Kommentar: Das FAZ-Feuilleton und der vermoderte Elfenbeinturm

Wer heu­te die Web­sei­te der FAZ auf­sucht, der konn­te dort einen Feuil­le­ton-Arti­kel mit dem Titel »Fehlt nur noch eine Hüpf­burg« fin­den, der von pseu­do-intel­lek­tu­el­ler Arro­ganz nur so strotzt. Schon der Tea­ser haut dem Leser die Mei­nung des Ver­fas­sers in deut­li­chen Wor­ten um die Ohren:

Die Buch­mes­se wird lang­sam, aber sicher zur Spiel­zeug­mes­se: In Frank­furt sah man ein Fanal des­sen, was pas­siert, wenn eine markt­hö­ri­ge Bran­che ihren Kern ver­leug­net und sich infantilisiert.

»Infan­ti­li­siert« – ah ja … In die­sem Tenor geht es wei­ter, wenn sich der Autor des Arti­kels über jün­ge­re Fans und bunt­haa­ri­ge Cos­play­er aus­lässt, als sei­en die der Unter­gang des lite­ra­ri­schen Abend­lan­des. Wem das noch nicht genug ist, der kann im wei­te­ren Ver­lauf des Trak­tats in her­ab­las­send wir­ken­den Wor­ten erfah­ren, dass es auch eine Neu­auf­la­ge zum HOBBIT gibt, um des­sen Prä­sen­ta­ti­on sich die oben genann­ten Bunt­haa­ri­gen und zudem Kin­der mit Zau­ber­um­hän­gen sam­meln. Sho­cking! »Es fehlt nur noch eine Hüpf­burg« lau­tet eine Quint­essenz Ralf Jan Wie­les, bevor er dann beginnt, sich in Vor­ur­tei­len über Self­pu­blis­her und deren vor­geb­li­che Ama­teur­haf­tig­keit zu erge­hen, am Ran­de wer­den fast ver­steckt eRea­der als »Spiel­kon­so­len« abgekanzelt.

Die­se Erden­men­schen las­sen sich den letz­ten Mist andrehen

Der gesam­te Arti­kel atmet einen ange­staub­ten Kul­tur­chau­vi­nis­mus und eine Arro­ganz von ver­meint­li­chen und vor allem selbst­er­nann­ten Kul­tur­wäch­tern in den Feuil­le­tons und ähn­li­chen Ghet­tos, beschwört den Irr­glau­ben, dass Lite­ra­tur gefäl­ligst eine eli­tä­re Beschäf­ti­gung für stu­dier­te Ahnung­ha­ber zu blei­ben hat, statt sich einem jun­gen Publi­kum zu öff­nen und auch Pop­kul­tur nicht nur zuzu­las­sen, son­dern sich ihr mit offe­nen Armen zu nähern, um nicht in einer ver­las­se­nen, längst ver­ges­se­nen Ecke still­schwei­gend und unbe­ach­tet zu ver­schei­den. Dabei wird der Bran­che in pam­pi­gem Ton vor­ge­hal­ten, dass sie sich an popu­lä­re Medi­en hängt, gar Cross­me­dia­les zulässt, statt sich, wie es sich laut der Mei­nung des Ver­fas­sers offen­bar gehört, auf das Ver­le­gen von unto­tem Holz mit toten Wör­tern zu beschrän­ken. Und da selbst­ver­ständ­lich nur lite­ra­risch vor­geb­lich »Hoch­wer­ti­ges« und Anspruchs­vol­les, wie den fünf­hun­derts­ten Roman über irgend­ei­nen poli­ti­schen moti­vier­ten Exo­dus oder eine Abhand­lung über die Ver­fol­gung les­bi­scher usbe­ki­scher Non­nen. Ohne geis­ti­ge Hüpfburgen.

Von Sach­kennt­nis ist der Arti­kel übri­gens nicht wirk­lich getrübt, weder kennt sich der Autor mit grund­le­gen­den Fak­ten zum HOBBIT oder dem HERR DER RINGE aus, noch weiß er, dass Droemer – und damit neo­books, das nennt er fälsch­lich »Neo Book« – wie ePu­bli zur Holtz­brinck-Grup­pe gehört. @cynx und @nothorse schrei­ben dazu auf Twitter:

Muss man die­se ver­zwei­felt intel­lek­tu­ell wir­ken­de Welt­fern­heit in ihrer uner­träg­li­chen Arro­ganz eigent­lich ernst neh­men? Wohl kaum. Las­sen wir die Feuil­le­to­nis­ten in ihren Elfen­bein­tür­men mit den lite­ra­ri­schen Spinn­we­ben und dem Anspruchs­schim­mel kämp­fen, wäh­rend sie von da oben einen ein­sa­men Blick auf das bun­te Trei­ben zu Füßen ihres mod­ri­gen Habi­tats wer­fen. Und freu­en wir uns dar­über, dass man sich als moder­ner, viel­fäl­tig inter­es­sier­ter Mensch von sol­chen Eng­stir­nig­kei­ten nicht beein­flus­sen las­sen muss – und es in den Wei­ten des Webs deut­lich inter­es­san­te­re, bun­te­re und pro­gres­si­ve­re Orte gibt, als die ver­dorr­ten und wei­test­ge­hend ver­wais­ten Reser­va­te der Feuil­le­tons. Wer­fen wir ihnen hin und wie­der ein wenig Pop­kul­tur-Fut­ter hoch, in das sie sich ver­bei­ßen kön­nen, damit wir ansons­ten Ruhe vor den Anspruchs-Feti­schis­ten haben.

Und wenn sie sich der­einst gelang­weilt oder ver­einsamt aus ihren Elfen­bein­tür­men stür­zen, zie­hen wir die Hüpf­burg weg, okay? :o)

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Bild »Hüpf­burg« von Peter Guge­rell, aus der Wiki­pe­dia, gemein­frei