Alte, weiße Männer haben es nicht so mit dem #neuland, entschuldigung, dem Internet. Ich muss das als alter, weißer Mann wissen, ich beobachte das schon länger. Ein ganz zentraler Punkt dieses Internets (es ist tatsächlich das WWW gemeint, aber das nur am Rande) sind nicht Katzenbilder, es ist auch nicht Porno und erst recht sind es nicht Facebook oder Werbung.
Der zentrale ursprüngliche Punkt sind Hyperlinks, also das Verknüpfen von unterschiedlichen Seiten oder Adressen im WWW über einen klickbaren Text, der als solcher gekennzeichnet ist.
Das Landgericht Köln (genauer dessen Richter) hat sich schon oft als ein Gericht ausgezeichnet, das nicht so wirklich einen Schimmer hat, wie dieses #neuland funktioniert und bereits des Öfteren ganz eigentümliche Urteile abgesondert, die nicht von Fachkenntnis getrübt waren und glücklicherweise oft von höheren Instanzen wieder kassiert wurde.
Wie der SWR gerade berichtet, habe die jetzt entschieden, dass (beispielsweise) Blogbeiträge auch dann als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn die eigentlich keine Werbung enthalten, aber einen Link auf eine Herstellerseite.
Na danke.
Ich berichte also aus Informationsgründen, weil es zu den Themen meiner Seite passt über etwas und verlinke darauf, ohne dafür einen Auftrag des Herstellers, Verlags oder was auch immer zu haben oder gar dafür bezahlt worden zu sein, sondern einzig und allein weil ich im Rahmen meiner redaktionellen arbeit der Ansicht bin, dass das für meine Leser einen Mehrwert bringt. Es ist also ein Service für meine Leser und ich bin der sicheren Ansicht, dass die dann als mündige Bürger zum einen selbst in der Lage sind zu entscheiden, ob sie den Link klicken wollen, und zum anderen, ob sie auf der verlinkten Seite etwas erwerben wollen.
Und jetzt soll ich solche Posts als »Werbung« markieren. Ich halte das aus verschiedenen Gründen für völlig verfehlt und sogar gefährlich. Denn dann kann bei Rechtstreitigkeiten viel einfacher allein durch die Werbekennzeichnung zum einen ein finanzielles Interesse unterstellt werden (selbst wenn keins besteht) und zum anderen könnte auch irgendwann mal das Finanzamt nachfragen, was ich mit der Werbung denn so verdiene? Vernutlich vefallen etliche Blogger und Influencerinnen jetzt wieder in hektisches Getue und kennzeichnen gleich mal rpo forma jeden post, der nicht bei drei auf dem Mandelbaum ist, als Werbung. Ich halte das für falsch und – wie oben gesagt – gefährlich.
Ich warte jetzt erstmal ab, ob das Urteil rechtskräftig wird, ob es in die nächste und übernächste Instanz geht, wo es dann hoffentlich irgendwo kassiert werden wird. Bis dahin wird es für unbezahlte Links zu Themen, über die ich selbst frei entschieden habe, hier auf PhantaNews keine Werbekennzeichnung geben.
Übrigens lehne ich regelmäßig Anfragen von Werbetreibenden (auch namhaften) ab, die hier Artikel platzieren, aber den werblichen Charakter verschleiern wollen, was einein eindeutigen Verstoß gegen das NRW-Presserecht bedeuten würde (eigtnlich würde ich die Anfragenden, die mich zum Rechtsbruch animieren wollen, auch gern hier offenlegen, die drohen allerdings regelmäßig für eine Veröffentlichung mit dem Anwalt. Sie haben also etwas zu verbergen). Eigentlich ist das mit der Werbung also schon rechtlich gelöst und eindeutig, ohne dass die Richter des LG Köln noch völlig realitätsferne Urteil fällen müssten.
Ich hatte es immer wieder mal an verschiedenen Stellen thematisiert: Es ist eine extrem schlechte Idee für nonprofit-Projekte oder kleine Selbstständige, Facebook als alleinige Werbeplattform zu nutzen. Das gilt auch für instagram, denn das ist derselbe Laden. Der Grund: Man ist vollständig von der Plattform abhängig – und die kann einem von heute auf morgen die Luft abdrehen, sprich: einen unsichtbar machen oder gar die Seite sperren. Auf einen wie auch immer gearteten Support darf man nicht hoffen, die reagieren maximal dann, wenn man auch immer brav Werbebudgets investiert. Und selbst dann herrscht allzu oft das Schweigen im Walde.
Ein besonders krasses Beispiel ist Fabian Mauruschats Webseite Fischpott (Gruß aus Remscheid über den Berg nach Wuppertal), die sich mit Themen wie Games oder Büchern befasst, also völlig harmloser Content ganz ähnlich wie hier auf PhantaNews – sollte man meinen. Denn die Seite wurde von Facebook Anfang 2020 unsichtbar gemacht.
Lassen wir den Betreiber selbst zu Wort kommen, um die Situation zu erklären:
Wer sich mit dem Thema bereits seit ein paar Jahren beschäftigt, der weiß, dass es beim Merz-Verlag, den Ausrichtern der Messe »Internationale Spieletage« alias »Spiel« in Essen etwas gemächlicher zugeht, was moderne Medien angeht. Lange hat man dort darauf beharrt, Presseinfos gedruckt auf Papier zu verschicken, statt per Email und lange wurde dort gefordert, dass man seine Presseakkreditierung faxen soll, bis dann auch das endlich als Mailanhang möglich war.
Auch auf den sozialen Medien waren die Bemühungen bisher eher … schofelig und niedlich zu nennen. Deswegen war ich in diesem Jahr positiv überrascht, dass man beim Merz-Verlag nun endlich versuchen wollte, diese Medien zeitgemäß zu nutzen, als man eine Abstimmung über das diesjährige offizielle Messe T‑Shirt ausrief (wer die Shirts der vergangenen Jahre kennt, der weiß, dass die meist nicht eben ein Ausbund an Kreativität waren).
Auf Facebook und Instagram wurden sechs Designs vorgestellt und man konnte dafür Likes vergeben. Das mit den meisten Likes würde dann am Ende produziert und das offizielle Messeshirt 2019 werden. Ich hatte mir das Ganze nach einem Hinweis ebenfalls angesehen und mich dann nach Ansicht aller für das Design entschieden, das für mich am originellsten war und mir auch gut gefiel.
Heute haben die Verantwortlichen nun das Ergebnis bekannt gegeben und das fand ich dann doch äußerst verwunderlich. Denn es wurde seitens der Veranstalter nicht das Shirt mit den eindeutig meisten Likes zum Gewinner gekürt, sondern ein völlig anderes, das noch nicht mal unter den ersten dreien war, sondern auf dem vorletzten Platz. An der Stelle war ich dann doch etwas verwundert, warum man selbst einen Sieger ausruft und die Abstimmung ignoriert, denn wenn man eh schon einen Favoriten hatte und den unbedingt durchdrücken will, hätte man auf ein Voting gleich verzichten können.
Man erkennt auf einen Blick (siehe die Liste weiter unten), dass die Verantwortlichen den vorletzten Platz zum Gewinner gemacht haben. Und da fragt man sich natürlich schon: warum? Auf meine entsprechende Anfrage auf Facebook hin erhielt ich folgende Antwort:
Wir haben unsere Entscheidung doch auf unserer Homepage erklärt. Und leichtgemacht haben wir uns die nicht.
»Den Verlauf der Abstimmung haben wir natürlich ganz genau beobachtet und dabei festgestellt, dass einige Teilnehmer alles dafür getan haben, um das Meiste aus den Algorithmen herauszuholen. Dafür wurden auch Freunde und Bekannte mobilisiert.
Chancengleichheit ist uns wichtig und weil Akinga weder Deutsch spricht, noch irgendetwas tat, um mehr Reaktionen für ihren Entwurf zu generieren und trotzdem viele Stimmen und positive Kommentare bekam, ist sie aus unserer Sicht die verdiente Siegerin.«
Angesicht dessen frage ich mich sofort, ob man die sozialen Medien so gar nicht verstanden hat, oder ob diese Antwort nur eine – in meinen Augen eher schlechte – Ausrede dafür ist, dass man den eigenen Favoriten durchgedrückt hat?
Denn das was sie da »ganz genau beobachtet haben« sind völlig übliche Abläufe, wie sie in Social Media, bei allen Publikumspreisverleihungen und sogar bei Wahlen stattfinden: Wer die meisten Wähler aktivieren kann, gewinnt, das ist absolut normal und damit muss man rechnen, wenn man eine solche Publikumsabstimmung startet. Deswegen bleibt es in meinen Augen weiterhin eine Missachtung des Abstimmungsergebnisses.
Fragwürdig für mich auch, dass Designern ernsthaft unterstellt wird, irgendwelche nebulösen »Algorithmen auszunutzen«, um zu gewinnen. Denn wenn man sich die oben dargestellten Abstimmungsergebnisse ansieht, dann sehen die in den Mengen der abgegebenen stimmen völlig plausibel aus und zeigen keinerlei Hinweis auf irgendeine Manipulation:
Facebook:
Design 1: 157 Stimmen
Design 2: 147 Stimmen (das ist das Gewinnershirt)
Design 3: 7 Stimmen
Design 4: 227 Stimmen (dieses hat die meisten Stimmen)
Design 5: 182 Stimmen
Design 6: 162 Stimmen
Instagram:
Design 1: 416 Likes
Design 2: 205 Likes
Design 3: 60 Likes
Design 4: 417 Likes (hat auch hier sehr knapp die meisten Stimmen)
Design 5: 416 Likes
Design 6: 215 Likes
Zählen wir zusammen:
Design 1: 573
Design 2: 352 (auch insgesamt auf dem vorletzten Platz)
Design 3: 67
Design 4: 644 (insgesamt gewinnt also deutlich dieses Design)
Design 5: 598
Design 6: 377
Twitter habe ich nicht ausgewertet, da die Like-Zahlen dort äußerst gering sind, aber dort hatte Design 4 ebenfalls mit Abstand die meisten Stimmen, zudem war Twitter kein Teil der ursprünglichen Wettbewerbsausschreibung.
Niedlich übrigens auch, dass einer der Kommentatoren auf Facebook angesichts dieser eher niedrigen Zahlen ernsthaft über »Probleme mit gekauften Likes« redet – angesichts der Größe der Veranstaltung sind die Teilnehmerzahlen an den beiden Votings auf Facebook und Instagram eher gering, die auf Twitter zu vernachlässigen.
Und auch der Community wird im Prinzip unterstellt, dass sie nach Nasenfaktor abstimmt und deswegen die arme, kleine Designerin aus der Ukraine benachteiligt wird – was ich ebenfalls grundsätzlich für abwegig halte, denn außer den Namen der Designer wusste man nichts über diese. Und dennoch meint man, dass irgend jemand allein durch ein angeblich manipuliertes Abstimmungsergebnis benachteiligt wird und keine »Chancengleichheit« besteht – ich kann angesichts der oben genannten Zahlen objektiv nichts dergleichen erkennen. Benachteiligt wird jetzt genau einer, nämlich der Designer des Gewinnershirts durch die Ausrichter der Abstimmung. Da hilft es auch nicht, wenn man darauf hinweist, dass die beiden Höchstplatzierten ebenfalls gedruckt werden und jeweils ein Preisgeld erhalten, von dem am Anfang nie die Rede war (der erste Platz war mit 1000 Euro und weiteren Gimmicks dotiert). Für mich macht das erneut den Eindruck, dass man im Verlag einen Favoriten hatte und den unbedingt durchdrücken will, den eigentlichen Gewinner möchte man mit einem schnell ausgelobten Geldpreis ruhig stellen.
Die sozialen Medien basieren auf Likes und Teilen, beide sollen Sichtbarkeit erzeugen, das ist die zentrale Funktionsweise – aus exakt diesem Grund wurde der Wettbewerb letztlich ausgelobt: um darüber Sichtbarkeit für die Präsenzen der Veranstalter auf Facebook und Instagram zu erzeugen – man sollte sich dann nicht verwundert darüber zeigen, dass das tatsächlich funktioniert. Genau diese Sichtbarkeit ist passiert und keinesfalls in merkwürdigem Maßstab und ganz sicher ohne die »Ausnutzung« irgendwelcher »Algorithmen«, wie in offensichtlicher Unkenntnis der Mechanismen dieser sozialen Medien unterstellt wird. Die Verantwortlichen sollten zudem nicht darüber verwundert sein, dass ein Großteil der Abstimmenden und Teilenden bei einer Veranstaltung auf deutschem Boden auch aus diesem Land kommen. Und man sollte den Abstimmenden auch einfach mal zugestehen, dass man schlicht für das Motiv votiert, das einem am Besten gefällt, so wie auch in meinem Fall, statt Benachteiligung von Nicht-Deutschen zu unterstellen, was ich – offen gesagt – für eine Frechheit halte. Und was ist eigentlich mit dem weit abgeschlagenen Design drei? Müsste das nicht nach dem Narrativ der Veranstalter noch weitaus mehr benachteiligt worden sein? Warum nur das vorletzte? Da über die Designer nicht mehr bekannt war, als die Namen, ist die Aussage, dass eine Teilnehmerin deswegen diskriminiert wurde, weil sie aus der Ukraine kommt, ohnehin lächerlich. Hier wurde meiner Ansicht nach keineswegs »Chancengleichheit hergestellt«, sondern ganz im Gegenteil, anderen Einreichenden wurden ihre Chancen genommen.
Was bleibt ist für mich die Enttäuschung über dieses Verhalten, sei es nun weil ein Design durchgedrückt werden sollte, oder weil man sich mit dem Medium nicht auskennt. Das hat den ersten positiven Eindruck über den Auftritt der Veranstalter der Spiel für mich sofort wieder zunichte gemacht – die müssen meiner Ansicht auch hier noch eine Menge lernen.
Übrigens hätte es eine Vorgehensweise mit Fingerspitzengefühl gegeben, die alle zufrieden gestellt hätte:
Das Shirt mit den meisten Stimmen wäre zum Gewinner gekürt worden. Gleichzeitig hätten die Veranstalter angegeben, dass das Shirt auf dem vorletzten Platz den Verantwortlichen so gut gefallen hat, dass man es ebenfalls produzieren wird. Damit wäre die Abstimmung durch die Community valide geblieben, es hätte keine falschen Schuldzuweisungen in Sachen Manipulation geben müssen und die Veranstalter hätten ihr Lieblingsshirt dennoch gehabt.
Nachtrag (der Artikel bis hierher wurde gestern verfasst): Inzwischen gab es auf Facebook weitere Reaktionen der Veranstalter, die weiterhin äußerst hilflos wirken. Auf die Hinweise hin antwortet man:
Wir haben niemandem Manipulation vorgeworfen, sondern begründet, warum es dieses Shirt und kein anderes geworden ist. Im übrigen geht das auch total konform mit unseren Teilnahmebedingungen. Nachzulesen auf unserer Homepage. Da steht nämlich wortwörtlich, dass Likes und Kommentare für UNSERE Entscheidung eine Rolle spielen. Und ja, wir haben entschieden und eure Likes und Kommentare in diese Entscheidung einbezogen. Und wir haben uns sehr gefreut, dass es allgemein ein großes Feedback gab. Da steht aber nicht, dass diese Likes und Kommentare ALLEIN Ausschlag gebend sind. Eigentlich sollte nur ein Preis mit Preisgeld vergeben werden. Nun sind es drei Preise mit drei Preisgeldern geworden. Und darüber könnte man sich vielleicht auch freuen. Für die Künstler und die Besucher, die hoffentlich viel Spaß mit ganz unterschiedlichen Shirts haben werden. Noch einmal ganz ganz herzlichen Dank an alle, die sich engagiert haben. Die Künstler und die Fans. Ihr seid großartig!
Ich möchte einen Satz von oben wiederholen:
Den Verlauf der Abstimmung haben wir natürlich ganz genau beobachtet und dabei festgestellt, dass einige Teilnehmer alles dafür getan haben, um das Meiste aus den Algorithmen herauszuholen.
Wenn das nicht ein Vorwurf der Manipulation ist, was ist es dann? Weiterhin muss man sich fragen, warum man die Bedingungen eines Wettbewerbs auf irgendeiner Homepage nachlesen soll, statt auf den Medien wo er ausgerichtet wurde? Und warum nennt man das Ganze »Community Design Contest«, wenn am Ende doch nicht die Community den Ausgang entscheidet, sondern einzig und allein der Veranstalter? Und freuen könnte man sich dann, wenn die Community und die Stimmenzahlen für die Künstler nicht vollständig ignoriert werden würden. Das alles ist in meinen Augen keine »Begründung« sondern ein Beharren. Und erneut der Hinweis auf weitere Preisgelder, der allerdings am Kern der Kritik völlig vorbei geht.
Konkret steht auf der Webseite zum Contest In Sachen Durchführung folgendes:
[5] Wie wird der Siegerentwurf ausgewählt?
Aus den bis zum 31. Juli 2019 eingesendeten Designs werden vom Friedhelm Merz Verlag 5 ausgewählt und kommen in die engere Auswahl.
Diese Auswahl wird bis zum 10. August 2019 auf der Facebookseite, dem Twitteraccount und dem Instagramaccount der Internationalen Spieltage SPIEL präsentiert.
Für die Entscheidung des Friedhelm Merz Verlages spielen neben der Anzahl der „Likes“ auch die Kommentare auf Facebook und Instagram eine entscheidende Rolle.
Da steht allerdings nicht, dass die Likezahlen ignoriert werden. Die Art und Weise der Durchführung musste in meinen Augen zwingend so verstanden werden, dass die Stimmen der Community den Ausschlag für die Entscheidung geben. Der Merz-Verlag legt das jetzt so aus, dass sie aufgrund der Bedingungen ohnehin jedes Design hätten auswählen können. Ich wiederhole mich: In dem Fall hätte man sich die Umfrage allerdings gleich sparen können.
Ich halte die konstruiert wirkenden Ausreden der Veranstalter nach wie vor für fragwürdig und unredlich. Das alles wirkt für mich immer mehr so, als habe man in Sachen Social Media schwer daneben gegriffen, hatte ohnehin ein Favoritendesign, das es unbedingt werden sollte, und versuche nun, diese einsame Entscheidung mit hilflosen Scheinbegründungen zu kaschieren.
Alles sehr schade.
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