (laut BGH ist es dogmatisch betrachtet kein solches, da § 847 BGB Verletzungen des Persönlichkeitsrechts nicht erfasst) habe ich mich wie folgt geäußert: „Aus denselben Gründen dürfte dann auch die Geltendmachung eines ideellen Schadens wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, also quasi einer Art seelischen Schmerzensgeldes scheitern.“ Aber sorgfältiges Lesen scheint ja nicht so zu Frau Noas Stärken zu gehören.
»>“Der Vergleich mit Guttenberg hinkt mehrfach:
1. ist G als Bundesminister nachweislich ein A‑Promi und nicht irgendein allenfalls szenebekannter Autor (eingeschränktes Persönlichkeitsrecht);“
Ein wirtschaftlich erfolgreicher Autor ist aber auch kein Otto Normalverbraucher und muss sich daher laut Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts gerade dann Einschränkungen seines Persönlichkeitsrechts gefallen lassen, wenn er sich im öffentlichen Raum bewegt, wie es bei schriftstellerischer Tätigkeit nun mal der Fall ist. Es gab übrigens auch Dutzende von Fällen der Aufdeckung von Wissenschaftsplagiaten weit weniger prominenter Personen durch vroniplag.
»>“2. ging es um wesentlich einfacher nachzuweisende wissenschaftliche Plagiatsfälle, bei denen nicht das Urheberrecht des Erstwerks gegen die Kunstfreiheit des potentiellen Plagiats gegeneinander abzuwägen ist, weil nach Ansicht des BVerfG der Kunst immanent ist, sich auch mit sich selbst fortlaufend kritisch auseinanderzusetzen (z.B. mittels Parodie, Intertextualität, Anspielung, Paraphrase etc. )“
Ob ein Plagiat leicht nachzuweisen ist oder nicht, hängt von der Art des Plagiats ab. In den derzeit zitierten Plagiatsfällen waren die Plagiate jedenfalls offensichtlich so deutlich, dass die plagiierenden Autoren sich auf die Offenlegung des Plagiats hin gezwungen sahen, die Bücher aus dem Vertrieb zu nehmen. Keiner der betroffenen Autoren hat sich wie weiland Frau Hegemann auf „transformative Nutzung“ oder „Intertextualität“ berufen (wobei ich das schon im Fall Hegemann eher für eine Schutzbehauptung gehalten habe). Die Art der Fälle legt eine eher referenzielle Beschäftigung mit dem Originalwerk auch nicht gerade nahe. Sollte eine transformative Nutzung der Ausgangswerke gewollt gewesen sein, hätten die plagiierenden Autoren dies ja auch durch einen entsprechenden Quellenhinweis offenlegen können. Mit der Kunstfreiheit lässt sich nicht jedes platte Abschreiben oder Kopieren wesentlicher Elemente eines Buches rechtfertigen.
»>“3. wurden die »Mogeleien« in einem Eilverfahren auch zumindest hochschulrechtlich wirksam festgestellt und zur Aberkennung der Doktorwürde führten; ein Korrektiv durch die offizielle Verwaltungsgerichtsbarkeit hat m.W. nicht stattgefunden, weil es G. nicht wollte);“
Die hochschulverwaltungsrechtliche Beschäftigung mit Guttenberg und den vielen anderen Fällen war der Aufdeckung durch die einschlägigen Blogs und der sich daran anschließenden Presseberichterstattung weit nachgelagert. Es ist also keinesfalls so, dass sich die Blogs und Presseartikel bei ihrer Berichterstattung schon auf quasi rechtsfeste Entscheidungen der Exekutive stützen konnten.
»>“Das hat nichts damit zu tun, ob nicht die angeprangerten Werke am Ende einer rechtsstaatlichen Überprüfung durch hierzu von der Gesellschaft beauftragte Instanzen Plagiate sind, sondern damit, dass auch ich ein schales Gefühl bei der Art und Intensität der Berichterstattung habe und deshalb der Rechtsauffassung von Herrn Elbel eine andere entgegenhalten möchte.“
Das ist ja gut und schön. Aber statt des Werfens juristischer Nebelkerzen wie „EMRK“ oder „Presserecht“ würde ich das vorschlagen, was ich in solchen Fällen auch meinen Studenten vorschlage, nämlich die eigene Meinung einfach mal anhand der Prüfung einer konkreten straf- oder zivilrechtlichen Haftungsnorm zu überprüfen und zwar Tatbestandsvoraussetzung für Tatbestandsvoraussetzung.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Prof. Dr. iur. Thomas Elbel LL.M. (Emory University)
Dem Herrn Elbel scheint das doch sehr am Herzen zu liegen und offenbar hat er als Professor auch mehr als genug Zeit, hier längliche Kommentare (durch Nichtverwenden des vorhandenen Zitatsystems zudem schwer lesbare) zu verfassen und anwaltliches Armdrücken zu betreiben.
Den lässig eingestreuten Hinweis auf den Professorenstatus sollte man als das nehmen, was es in meinen Augen ist: der Versuch eines anwaltlichen Schwanzvergleichs oder Dominanzgehabes. Vielleicht sollte man sich fragen, ob Theoretiker oder Praktiker die Situation eher bewerten können.
Letztendlich bleibt es eine Tatsache: Nicht Anwälte sprechen Recht, sondern Richter, von daher muss das alles bis zu einer richterlichen Bewertung (die auch immer nur den Einzelfall betrachtet) akademisch bleiben.
Nachtrag: Denjenigen, die den Herrn Elbel hierauf angesetzt haben, scheint eine Menge an einer unverzüglichen Freischaltung der Kommentare zu liegen, zumindest entnehme ich das daraus, dass Dritte dazu aufgefordert werden, mir mitzuteilen, ich habe gefälligst sofort was freizuschalten (übrigens nur Minuten nachdem der Kommentar eingestellt wurde). Sie mögen zur Kenntnis nehmen, dass ich nicht 24/7 am Rechner sitze oder auf Kommentare von irgendwelchen Professoren warte. An Lächerlichkeit ist dieses Gehabe jedenfalls meiner Meinung nach kaum noch zu überbieten.
@Stefan Holzhauer
Finden Sie es nicht auch höchst ironisch einen Artikel zu schreiben, in dem sie das Anprangern von Plagiaten anprangern, weil es aus ihrer Sicht unsachlich ist und sie mich, wenn ich daraufhin in einem Kommentar das Anprangern der Plagiate verteidige, wiederum als »Urheberrechtsultrakonservativen« anprangern, der Urhebern und Nutzern durch sein »Agitieren« schadet?
Das erscheint mir sehr unsachlich von Ihnen.
Und ich frage mich schon sehr, was meine Einstellung zu Reformen des Urheberrechts und zum »Recht auf Remix« überhaupt mit dieser Debatte zu tun hat, oder wollen Sie jetzt geständige Plagiatoren, wie z.B. Herrn Guttenberg zu »Remixern« erklären?
Ich bin der Ansicht, dass meine Leser sich ein Bild machen sollten, wer Sie sind und wie man Ihre Äußerungen zu bewerten kann und habe deswegen eine Meinung geäußert (die auch durch Formulierungen wie »meiner Ansicht« und Konjunktive als solche zu erkennen ist). Wenn Sie das für unsachlich halten, ist Ihnen das selbstverständlich unbenommen. Überdies zitieren Sie mich falsch, aber ich gehe davon aus, dass Ihnen das bewusst ist.
Disclaimer: Ich verlasse jetzt den Rechner. Es kann also dauern, bis weitere Kommentare freigeschaltet werden.
Die Erklärung, nur ihre Leser aufklären zu wollen, könnten dann ja auch die Plagiatsprangerer für sich in Anspruch nehmen.
Ich halte für mich fest, Herr Holzhauer prangert gerne selber, findet es aber bedenklich, wenn andere das tun.
Ach Herr Elbel, geschenkt. Netter Versuch, aber in den Voraussetzungen unterscheiden sich die beiden Themen vollständig. Oder habe ich Ihnen etwas zivil- oder strafrechtlich Relevantes unterstellt und/oder einen virtuellen Lynchmob auf Sie angesetzt? Ich beantworte das gerne selbst, damit Sie das nicht tun müssen: Nein, habe ich nicht. Durchsichtiger Diskreditierungsversuch ihrerseits.
Freuen Sie sich doch, dass ich die Leser auffordere, sich selbst ein Bild über Sie zu machen, vielleicht finden Sie ja neue Fans …
Naja,wenn sie glauben, dass ihre Leser dazu nicht selbst in der Lage sind …