Das ist doch gar kein Steampunk!
Es ist verblüffend, dass man nach all den Jahren, die es das Genre Steampunk jetzt in Deutschland bereits gibt, tatsächlich nochmal was zum Thema Elitismus und Deutungshoheit schreiben muss.
Seit Jahren vertrete ich zum einen die Meinung, dass Steampunk das ist, was Spaß macht. Und dazu gehören eben auch Nerf-farbene Steampunks und zahllose weitere Ausprägungen des Genres, wie Steampunk Darth Vaders, Steampunk-Piraten oder Steampunk-Endzeit. Denn auch wenn sich das Genre an einer gewissen Ästhetik orientiert, dann gibt es eben keine festen Regeln. Steampunk kann auch 10000 Jahre in der Zukunft spielen und man kann, soll und darf die Ästhetik auch abwandeln oder erweitern, das Genre ist alles andere als statisch. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, zu versuchen, das zu regulieren und der Versuch eine Deutungshoheit an sich zu reißen und bestimmen zu wollen, was Steampunk ist – allein das widerspricht schon der Steampunk-Idee. Anything goes.
Zum anderen haben mir die vergangenen 40 Jahre in den verschiedenen Fandoms eins ganz klar gezeigt: Es ist befruchtend und erzeugt Synergien, wenn sich die Genres ordentlich durchmischen. Veranstaltungen, bei denen man zahllose Fandoms und Fan-Ausprägungen findet, sind in aller Regel viel geiler, als Einzelthema-Events. Klingt komisch, ist aber so. Zum einen tauschen sich die Ausstellenden und Protagonisten untereinander aus, üblicherweise haben alle Respekt vor den Hobbies der anderen (es gibt die üblichen Ausnahmen von der Regel, aber die haben kein Hobby, sondern eher eine Religion, die kann man nicht ernst nehmen) und den Besuchern dieser Veranstaltungen wird einfach so sehr viel mehr geboten, als wenn es nur um ein Thema geht.
Deswegen ist es an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, wenn jetzt wieder mal gewisse Kräfte in der deutschen Steampunk-Szene versuchen festzulegen, was Steampunk eigentlich ist – oder vielmehr, was Steampunk angeblich nicht ist. Oder wenn versucht wird, andere Genres kategorisch auszuschließen. Ich beobachte das zum einen mit viel Belustigung, denn allein aufgrund der Heterogenität der Szene ist das zum Scheitern verurteilt. Zum anderen frage ich mich, welche Befriedigung solche Personen daraus ziehen mögen? Macht durch Deutungshoheit? Netter Versuch. Wird nicht klappen. Und wer das versucht, der macht sich kurzfristig und auf Dauer schlichtweg zum Vollhorst, denn es gibt nun mal kein Regelwerk »So und nicht anders ist Steampunk«. Wer »das ist kein Steampunk« sagt, ist kein Steampunk.
Falls euch jemand erläutern möchte, was Steampunk nicht ist, dann rate ich: Freundlich lächeln, euch euren Teil denken und weiterziehen. Solche Personen haben nicht verstanden, was Steampunk ausmacht, und vor allem nicht, wo der Punk im Namen herkommt. Macht, woran ihr Spaß habt und lasst euch nicht von selbsternannten A‑Päpsten und Elitisten euer Hobby vorschreiben. Oder vermiesen.