Auf der Innenministerkonferenz der Länder in Bremerhaven beschlossen die Teilnehmer heute, dass »Killerspiele« »so schnell wie möglich« verboten werden sollen. Die Formulierung lautet: Verboten werden sollen nach Auffassung der Minister Video- und Computerspiele, »bei denen ein wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung die virtuelle Ausübung von wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen« ausmacht.
Wie immer schön schwammig und wie immer völlig sinnfrei. Es hat noch niemand nachgewiesen, dass sogenannte »Killerspiele« die Gewaltbereitschaft steigern, Studien, die das angeblich belegen sollen (und die nicht selten manipuliert wurden), stehen andere Untersuchungen entgegen, die das verneinen.
Hier stellt sich die Politik einen Freibrief aus, alibimäßig Computerspiele zu verbieten, ohne jedoch gegen die wahren Gründe von Amokläufen und steigender Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in unserem Land vorgehen zu müssen. Wieder einmal Smokescreens für das bildzeitungslesende Stimmvieh im Vorfeld der nahenden Wahlen.
Mir ist übrigens völlig unklar, wie man in einem Computerspiel jemanden »wirklichkeitsnah« töten können soll… Aber Politiker agieren nun mal gern unter der Prämisse »ich habe meine Meinung, verwirr mich nicht mit Fakten«. »Wirklichkeitsnah« ist fast beliebig auszulegen, also verabschieden wir uns schonmal von WOW…
Vielleicht sollte man wirklich hoffen, dass sie das durchziehen, denn dann wird die Wählergruppe »18 – 30jährige Spieler« sich hoffentlich endlich mal ernsthaft überlegen, wem sie ihre Stimme geben.
Sorry Stefan, diesen Artikel finde ich von der Argumentation doch ziemlich daneben, zumindest aber »schwammiger« als das Politiker-Zitat.
Du schreibst von »Studien, die das angeblich belegen sollen (und die nicht selten manipuliert wurden), stehen andere Untersuchungen entgegen, die das veneinen.« Interessant dein Klammereinschub bei den Belegstudien, während so etwas bei den Verneinstudien nicht geschieht. Kann es sein, dass dein Blickwinkel hier doch etwas einseitig ist?
Zumindest zu den Amokläufen an Schulen gibt es bislang defitiniv auch international keine Studien, da es hierfür, wenn sie seriös sein sollen, einfach zu wenige Vorfälle gegeben hat (hört sich jetzt ziemlich zynisch an), um Rückschlüsse ziehen zu können.
Ansonsten gibt es durchaus Studien zu vergleichbaren Fällen: Einfluss von pornografischen Filmen auf Heranwachsende bei Dauerkonsum bzw. zu großem Konsum (Hemmschwelle wird herabgesetzt, das Sexualverhalten eingegrenzt bzw. auf das Gesehene reduziert, Sex als Ware, …).
Zudem dürfte es auch unbestritten sein, dass ein Umfeld Menschen prägen kann. Wenn man nun diese Fakten auf Computerspiele im Allgemeinen und Killerspiele im Besonderen überträgt: Ja, ich halte sie für gefährlich! Absolut.
Zurück zu deinem Artikel bzw. Kommentar: Du schreibst weiter: »…ohne jedoch gegen die wahren Gründe … vorgehen zu müssen.« Sorry, aber die Bezeichnung »wahre Gründe« ist schon sehr »schwammig«. Ich glaube, jeder wäre dankbar, wenn man diese wahren Gründe verallgemeinert angeben könnte, denn dann könnten die Politiker endlich dort ansetzen, wo es Wirkung zeigen würde.
Leider ist es nicht so einfach und die ganze Problematik viel zu komplex, um es auf einige Punkte zu reduzieren. Aber sicher bin ich mir, dass die Killerspiele bei den von dir angeführten und nicht näher erläuterten »wahren Gründen« sehr weit oben angesetzt werden müssen.
Begründung (nur kurz angerissen): Killerspiele werden meist allein gespielt (Sozialverhalten ändert sich), häufig sehr lange (hat ebenfalls Einfluss auf das Sozialverhalten, da ein Miteinander weitaus weniger stattfindet bzw. von Kindern und Jugendlichen nicht mehr erlernt wird bzw. wenn, dann unter dem Einfluss der Spiele erlernt wird), Gewalt wird irgendwann anders bewertet bzw. schlimmstenfalls als normal angesehen, usw.
Mit dem »bildzeitungslesenden Stimmvieh« bringst du eine Verbalattacke, die weit unter die Gürtellinie geht (ich selbst bin kein Bildzeitungsleser, würde es aber begrüßen, wenn die Bildzeitung endlich einmal auch derlei Themen seriös aufgreifen würde…) und quasi jeden, der nicht deine Meinung hat, herabqualifiziert. Könnte nun aber im Umkehrschluss auch ein Eigentor von dir sein.
Das Wort »wirklichkeitsnah« spricht nun wirklich für sich selbst, und jeder, der ein wenig Beamtendeutsch kennt und irgendwann einmal mit Gesetzen und Politikerreden zu tun hat, kann es so auslegen, wie es von den Politikern gedacht wurde. Unter »wirklichkeitsnah« sind Spiele gemeint, die in der realen Welt angesiedelt sind und von animierten Menschen bestritten werden. Nicht gemeint sind also Spiele, in denen Monster, Roboter und derlei Geseuch abgemeuchelt wird, wobei ich es mir jetzt erspare, auf Zombies oder die Schutzbedürfnisse von Aliens einzugehen.
Mit dem letzten Absatz offenbarst du dich: Killerspiele haben Einfluss auf die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, denn warum sonst sollte das Thema wichtiger sein als jedes andere bei einer Wahl? Noch deutlicher kann man den entstehenden Tunnelblick bei zu viel Killerspielkonsum nicht darstellen.
Zum Schluss erlaube ich mir eine These:
Ich fände eine Vergleichsstudie interessant zwischen dem Aufkommen der Killerspiele (bzw. auch dem saloonfähigwerden von Splatterfilmen)
und der sich verändernden Gewaltbereitschaft von Jugendlichen.
Und meine These: Es gäbe jede Menge Überschneidungen im zeitlichen Ablauf.
Erstmal zu dem Versuch, mich als killerspielenden, jugendlichen Nerd abzuqualifizieren:
Thomas Martner schreibt: »Noch deutlicher kann man den entstehenden Tunnelblick bei zu viel Killerspielkonsum nicht darstellen.«
Hast Du mich damit als killerspielenden Jugendlichen enttarnt? Wohl kaum, denn weder spiele ich regelmäßig Killerspiele (sogar sehr selten) noch bin ich ein Jugendlicher (danke für das Kompliment, aber mein Alter bewegt sich jenseits der 40). Dein Schluß zum Tunnelblick bei mir durch Killerspielkonsum und Alter ist damit wohl eindeutig widerlegt. Und zeigt, dass Du selbst versuchst, mich unsachlich abzuqualifizieren, etwas, das Du mir vorwirfst. Denn: Selbst wenn ich 20 wäre und regelmäßig Egoshooter spielen würde, bedeutet das automatisch, dass ich an Gehirnerweichung leide? DAS ist eine Abqualifizierung erster Güte, wird aber immer wieder gern versucht: »Die sind doch eh nicht ganz bei Trost…« epic fail.
»Kann es sein, dass dein Blickwinkel hier doch etwas einseitig ist?«
Fehlinterpretation deinerseits. Aufgefallen sind allerdings bislang tatsächlich eher manipulierte Studien der Computerspiel-Gegner, ich verweise auf diverse einschlägige Artikel spielsweise auf telepolis.de. Ich gehe davon aus, dass Du auch ohne direkten Link in der Lage bist, sie zu finden.
»Ansonsten gibt es durchaus Studien zu vergleichbaren Fällen:«
Sicher. Es gab auch in den 50ern Studien zur Gefährlichkeit von Rock’n’Roll und in den 70ern zum Konsum von Fernsehen allgemein und Horrorfilmen im Besonderen. Was daran wahr war, wissen wir alle: Nichts.
»Zurück zu deinem Artikel bzw. Kommentar: Du schreibst weiter: »…ohne jedoch gegen die wahren Gründe … vorgehen zu müssen.« Sorry, aber die Bezeichnung »wahre Gründe« ist schon sehr »schwammig«.«
Der Platz in einer Newsmeldung ist begrenzt. Konkret: Seit Jahren ignoriert die Politik Probleme in unserem Schulsystem, in der Sozialisierung von Jugendlichen und in Angeboten für Jugendliche. Soziale Leistungen werden wegen angeblichem Geldmangel massiv gekürzt, immer mehr Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene versinken in Armut und haben keine Perspektive im Leben. Um nur mal ein paar zu nennen, die vollständige Liste würde zu lang. Durch das Verbot von Computerspielen davon abzulenken, dass der größte Teil der Probleme mit Jugendkriminalität und Jugendgewalt hausgemacht ist, ist eine sehr einfach Lösung, aber keine, die ich anerkenne.
»Begründung (nur kurz angerissen): Killerspiele werden meist allein gespielt«.
Ist das so? Woher nimmst Du diese Einschätzung? Sie ist nämlich falsch. Die inkriminierten Computerspiele sind in aller Regel Online-Spiele. Der weitaus größte Teil der Spieler hat ein funktionierendes Sozialleben. Das gern gezeichnete Bild vom sozial inkompetenten, computersüchtigen Stubenhocker entspricht nicht der Realität. Diese Ausprägung ist nur verschwindend gering vorhanden, aber Verrückte gibt es bekanntermaßen bei jedem Hobby.
»Mit dem »bildzeitungslesenden Stimmvieh« bringst du eine Verbalattacke, die weit unter die Gürtellinie geht (ich selbst bin kein Bildzeitungsleser, würde es aber begrüßen, wenn die Bildzeitung endlich einmal auch derlei Themen seriös aufgreifen würde…) und quasi jeden, der nicht deine Meinung hat, herabqualifiziert.«
Meine Meinung ist ganz klar: Wer Bild-Zeitung liest, den kann man nicht ernst nehmen. Dazu stehe ich. Und ich qualifiziere damit ab, das ist korrekt. Ansonsten ist Polemik in einer solchen Diskussion ein probates Diskussionsmittel.
»Das Wort »wirklichkeitsnah« spricht nun wirklich für sich selbst«
In keinster Weise. Wodurch unterscheidet sich ein Alien-Polygonhaufen von einem Menschen-Polygonhaufen? Mit dem massiv unscharfen Begriff »Wirklichkeitsnah« kann man auch WOW oder »Die Sims« verbieten. Wobei mir immer noch keiner gesagt hat, warum überhaupt verboten werden muss.
Warum verbieten? Wir haben ohnehin die strengsten Jugendschutzgesetze in Europa. Die müssen nur konsequent durchgesetzt werden, dann muss nichts verboten werden. Ich muss mir als Erwachsener von ahnungslosen Politikern verbieten lassen, Computerspiele zu spielen? Das ist doch absurd! Ich verweise auf Art. 5 GG: »Eine Zensur findet nicht statt«.
»Und meine These: Es gäbe jede Menge Überschneidungen im zeitlichen Ablauf.«
Worauf basiert die These? Tatsächlich gibt es eine Statistik, die Gewalttaten und Verbrechen in den USA in Relation zum Erscheinen einschlägiger Egoshooter stellt. Bei jedem Verkaufsstart gingen die Zahlen sprunghaft zurück. Ich hoffe, die US-Regierung (bzw. das Department Of Justice) ist eine für Dich glaubwürdige Quelle:
Siehe: http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/glance/tables/viortrdtab.htm
und: http://www.hallert.net/images/crime-victims_games.jpg
Viellecht sollte man statt eines Verbots eher darüber nachdenken, Egoshooter kostenlos zu verteilen… ;)
Ich hab noch einen zu den vom Kommentator angesprochenen Studien:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,631341,00.html
Zitat:
Sogenannte Killerspiele werden in den letzten Jahren nach Gewalttaten von Jugendlichen gern als ursächlich genannt. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über einen kausalen Zusammenhang gibt es hier entgegen anderer Behauptungen jedoch nicht: Entsprechende Studien widersprechen sich. Das Thema ist auch unter Fachleuten heiß umstritten: Dass gewaltbereite Jugendliche auch gewalthaltige Spiele und Filme konsumieren, ist Konsens. Eine Gewalt hervorbringende Wirkung wird jedoch in Anbetracht von Millionen friedlicher Jugendlicher, die solche Spiele spielen, stark bezweifelt.